Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Abhandlung

von

Buchdruckerstöcken.S. Neue Beytr. zum Vergn. des Verst. und Witzes, 1 Band, 5 St. 1745.

 

 

Zueignungsschrift

an die Marquisinn von L***

 

Madame,

Ihr werdet mir verzeihen, daß ich, als ein Deutscher, mich unterstehe, Euern Namen vor meine Schrift, und zwar vor eine solche Schrift zu setzen, in welcher eine der schwersten Materien, nach der Metaphysik, abgehandelt wird. Die witzigsten Eurer Landsleute wählen sich eine Marquisinn zur Schutzgöttinn ihrer gelehrten Werke, welche sie in die Welt senden, und ich lobe sie darum. Derjenige Leser müßte sehr unbescheiden seyn, der sich an einer Schrift vergreifen könnte, welche ein Frauenzimmer beschützt, oder die, mit der Livrey einer Marquisinn, sich unter das Volk wagt. Ich bin gar nicht so sehr für mein Vaterland eingenommen, daß ich nicht dieses für einen der wesentlichsten Vorzüge Euers Volks erkennen, und hier öffentlich rühmen sollte. So oft ich ein Buch sehe, es mag in Cölln, oder auf Kosten der Compagnie herausgekommen seyn; so ist eine Marquisinn allemal das erste, was mir in die Augen fällt. Niemals sehe ich dieses, ohne die Glückseligkeit Euers Volks zu beneiden, und mein Deutschland, dieses rauhe und unwitzige Land, zu beklagen, in welchem kein Autor berühmt werden kann, weil er keine Marquisinn hat. Ihr würdet sehr grausam seyn, Madame, wenn Ihr mir verwehren wolltet, diesen natürlichen Mangel dadurch zu ersetzen, daß ich Euern Namen borge. Eure Landsleute sind so gefällig, daß sie uns mit allen denen Moden versorgen, die uns Deutsche zu leibhaften Franzosen, oder, welches einerley ist, zu vernünftigen Creaturen machen. Ich glaube also, sie werden es nicht übel nehmen, daß ich mit Euch, Marquisinn, eben so groß thue, als mit meinem Aermel, von dem mein Schneider mich versichert hat, daß dergleichen noch zur Zeit zu Paris niemand trage, als ein gewisser Chevalier, ein gewisser Marquis, und ein gewisser Prinz vom Geblüte, den er auch nicht nennen könnte. Vielleicht ist es nicht wahr, was mein Schneider sagt, und vielleicht ist in ganz Frankreich kein solcher Aermel, als der meinige. Es mag seyn. Das will ich nicht untersuchen. Das aber würde mich ärgern, wenn sich jemand die Frage einfallen ließe: Ob auch wirklich eine Marquisinn von L*** in der Welt sey? Denn auf diese Art würde man an meinem größten Verdienste zweifeln wollen. Chloris hat eine solche Hochachtung gegen meinen parisischen Aermel, daß sie mich gestern früh für den vernünftigsten unter ihren Liebhabern erklärte; und ich verlange nicht zu viel, wenn ich glaube, meine Landsleute sind schuldig zu bekennen, ich sey unter allen denen Schriftstellern, welche sich seit der letzten Michaelmesse verewigt haben, der gelehrteste, gründlichste, und tiefsinnigste, weil ich die Ehre habe, der Marquisinn von L*** gegenwärtige Blätter zuzueignen. Wie glücklich wäre ich! Aber, ich wünsche mir wohl zu viel. Doch ich will es wagen, Ihr werdet mir diese Ruhmredigkeit verzeihen, wenn ich Euch, Madame, gestehe, daß ich mir kein größres Glück vorstellen könnte, als wenn meine Leser in gegenwärtiger Abhandlung einen so feinen Geist fänden, daß sie anfiengen, zu zweifeln, ob sie auch wirklich ein deutsches Original, und nicht vielmehr aus dem Französischen übersetzt wäre. Allen meinen Gerechtsamen auf die Nachwelt wollte ich entsagen, wenn ich dieses Glück erlebte. Niemals kann ich ohne eine kleine Eifersucht an den deutschen Verfasser gewisser bekannter Briefe gedenken, dem der glaubwürdige Vorredner dieses schmeichelhafte Zeugniß giebt: Es habe diese Briefe zwar freylich nur ein Deutscher geschrieben; aber gleichwohl wären sie so vortrefflich abgefaßt, daß sie verdienten, von einem Franzosen geschrieben zu seyn. Auf Euch allein, Madame, wird es ankommen, ob ich in meiner Hoffnung glücklich oder unglücklich seyn soll. Gewinne ich nur Euern Beyfall, so weis ich gewiß, kein Abt in Paris wird es wagen, mir den Ruhm eines großen Gelehrten und die Ewigkeit abzusprechen. Ich verdiene es, weil ich die Ehre habe zu seyn,

Madame,

der Eurige,
Woldemar von Tzschaschlau.

 

N. S.

Aus großer Begierde, ein witziger Kopf, ein Franzose, und unsterblich zu seyn, habe ich vergessen, mich bey Euch, Madame, zu entschuldigen, daß ich Euch eine Schrift widme, welche so gelehrt ist, daß Ihr nicht ein Wort davon verstehen werdet. Aber dieses thut zur Sache nichts. Ich verlange gar nichts weiter von Euch, als daß Ihr die Zueignungsschrift lesen sollt; denn eben um deswillen seyd Ihr eine Marquisinn, und ich bin ein Autor. Ich will mein Verfahren mit hundert Exempeln Eurer witzigsten Landsleute rechtfertigen, wenn ich euch künftig eine Abhandlung von Kegelschnitten, einige algebraische Galanterien, und eine kritische Untersuchung von den Schriften des Covarruvias zueigne. Ja, Ihr seyd nicht eine Stunde sicher, daß ich Euch nicht mit einer politischen Deduction von dem österreichischen Succeßionskriege heimsuche. Ihr werdet wohl thun, wenn ihr euch auf alle Fälle gefaßt macht. Ich küsse euch die Hände.

 

 

Abhandlung

von Buchdruckerstöcken.

Ich nehme mir itzt vor, eine Sache auszuführen, welche so schwer und tiefsinnig ist, daß ich von meinen Lesern noch etwas mehr, als eine gewöhnliche Aufmerksamkeit, verlange. Ein einziges Wort, welches sie unachtsam übersehen, kann machen, daß ihnen eine ganze Reihe von Wahrheiten dunkel, und unbegreiflich vorkömmt. Um deswillen halte ich für billig, einige der schwersten Sätze vorher zu erklären, und verschiedne der wichtigsten Begriffe aus einander zu wickeln, damit ich nicht das geringste verabsäume, wodurch ich mich um meine Leser verdient machen kann. Die Gelehrten, welche im Denken geübt sind, wie ich, werden dieser Einleitung freylich nicht nöthig haben, ich erwarte also den Dank für diese Bemühung nur von dem schönen Theile meiner Leser. Bloß diesem zu gefallen, werde ich zwar bündig, aber doch deutlich, und mit einem Worte, so schreiben, wie verschiedne unsrer Philosophen zu thun pflegen, wenn sie den Eingang zu einer Abhandlung machen, welche vielmals bey weitem so wichtig nicht ist, als die meinige.

