Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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»Ich habe mich schon oben erkläret, in wie weit ich es entschuldige, wenn junge Mannspersonen alte Weiber heirathen. Lächerlich sind sie mir immer, das kann ich nicht läugnen. Sind sie aber nur mit ihrem guten Vortheile lächerlich, und machen sie nur Anstalt, daß ihre bejahrten Schönen sich zu rechter Zeit abführen; so werden sie etwas haben, womit sie sich über die Spöttereyen der Welt trösten können. Sie kommen mir wie diejenigen vor, die vor dem alten Bilde einer Heiligen knien, das schon ihr Großvater angebetet hat. Werden sie erhört, so ist es schon gnug, nur darf diese Andacht nicht zu lange dauern. Oft fehlen wir in unsrer Hoffnung, und alsdann ist das Unglück nicht zu übersehn. Ich habe einen Freund, welchen seine Schulden nöthigten, auf diese verzweifelte Art zärtlich zu thun. Er hat sein Unglück zwanzig Jahre mit ziemlicher Gelassenheit ertragen. Schon dreymal hat er alles eingekauft, was zur Trauer eines Wittwers gehört, und dreymal hat sich seine fünf und siebenzigjährige Phyllis entschlossen, wieder gesund zu werden, und vom neuen aufzuleben. Er hat mich gebeten, nachstehenden Brief bekannt zu machen, damit er sich bey denen entschuldige, welche ihm die ungleiche Heirath mit einer fünf und funfzigjährigen Wittwe ehedem als eine Thorheit haben auslegen wollen.

»Er wünscht, daß sich andre an seinem Exempel spiegeln, und sich auf die Sorgfalt der Aerzte nicht zu sehr verlassen mögen, welche nicht allemal im Stande sind, einen Körper zu tödten, bey dem die Liebe alle heilsame Arzneyen entkräftet. Hier ist der Brief, welcher der Grund zu seinem Unglücke war. Kan man wohl so unempfindlich seyn, und solchen Reizungen widerstehn?

 

Mein Herr,

Ich weis in der That nicht mit Gewißheit zu sagen, wie alt ich eigentlich bin. Nach meinem Taufscheine bin ich etliche und funfzig Jahre. Ich kann mir aber nicht anders einbilden, als daß sich der Küster verschrieben haben muß, denn nach meinen Kräften, nach der Begierde, die Welt zu geniessen, und nach dem Verlangen, Ihnen, mein Herr, zu gefallen, nach allen diesen Umständen zu urtheilen, bin ich unmöglich älter, als dreyßig, höchstens sechs und dreyßig Jahre. Ich bin auf dem letzten Balle ungemein mit Ihnen zufrieden gewesen. Sie haben bey Ihren zwanzig Jahren etwas so gesetztes, und männliches, welches alle meine Aufmerksamkeit verdienet. Die andern jungen Herren flatterten um die Mädchen herum, die weder zum Lieben noch zum Tändeln alt genug, und viel zu jung sind, vernünftig mit sich reden zu lassen. Ich werde es ewig nicht vergessen, mit welcher Achtung Sie mir den ganzen Abend hindurch begegneten. Ich war die erste, die Sie zum Tanze auffoderten, und ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich Sie versichre, daß ich bey aller Ihrer Bescheidenheit die lose Sprache Ihrer Augen verstanden, und Ihr ganzes Herz gesehen habe, als Sie mir die Hand zum ersten male küßten. Fast sind Sie noch ein wenig zu furchtsam. Ich will Ihrer Schüchternheit auf dem halben Wege entgegen kommen. Ich will Ihnen sagen, daß ich Sie liebe. Urtheilen Sie, wie jung mein Herz seyn muß, da es mit den Ihrigen einerley fühlt. Wie glücklich werde ich seyn, wenn ich bey einer genauern Verbindung mit Ihnen, mich wegen derjenigen Jahre schadlos halten kann, in denen ich an der Seite eines abgelebten mürrischen Mannes ganz trostlos seufzen müssen. Meine Aeltern zwangen mich, ihn zu heirathen, weil er Vermögen hatte; ich konnte ihn aber, aller Bemühungen ungeachtet, dahin nicht bringen, daß er seines Lebens überdrüßig geworden wäre. Dreyßig Jahre, können Sie es wohl glauben? dreyßig Jahre lebte er noch, und nur mir zum Trotze ist er nicht eher, als vor fünf Jahren gestorben. Ich bin ganz frey, und besitze, ausser einem zärtlichen Herzen, Geld genug, Sie glücklich zu machen. Wollen Sie meine Hand annehmen? Hier ist sie. Es kömmt auf Sie an, wie viel Sie verlangen, sich einen Rang zu kaufen, und eine anständige Equipage anzuschaffen. Mit wem ich mein Herz theile, mit dem theile ich auch mein Vermögen. Mit der Zeit soll beydes ganz Ihre seyn. Wären Sie weniger blöde, so würde ich mehr behutsam seyn, Ihnen meine Empfindungen zu entdecken. Ihre Liebe ist mir unschätzbar; wie groß wird das Vergnügen noch alsdann seyn, wenn künftig einmal, der Himmel gebe, so spät, als möglich, die Zeiten kommen, die uns bey einem herannahenden Alter nöthigen, unsere Liebe in eine ernsthafte Freundschaft zu verwandeln. Ich brenne für Verlangen, Ihre Entschliessung aus Ihrem Munde zu hören. Ich werde auf den Abend zu Hause seyn. Wie jugendlich schlägt mein Herz, da ich dieses schreibe. Ich zittere, aber nur für Vergnügen zittre ich. Wie entzückend wird der Augenblick seyn – nein, mein Herr, mehr kann ich nicht sagen. Beynahe vergesse ich, daß ich ein Frauenzimmer bin. Mit einem Worte, ich liebe Sie. Pressen Sie mir kein offenherziger Bekenntniß ab. Ich liebe Sie, und bin ganz

die Ihrige.


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