Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Hareth Ben Hemmam erzählt:
Als meine Jugend stand im Saft, – mein Wuchs war wie der Lanze Schaft – und antilopengleich meiner Läufe Kraft; – führten die wechselnden Wanderpfade – mich einst nach Saade.Elsada, eine Hauptstadt in Jemen, 60 Parasangen von Sana. – Und als ich mich ergötzt an ihrer Au – und mich geletzt an ihrem Tau, – erkundigte ich mich bei den kundigen Kennern – nach irgend einem Ausbund von Männern, – der ein Edelstein wäre von reiner Glut – und ein Schacht von Edelmut, – daß er mir in Bedrängnis dienen möchte zum Horte – und gegen drohendes Verhängnis zum Porte. – Da ward mir gepriesen – und angewiesen – ein Kadi des Orts, dessen Erbschaft Adel – und dessen Erwerbschaft war Untadel, – ein TemimerTemim, ein edler und um seinen Edelmut gepriesener Volksstamm. wie von Geblüte – so von Gemüte. – Da säumte ich nicht, mich mit ihm zu verbinden; – und versäumte nichts, um ihn mir zu verbinden; – und so durch meiner Dienste Emsigkeit, – wie durch meiner Besuche SeltenheitDen Freund nicht so oft zu besuchen, ist eine den Arabern sehr geläufige Klugheitsmaxime. – sucht' ich ihm mich zu machen so unentbehrlich – als unbeschwerlich; – bis ich ward der Schatten seiner Säle – und das Echo seiner Seele, – der Gesellmann seines Schmauses – und der Selman seines Hauses.Selmanu beitihi, der Selman seines Hauses, eine sprichwörtliche Bezeichnung für vertrautester Freund. Selman, der Perser, von Ramahormus, kam zu Mohammed und bekehrte sich zum Islam, im ersten Jahre der Hedschra. In der Überlieferung heißt es: Der Prophet sprach: Ich bin der Vorgänger der Araber zum Paradies, und Selman der Vorgänger der Perser. Desgleichen: Gott geruht bei Selmans Geruhn und zürnt bei seinem Zürnen. Und wieder: das Paradies ist sehnsüchtiger nach Selman, als Selman nach dem Paradies. – Er starb in Madain, im Jahre 36 der Hedschra. – Während nun mein Gaumen süß war von seinem Bienenstock – und mein Geruch gewürzt von seinem Blumenstock, – pflegte ich beizuwohnen den Parteienzwisten – und zu vermitteln zwischen Moslemen, Juden und Christen. – Als der Kadi nun saß und der Geschäfte pflag – an einem drangvollen, gedrängvollen Gerichtstag, – trat auf ein Scheich mit dürftigem Gefieder, – dem zu zittern schienen die Glieder; – der, nachdem er die gedrängten Haufen – hatte mit WechslerblickenPrüfend, ob, wo und wie für ihn hier ein Geschäft zu machen sei. durchlaufen, – äußerte gegen den Kadi, es folg' ihm ein Gegner, – ein verstockter, verwegner. – Und es währte keinen Augenblick, – keinen Wimpernick, – da trat herein mit stolzem Genick – ein Bürschchen gleich einem Hirsche, – zart von Flaum wie eine Pfirsche. – Und der Scheich sprach: Gottes Macht stütze – den Richter, daß er das Recht schütze. – Hier, mein Pflegesohn, ist ein stöckiges Pferd, – ein eingestocktes Schwert, – ein Bogen, ein unbiegsamer, – ein Zögling, ein unfügsamer, – ein Schreibekiel, ein knarriger – und scharriger, – ein störriger Bursch und starriger, – starrsinniger, trotzköpfiger, hartnäckiger, halsstarriger, – mir unwillfährig und fahrig, – widerspenstig und widerhaarig. – All seine Art ist Unart – und jede seine Fahrt eine Unfahrt; – Widerwart ist sein Kleid – und Widerpart sein Geschmeid, – mein Verdruß ist sein Genuß und meine Lust sein Leid. – Wenn ich vor will, hüfet er, – wenn ich befehle, prüfet er;Den Befehl, statt ihm zu gehorchen. – was ich eingebe, stößt er aus, – was ich anblase, bläst er aus; – was ich rate, steckt er in die löcherichte Tasche, – was ich brate, wirft er mir in die Asche. – Und ich hab' ihn gezogen und gepflogen doch, – von dem an, da er auf den vieren kroch, – bis nun er fliegt in den Lüften hoch, – und war ihm mit früher und spater – Vorsorg' und Fürsorg' ein Rater und ein Vater. – Dem Kadi schien die Klage schwer, – er blickt' im Kreise seiner