»Ich nehme dieses, als einen Heischesatz an, daß die Vorstellungskraft der Seele sich nach der Lage der Körper richtet. Es gründet sich dieses auf die vorherbestimmte Uebereinstimmung von Leib und Seele. Zu mehrerm Beweise könnte ich den Satz des nicht zu unterscheidenden anführen, wenn nicht bereits ausgemacht wäre, daß unmöglich ein Ding zugleich seyn, und nicht seyn kann. So wenig gegenwärtig meine Absicht ist, das Lehrgebäude der gelegentlichen Ursachen über einen Hausen zu werfen; so wenig werde ich auch itzt untersuchen, ob die Gesichtspunkte der Vorstellungskraft, welche sich bis in die Zirbeldrüse fortpflanzen, nur einfach oder vielerley sind. Genug, daß der Grund dasjenige in der Ursache ist, woraus man das darinnen gegründete erklärt. Denn das Ganze zusammen genommen ist seinen Theilen gleich; und wenn die Ursache gesetzt wird, so wird auch die Wirkung gesetzt. Es ist zwar an dem, daß es unendliche Wahrscheinlichkeiten giebt; doch sind diese Wahrscheinlichkeiten oder Vermuthungen eben so gewiß, als die Erweise von vorne. Es thut nichts, daß das Maaß der Kräfte in der Welt einerley ist; so lange noch die Körper untheilbar sind, und so lange der Raum ausgedehnet ist, dennoch aber keine Eigenschaften hat. So deutlich alle diese Wahrheiten an und für sich sind; so werde ich mich doch noch besser erklären können, wenn ich sie in folgenden Schluß zusammenfasse: Die Seele ist ein Spiegel, in welchem sich die andern Monaden alle im Kleinen abbilden, und wenn man die dunkeln Ideen einer Seele kennen sollte, so würde man die Eigenschaften aller Wesen erkennen. Nun ist aber außer Streit, daß die einfachen Dinge, jedes für sich, bestehen, durch die verwirrte Vorstellung aber nur ein Haufen zu seyn scheinen. Also folgt von selbst, daß etwas dasjenige ist, was seyn kann, indem die Bewegung die Veränderung eines Orts, der Ort aber die vorgestellte Verhältniß unterschiedner von einander abstechender Dinge ist. W. Z. E. W.«

Dieses wird genug seyn, meinen Leser zu demjenigen vorzubereiten, was ich sagen will. Ich läugne gar nicht, daß es mich viel Mühe gekostet hat, alles in ein völliges Licht zu setzen. Vorstehender Beweis hat meine Leibes- und Gemüthskräfte sehr mitgenommen. Aber desto gelehrter ist er auch. Ich denke stark, wie ein Philosoph; dennoch aber trage ich meine Gedanken sehr deutlich vor, wie man sehen kann, und eben dieses ist der Grund, warum ich einen merklichen Vorzug vor andern nicht unbillig verlangen kann. Ich schreite nunmehr zur Hauptsache.

Buchdruckerstöcke nenne ich diejenigen Verzierungen und Bilder, welche theils über die gedruckten Schriften, theils bey den Anfangsbuchstaben, theils aber zum Schlusse derselben gesetzt werden. Ich bin nicht gesonnen, ihre Genealogie zu untersuchen. So viel aber ist wohl gewiß, daß sie nicht viel jünger seyn können, als Faust und Guttenberg. Es ist dieses ein neuer Beweis, durch welchen wir unsre Vorzüge vor andern Völkern, und besonders vor den eingebildeten Franzosen, behaupten können. Sind wir Deutsche die Erfinder der Buchdruckerkunst, wie solches vor einigen Jahren in allen Zeitungen mit mehrerm ausgeführt worden ist; so will ich denjenigen sehen, welcher so verwägen seyn, und uns die Erfindung der Buchdruckerstöcke absprechen wird. Die Meinung derer ist bereits von vielen widerlegt worden, welche sie den Gothen zuschreiben wollen, denen wir die witzigen Verzierungen an unsern Kirchen und Thürmen zu danken haben. Ich bin also der Mühe überhoben, dieses Vorurtheil itzt zu bestreiten.

Hätte ich die boshafte Absicht, in der gelehrten Republik ein neues Feuer anzurichten; so würde ich hier die schönste Gelegenheit dazu finden. Wäre wohl etwas leichters, als ein Dutzend widrige Meinungen zu ersinnen, welche einige Feinde der Buchdruckerstöcke gehabt haben könnten? Ich dürfte nur erdichten, daß ein gewisser berühmter Mann, den ich nicht kenne, und den auch sonst niemand kennt, sich habe verlauten lassen: dergleichen Buchdruckerstöcke wären nichts anders, als was die Tonnen bey den Wallfischen sind, welche man ihnen vorwirft, damit sie das Schiff in Ruhe lassen. Man gäbe nämlich dem geneigten Leser ein Bildchen in die Hand, daß er damit spielen, und die Schrift selbst verschonen sollte. Besäße ich so viel Unverschämtheit, als mancher Autor besitzt, der in der gelehrten Historie noch lange so berühmt nicht ist, als ich; so würde ich, ohne roth zu werden, meinem Leser eine Unwahrheit sagen, und ihn versichern, daß der große Engländer Will. Lightbury in seinen Various and curious Anecdotes for the Advantage of Learning, Libro sexto, sectione quarta. §. 9. sqs. pag. mihi 419. sich sehr merkwürdiger Worte bedienet habe, welche im Deutschen also ungefähr lauten: »Um deßwillen muß ich Ihnen, Mylord, aufrichtig bekennen, daß meistentheils die schönsten und wichtigsten Buchdruckerstöcke vor den magersten und abgeschmacktesten Abhandlungen stehen. Sie kommen mir daher nicht viel anders vor, als diejenigen Tafeln, auf welchen die kostbarsten Speisen und Getränke gemalt sind, und welche öfters vor solchen Gasthöfen hängen, in denen man gleichwohl kaum so viel bekommen kann, als zur Stillung des Hungers und Durstes nöthig ist.« So weit unser Will. Lightbury, könnte ich sagen; und es wäre allerdings verwägen genug von mir gehandelt, wenn ich sprechen wollte, daß diese Stelle in einem englischen Scribenten stünde, da in der ganzen Welt niemals ein Will. Lightbury gewesen, und überhaupt von allem dem nicht ein Wort wahr ist, was dieser soll gesagt haben. Dem ohngeachtet würde ich diese dreiste Lügen mit dem wohlhergebrachten Rechte der Autoren, und mit den herrlichsten Exempeln bewährter Schriftsteller beweisen können, welche im Fall der Noth mit eignen Händen alte Manuscripte und Documente verfertigen, und noch öfterer sehr umständlich sich auf die Zeugnisse grosser Männer beziehen, welche sie gleichwohl so wenig kennen und gelesen haben, als ich und meine Leser den Will. Lightbury. Ja, was noch mehr, ich erlebte wohl gar in kurzer Zeit das Vergnügen, daß andre in mehr als einer philosophischen Disputation, auf Treu und Glauben, sich auf den Ausspruch meines Will. Lightbury beruften; und wer weis, ob sich nicht jemand des gemeinen Bestens so väterlich annähme, und eine Schrift unter diesem Titel abfaßte: »Versuch einer abgenöthigten Vertheidigung wider die gefährlichen Meinungen des Will. Lightbury in seinen bekannten Various and curious Anecdotes for the Advantage of Learning, Libro sexto, sectione quarta, §. 9. sqs. pag. mihi 419. zur Aufnahme des guten Geschmacks und aus Liebe zum werthen Vaterlande, in möglichster Kürze sehr eilfertig, jedoch mathematisch, entworfen von N. N. auf Kosten des Verfassers.« So leicht würde mir es seyn, Verwirrungen und Befehdungen unter vielen unsrer Gelehrten anzurichten, wenn ich nicht bedächte, daß ein Gelehrter, welcher seinen Namen zur Nachwelt bringen will, noch etwas mehr Gewissen braucht, als mancher Advocat, welcher nur so lange für einen ehrlichen Mann angesehen zu seyn wünscht, als der Proceß gangbar ist, und um deswillen in einer Stunde so viel Urkunden und Zeugen machen kann, als er zu seinem rechtlichen Verfahren voritzt nöthig hat.

