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3.
Wie es Morgen wurde.

Wie es Morgen wurde in unserm Hause zur Zeit der Kinderjahre, ist mir seiner geheimnisvoll-anregenden Art wegen heute noch unvergesslich.

Zwischen zwei und drei Uhr morgens erwachte der Haushahn und ließ seine Wecktrompete hören. Beim ersten und zweiten Krähen blieb noch alles still im Hause, beim dritten Hahnruf klang zugleich ein helles Glöcklein durch alle Räume des Hauses. Das Glöcklein wurde von meiner Mutter gezogen, die sehr früh erwachte und aufzustehen pflegte. Der Glockenzug befand sich zu Häupten ihres Bettes und war durch die Decke des Stübchens nach jenen Bodenräumen gezogen, wo in getrennten Abteilungen Knechte und Mägde schliefen. Blieb von diesen auch der dritte Hahnruf unbeachtet – der Ruf des Glöckleins blieb es nicht. Denn alsbald hörte man in den Bodenräumen aus den Betten springen, noch schlaftrunken räuspern, husten; dann knisterten die Holztreppen in Kammer und Stall, leise Tritte kamen sachte herab, und dass im herrschenden Dunkel licht werde, war die Sorge der ältesten Magd. Aus der Ofenbank neben der Türe sitzend, schlug sie mittelst Stahl und Hornstein Funken in den Zundertopf, die sie mit Schwefelfaden ausfing und an Hobelspänen zur Flamme anfachte. Nun dauerte es nicht lange, und Lichterchen zuckten durch alle Räume. Im mannshohen Leuchterstock überm Wasserschaff der Stube brannte ein Span, kleine Laternen wanderten nach Stall und Bodenräumen, und ihnen verdankten wir die spielenden Lichter, welche durch das Schlüsselloch in die Schlafkammer schlüpften und an den Wänden und Schränken ihr anmutiges Spiel trieben ...

Das war der Augenblick, in welchem die Mutter in der Stube erschien und in das Tagwerk des Hauses eingriff. Sie machte Feuer im Ofen und auf dem Herd, holte, während die Magd Holz und Wasser zutrug, Mehl und Schmalz aus den Schränken, Milch aus dem Keller für die Morgensuppe und hob dann, als der Ofen warm war, die kleineren Kinder aus den Betten, die sie auf die Ofenbank setzte. Zu diesen gesellten sich die älteren Geschwister, die freiwillig aufstanden, so dass wir bald, eins neben dem ändern sitzend, wie Orgelpfeifen den großen Kachelofen umgaben. Um die Kleineren so lange, bis sie mit dem Nötigsten fertig war, stille zu erhalten, gab ihnen die Mutter Brotschnitten, die in Milchrahm getaucht waren, wobei die Älteren nicht ermangelten, sich zu Gast zu bitten; ließ sich aber eins der Kleineren erweichen und reichte, nicht ohne Vorahnung zögernd, seine Brotschnitte hin, so verschwand sie gewöhnlich bis auf einen kleinen Rest im Munde des unbescheidenen Gastes, und dieser musste große Künste des Ergötzens, Purzelbäume und Grimassen, als ob ihm das unrecht verschlungene Gut große Schmerzen verursache, vor den Kleinen entwickeln, um ihre schmerzlich zuckenden Lippen, die große Wehklagen ankündigten, zu beruhigen und für schallendes Gelächter vorzubereiten ...

Gegen sechs Uhr morgens waren die Vorarbeiten des Tages, Füttern, Melken verrichtet, die Morgensuppe gekocht und der große Ecktisch gedeckt; eines der älteren Geschwister musste nun das Gesinde zu Tische rufen, das allmählich erschien und erst nach Verrichtung eines stillen Gebetes seine Plätze einnahm. Ein ansehnlicher Hügel dampfender Kartoffel in der Schale bedeckte den Tisch, an welchem auch der Vater und die älteren Geschwister erschienen. Ein jedes griff nun tapfer zu, holte und schälte sich Kartoffel nach Belieben und stellte sie in Form einer Pyramide vor sich auf. Aber erst wenn die Milchsuppe in einer riesigen Schüssel auf dem Tische stand, wurde von dem Vorrat gegessen. Mit der linken Hand eine Kartoffel zum Munde führend, mit der rechten einen Löffel handhabend, der die nötige Suppe dazu holte, so labte man sich, nichts Besseres gewohnt, am Morgen jedes Tages in der Woche. An Fest- und Großteil Feiertagen natürlich wurde von Kartoffeln Umgang genommen, Fleischsuppe ersetzte ihre bescheidenere Schwester und Weißbrot war in dieselbe geschnitten statt des schwarzen Roggenbrotes. War die Morgensuppe vorüber, so erhob man sich mit einem »Vergelt's Gott!«, stellte sich um den Ecktisch auf und verrichtete ein gemeinsames Gebet, bei welchem der Vater gewöhnlich Vorbeter war. Dieses Gebet ist meines Wissens nur einmal unterblieben – in Folge eines großen Schreckens, der glücklicher Weise sich bald in helles Ergötzen auflöste ...


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