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10.
Die erste Heldentat.

Dass mein Vater gelegentlich des »Adam- und Evaspiels« mit solcher Ruhe und Überlegenheit selbst mit dem Teufel sprach, machte mir einen unauslöschlichen Eindruck. Dieser Eindruck wurde umso bedeutsamer, als der Gottseibeiuns nach einer gegen die ersten Eltern so grausam verübten Gewalttätigkeit meinem Vater gegenüber so kleinlaut, ja unterwürfig erschien. Ein Gefühl des Stolzes auf einen so mächtigen und angesehenen Vater erfüllte mich, mir war, als wären Haus und Hof und wir alle gefeit unter der Obhut eines solchen Vaters. Und merkwürdig, dass der Vater nach Entfernung des Teufels ruhig, als wäre nichts geschehen, wieder zur Kreide griff und seine Berechnungen fortsetzte, vollendete meine Ehrfurcht. Ich hatte mich aus der Schürze der Mutter losgemacht und war einige Schritte gegen den Ecktisch hingegangen, blieb aber mitten in der Stube stehen; eine seltsame Regung, dem Vater ein Zeichen meiner Liebe und Verehrung zu geben, erwachte in mir. – Aber wie das anfangen? Wie das dem Vater deutlich machen? Also schlich ich nur an des Vaters linke Seite und drückte mich leise an seinen Arm. Dieser blieb eine Weile unbeweglich, dann hob er sich sachte, und ich fühlte die flache Hand auf meinen Scheitel sinken. Nur zweimal glaubte ich zu fühlen, dass die Hand sich rege, aber dies mochte höchstens bedeuten, dass der Vater sagen wolle: »Bist da? 's ist recht.« Dann hob sich die Hand wieder, legte sich auf den Rand des Tisches, und ich blieb unbeachtet. Ein Weniges fühlte ich mich durch die Handauflegung erleichtert. Mit dem Rest eines Unbehagens über die nicht nach Wunsch gelungene Huldigung ging ich dann zum Freunde »Soltan«, der in der Mitte der Stube lag, setzte mich neben ihn und begann wie üblich, mein Wohlwollen durch Streicheln über Hals und Rücken zu erkennen zu geben – als wir beide in jähem Schrecken vom Boden auffuhren ... Drei heftige Striche, mit einem scharfen Besen geführt, wurden außen über die Türe gezogen, dann folgte ein dreimaliges Klopfen mit einem metallenen Instrument. Kein Zweifel, der Schrecken aller Kinder, der Kaminfeger, war draußen und begehrte Einlass. Diese Art sich anzumelden hatte der Vater angeordnet, da früher der unerwartete Einritt des schwarzen Mannes unter den Kindern grelles Entsetzen erregte, ja bei einem Nachbarkinde einmal Krämpfe hervorrief. Diese Furcht musste bekämpft werden, und zwar allmählich und auf natürliche Weise. Wenn also der Kaminfeger sich auf vorstehende Art angemeldet hatte, musste eines der älteren Geschwister nach der Küche gehen und dem schwarzen Manne eine Türe nach der Vorhalle öffnen. Zu dieser Tat wurde durch das Lob der Tapferkeit angespornt, und nach Vollzug derselben fehlte es nicht an Aufmunterungen, sich immer fest und mutig zu zeigen. Die älteren Geschwister und namentlich die Brüder hatten sich bald an die Schauer der Tat gewöhnt und endlich beim Eintritt des Schreckensmannes länger Stand gehalten als notwendig war ... Heute war ich von den Geschwistern allein daheim, die Zumutung zu einer solchen Heldentat war meiner allzu großen Jugend bisher noch nicht gestellt worden. Ein seltsames Gewühl von Gemütsbewegungen durchtobte mich. Alle Lobsprüche, die der Tapferkeit meiner älteren Geschwister früher erteilt worden waren, tönten mir im Ohr. Ein kindlicher Heldentaumel ergriff mich, und so ging ich in Begleitung meines Freundes Soltan, dessen Halsband ich krampfhaft festhielt, ungeheißen der Küche in einem Augenblicke zu, da die Mutter sich anschickte, selbst den Schreckensmann einzulassen. Sie hielt inne, indem sie mich unterwegs sah, lächelte und warf dem Vater einen sprechenden Blick zu. – Er folgte mir aber vorsichtshalber, ohne dass ich's merkte. Nicht weit von der Türe nach der Vorhalle knickten mir die Knie ein, die Tapferkeit hatte einen schwachen Augenblick, und wer weiß, was geschehen wäre, wenn nicht der Soltan, dessen Halsband ich nicht losließ, ungeduldig vorwärts gedrängt und mich mitgezogen hätte. – So gelangten wir an die zu öffnende Türe, ich griff empor, um den Riegel zurückzuschieben, war indessen zu klein, um ihn erreichen zu können. – Aber siehe da, der Riegel flog in diesem Augenblicke zurück – eine Hand hatte über meinen Kopf weggegriffen und das Wunder getan – die Hand der Mutter! Der Kaminfeger trat ein, griff nach meinem Kopf, lächelte, wollte Vertrauen erwecken und grüßte freundlich, aber das schwarze Gesicht erschien im Lächeln nur noch entsetzlicher, das Weiße im Aug' trat grässlich hervor – es war Zeit, dass meiner Tapferkeit Hilfe wurde, die Mutter führte mich und den Soltan, der losfahren wollte, nach der Stube zurück – aber – was man auch sagen wollte – die tapfere Tat war getan – doch getan! ... Als die Geschwister nach Hause kamen, das Gesinde sich am Mittagstische einfand – von nichts als meiner Tapferkeit war die Rede, mein Mut wurde gerühmt, zu künftiger Tapferkeit wurde aufgemuntert! ... Dies hatte wirklich seine guten Folgen. Anfangs verlegen, fast beschämt, da die Lobsprüche mit meinem Gefühle während der Tat nicht ganz stimmten, fühlte ich doch, wie die Huldigungen meinen Mut, meine Zuversicht stärkten und eine gewisse Sehnsucht nach Erneuerung der tapferen Tat erregten, so dass ich nach einigen Tagen den Vater plötzlich fragte: »Kommt der Schwarze bald wieder?« Und als der Schwarze wirklich wieder kam, lief ich allein nach der Küche und öffnete, auf eine Holzschichte kletternd, den Riegel der Türe. ...


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