Um deswillen versichre ich meine Leser, daß weder ein gewisser berühmter Mann, noch ein Will. Lightbury, noch auch, so viel mir bekannt ist, sonst jemand etwas zum Nachtheile der Buchdruckerstöcke geschrieben hat. Ich kann also mit ruhigem Gemüthe in meiner Abhandlung fortfahren. Ich werde meine Absicht lediglich dahin gerichtet seyn lassen, daß ich in verschiedenen Exempeln zeige: »was vornehmlich bey der Wahl, und geschickten Einrichtung der Buchdruckerstöcke, nach Beschaffenheit einer jedweden Schrift, und deren wesentlichem Innhalte, zu beobachten sey, damit die Natur der Sache allenthalben beybehalten, und dem Leser ein aufrichtiger Begriff von demjenigen beygebracht werde, wessen er sich zu dieser Schrift und ihrem Verfasser zu versehen habe.«

Niemals habe ich ohne Wehmuth an den übeln Geschmack denken können, welcher bisher bey den juristischen Schriften, in Ansehung der Buchdruckerstöcke, geherrscht hat. Da ich selbst ein Priester der Gerechtigkeit bin, und so gut liquidiren kann, als ein Pachtamtmann; so liegt mir viel daran, daß ich auch in diesem Stücke der eingerißnen Unordnung nach Vermögen Einhalt thue. Könnte ich diesem Uebel dadurch steuern, wenn ich aufrichtig gestünde, daß mich dieser Misbrauch mehr, als einmal, die bittersten Thränen gekostet hat; so würde ich dieses wehmüthige Bekenntniß mit Vergnügen thun. Weil aber unser großer Alciatus in seiner Glossa ad l. 4. D. de Iustitia et Iore §. frustra enim 14. der Erfahrung sehr gründlich angemerkt hat, daß ein Advocat nicht auf die Augen, sondern auf die Hände seiner Clienten sehen müsse, und es allerdings wider den Stylum curiae laufen würde, wenn ein Rechtsgelehrter sich durch Thränen bewegen ließe; so halte ich es für sehr vergebens, dieses Bekenntniß meiner Betrübniß öffentlich abzulegen. Es wird genug seyn, wenn ich einige Vorschläge thue, was künftig in Ansehung der Buchdruckerstöcke bey juristischen Schriften zu beobachten sey.

Unter sechs praktischen Abhandlungen de eo, quod iustum est, circa, wird man wenigstens fünfe antreffen, über welchen die Gerechtigkeit mit verbundnen Augen, mit dem Schwerdte, und mit der Wage sitzt. Ich weis es wohl, daß dieses ihr gewöhnlicher Aufzug ist, und ich würde dabey gar nichts erinnern, wenn man sie nur über solche Schriften setzte, welche von den Rechten unsrer Vorfahren, der alten Deutschen, handeln. Von diesen allenfalls will ich glauben, daß bey ihnen die Gerechtigkeit verbundne Augen und in den Händen Schwerdt und Wage gehalten habe: Allein, die Zeiten ändern alles. Bey uns ist diese Tracht gar nicht mehr Mode. Wie lächerlich würde es aussehen, wenn ich jenen Landjunker, der nichts thut, als daß er trinkt, und spielt, mit Helme und Harnische malen wollte, wie sein Großvater gemalt ist, der in denen rauhen Zeiten lebte, in welchen man es noch für rühmlich hielt, fürs Vaterland zu sterben? Nein, itzt sind unsre Zeiten weit gesitteter und aufgeklärter, und ich halte es für billig, daß auch wir, jeder in seinem Stande, uns nach dem heutigen Geschmacke richten lernen. Ich rathe es also meinen Collegen aufrichtig: Wenn sie nützliche Anleitungen zur güldnen Praxis schreiben wollen; so müssen sie den Buchdruckerstock so wählen, daß die Göttinn der Gerechtigkeit nicht allein die Augen verbunden habe, sondern sie müssen ihr die Binde auch über die Ohren recht fest machen, daß sie weder hört, noch sieht. Die Hände hingegen müssen sie ihr schlechterdings frey lassen, damit sie zugreifen kann, wenn die Partheyen ihren Beweis und Gegenbeweis übergeben, es bestehe nun dieser in baarem Gelde, oder in Victualien.

Aber so strenge will ich doch nicht seyn, daß ich die Wage ganz und gar abschaffen wollte. Nein! Sie hat noch ihren guten Nutzen. In den Werken, welche de iustitia distributiua handeln, ist die Wage ganz unentbehrlich. Schriebe ich nur für Juristen, so würde es nicht nöthig seyn, mich zu erklären, was iustitia distributiua in verschiednen Richterstuben heisse. Aber dem schönen Geschlechte zu gefallen muß ich anmerken, diese sey eine praktische Kunst, zu untersuchen, wie sich die Sache eines Armen gegen die Sache eines Reichen, und ein Kober Krebse, den uns ein armer gedrückter Bauer, als Kläger, bringt, gegen ein wildes Schwein verhält, das uns sein gnädiger Herr, als Beklagter, zu Aufmunterung unsers Eifers für die gerechte Sache zuschickt. Dieses heißt distributiua.Hiervon ist mit mehrerm nachzusehen des berühmten Herrn Professors in Leiden Gille Hooenhoeck nomenclator forensis, oder juristisches Wörterbuch, in welchem, unter dem Buchstaben I, obige Beschreibung de iustitia distributiua von Wort zu Wort sich befindet, und noch dieses hinzugesetzt ist, daß nach verschiedner Rechtsgelehrten Meinung ein Kober Krebse probatio semiplena, ein wildes Schwein aber documentum guarentigionatum heisse. Ich habe aber davon mit Fleisse in meinem Texte nichts erwähnen wollen, weil dieses nur den holländischen Schlendrian betrifft, und hier zu Lande ganz und gar nicht eingeführt ist. Und in diesem Falle ist die Wage ganz unentbehrlich. Ich wollte aber doch auch wohlmeinend rathen, daß man die Gerechtigkeit bey dergleichen Gelegenheit mit offnen und unverbundnen Augen vorstellte: denn es trägt dieses viel dazu bey, den statum caussae recht einzusehen.

