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Die Stubentüre geht auf, zwischen Klinke und Angel arbeiten ein paar Arme und Beine herum, endlich geschieht – ein Ruck und eine Schwenkung – eine lange Gestalt in bläulicher Zwirnjacke, einen Hühnerkorb auf dem Rücken, tritt rasch und verkehrt herein, stellt sich neben der Türe auf, nimmt den vorne aufgestülpten Filzhut herab und drückt ihn mit beiden Händen gegen die Brust.
Bauer oder Bäuerin – wer eben in der Stube ist – fragt nun: »Andre'l, bist auch wieder da?«
Keine Antwort.
Der Bettler lässt seine etwas schielenden, schwarzen Augen von Bild zu Bild an der Wand forschen, sein melancholisches, erdfahles Gesicht voll schwarzgrauer Bartstoppeln nimmt den Ausdruck leidensvoller Andacht an. Plötzlich ein Zucken der rechten Schulter, der Korb gerät in schiefe Lage, die Blicke haften auf einem Bild der heiligen Anna, und der Andre'l sagt ganz für sich:
»Das ist's Mutter Annerl; ein Vater unser für's heilige Mutter Annerl; – Vater unser, der Du bist in dem Himmel, geheiliget werde Dein Name ...« usw. Das Vaterunser ist zu Ende, die starr-andächtigen Blicke Andre'ls sind auf das nächste Bild gerichtet. Die Bäuerin sagt: »Ist schon gut, Andre'l, und legt ihm ein Stück Brot in den Korb, aber Andre'l zuckt nur wieder mit der Schulter – der Korb kommt in die entgegengesetzte schiefe Lage; – jetzt hat er herausgebracht, dass das nächste Bild den heiligen Florian darstellt, er sagt:
»Das ist der heilige Florian, auch für den heiligen Florian ein Vater unser: Vater unser, der Du bist in dem Himmel, geheiliget werde Dein Name …« usw.
So werden einige der ersten Heiligen »abgebetet«, man ist bemüht, die Andacht des armen Narren abzukürzen: »Schon gut, schon gut«, wird ihm zugerufen und etwa noch ein Kochlöffel Mehl in den an seinen Korb gebundenen Leinwandsack geschüttet, allein seine Blicke haften schon wieder auf einem Bilde, das er indessen nicht zu entziffern weiß. »Wer ist das?« fragt er, von dem Bilde keinen Blick verwendend. »Die heilige Genovefa«, heißt es. Sogleich beginnt er mit besonderem Eifer und den ungeläufigen Namen verdrehend:
»Die heilige Venogeva; – auch für die heilige Venogeva ein Vater unser – Vater unser, der Du bist …« usw.
Nun setzt oder vielmehr haut er den alten Schlapphut auf den Kopf, stülpt den Schirm über der Stirn empor, so dass diese ganz frei vortritt, sagt sein »Vergelt's Gott!« und arbeitet sich mit seltenem Ungeschick durch die Türe, die er stets zu wenig öffnet ...
Sagt ihm draußen jemand: »Wieder recht allert, Andre'l?« so jauchzt er dreimal mit hellaufklingender Stimme gegen Himmel und geht viel schneller, als er sonst zu tun pflegt, ja er betritt sogar das Nachbarhaus mit einem hellen Jodler. Das hindert aber nicht, dass er im nächsten Augenblicke wieder als melancholisch-unbeweglicher Beter an der Stubentüre steht, den Blick auf die Glasglocke gerichtet, die über dem großen Ecktisch am Drambaume hängend eine mit allerlei glänzendem Flitter geschmückte Taube enthält, die eine Hostie im Schnabel trägt.
»Das ist der Heilige Geist«, sagt er wie immer im Dialekt: »Auch ein Vater unser für den heiligen Geist – Vater unser, der Du bist in dem Himmel …« usw.
Diese Gebete verrichtet er auch, wenn er in einer menschenleeren Stube sich befindet oder ohne Gabe weiter muss ... Wehe aber, wenn ihm jemand, Erwachsener oder Kind, zuruft: »Andre'l, willst ein Ei?« oder »Willst ein' Laib Brot?« Da sind alle Himmelsakermenter los, er flucht den ganzen Ort entlang, und die Augen werfen Feuer und Flammen. Meist eilt er dann mehrere Höfe vorbei, ohne einzusprechen, ja er verlässt den ganzen Ort, ohne eine Gabe zu beanspruchen ...
Das war unser »Himmel-Andres«. Kind und Kindskinder erinnern sich des guten Narren ... Jetzt ruht er freilich mit den Guten, die ihn freundlich beschenkt und mit den Bösen, die ihn oft geneckt haben, unter der Erde, und er wird im Jenseits wohl einen besseren Posten als den eines armen Narren erhalten haben ... Ich möchte indessen nicht gutstehen, ob er, an der Himmelspforte anlangend und den heiligen Petrus erblickend, nicht die Hände gefaltet und gesagt hat:
»Das ist der heilige Petrus – auch ein Vater unser für den heiligen Petrus: Vater unser, der Du bist in dem Himmel, geheiliget werde Dein Name« ...