Leut'Der Amtsgehilfen und Gerichtsdiener, die den Kadi umgeben. umher, – und sie zeigten sich erstaunt wie er. – Dann sprach er: Ich bezeuge beim höchsten Throne, – Söhne sind des Vaters Ehrenkrone; – aber Kinderlosigkeit ist minder – und Kinderverlust gelinder – als Ungehorsam der Kinder. – Kühleres AugesDas kühle Auge ist eine Bezeichnung für Lust, Befriedigung, Wohlbehagen; sein Gegensatz ist das heiße Auge, das von Krankheit oder Begierde entzündete. ist UnfrüchtigkeitMangel an Leibesfrucht. – als der Leibesfrucht Untüchtigkeit. – Da sprach der Jüngling, von dem Worte verletzt: – Bei dem, der die Richter eingesetzt – und sie zu Fug und Macht hat befugt und ermächtigt. – zu welcher Klag' ist er berechtigt? – Wenn er betete, sprach ich Amen; – wo er säte, trug ich Samen; – er streute kein Körnlein, das mein Vogel nicht klaubte,Das Herz ist ein wilder oder freier Vogel, dem man Körner streut, um ihn zu kirren oder zu fangen. – und sagte kein Wörtlein, das mein Herz nicht glaubte. – Wo er verwehrte, war ich nicht schwierig, – wo er begehrte, war ich begierig; – er deutete keinen Weg, den ich nicht ging, – und schlug keinen Funken, der bei mir nicht fing. – Nur daß er gleich den Unzufriednen – sich nicht bescheidet mit dem Beschiednen; – er sucht vom Hahne Eier – und am Kamele Flügel wie am Reiher. – Der Kadi sprach: Womit hat er dich gedrängt – und deinen Dienstgehorsam überangestrengt? – Der Jüngling sprach: Seit die Hand ihm leer ist – und der Kasten ihm nicht mehr schwer ist, – mutet er mir zu, mich auf den Bettel zu legen, – bei des Reichtums Wolken zu flehn um Regen, – um seine Vertrocknung zu wässern – und seinen Schaden zu bessern. – Und doch, als er einst mich in die Lehre nahm – und mir einflößte die Grundsätze der Sitt' und Scham, – prägte er mir ein, daß Begehrlichkeit – sei für das Gemüt eine Fährlichkeit, – das Heischen eine Beschwerlichkeit – und das Betteln eine Unehrlichkeit. – Damals gab er aus diesem seinem Munde – mit seinen Reimen mir diese Kunde:
Begnüge dich mit Kleinem und sei dankbar; Genügsamkeit vergrößert kleine Späne. Vermeide Gier. Der Geier ist verachtet, Unedel ist die fräßige Hyäne. Bewahr' des Mundes Anstand, dem es wohlsteht, Daß er sich schließ', und übel, daß er gähne;Sich aufsperre, schnappe; hiare, inhiare. Nicht schänd' um Großmutstau von fremden Händen Mit des Verlangens Wasser deine Zähne.Sich den Mund wässern lassen vor Begierde. Erniedrigst du, daß dich erheb' Erhörung, Dich erst zur Bitt'? – O bleib in deiner Pläne!In der Mitte zwischen Erhöhung und Erniedrigung. Verteid'gend deine Ehre mit des Stolzes Gefühl, als wie der Löwe seine Mähne. Drück zu dein Auge, wenn dich drin was drücket, Daß selbst dein AugenkindDie Pupille des Auges. nicht seh' die Thräne. Dein Kleid, zerrissen sei's, nur deine Ehre Sei fleckenlos wie das Gewand der Schwäne. |
Er sprach's, doch der Alte murrte, – fuhr den Sohn an und knurrte: – Schweig, Ungeratner. Du harte Stirn und steifer Rücken, – du Vaters Halswürgen und Herzdrücken. – Was? willst du deine Mutter das Gebären – und deine Amme das Säugen lehren? – Wahrlich, das Schlängelchen will an den Drachen – und das Fohlen an den Hengst sich machen. – Dann, als ob ihn gereute sein Wüten – und seine Liebe ihn triebe zu vergüten, – sah er ihn an mit dem Blicke der Zärtlichkeit – und neigte ihm zu den Fittich der Väterlichkeit, – sprechend: O weh, mein Söhnlein! Wem Genügsamkeit ist empfohlen – und Bewahrung der Ehre befohlen, – das sind die Herren vom reichen Erbe, – die Besitzer von Gewerb und Erwerbe. – Aber die nichts haben zu speisen, – denen erlauben alle Weisen, – in der Not zu brechen das Eisen. – Und wie hast du nun diese Lehre vergessen, – da du selbst einst, vom Geiste besessen, – deinem Vater zu Gemüt führtest dein Ermessen? – oder wessen sind diese Verse, wessen?Kannst du leugnen, daß sie von dir sind?
