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Hareth Ben Hemmam erzählt:
Seit meine Wange sich bräunte, und meine Mannheit blühte, – stand immer dahin meine Gemüte, – durch Wüsten zu fahren – auf Rücken von Dromedaren, – Bergkämme zu überklimmen, – durch Thalwindungen mich hinzukrümmen, – bis durchforscht war Gebahntes und Ungebahntes – und gesehen Geahntes und Ungeahntes, – kennen gelernt alle Furten und Tränken, – Straßen, Herbergen und Schenken, – bis die Hufe bluteten – und die Schweißlöcher fluteten, – die Renner und die Trager – müde waren und mager. – Als ich nun der Landreis' überdrüssig war – und ein Geschäft mich rief nach Sohar,Sohar, eine Handelsstadt auf der Küste von Oman. – dacht' ich das Meer zu wählen, – mein Heil dem schwebenden Schiff zu empfehlen. – Ich gesellte mir zu den Futtersack, – trug zu Schiffe meinen Pack, – stieg ein mit Vorsicht – und empfahl mich der himmlischen Vorsicht – mit Gebet und frommem Gelübd, – wie ein Mann, den seine Sünde betrübt. – Doch als im Schiff alles bereit nun war – zur Fahrt und zur Fahr, – hörten wir her vom Ufer – durch die finstere Nacht einen Rufer: – O ihr Herren vom starken Schiffe, – das schwebet über des Meeres Riffe, – durch die Weisheit des Allweisen! – wollt ihr nicht den Pfad euch lassen weisen, – daß ihr gelanget zum Hafen, – geborgen vor den Strafen? – Wir riefen: Zeig uns deinen Feuerbrand,Ein Zeichen der Leitung und Zurechtweisung. – reich uns deine Führerhand! – Er rief: Wollt ihr euch bequemen, – einen Sohn des Weges aufzunehmen, – dessen Tasche leer ist, – dessen Schatten nicht schwer ist,Dessen Nähe nicht belästigt. – dessen einziges Begehr ist, – daß er sein Haupt niederlege – irgend, wo es euch nicht ist im Wege? – Da lenkten wir ihm zu und nahmen – ihn auf in Gottes Namen. – Und als er nun betreten die Bretter, – sprach er: Ich flüchte zum Helfer, zum Retter, – vor des Todes Wind und vor des Verderbens Wetter. – Wir wissen aus der heiligen Geschichte, – aus der Glaubensväter Berichte: – Gleichwie Gott der höchste wollte, – daß ein Unwissender lernen sollte, – also hat er auch gewollt, – daß ein Wissender lehren sollt'. – Ich aber weiß einen Segenspruch, – gezogen aus dem heiligen Buch, – einen Rat, – bewährt durch die That, – ihn euch vorzuenthalten wäre Verrat; wenn ihr ihn höret und merket, – seid ihr gegen Furcht gestärket. – Dann schwieg er eine Frist, und dann mit lauter Stimme – rief er wie im Grimme: – Wißt ihr, was das ist? – Das ist der Hort der Reisenden, – der Meeresflut-Durchkreisenden, – vor jeder Gefahr ein Schutz, – gegen jeden Sturm ein Trutz; – durch ihn war Noah wohlbehut – am Tage der Flut – und das ganze Heer der Lebendigen, – wie uns des Korans ZeichenDie Verse des Korans werden Zeichen genannt. verständigen. – Drauf stimmt' er in höherem Chor an – und sprach den Vers aus dem Koran, – mit der Stimme des Gebetes: – »Steiget ein! in Gottes Namen steht es und geht es.«Nämlich das Schiff oder die Arche Noahs; ein bewunderter Koranvers. Aus solche Weise werden allerlei Fetzen dieses Buches, die man mehr oder minder passend anwendet und deutet, mit buntem Redeprunk verbrämt und schriftlich oder mündlich als Bann- und Schutzformeln gebraucht. Unser Mann aber führt hier diese geistliche Posse, die zwar die müßigen Hörer erbaut, aber dann bei eintretender Gefahr gar nicht weiter in Betrachtung kommt, er führt sie nur wie zu einer eigenen Unterhaltung auf, gleichsam als eine Übung in seiner Kunst, oder als Vorspiel zu dem wichtigeren Beschwörungsakt, der weiterhin den eigentlichen Inhalt dieser Makame ausmacht. – Dann seuft' er einen Seufzer wie ein Verliebter, – oder wie ein in Gott Betrübter – und sprach: Ich habe nun überliefert die Sendung, – bei euch steht die Nutzanwendung, – und ich nehme Gott zum Zeugen gegen eure Verblendung.Eine Nachäffung des im Koran in mannigfaltigen Wendungen Wiederholten: daß der Prophet seine Schuldigkeit gethan habe, die ihm anvertraute Sendung oder Mahnung zu überliefern, und für deren Nichtannahme nicht verantwortlich sei. – Und (fuhr Hareth Ben Hemmam fort) – uns erstaunte seiner Wohlredenheit Wort, – und mit ehrfurchtsvollem Herzpochen – sprachen wir den Vers nach, wie er ihn gesprochen; – worauf wir, furchtbeschwichtigt, – alles glaubten berichtigt – und uns hielten so sicher in unserm Boote, – wie die Kicher in ihrer Schote. – Mir aber war es bei seiner Stimme Laut, – als hätt' ich schon einst sein Antlitz geschaut; – ich sprach: Bei dem, der das Trockne beherrscht und das Feuchte! – bist du nicht Abu Seid, die serugische Leuchte? – Er sprach: Ja, der Morgen – bleibt der Welt nicht verborgen. – Da pries ich glücklich die weite Reise, – die mich vereint mit dem edlen Reise, – und entdeckte mich ihm gleicherweise. – Wir ließen das Schiff nun schweben, – das Meer blieb eben, – die Luft ohne Beben – und herrlich und in Freuden unser Leben. – Ich war ihm so hold, – wie ein Reicher seinem Gold, – und sah mit Lust sein Angesicht, – wie ein dem Kerker Entsprungener das Licht. – Sein Wort war mir Erquickung, – daß ich vergaß jeder Schickung,– und hangend am Zauber seiner Lippen, – dacht' ich nicht an Sturm und Klippen. – Bis plötzlich der Himmel wollte, – daß ein Donner rollte – und ein Südwind stürmte, – der Wolken und Wogen türmte. – Wir vergaßen im Munde den Bissen Brot, – von jeder Seite klopfte ans Schiff der Tod. – Da erschien uns, wie ein Heiland – in der Not, ein Eiland; – dem beschlossen wir zuzulaufen, – vorm Schnaufen des Sturms dort auszuschnaufen. – Und da lagen wir in verlassener Bucht, – harrend, mit unsers Schiffleins Wucht. – Doch lange blieb der Wind verkehrt, – und der Reisevorrat war aufgezehrt. – Da sprach Abu Seid zu mir: das Lungern – führt zum Verhungern; – Früchte sammelt man auf den Zweigen: – willst du mit mir zu Lande steigen, – ob sich uns mög' ein Glückstern zeigen? – Ich sprach: Wie dein Schatten schweb' ich an dir, – wie deine Sohle kleb' ich an dir. – Da sprangen wir miteinander – ans Land als wie zwei Panther, – mit frischem Mut und welkem Magen, – um eine Beute uns aufzujagen. – Wir durchschnoberten alle Ecken – und durchstoberten alle Hecken, – bis wir standen vor einem hohen Schloß, – mit ehernen Pforten, weit und groß, – davor ein stattlicher Bediententroß. – Wir wendeten zu ihnen uns heiter, – glaubten gefunden zum Baum eine Leiter – und hofften für uns gewonnen – einen Eimer zu dem Bronnen. – Aber wir sahn an ihnen – der Bekümmernis Mienen, – wie Schafe, denen des Wolfes Klau' im Felle war. – Wir sprachen: O du Dienerschar! – woher ist dieser Kummer? – Doch sie starrten wie im Schlummer, – und keiner gab mehr Antwort als ein Stummer. – So war uns das Feuer als Irrlicht geschwunden, – und wir hatten statt Wassers Dampf gefunden. – Wir sprachen: Schwarz werde das Angesicht – dem kargen Wicht – und dem selber, der ihn um Huld anspricht! – Aber da trat hervor – einer aus dem Chor, – von Jahren gebeugt, – von Zähren feucht, – und sprach: O wollet uns nicht fluchen, – nicht mit Leid uns noch mehr heimsuchen. – Wir haben vollauf genug an dem Gram, – durch den uns die Lust zu reden verkam. – Abu Seid sprach zu ihm: Hauch aus, was dich enget, – sprich aus, was dich dränget. – Ich bin ein Arzt, der alles heilt – und jeder Krankheit einen Namen erteilt. – Jener sprach: Der Herr dieses Schlosses – und Gebieter dieses Dienertrosses – ist der glänzende Himmelspol, – um den sich dreht dieser Insel Wohl. – Er ist dieses Schachbrettes König, – dem wir als Läufer und Springer sind frönig; – nur daß er selber nimmer kummerfronlos war, – weil er immer sohnlos war. – Er bestellte aufs beste sein Frauengemach – und ließ nicht mit frommen Gelübden nach; – bis es nun hieß: Es wird dir ein Sprößling, – von der schönsten Palme des Harems ein Palmenschößling. – Da ward kein Opferbrauch verfehlt, – Tag' und Monate wurden gezählt; – und als es nun an der Zeit war, – Wieg' und Wickelband bereit war – und man hoffte, daß ihrer Hoffnung Bürde – die Trägerin erledigt würde; – da verließen uns des Himmels Gnaden, – sie kann sich der Bürde nicht entladen, – wir fürchten, Kalb und Kuh nimmt Schaden. – Seitdem hat keiner den Schlaf geschmeckt, – und die Tafeln werden umsonst gedeckt. – Da brach er aus in Thränen und in Gewinsel – und erfüllte mit Anrufungen Gottes die Insel. – Doch Abu Seid