Ich besitze ein Buch, aber der Titel ist weggerissen, um deswillen ist mir der Verfasser und die Jahrzahl, wenn es herausgekommen, unbekannt. So viel kann ich aus dem Drucke schliessen, daß es ziemlich alt seyn mag, und die so genannten Summarien der Capitel zeigen durchgängig, daß es von der Handhabung des Rechts und der Gerechtigkeit, oder, wie mein unbekannter Autor sich ausdrückt, de vltimo fine caussidicorum handelt. Von der Sache, welche darinn ausgeführt worden, will ich nichts gedenken, weil sie auf unsre Zeiten gar nicht paßt Allein dieses muß ich doch als einen Beweis des guten Geschmacks anführen, den man in vorigen Zeiten gehabt, daß man daselbst besonders drey Stöcke antrifft, welche ausserordentlich wohl gewählt sind. Der erste steht gleich über dem Anfange der Vorrede, und ist ein feiner Holzschnitt, der eine Wollschur, und im Prospecte den Tempel der Gerechtigkeit ganz zierlich vorstellt, mit der Ueberschrift: Pastoris est, tondere pecus! Der Anfangsbuchstabe ist ein A, so auf einem Expensbuche steht. Zum Schlusse der Abhandlung ist eine zusammengekrümmte Schlange, ungefähr so, wie man die Ewigkeit malt. In dem innern Raume derselben erblickt man die Worte: In saecula saeculorum. Ob dieses letztere nur ein andächtiger Wunsch seyn soll, den der Verfasser, an statt des sonst gewöhnlichen, in unsern Zeiten aber auch altväterisch gewordenen, Soli Deo gloria, gehangen hat? das weis ich nicht. Ich glaube aber, daß diese Stöcke sich alle dreye gar füglich auf den abgehandelten Satz, de vltimo fine caussidicorum, deuten lassen.

Anfänglich hatte ich mir vorgesetzt, einen Buchdruckerstock auszudenken, den man vor eine Schrift setzen könnte, in welcher von der Billigkeit, sich der Wittwen und Waisen ohne Eigennutz und redlich anzunehmen, gehandelt würde. Es hat mir es aber ein gewisser vornehmer Mann ausgeredet, und zur Ursache angeführt, daß dergleichen Stöcke gar überflüßig wären, da diese Materie nur unter die theoretischen Wahrheiten gehörte, welche wenig Leser, und um deswillen schwerlich einen Verleger finden würden. Aus Hochachtung gegen diesen großen Mann bin ich zwar seinem Rathe gefolgt; nur befürchte ich, daß mir dadurch die Gelegenheit genommen werde, von verschiednen juristischen Sätzen zu handeln, welche man eben so wohl für solche theoretische Wahrheiten, als jene, halten, und glauben wird, daß sie weder Leser, noch Verleger, finden dürften. Nunmehr darf ich es in der That nicht wagen, etwas von der Natur und Eigenschaft eines Advocatengewissens, von Wiedererstattung des unrechterworbnen Gutes, welches man mit aller Legalität seinen Clienten entwendet hat, von der Wichtigkeit der Eidschwüre, von der Strafe der Erbschleicher, und von hundert andern Sachen zu reden. Ja nach eben dieser Regel wird es vergebens seyn, von der Taxordnung etwas zu gedenken. Und dennoch glaube ich, alle diese Stücke sollten die schönsten Erfindungen zu den zierlichsten Buchdruckerstöcken geben. Ich kann diesen Verlust kaum verschmerzen. Gesetzt auch, daß alle diese Dinge nicht mehr Mode, und höchstens nur theoretische Wahrheiten sind! Darf man denn deswegen nicht weiter davon schreiben? Kann man sie denn nicht wenigstens unter die juristischen Alterthümer rechnen? Sollten dergleichen Abhandlungen nicht wenigstens eben so nützlich seyn, als die Abhandlungen von den Salben der Griechen, und von den langen und kurzen Röcken der Römer? Ich wette darauf, wer davon schreibt, kann sich den Beyfall der berühmtesten Männer, und wenigstens in vier Wochenblättern den Titel eines doctissimi, clarissimi, viri celeberrimi, Auctoris aetatem venerandi, versprechen. Nur von der Billigkeit, sich der Wittwen und Waisen ohne Eigennutz anzunehmen, von solchen Pflichten eines Rechtsgelehrten, die unsre alten Vorfahren, die Barbaren, welche nichts von Glossis und Brocardicis wußten, für so unentbehrlich hielten, nur davon soll es nicht erlaubt seyn, etwas zu schreiben, aus Furcht, man möchte vergebens geschrieben haben? Das halte ich für grausam! Und dennoch sehe ich mich gezwungen, dem mir gegebnen Rathe dieses großen Mannes zu folgen, weil er mein nächster Vetter ist; weil er über zwanzig tausend Gulden besitzt; weil er drey Aerzte hat, die ihn alle drey auf einmal mit Medicamenten versorgen, und er also, wofern diese ihr Handwerk recht verstehen, nicht lange mehr leben kann. Vor der ganzen Welt müssen mich diese Gründe rechtfertigen; und wer mir nunmehr noch vorwerfen wollte, daß ich aus Eigennutze nachgegeben, und nicht die Liebe zur Wahrheit über alles gehen lassen, der muß sein Lebtage keinen reichen Vetter gehabt haben. Und auf solcher Leute ihr blödes Urtheil gebe ich nichts, wie billig.

