Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Hochwohlgebohrner Herr,
    Gnädiger Herr,

Ew. Excellenz gnädigst mir ertheiltem Befehle unterthänigst nachzuleben, habe ich mir Mühe gegeben, alle diejenigen Subiecta quouis modo zu sondiren, von denen ich geglaubt, daß sie der hohen Gnade nicht ganz unwürdig wären, welche Ew. Hochwohlgebohrne Excellenz, als ein wahrer Mäcenat, und Beschützer der schönen Künste und Wissenschaften, so großmüthig zu offeriren geruht haben. Es fehlt nicht an Leuten, welche conditiones suchen; aber es ist zu beklagen, daß heut zu Tage junge Leute zu zeitig vornehm seyn, und sich nicht gefallen lassen wollen, durch einen kleinen Anfang den gewissen Grund zu ihrem grössern Glücke zu legen. Die wenigen Wissenschaften, so sie etwan besitzen, machen sie so stolz, daß sie unverschämt genug sind, für ihre kleinen Bemühungen, die doch in weiter nichts bestehen, als Kinder zu informiren, so viel zu fordern, daß man dafür gar reichlich drey Bediente in Livrey halten könnte. Ich habe einen jungen Menschen bey mir gehabt, welcher in der That alle diejenigen Fähigkeiten besitzt, so Ew. Excellenz bey einem Hofmeister für Dero junge gnädige Herrschaft verlangen. Ueber dieses ist er von einem gesetzten Wesen, tugendhaft, und sogar, welches Ew. Excellenz nicht ungnädig vermerken werden, fromm und christlich. Es wird keiner, so wie dieser, vermögend seyn, dero junge Herren zu wackern Männern fürs Vaterland, und zur Ehre Dero hohen Hauses zu erziehen. Aber was hilft das? Seine Forderungen sind ungeheuer, und Ew. Excellenz sind viel zu einsehend, als daß Sie wider die Gewohnheit Dero hoher Ahnherren so vieles Geld wegwerfen, und dennoch nichts weiter dadurch erlangen sollten, als rechtschaffene Kinder. Wollen Sich Dieselben eine Lust machen, so geruhen Sie gnädig, dessen eigenhändigen Aufsatz seiner lächerlichen Prätension in der copeylichen Anfuge sub A. zu lesen. Mit einem Worte, ein so theurer Hofmeister ist für Ew. Excellenz keine Sache. Es sind noch einige andere bey mir gewesen, welche sichs für eine grosse Gnade halten, als Hofmeister in Ew. Excellenz Dienste zu treten. Sie verstehn freylich das wenigste von dem, was Dieselben verlangen: und ich kann nicht läugnen, daß bey den meisten die Aufführung nicht die beste ist. Inzwischen kann ich ihnen doch nachrühmen, daß sie Leute sind, welche mit sich handeln lassen, und die Ew. Excellenz gewiß nicht übertheuren werden. Mehrere Nachricht davon werden Sie in der Beylage sub B. von ihnen finden. Ew. Excellenz gnädigsten Disposition dieserhalb bin in Unterthänigkeit ich erwartend. Mein Rath hierbey wäre, sonder alles unziemende Maaßgeben, ich ließe diese Candidaten alle auf einmal zu mir kommen und sie auf die Hofmeisterstelle licitiren. Demjenigen, welcher am wenigsten für seine Bemühung haben wollte, könnte ich sodann gedachte Hofmeisterstelle zuschlagen. Doch überlasse alles zu Dero erleuchtem Ermessen ich lediglich, und verharre mit der tiefsten Devotion,

Hochwohlgebohrner Herr,
Gnädiger Herr,
Ew. Excellenz

unterthänig gehorsamster Diener
—   —   —   —   —
       

N. S. Wollten Ew. Excellenz die hohe Gnade haben, und das Stipendium, so Dieselben zu disponiren haben, meinem ältesten Sohne gnädig conferiren; so würde dieses mit der größten Unterthänigkeit ich Lebenslang veneriren.

A.

Endesbenannter glaubt, daß er, ohne unbillig zu seyn, für die von Seiner Excellenz geforderten Bemühungen und Dienste, als Hofmeister der jungen Herrschaft, jährlich folgendes verlangen könne:

1) Für Aufsicht, Unterweisung im Christenthume, und in der lateinischen Sprache, überhaupt     60 Thlr. — —
2) Für die Französische Information monatlich zwey Thaler, thut auf dreyzehn Monate 26 Thlr. — —
3) Dergleichen im Italiänischen, zwey Thaler 26 Thlr. — —
4) Als Schreibemeister, monatlich einen Thaler, zwölf Groschen, 19 Thlr. 12 gl.
5) Für Lection im Rechnen, und in der Mathematik, monatlich drey Thaler 39 Thlr. — —
6) Mit den Versen, bittet er, ihn gnädig zu verschonen.
7) Als Tanzmeister, monatlich einen Thaler, und will dafür die Woche zwo Stunden geben, 13 Thlr. — —
8) Als Fechtmeister, täglich eine Stunde, zwey Thaler, zwölf Groschen, 32 Thlr. 12 gl.
9) Als Bereiter, auch täglich eine Stunde, vier Thaler, und verspricht er hierbey weder Accidentien zu fodern, noch sonst einigen Aufwand zu veranlassen. 52 Thlr. — —
10) Für die Anleitung in der Geschichte, Wapenkunst und dergleichen, wird weiter nichts verlangt, und gehört dieses zum ersten Capitel.
11) Man hofft, die gnädige Erlaubniß zu erhalten, mit der jungen Herrschaft zu speisen, um Gelegenheit zu haben, derselben auch einige Anweisung in der Kunst zu geben, wie sie mit Anstand essen solle, und sich bey der Tafel vernünftig aufzuführen habe, welches vielen jungen Edelleuten fehlt.
12) Junker Ferdinand muß der Aufsicht und Zucht des Hofmeisters lediglich überlassen bleiben, ohne von der gnädigen Frau beschützt zu werden, welches man zu seinem eignen Besten wünscht.
13) Bey dieser Arbeit wird keine Zeit übrig bleiben, dem Verwalter an die Hand zu gehen, welches durch einen Kornschreiber am besten verrichtet werden kann.
14) Nach Verlauf der sechs Jahre hoffet man gnädige Beförderung.
Obige Kosten betragen zusammen, 258 Thlr. — —
Es soll weder Treue noch Fleiß gesparet werden, die Pflicht eines Hofmeisters nach allem Vermögen, redlich zu erfüllen.

Elias Pfaffendorf.

B.
Verzeichniß derer Candidaten,
die sich zur Hofmeisterstelle angegeben haben.

1) N. N. Ein junger Mensch, 22 Jahr alt, hat ziemliche Studia. Ich habe ihn aber bey mir zu Tische gehabt, und gefunden, daß er zu viel ißt. Verlangt ausser den zwey ordentlichen Mahlzeiten, annoch Frühstück und Vesperbrodt, und über dieses täglich drey Kannen Bier. Will 50 Thaler haben.

2) N. N. Artium Magister, 40 Jahr alt. Scheint ein gesetzter Mensch zu seyn. Hat schon seit 20 Jahren als Informator unter adelichen Herrschaften gedient, aber niemals länger, als ein Jahr, an einem Orte aushalten können. Mag ehedem in seinen Wissenschaften nicht unrecht gewesen seyn; doch hat er in diesen Jahren alles wieder ausgeschwitzt. Inzwischen weis er immer noch so viel, als Ew. Excellenz junge Herrschaft zu lernen nöthig hat. Bittet sich über die 50 Gulden freyes Bier und Taback aus, so viel er braucht. NB. Raucht nur Bremer.

3) N. N. 29 Jahr alt, frisch und gesund vom Körper, der Gottesgelahrheit Beflissener, predigt einen ziemlichen Baß, und besitzet eine grosse Stärke in Postillen. Will mit 50 Gulden zufrieden seyn, wenn er in 6 Jahren Substitute werden kann.

4) N. N. Hat zehn Jahre lang auf Universitäten gelebt, aber noch nicht absolvirt, da er immer das Unglück gehabt, relegirt zu werden. Ich glaube, er wird in den 6 Jahren Zeit haben, nachzuholen, was er versäumt hat. Er ist ein lustiger Kopf, und wird sich für Junker Fritzen gut schicken. Bittet flehentlich um Versorgung und Brodt, da er sich mit einem Näthermädchen versprochen hat. Er ficht.

5) N. N. 27 Jahre alt, ist übersichtig, redet lateinisch und griechisch, kann aber kein Deutsch. Desto besser schickt er sich zu einem Informator in ein adeliches Haus. Es ist ewig zu bejammern, daß man itzt anfangen will, nicht allein von Gelehrten, sondern auch von dem Adel zu verlangen, daß sie die sogenannten deutschen witzigen Schriften mit Geschmack lesen, und Deutsch lernen sollen. Als wenn ein Deutscher nöthig hätte, Deutsch zu lernen. quae! qualis! quanta! Er verlangt єєIIэээ H. S. sage 2100 Sesterzen, thut, nach unserer Münze etwan siebenzig Thaler leicht Geld.

6) N. Seines Handwerks ein Poet, schreibet einen flüssenden Vers, alles in Reimen, und ist ein Todfeind von den itzigen schweren strotzenden Gedichten ohne Reime. Dem Himmel sey Dank, daß es noch hin und wieder Leute giebt, die Geschmack haben! Ausser der Mythologie, die er Trotz zehn andern versteht, hat er nichts gelernt. Er hat itzt ein wichtiges Werk unter der Feder, da er alle Sonn- und Festtagsepisteln in Reime bringt, ohne ein Wort vom Grundtexte zu ändern, oder zu versetzen. Wenn er damit fertig ist, will er sich ein wenig auf die Humaniora legen. Corderi Colloquia exponirt er ziemlich. In Wünschen ist er unerschöpflich. Er erbietet sich, ohne Besoldung zu dienen, wenn ihm für eine jede Gratulation von zweyhundert Versen baar vier Groschen gegeben werden, wobey er es jährlich wenigstens auf 80 Thaler zu bringen gedenkt. Er verlangt alle Weihnachten ein abgesetztes Kleid, es mag so alt seyn, als es wolle. Um ein paar ganze Hosen wollte ich Ew. Excellenz selbst für den armen Schelm statt des Handgelds, gebeten haben. NB. Er ist auch witzig, und satirisch, man möchte sich vor Lachen ausschütten. Ew. Excellenz können tausend Spaß mit ihm haben. Böse wird er nicht leicht, man müßte denn seine Verse tadeln.