Sitze nicht im Hunger und im Kummer still, Daß die Welt sag': o welch edler Weiser! Sieh doch selber, ob ein baumentblößtes Land Besser sei als eins voll grüner Reiser! Achte die Bedenklichkeit der Thoren nicht; Dürrer Fruchtbaum ist ein kahler Speiser. Treibe dein Kamel von da, wo Durst dich plagt, Hin, wo's regnet lauter oder leiser. Flehe von der Wolken Füll', und wenn der Mund Feucht dir ward, sei er des Segens Preiser; Und versagt man, nicht entehrt Versagung dich; Alles ist gewährt selbst nicht dem Kaiser. |
Als nun der Kadi sah des Jünglings ungebührliche Zwiefalt, – zwischen seinen Worten und seinen Werken die Zwiespalt; – sah er ihn an mit Blicken vom Zorne heiß – und rief: Wie? bist du hüben schwarz und drüben weiß? – hier von Temim und dort von Keiß?Keiß Ailan, der Stammgegensatz zu Temim. Beide Stämme sind meist miteinander in Streit und Feindseligkeit. Das Sprichwort sagt also: Auf beiden Achseln tragen. –Pfui dem Manne, der eidechselt,Chamäleonisiert. – nach der Sonne Stand die Farben wechselt. – Wie zerbrichst du die Worte, die du gedrechselt. – Da sprach der Jüngling: Bei dessen Macht, – der dich den Menschen zum Schlüssel des Rechts gemacht. – mein Gedächtnis verging in der Not, – und mein Geist ward stumpf vom Mangel an Brot. – Übrigens, wo ist auch noch ein offenes Thor, – aus dem sich streckt eine offene Hand hervor? – wo lebt noch jetzt, – wen es ergötzt, wenn er letzt, – und wer sich glücklich schätzt, wann er vorsetzt?Nämlich Speise einem Gaste.– Der Kadi sprach: Gemach! – dein Wind geht zu jach. – Unter der Spreu ist wohl ein Korn, – oder eine Rose ist am Dorn. – Nicht alle Sommerwolken trügen, – und nicht alle Blitze der Hoffnung lügen. – Du mußt lernen unterscheiden – und nicht absprechen unbescheiden. – Als der Scheich nun sah, – was dem edlen Kadi geschah, – wie er der Wohlthätigkeit Sache mit Eifer verteidigte – und der Angriff auf sie ihn sehr beleidigte, – dachte er sofort, wie es ihm möchte gelingen, – die temimische Großmut zu zwingen, – das Wort des Mundes mit der That der Hand zu unterstützen, – und verfehlte nicht die Zeit zu nützen, – daß er, weil es Flut war, sein Netz ausspannte – und seinen Fisch briet, weil das Feuer brannte. – So hub er an:
O Kadi, dessen Edelmut und Adel Fest gleich dem Berge Radhwa steht gegründet! In seinem Unverstand behauptet dieser, Kein Milder sei, so weit die Welt sich ründet; Und weiß nicht, daß du bist von jenem Stamme, Des Gabenfüll' als Manna sich verkündet. So gieb, daß mit dem Spunde der Beschämung Der Lügenmund des Leugners sei verspündet! Gieb, daß ich froh von deinem Antlitz gehe, Zum Loblied deiner Hilf' und Huld entzündet. |
Sprach's, und den Kadi freute sein Wort, – und er spendete ihm aus seinem Hort; – wandte sich dann zum Sohne – und sprach mit verweisendem Tone: – Siehst du nun, wie dein Vorwurf war unrecht – und deine Beschuldigung unecht? – Sei künftig nicht vorschnell zu richten und zu bezüchten, – und verwirf keinen Baum als nach geprüften Früchten. – Und hüte dich vor Widersetzlichkeit – gegen deines Vaters Unverletzlichkeit. – Wo du noch einmal wirst widerstreben, – so werd' ich, was du verdienst, dir geben. – Da schickte sich der Jüngling zur Buße – und fiel seinem Vater zu Fuße, – dann hüpfte er auf und entsprang, – und der Alte folgte ihm und sang:
Wen irgend betroffen ein Leid und ein Schade, Der möge nur kommen zum Kadi von Saade! Durch Weisheit vernichtet er alle Gewesnen, Die Künftigen alle beschämt er durch Gnade. |
Der Erzähler spricht: Mein Sinn lag in Zweifelsfalten – über den Jungen und den Alten, – so lang' ich sie hörte ihre Reden halten; – doch wie sie weg waren, ward mir's klar, – daß es der Seruger und sein Sprößling war. – Obgleich mir nun ging das Licht auf, – doch steckt' ich dem Temimer es nicht auf, – und bis zu unserer Bekanntschaft Ende – verdarb ich ihm nicht die Freude an seiner Spende.