Für die Schriften unsrer starken Geister, habe ich lange, doch vergebens, nachgedacht, einen Buchdruckerstock ausfindig zu machen. Ueber Wahrheiten zu spotten, welche wir, kleine Seelen, unter einander gemeiniglich die wichtigen Wahrheiten der Religion nennen; dazu gehört eine so besondre Fähigkeit, welche man ordentlicher Weise bey vernünftigen Creaturen nicht antrifft. Ich rede gar nicht von allen. Dem Spinoza will ich, was den tiefsinnigen Verstand anbetrifft, sein Recht gern widerfahren lassen, und unsern starken Geistern gönne ich das Vergnügen, sich ebensowohl Spinozisten zu nennen, als ich mich für einen eifrigen Wolfianer ausgab, da ich noch in Prime saß. Das wäre barbarisch, wenn man unsern Freygeistern nicht einmal diesen Titel einräumen wollte. Ein Geschöpf, welches sich soviel Gewalt anthut, daß es seine Empfindung verläugnet; welches Sachen behauptet, worinnen ihm sein eigner Verstand widerspricht; welches seiner Vernunft entsagt, um uns die Vernunft, als das einzige Mittel zur Glückseligkeit, anzupreisen; welches sich der Verachtung aller Welt aussetzt, um unser Lehrmeister zu werden; welches in dieser Welt sein Glück von sich stößt, uns zu versichern, daß wir in jener Welt keines zu hoffen haben; welches ein Narr wird, um ein Autor zu heißen; ein solches Geschöpf sollte nicht einmal soviel Mitleid verdienen, daß wir ihm den Titel eines Spinozisten zugestünden? Der Einwurf taugt gar nichts, er ist abgeschmackt, wenn man auf die Erfahrung trotzt, daß der schwächste Kopf oftmals der stärkste Geist sey; daß dazu viel weniger Verstand gehöre, die Gründe der geoffenbarten Religion zu läugnen, als zu beweisen: daß derjenige die Gesetze des Staats beleidige, welcher die Gesetze der Offenbahrung über einen Haufen zu werfen sucht; daß die Pflichten der Geselligkeit dadurch gebrochen würden, wenn man seinen Mitbürgern die Mittel, ihr Gemüthe zu beruhigen, aus den Händen reißt, ohne ihnen beßre Mittel anzugeben. Alle diese Einwürfe sind ungegründet, sie sind abgeschmackt. Ich habe es schon oben gesagt, und hier sage ich es noch einmal. Das ist ein richtiger Beweis, und noch weit gründlicher, als derjenige Beweis, welchen unsre starken Geister einigen Engelländern treuherzig nachbeten, wenn sie die biblische Geschichte von der Schöpfung der Welt lächerlich machen wollen.

Aus rühmlichem Eifer, für die gerechte Sache unsrer starken Geister, bin ich von meiner Hauptsache ganz abgekommen. Ich wollte von den Buchdruckerstöcken handeln, welche vor ihre Schriften gehören, und gleichwohl gerathe ich in einen so heftigen Eifer, mich ihrer anzunehmen, als wäre man schon im Begriffe, sie ins Tollhaus zu stecken. Es schadet nichts, wenigstens ist es meine Schuld nunmehr nicht, wenn man sie ja noch dahinbringen sollte, wo diejenigen eingeschlossen und verwahret werden, welche aus Mangel der Vernunft sich und andern schaden können. Das meinige habe ich gethan, und komme nun wieder zur Hauptsache.

Meine Leser werden sich erinnern, daß ich gleich anfangs erwähnt, wie ich lange, und vergebens nachgedacht hätte, einige Buchdruckerstöcke ausfindig zu machen. Dieses bewog mich, eine der neuesten Schriften unsrer starken Geister aufzuschlagen, und wenn die andern alle so sind, so halte ich meine Sorge beynahe für überflüßig, weil ich finde, daß die Stöcke mit Einsicht gewählt sind. Diese ganz neue, und wo ich nicht irre, die allerneueste Abhandlung fängt sich mit einem I an. Dieser Buchstabe steht in einer viereckigten Verzierung, auf welcher ein Fuchs sitzt. In seinen Pfoten hält er einen Kopf. Weil es nur ein Holzschnitt ist, so habe ich nicht recht deutlich unterscheiden können, ob es der Kopf von einem Menschen oder von einem unvernünftigen Thiere ist; und eben dieses hat mich noch bis auf diese Stunde zweifelhaft gelassen, ob es das Brustbild des geschickten Herrn Verfassers seyn, oder auf die bekannte Fabel gehen soll, welche Phädrus von der Maske erzählt, die zwar vortrefflich ausgesehen, aber kein Gehirn gehabt hat. Ich bin hierinn freylich noch ungewiß; aber je mehr ich in der Abhandlung selbst lese, desto mehr glaube ich auch, daß der Verfasser, nach der Gewohnheit andrer grosser Schriftsteller, der Nachwelt sein Bildniß mittheilen wollen. Beyläufig muß ich hier gedenken, daß ich in veteri triclinio a Jul. Vrsino exhibito in appendice ad Ciaccon. p. 120. edit. Sanctandr. nachgeschlagen, wo ich unter andern gemalten Larven eine gefunden habe, welche meinem obgedachten Herrn Autor vollkommen ähnlich sieht; und dieses überzeugt mich von seinem guten Geschmacke noch mehr.