sprach: Gieb dich zufrieden. – ein Gruß des Heils ist euch beschieden: – ich bring' ein Angebinde, – das hilft jeder Mutter von ihrem Kinde. – Da rannten die Diener zu ihrem Herrn – und brachten ihm Kunde vom aufgegangenen Stern. – Und wie man umkehrt die Hand, – kam ein Herold gerannt, – in das Schloß uns einzuführen, – und wir traten in die Thüren. – Da rief der Herr dem Abu Seid entgegen: – Gottes Segen auf deinen Wegen – und all mein Gut – in deine Hut, – wenn dein Wort nicht lügt, – und dein Hort nicht trügt! – Fertige uns deine Zauberschrift! – Da forderte Abu Seid einen Schreibestift – und von Meerschaum eine feine Scheibe, – berührt von keinem unreinen Weibe, – auch aufgelösten Saferan; – alles das bracht' ihm ein Sklav' heran. – Da neigte er sich zu Bodem, – zog in Demut an den Odem, – dann haucht' er einen Seufzerstrom – zum Himmelsdom, – drauf ergriff er den Stift, und ich sah ihn schreiben – mit Safrantinten auf Meerschaumscheiben:
Ungeborner! laß dir Gutes raten; Guter Rat ist eines Gläub'gen Pflicht. Wohlgeborgen bist du, wohlberaten, Hinterm Schlosse, das kein Mensch erbricht. Was du thust, kein Lauscher kann's erraten; Wo du schläfst, da wacht kein Bösewicht. Nicht von Freunden siehst du dich verraten, Und dich schreckt kein Feindesangesicht. Willst du doch nicht unsrer Welt entraten? Willst du sehn der Sonne falsches Licht? Bleib! es möchte dir nicht wohlgeraten; Gieb nicht Wirklichkeit hin für Gedicht! Nun, dein Bestes hab' ich dir geraten; Doch ich wette drauf, du thust es nicht. |
Darauf zerrieb er das Beschriebene, – spuckte dreimal aufs Zerriebene, – drehte daraus ein Klümpchen – und wickelte es in ein Lümpchen,– worauf er sprengte Ambradüfte – und befahl, an die Hüfte – es zu hängen der Kreißenden – im Namen des ewig zu Preisenden. – Da währte es nicht eines Trinkers Zug, – nicht eines Pulses Flug, – nicht einen Blitz der Gedanken, – da brach das Kind aus den Schranken – durch des Meerschaums Eigenschaft – und durch des Allbarmherzigen Kraft. – Das ganze Gebäude – geriet in Freude, – daß vor Lust die Leute wankten – und die Pfeiler schwankten. – Sie umringten den Abu Seid, – den Retter aus Leid, – stritten sich um seine Hand – und rissen sich um sein Gewand. – So verehrten sie ihn, – daß es mir schien, – er sei der Karanide Oweis – oder der Asadide Dobeis. – Dann ward ihm aus Hab' und Wohnung – solche Gab' und Lohnung, – daß Genüge ihm war beschert – und seines Wunsches Antlitz verklärt. – Und nie ging ihm aus diese Einkunft, – seit dem Tage der Niederkunft, – bis daß nun ruhig das Meer ward – und rätlich für uns die Weiterfahrt. – Da es nun sollte gehn nach Oman, – sah Abu Seid der Gaben Strom an, – und es schien ihm für einmal genug, – er schickte sich an mit uns zum Zug. – Aber der Herr wollt' es ihm nicht erlauben, – er wollte seinem Hause nicht lassen den Segen rauben; – er sollte bei ihm bleiben an Freundes Platz, – mit einer freien Hand in seinem Schatz. – Da sah ich wohl, wie er sich neigte – zur schönen Aussicht, die sich ihm zeigte, – und ich verwies ihm den Wankelmut, – daß er wollte um Geld und Gut – aufgeben seine Genossen – und die Rückkehr ins Land, dem er entsprossen. – Doch er sprach im Grimm:– Laß ab von mir und vernimm:
Ein Thor, wer nach der Heimat strebt, Wo er verbannt, verachtet lebt. Verlasse du ein Land, wo sich Das Flache über Berg' erhebt. Erniedrige dich selbst nicht dort, Wo nur dein Fuß im Kote klebt. Durchzieh die Welt! dein Vaterland Ist da, wo dir das Herz nicht bebt. Schad' um den Wunsch, der heimwärts zieht, Schad' um den Seufzer, der entschwebt! Du weißt es, daß im Vaterland Der Edle niemals Ehr' erlebt, Der Perle gleich, wenn sie im Haus Der Muschel ihren Wert vergräbt. |
Dann sprach er: Du weißt genug; – thue danach, so bist du klug. – Da gestand ich meine Schuld – und bat um seine Huld. – Doch er entschuldigte mich – und entschuldigte sich; – dann gab er mir noch Reisezehrung, – und versagte mir auch nicht des Geleites Gewährung, – mich führend, wie ein lieber Verwandter thut, – bis das Schiff mich nahm in seine Hut. – Doch der Abschied von ihm war mir ungelind, – ich verwünschte die Mutter samt dem Kind.