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Hareth Ben Hemmam berichtet:
Ich fuhr von Medinet Isselam,d. i. Stadt des Friedens oder Heiles, ein Ehrenname Bagdads, die arabische Übersetzung des persischen Namens Bagdad, der Garten der Gerechtigkeit oder des Heils bedeutet. – um zu begehn die Wallfahrt des Islam. – Als nun, nach Ertragung der heiligen Beschwernisse – und Unterziehung der gesetzlichen Entbehrnisse, – wieder erlaubt waren die sinnlichen Begehrnisse, – traf der Rückzug der Pilger zusammen – mit des Sommers Entflammen. – Da gebraucht' ich die Mittel in meinem Besitze, – um mich zu schützen gegen die Mittagshitze. – Und als ich nun war unter dem Zelt von Fellen, – mit einer Gesellschaft seltener Gesellen; – als der Glutofen der Sandwüste sprühte – und das Auge des Chamäleons glühte; – da überfiel uns ein Alter in der abnehmenden Kraft, – gefolgt von einem Jungen im zunehmenden Saft. – Und der Alte that seinen Gruß wie ein gewandter Gesandter – und begann sein Gespräch wie ein alter Bekannter, – nicht wie ein fremd Hergerannter. – Uns gab Vergnügen, wie er auslegte seinen Kram, – und nahm wunder die Freiheit, die er ungegeben nahm; – wir sprachen: Wer bist du, und was ist, das du bringst? – und woher dein Eintritt, eh' du Einlaß empfingst? – Er sprach: Was ich bin, ist ein Besuch, – und was ich bring', ist ein Gesuch; – das Geheimnis meines Notstandes ist offen – und darf auf des Blickes Fürsprache hoffen. – Daß ich aber hereingetreten, – eh' ich ward hereingebeten, – das geschah nach des Sprichworts Vorgang: – daß die Thüre der Großmut ist ohne Vorhang. – Wir fragten weiter, wie er zu uns gefunden den Weg, – und was ihn gewiesen zu unserm Geheg? – Er sprach: Freigebigkeit hat einen Odem, der sich verbreitet, – einen Blumenhauch, der zu ihrem Garten leitet; – mich führte die Spur eurer Gerüche – zur Flur eurer Küche, – und der stäubende Duft eurer Balsamstaude – meldete mir die Milde, die von euch taute. – Da erkundigten wir uns nach seinem Anliegen, – dem unsre Bereitwilligkeit sich möchte anschmiegen; – er sprach: Ich komme mit einem Anspruche – und mein Sohn mit einem Ansuchen. – Wir sprachen: Beide Forderungen sollen sein berichtigt – und beide Parteien beschwichtigt; – doch dem Alter gebührt der Vortritt. – Er sprach: Ja! bei dem, auf dessen Wink die Sonn' emportritt. – Dann nahm er seinen Anlauf zum Sprechen, – wie ein Hengst, dem die Koppelstricke brechen, – und trug vor:
Ich bin ein Pilger, dessen Tier Erlegen ist den Wegbeschweren; Zum ferngesteckten Reiseziel Muß ich des Trabes hart entbehren. Und zum Ersatz ist mir von Gold Kein Senfkorn groß im Sack, dem leeren. Mein spottet die Verlegenheit, Der sich mein Rat nicht kann erwehren. Fahr' ich zu Fuß, so schreckt der Tod Mich zwischen den berittnen Heeren; Und lass' ich die Gefährten ziehn, Wird mich der Weg allein verzehren. Im Steigen ist mein Seufzen, und Im Niederströmen meine Zähren. Ihr aber seid ein Weideplatz Dem Hoffen, und ein Ziel dem Gehren. Der Aufguß eurer Mühle rinnt, Beschämend Wolken im Gewähren. Asyl ist eure Nachbarschaft, Und eure Füll' ist ohne Wehren. Noch kein Gescheuchter floh zu euch Und bebte vor des Unglücks Speeren; Noch lockt ein Wünscher euere Geschenke, dem versagt sie wären. So neigt euch meinen Kunden zu Und kehrt zum Besten meine Mären. Versuchet ihr mein Leben nur In Speis' und Trank, wie mich muß nähren, Verdrießen wird euch mein Geschick, Wie es mich schlug mit Kummerschwären. Und wenn ihr kenntet mein Geschlecht Und Recht, mein Sein und meine Ehren: Was meine Kenntnis hält umfaßt Von Wissenschaften, tiefen, hehren; Kein Zweifel blieb' euch, nur die Kunst Für meine Krankheit zu erklären. O hätte nie mich diese Kunst Gesäugt aus ihrer Brüste Meeren, Die jetzt mit Gunst mir kargt. Ja, that Mein Vater schlimm, mich das zu lehren. |