Vermöge der natürlichen Ordnung komme ich nunmehr auf die Philosophen. Denn ich kenne keinen einzigen Freygeist, welcher sich nicht unter der ansehnlichen Gestalt eines Philosophen groß und furchtbar zu machen sucht. Die Menge der philosophischen Schriften verdiente wohl, daß ich die gelehrte Welt mit einer eben so grossen Menge von Buchdruckerstöcken versorgte, welche vor dieselben gesetzt werden könnten. Man könnte sich hiervon einen doppelten Nutzen versprechen. Ich würde dadurch dem Misbrauche steuern, welcher besonders bey dieser Art von Schriften eingerissen ist, und überdieses würden die Leser noch den Vortheil haben, daß sie bey Erblickung eines deutlichen Buchdruckerstocks wenigstens etwas verstünden, da gemeiniglich die Abhandlungen selbst so eingerichtet sind, daß man ohne besondre Erleuchtung nicht einsehen kann, ob es eine Abhandlung von den Monaden, oder aus der Alchymie seyn soll. Mein Vorsatz erlaubt mir nicht, so weitläuftig zu seyn, als es das allgemeine Beste erfodert: und ich hoffe, ich werde das Recht haben, meine Bequemlichkeit allen andern Absichten vorzuziehen, so lange man einem Autor das Recht nicht absprechen kann, mehr auf sich, als auf das gemeine Beste, zu sehen. Um deswillen werde ich für dießmal nur einiger gedenken. Wir fangen nunmehr an, diejenigen glückseligen Zeiten zu erleben, in welchen wir durch mehr, als ein gedrucktes Zeugniß, den Vorwurf unsrer eifersüchtigen Nachbarn zu Schanden machen können, welche glauben, daß wir Deutschen zu wenig Witz, und zu viel Ernsthaftigkeit besitzen. Unsre muntern Jünglinge brechen uns die Bahn. Voll edler Verwägenheit unternehmen sie Beweise der schwersten und ernsthaftesten Materien aus der Metaphysik, und dennoch alles mit einer spaßhaften Miene, und mit einer sehr merkwürdigen Lebhaftigkeit. Wenn sie von den ewigen Wahrheiten der besten Welt zu reden versprechen, so werden sie uns mit lachendem Munde erzählen, daß die Augen ihrer Chloris reizend, und ihr Mund so bezaubernd sey, daß sie von ihrer besten Welt erst alsdann recht überführt werden könnten, wenn sie diesen Mund küssen dürften. »Das erste Wesen aller Dinge legte mit weiser Vorsicht die Kräfte in den Menschen, die Mittel zu wählen, welche zu Beförderung seiner Glückseligkeit dienlich sind, und dasjenige zu meiden, was ihm an Erlangung derselben hinderlich seyn konnte.« So prächtig klingt ihr Satz. Fragt man nach dem Beweise? Der Beweis folgt unmittelbar drauf. »Ich wähle die Chloe, weil ich bey ihrer Liebe der glückseligste bin: Aber mit der größten Kaltsinnigkeit begegne ich Selinden, denn ihre Sprödigkeit will keine Schäfer, sondern Sklaven, haben.« Ist dieser Beweis nicht ganz unerwartet? Ist er nicht eben um deswillen vortrefflich? Unser großer Philosoph liebt Chloen, und flieht Selinden! Warum? Denn das erste Wesen aller Dinge (§. 1.) legte mit weiser Vorsicht (§. 4.) die Kräfte in denselben (§. 9. 10.), durch eine freye Wahl (§. praeced.) sein Glück und sein Unglück zu befördern. Es wird einem solchen starkdenkenden Geiste ein leichtes seyn, die Existenz Gottes auf eine so spielende und lustige Art zu beweisen, daß auch der Setzer seiner Schrift vor herzlicher Ueberzeugung sich des Lachens nicht enthalten kann, sobald er die Demonstration in die Hände bekömmt. Könnte wohl ein vortrefflicheres Mittel, als dieses, ausgesonnen werden, auch den Pöbel von den wichtigsten Wahrheiten der höchsten Philosophie und der natürlichen Gottesgelahrheit zu überzeugen? Gewiß keines! Und wer so unverschämt seyn, und mir darinnen widersprechen wollte, der müßte – ich weis beynahe nicht, was ich von ihm denken sollte! Mit einem Worte, der müßte so eigensinnig, als Wolf, seyn. Wenn ich meine philosophischen Helden mit einem Blicke übersehe; so finde ich bey allen eine große Aehnlichkeit, die sie untereinander haben. Der Körper von ihren Abhandlungen ist ernsthaft, und ansehnlich; die Einkleidung ist lustig und potzierlich. Ich werde also für alle nur einen Buchdruckerstock vorschlagen. Vielleicht schickte sich dieses am besten, wenn sie sich wollten gefallen lassen, über ihre Schriften ein Bild zu setzen, welches einen griechischen Philosophen in seiner ehrwürdigsten Kleidung vorstellte; jedoch mit dem Unterschiede, daß er den Mantel, den Hut, und die komische Stellung eines Scapius an sich hätte. Wem der Scapin nicht gefällt, der mag sich den Pantalon wählen; und wem die Kleidung des Pantalons auch noch zu ernsthaft ist, dem lasse ich die freye Wahl, die dritte Art von dergleichen Trachten zu nehmen, welche bey seiner Schrift vielleicht noch natürlicher läßt.

Es giebt unter unsern Philosophen eine gewisse Secte, welche durch ihren geheimnißvollen Vortrag ihre Meinung so gut zu verstecken wissen, daß man darauf schwören sollte, sie verstünden selbst nicht, was sie schreiben. Ihre Sprache ist so dunkel, wie die Räthsel der Morgenländer, und wenn sie anfangen, recht tiefsinnig zu demonstriren; so sollte man glauben, sie zauberten. Ich werde es verantworten können, wenn ich sie um deswillen philosophische Quacker nenne. Bloß aus Hochachtung gegen sie geschieht es, daß ich ihnen diesen Titel beylege. Ich suche auch zwischen ihnen und den Quackern keine Aehnlichkeit weiter, als in der Art, mit welcher beyde ihre Gedanken ausdrücken. Denen würde ich es in der That schlechten Dank wissen, welche in der Vergleichung weiter gehen, und von dem geistlichen Hochmuthe der Quacker, von ihrem verderbten Geblüte, von ihrer unachtsamen Kleidung, von gewissen unordentlichen Trieben, welche doch ihren Lehrsätzen, wenigstens dem Wortverstande nach, widersprechen, und von andern dergleichen Sachen eine Aehnlichkeit auf meine Philosophen herleiten wollten. Es ist hier der Ort gar nicht, davon zu handeln; vielleicht zeigt sich im nachfolgenden eine Gelegenheit dazu. Itzt will ich beym Hauptsatze bleiben, da ich dergleichen Philosophen, ihrer mystischen Sprache wegen, mit den Quackern in eine Reihe stelle. Für diese schickt sich wohl kein Buchdruckstock besser, als derjenige, welcher die Priesterinn zu Delphi auf ihrem Dreyfusse mit begeisterter Geberde, und derjenigen heiligverzerrten Miene vorstellt, mit welcher sie die neugierigen und verzweifelnden Menschen durch ihre hohen Aussprüche noch zweifelhafter macht. Dieser Buchdruckerstock hat seinen zureichenden Grund in dem Wesen des Dings; oder, niedriger zu reden, er schickt sich auf meine quackerischen Philosophen vollkommen. Diese bekommen, über ihren Erweisen, von der Einheit, von dem sich selbst Bestimmenden, vom leeren Raume, und dergleichen, eben solche kunstmäßige Verzuckungen auf ihren Großvaterstühlen, als die delphische Priesterinn unter ihrem Wahrsagen auf dem Dreyfusse bekam. Wenn diese schäumte, so redete sie die Sprache der Götter, denn ein Sterblicher verstund sie nicht; und wenn dergleichen Philosophen bündig schreiben, so schreiben sie unverständlich, denn dieses nennen sie die Sprache der Weisheit. Die delphischen Aussprüche, so dunkel sie auch waren, fanden dennoch ihre eifrigen Verehrer, und man betete sie abergläubisch nach, ohne zu wissen, was darunter verstanden würde. Ist aber nicht eben dieses auch bey uns die Ursache, daß wir in der Weltweisheit so abergläubische Sectirer in —aner finden, welche eben das denken, was ihr Lehrmeister gedacht hat? Und oftmals hat dieser nichts gedacht. Wer sich an dem Tempel zu Delphis vergreifen wollte, dem drohten die Priester mit den rächenden Blitzen der Götter, und ganz Griechenland ward in Harnisch gebracht. Frevelt man aber mit einem Philosophen, so erbittert man gewiß ein ganzes Heer junger Schriftsteller, welche das Lehrgebäude ihres Abgotts, durch Heischesätze, Lehrsätze, Grundsätze, und Aufgaben, vertheidigen, und uns wohl gar mit a + b – x. zu Heiden demonstriren. Kömmt es aber gar so weit, daß sich ihr Anführer selbst in den Kampf mengt; so werden wir uns gewiß keine gelindere Züchtigung versprechen können, als daß er uns methodo mathematica auf einmal aus einem Menschen in ein unvernünftiges Thier verwandelt. Noch mehr! Die delphische Priesterinn wahrsagte nicht eher, als bis sie, durch genugsame Opfer, Geschenke und Belohnungen, in ihre heilige Wuth gerieth; Und meine Philosophen werden niemals eher – – Doch ich irre mich. Meine Philosophen schreiben bloß aus Liebe zur Wahrheit.