7) Da Ew. Excellenz gar wohlbedächtig zu sagen pflegen, daß ein junger Edelmann, der nicht denkt, weit erträglicher sey, als einer, der keinen Hasen hetzen kann; so wollte ich Ihnen wohl N. N. vorschlagen. Er hat wider seinen Willen studiren müssen, weil es sein Vormund schlechterdings verlangt; er hat aber vor allen Wissenschaften so einen Abscheu, und dagegen zu den Jagdhunden eine solche Neigung, daß man seine Mutter, so des herrschaftlichen Verwalters Frau gewesen, nicht ohne Grund im Verdacht gehabt, daß sie mit ihrem gnädigen Herrn vertraut gelebt. Wenigstens hat sie sich an ihm versehen. Gelernt hat er also wenig oder nichts; aber er ist ein ganzer Jäger. Lerchennetze strickt er als ein Meister, und in der ganzen Gegend ist keiner, der den Vogelheerd so geschickt anrichten kann. Er will 50 Thaler, und alle Fuchsbälge. Fängt auch Hamster.

8) N. N. ist kurz, untersetzt, und im Durchschnitte wenigstens zwey und eine halbe Elle stark, welches er dem fetten Biere zu danken hat. Als er bey mir war, konnte ich nicht erfahren, ob er etwas gelernt hatte, weil er ein wenig taumelte; doch habe ich viele schöne testimonia von ihm gesehen, die er von Schulen mitgebracht. Ich glaube, wenn er als Hofmeister nicht sonderlich zu brauchen ist, so wird er doch alsdann sehr gut seyn, wenn Ew. Excellenz Gäste haben. Denn ob er gleich nur ein schlechter Bürger ist, so sauft er doch Trotz manchem Cavalier. Er ist mit 50 Gulden zufrieden, wenn er einen Ducaten für jeden Rausch bekömmt, den er sich trinkt, so oft er die honneurs vom Hause macht.

9) N. N. ein guter stiller ehrlicher Mensch. Ich habe ihn zwo Stunden bey mir gehabt; aber auf alle meine Fragen keine Antwort erhalten können, als: O ja! Hochedler Patron! Ich glaube daß er grundgelehrt ist, weil er gar keine Conduite hat. Ew. Excellenz werden mit ihm anfangen können, was Sie wollen, und er wird sich alles gefallen lassen. Ich fragte, was er zur Besoldung haben wollte; aber er bückte sich sehr tief, und sagte: Wie Sie befehlen! Hochedler Patron! HB. Trägt keine Manschetten.

10) N. N. Ein süsses artiges Herrchen. Ist geputzt, wie eine Puppe, und denkt auch so. Hat vier Jahre in Leipzig studirt, und in vier Jahren keinen Hut auf den Kopf gebracht. Hat sich, wie er sagt, vornehmlich nur auf galante Studien gelegt. Erbietet sich die junge Herrschaft zu frisiren. Macht Dintenflecke aus der Wäsche, bohnt Schränke, und kann allerhand artige Figuren in Papier ausschneiden. Als ich von ihm wissen wollte, wie viel er an Besoldung verlangte, so machte er einen Rückpas, und sagte ganz klar: Siebenzig Thaler, zu dienen, Ihre Hochedlen! Er gefällt meiner Frau.

11) Wenn Ew. Excellenz einen Menschen haben wollen, der im Lateinischen, Französischen, Italiänischen, und der Historie, im Tanzen, Reiten und Fechten, und in allen möglichen Wissenschaften Unterweisung geben soll, so schlage ich Ihnen N. N. vor. Er versteht zwar von allen diesen nichts; er ist aber meiner Schwester Sohn, und kömmt alle Wochen wenigstens zweymal zu mir, mich mit vieler Demuth seiner Devotion zu versichern, um deswillen möchte ich ihm gern geholfen wissen. Ich habe ihn zeither, mit gutem Erfolge, jungen Leuten zur Privatinformation vorgeschlagen, welche so billig gewesen sind, ihn monatlich, in Ansehung meiner, zu bezahlen, ohne seine Stunden abzuwarten. Er repetirt mit ihnen meine juristische Collegia, ungeachtet er ein Theologus ist. Achtzig Thaler Besoldung dürften wohl nicht zu viel seyn; denn er ist mein Vetter.


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