Sextus Aurelius Propertius
Werke
Sextus Aurelius Propertius

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XIX.
Weiberbegierde.

        Vorwurf machst du mir oft, wie heftig bei uns die Begier sei.
    Glaube mir, heftiger noch herscht sie in eurem Geschlecht.
Wann der verachteten Scham ihr einmal sprengtet die Zügel,
    Niemals findet ein Maß euer befangenes Herz. 228
Glut würd' eher gestillt im angezündeten Saatfeld,
    Und zum Haupte des Quells kehreten Bäche zurück;
Ruhige Port' auch böte die Syrt', und sichere Rheden
    Fände der Schiffer zur Rast, grause Malea, bei dir:
Eh' euch einer vermag im stürmischen Laufe zu hemmen,
10       Und abstümpfen den Sporn euerem losen Gelust.
Zeugin ist, die, vom Stolze des kretischen Stieres verschmähet,
    Unter der tannenen Kuh falschem Gehörne sich barg;
Zeugin des Thessalerstromes Enipeus Buhlerin, Tyro,
    Welche den flüssigen Gott trachtete ganz zu empfahn.
15   Sträflich erschien auch jene vom greisenden Vater entflammte
    Myrrha, die plözlich ein neu-sprossender Baum sich erhub.
Soll ich der Kolcherin denken annoch, wie der eifernden Mutter
    Grimm in des eignen Geschlechts Blute die Liebe gelöscht?
Oder der Klytemnästra, durch die zu Mycenä berüchtigt
20       Um ehbrechrischen Gräul steht das pelopische Haus? 229
Und, o du, für Minos Gestalt dich verkaufende Scylla,
    Die du im Purpurhaar schorest dem Vater das Reich!
Solcherlei Brautschaz also verhieß dem Feinde die Jungfrau!
    Nisus, die Thore der Stadt öfnete Liebe mit Trug!
25   Ihr Unverlobete noch, glückseliger zündet die Fackeln!
    Dort am kretischen Steur hänget das Mädchen geschleift.
Nicht doch ohne Verdienst ward Minos Richter des Orkus:
    Obgleich Sieger er war, Billigkeit übt' er am Feind.

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