Unsre heidnischen Vorfahren gaben ihren Priestern, den Barden, Schuld, daß sie in ihren Liedern und Gesängen mit vieler Heftigkeit wider den Geiz eiferten, und gleichwohl selbst die geizigsten im ganzen Volke wären. Da wir nunmehr Christen sind; so ist freylich diese üble Gewohnheit mit noch viel andern Lastern abgekommen, welche die alten Deutschen an sich hatten. Doch etwas ähnliches davon findet sich noch bey einigen unsrer Philosophen. Ich will ihrer nur mit wenig Worten gedenken, da ich mich im Vorhergehenden auf gewisse Maasse dazu anheischig gemacht habe. Es giebt deren zwischen Straßburg und Breslau nur dreye, höchstens viere, welche in ganzen Quartanten von den Pflichten der Menschen gegen ihre Mitbürger, von Erlangung des höchsten Gutes, von der Erkenntniß des Schöpfers aus der Natur, von der Belohnung und Bestrafung des Guten und Bösen, von der Unsterblichkeit der Seele, von der Bändigung aller heftigen Leidenschaften, und von der wahren Zufriedenheit eines Menschen, mit solcher Lebhaftigkeit und mit solchem Eifer schreiben, daß sich ihre Abhandlungen auf das erbaulichste lesen lassen. Gleichwohl will man aus besondern Umständen dieser Moralisten schlüßen, und für gewiß versichern, daß sie, wenn man sie als Menschen, und nicht als Philosophen, betrachtet, nichts weniger, als die Pflichten gegen ihre Mitbürger, erfüllen; daß sie in Bestimmung des höchsten Gutes sehr ungewiß sind, und sich sehr körperliche Begriffe davon machen: daß sie an die Erkenntniß des Schöpfers, an die Vergeltung des Guten und Bösen, und an die Unsterblichkeit der Seele nicht länger denken, als sie auf der Catheder stehen, oder an dem Pulte sitzen. Niemals sind sie, sagt die Gelehrtenhistorie unsrer Zeit, wider den Hochmuth mehr ergrimmt, als wenn man ihnen ihren Rang streitig machen will. Nur erst alsdann kömmt ihnen der Geiz recht abscheulich vor, wenn ihre Gläubiger so unphilosophisch sind, und auf ihre Bezahlung dringen. Und ist ihre Chloe; denn die Philosophen haben auch ihre Chloen, ist diese, sage ich, so niedriggesinnt, daß ihr die Geschenke und Küsse eines erhitzten Stutzers lieber sind, als die abstracten Seufzer ihres dogmatischen Anbeters, so kann man gewiß glauben, daß er in der nächsten Messe eine grosse Abhandlung wider die unbändigen Leidenschaften der Wollust und der unordentlichen Liebe schreiben wird. Für diese Philosophen weis ich keinen bessern Buchdruckerstock vorzuschlagen, als ihr eignes Bildniß. Sie sollen die Wahl haben, ob sie sich nur im Brustbilde, oder in ihrer völligen Größe wollen vorstellen lassen. Die Larven, unter welchen sie sich ordentlich zu verbergen suchen, will ich ihnen nicht ganz nehmen; sie mögen solche behalten, doch so, daß man wenigstens die Hälfte von ihrem wahren Gesichte sehen kann. Ein einziges Lineament, das man von ihnen erblickt, wird schon genug seyn, dem Leser zu zeigen, wer hinter der Larve steckt. Es muß artig anzusehen seyn, wenn die eine Seite des Gesichts einem Lehrer des menschlichen Geschlechts gleicht, die andre Seite aber solche Züge blicken läßt, welche die heftigsten Leidenschaften eines eingebildeten, eines geizigen, eines ausschweifenden Gemüths verrathen. Ich will nicht hoffen, daß sich meine Philosophen durch diesen wohlgemeinten Vorschlag beleidigt finden werden. Geschähe dieses aber, so verdienten sie wohl, daß sie die Obrigkeit selbst anhielte, entweder gar nicht mehr zu schreiben, oder ihr Bildniß so vorzusetzen, daß sie auch nicht einmal die Hälfte des Gesichts bedecken dürften. Ich weis beynahe nicht, welche von diesen beyden Strafen für sie die grausamste seyn würde.

Eben da ich im Begriffe bin, in gegenwärtiger Abhandlung weiter fortzufahren, und gegen die übrigen Gelehrten und Schriftsteller eben die Bereitwilligkeit zu zeigen, die ich bisher gegen die Rechtsgelehrten, die Freygeister und einige Philosophen, gezeigt habe; so erhalte ich von meinem guten Freunde, Peter Trommern in Augspurg, einen Brief, worinnen er meldet, daß er von meinem Vorhaben, gegenwärtige Schrift abzufassen, Nachricht erhalten, und um deswillen sich die Mühe gegeben habe, einige Buchdruckerstöcke zu schneiden, wovon er mir den Abdruck schickt. Er überläßt mir die Mühe, ausfindig zu machen, vor welche Bücher sie sich eigentlich schicken, und bittet mich, seine Arbeit sowohl, als sein löbliches Vorhaben, noch mehr dergleichen zu liefern, der gelehrten Welt bekannt zu machen. Ich darf es ihm, als meinem Freunde, freylich nicht wohl abschlagen, ungeachtet ich von einigen seiner Buchdruckerstöcke gar nicht errathen kann, vor welche Bücher sie sich eigentlich schicken sollten. Weil aber Herr Trommer vor allen andern wegen seiner Geschicklichkeit in der Kunst, Buchdruckerstöcke zu schneiden, berühmt, ist, so will ich sie meinen Lesern mittheilen. Hoffentlich wird sich dieses Verzeichniß eben so anmuthig lesen lassen, als ein Meßcatalogus, wo man auch nur Titel von Büchern liest, und oftmals solche Titel, aus denen man den eigentlichen Innhalt der Bücher, zu welchen sie gehören, wohl nimmermehr errathen sollte. Finden sich, wie ich gar nicht zweifle, Liebhaber zu diesen Buchdruckerstöcken; so kann ich ihnen melden, daß Herr Peter Trommer künftige Ostermesse zu Leipzig in Bräunings Hofe rechter Hand anzutreffen, und bey ihm alles um einen leidlichen Preis zu bekommen seyn wird. Ich behalte mir die Erlaubniß vor, nach der Messe einige Nachricht zugeben, welche von diesen Stöcken am meisten abgegangen sind. Hier ist das Verzeichniß selber.