Da sprachen wir: Nun, was dich betrifft, deine Verse haben's uns erläutert, – daß dein Kamel gefallen und dein Glück gescheitert; – und du sollst uns beritten gelangen zu deinen Genossen. – Doch was ist nun das Gewerb deines Sprossen? – Da rief er: Auf Söhnchen! steh, wie dein Vater stund, – und thu deines Herzens Begehren kund, – kein Schloß sei an deinem Mund. – Da sprang der Junge, als ob ein Vorkämpfer ins Treffen springe, – und zückte eine Zunge wie eine scharfe Klinge; – so stimmt' er an:
Ihr hohen Herrn auf den Höhen, Die in Gebäuden gebieten Und die in Krieges Gefahren Mit starkem Arme befrieden; Ihr, denen Schätzeverschwendung Wie Staubverstreun gilt hienieden! Ich wünschte etwas des Guten Aus eurer Küche Gebieten, Ein Küchlein, das sie gebacken, Samt einem Lamm, das sie brieten; Und ist es das nicht, ein Süpplein Samt einem Stück, das sie sieden. Und wo nicht dieses, so sei mir Ein Brei, der sättigt, beschieden; Und fehlt's an allem, so bin ich Mit Rahm und Datteln zufrieden. Laßt mir nur reichen, was da ist, Und seien's Schnitzel und Schnieden; Die Futtersäcke zu füllen, Die längst des Inhalts entrieten; Weil ohne Zehrung die Weisen Die weite Fahrt mir verbieten. O ihr, die besten Beschützer, Davor je Schützlinge knieten, Die vollsten Hände der Wohlthat, Die je den Mangel berieten; Nie von des Gebens Gewohnheit Sei eure Rechte gemieden! Was ich erbitt', ist ein Kleines In eurer Milde Gebieten. Und Lohn auch hab' ich für Edle, Wo sie von Kummer mich schieden: Erlesne Keime der Reime, Beschämend alle Kassiden. |
Hareth Ben Hemmam spricht: Da wir also gewahrten die gleiche Art – an des Jungen Locken und des Alten Bart – gaben wir dem Vater das Reittier schon – und die Reisezehrung dem Sohn. – Worauf sie die Gutthat nicht um den Dank verkürzten, – den sie mit dem Dufte des Lobes würzten, – und sodann sich zur Abfahrt schürzten. – Doch ich sprach zum Alten: War unser Versprechen wohl ein Versprechen OrkobsOrkob war ein Mann, der nicht hielt, was er versprach, und versprach, was er nicht halten wollte. – oder ist ein Wunsch noch zurück in der Seele Jakobs.Die Anspielung auf den Patriarchen ist für uns deutlich genug: Es ist kein Wunsch mehr in der Seele Jakobs, nachdem er seinen geliebten Sohn wiedergefunden. – Er sprach: Verhüt es Gott! nein und mit nichten; – sondern euer Edelmut gehört zu den Wundergeschichten. – Ich sprach: So gieb zur Belohnung – nun Kunde von deiner Wohnung. – Da seufzt' er wie ein Kranker in der Fremde – und hub an, indem ihn Schluchzen beklemmte:
Serug ist meine Heimath, doch wie Soll ich gelangen dahin? Zum Lager hat sie genommen der Feind, Es ist ihr Prangen dahin. Beim Heil'gen Haus! (die Bürde der Schuld Trug ich mit Bangen dahin;) Mein Leben ist, seit ich schied von dort, In Schmerz gegangen dahin. |
Aber seine Augen quollen – und ließen die Thränen rollen; – er wollte die Wellen hemmen – und konnte den Strom nicht dämmen. – Da brach er seinen süßen Gesang ab – und ging mit beeiltem Gang ab.