Mitten unter alten Gemäuern von eingefallnen Tempeln und Säulen sitzt derjenige Vogel, welcher nur im Finstern sieht, und bey Tage blind ist, der sich vom Ungeziefer und kleinen Gewürme nährt, dessen gräßliches Geschrey niemals etwas gutes bedeutet, und welcher, sobald er zu schreyen anfängt, alle Vögel der ganzen Gegend wider sich rege macht. Was mir bey diesem Stocke am besten gefällt, ist dieses, daß Hr. Trommer mit vieler Geschicklichkeit diesem Vogel eine so ernsthafte Miene zu geben gewußt, daß er alle andre Vögel mit Verachtung anzusehen scheint, welche nicht, wie er, unter altem Gemäuer und im Dunkeln sich beständig aufhalten. Ein paar grosse Augen, die er grimmig im Kopfe herumwälzt, ein aufgesperrter Schnabel, und starke Klauen scheinen einen jeden zu warnen, diesen Vogel in seinem Neste anzugreifen.

In einem prächtigen Zimmer ist ein Mann zu sehen, welcher, nach einer beygebrachten Anmerkung, der römische Kaiser Domitian seyn soll. Er thut ungemein geschäfftig, und scheint sich, durch die viele Arbeit und heftige Bewegung, ganz ermüdet zu haben; ungeachtet dieses seine wichtigste Beschäfftigung ist, daß er Fliegen fängt. Das Bild ist vortrefflich gemalt, ich kann es nicht läugnen; nur weis ich ganz und gar nicht zu begreifen, warum er diesen Mann nicht in römischer, sondern in deutscher Kleidung vorgestellt hat.

Der dritte Buchdruckerstock ist das Bild des griechischen Weisen, welcher die Sterne sorgfältig betrachtet. auf den Weg aber nicht sieht, und um deswillen in eine Grube fällt. Herr Trommer hat hierbey den Einfall, den vielleicht der meiste Theil der Leser auch haben wird, daß sich nämlich dieser Stock am besten vor einige astronomische Abhandlungen schickte. Ich will diesem nicht gänzlich widersprechen, wenn ich bedenke, daß viele der Mathematiker sich um die Sterne mehr bekümmern, als um dasjenige, was sie auf der Erde, und gegen sich selbst so wohl, als gegen andre Menschen zu beobachten haben. Es ist wahr, es giebt deren verschiedne, welche ihre Haushaltung und Kinderzucht versäumen, um der Bahn eines Kometen nachzuspüren; und welche nichts thun, als daß sie mit elektrischen Experimenten spielen, zu der Zeit, da ihre Weiber vor langer Weile ganz andre Observationen anstellen. Gleichwohl sollte ich meinen, daß es noch vielmehr Arten der Gelehrten gäbe, welche aus eben diesen Ursachen einen Anspruch auf gegenwärtigen Buchdruckerstock machen können. Und besonders möchte ich ihn einem gewissen Manne vorschlagen, welcher über die Untersuchung der jüdischen Alterthümer Weib und Kind vergißt, und als ein halber Rabbine in Gesellschaften unerträglich wird.

Eine Gesellschaft von Schustern sitzt an einem Tische beysammen. Auf demselben liegt eine Landkarte von Deutschland. Man sieht es ihnen an ihren Gesichtern ganz deutlich an, daß sie sehr heftig mit einander streiten. Der eine weist mit dem Finger auf Schlesien, und sieht sehr bedenklich dabey aus, zween haben einander bey den Haaren gefaßt, und der dritte liegt schon unter der Bank, und überhaupt sieht die ganze Gesellschaft sehr patriotisch aus. Mich deucht, dieser Stock sollte sich sehr gut für eine politische Monatschrift schicken.

Ein Indianer liegt, mit einem Rauchfasse in der Hand, vor einem Altare, und betet ein Götzenbild an, welches den Bauch von einem Menschen, die übrigen Gliedmaaßen aber, und besonders die um den Kopf herum, von verschiednen Thieren hat. Hr. Trommer hat mich sehr gebeten, ihm einen Käufer zu diesem Buchdruckerstocke zu verschaffen. Ich kenne nicht mehr, als einen einzigen guten Freund, welcher im Stande ist, Bücher zu schreiben, vor welche sich ein solcher Stock schickt; und wenn sich dieser nicht entschlüßt, solchen zu kaufen, so zweifle ich fast, ob er einen Liebhaber finden wird. Allenfalls muß sich Hr. Trommer entschließen, ihn nach — zu schicken, wo er ihn gewiß an Mann bringen kann.

Die Fabel ist bekannt, welche uns erzählt, daß ein Mann sich Mühe gegeben, eine Menge Affen zu unterweisen, und sie dahin zu bringen, daß sie wenigstens vor den Leuten ihre natürlichen Sprünge, und affenmäßigen Handlungen verbergen, und sich in ihren Posituren, wie Menschen, anstellen sollen. Als er es durch gute und scharfe Mittel endlich so weit gebracht, daß sie einiger maßen menschlich gethan, so verderbt ihm ein Spötter seine ganzen Bemühungen, da er Nüsse und Aepfel unter sie wirft, wodurch sie auf einmal aus ihrer unnatürlichen Stellung gebracht werden, und sich so zeigen, wie sie natürlich sind. Diese Fabel hat mein augspurgischer Freund sehr lebhaft in seinem Stocke ausgedrückt. Der Mann, welcher sich Mühe giebt, die Affen zu unterweisen, scheint sich sein Amt so angelegen seyn zu lassen, als wenn er mit der wichtigsten Sache von der Welt zu thun hätte. Aber die unterschiednen Stellungen seiner Schüler geben deutlich genug zu verstehen, daß sie nur aus Zwang vernünftig thun, und länger nicht, als er vor ihnen steht, und ihnen droht. Unter der menschlichen Kleidung guckt das Affengesicht allemal vor. Verschiedne blöken gar die Zähne wider ihn, und der eine Affe besonders, welcher vor andern ansehnlich ist, droht, ihn zu kratzen. Von ferne zeigt ihnen ein Zuschauer einen Korb voll Obst, nach welchem sie alle mit lüsternen Blicken sehen, und auf dem Sprunge zu stehen scheinen, Lehre und Zwang zu verlassen, um ihren natürlichen Trieben wieder zu folgen. Dieser Buchdruckerstock findet wegen seiner außerordentlichen Sauberkeit, mit der er gezeichnet ist, vor allen andern meinen Beyfall, und ungeachtet er sich vor gegenwärtige Abhandlung gar nicht schickt, so würde ich doch dem Verleger sehr verbunden seyn, wenn er die wenigen Kosten nicht scheuen, und diesen Stock kaufen wollte, damit er meiner Schrift vorgesetzt werden könnte. Ich weis gewiß, er ist zu gefällig, als daß er mir diese Bitte abschlagen sollte.


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