Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
Die Große Französische Revolution 1789-1793 – Band II
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin

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68. Der neunte Thermidor – Der Sieg der Reaktion

Wenn Robespierre viele Bewunderer hatte, die bis zur Anbetung gingen, so fehlte es ihm noch weniger an Feinden, die ihn aufs äußerste haßten. Diese benutzten jede Gelegenheit, um ihn verhaßt zu machen, indem sie ihm die Greuel des Schreckens zur Schuld gaben, und sie versäumten auch nicht die Gelegenheit, ihn lächerlich zu machen, indem sie ihn mit den Reden einer alten mystischen Närrin namens Catharine Théot in Verbindung brachten, die sich die ›Mutter Gottes‹ nannte.

Es ist jedoch keine Frage, daß nicht diese persönlichen Feindseligkeiten Robespierre gestürzt haben. Sein Sturz war unvermeidlich geworden, weil er ein Regiment vertrat, das am Zusammenbrechen war. Die Revolution, die bis zum August oder September 1793 ihr aufsteigendes Stadium gehabt hatte, war dann auf die absteigende Linie gekommen. Sie machte jetzt das Stadium der jakobinischen Regierung durch, deren bester Ausdruck Robespierre war, aber dieses Regiment mußte notwendigerweise andern Ordnungs- und Regierungsmännern Platz machen, die es eilig hatten, dem revolutionären Aufruhr ganz einfach ein Ende zu machen, und die auf den Augenblick lauerten, wo sie die terroristische Bergpartei stürzen konnten, ohne eine Erhebung in Paris hervorzurufen.

Man konnte jetzt das ganze Übel kennenlernen, das daher kam, daß die Revolution sich in wirtschaftlicher Hinsicht auf die persönliche Bereicherung gestützt hatte. Eine Revolution muß den Wohlstand für alle als Ziel haben, sonst wird sie mit Notwendigkeit eben von denen erstickt, die sie auf Kosten der Nation bereichert hat. Jedesmal, wenn eine Revolution eine Veränderung im Besitzstand hervorbringt, darf sie es nicht zugunsten von Individuen, sondern muß es immer zugunsten von Gemeinschaften tun. Und das ist der Punkt, worin die Große Revolution gesündigt hat. Die Ländereien, die sie bei den Priestern und Adligen konfisziert hatte, gab sie Privatpersonen, während sie sie Dörfern und Städten hätte geben müssen, weil sie früher Ländereien des Volkes gewesen waren – Ländereien, deren sich die Privatpersonen zum Vorteil des Feudalwesens bemächtigt hatten. Es hat niemals Ländereien gegeben, die ursprünglich den Grundherren oder der Kirche gehört hätten. Abgesehen von einigen Mönchsgemeinschaften hat niemals ein Herr oder ein Priester in Person auch nur einen einzigen Morgen Landes urbar gemacht; das Volk, die Menschen, die sie verächtlich Bauernlümmel nannten, haben jeden Quadratmeter Boden der Kultur erschlossen. Sie haben ihn zugänglich und bewohnbar gemacht. Sie haben diesem Boden seinen Wert gegeben, und ihnen hätte er zurückgegeben werden müssen.

Aber, in staatlichen und bürgerlichen Anschauungen befangen, erkannten die Konstituierende und Gesetzgebende Versammlung und der Konvent an, daß die Ländereien, die der Grundherr, das Kloster, die Kathedrale, die Kirche sich ehemals angeeignet hatten, diesen Staatsstützen von Rechts wegen gehörten. Sie nahmen von diesen Ländereien Besitz und verkauften sie den Bürgern.

Man kann sich denken, welche Gier erzeugt wurde, als Ländereien, deren Gesamtwert zehn bis fünfzehn Milliarden betrug, binnen wenigen Jahren zum Verkauf gestellt wurden, und zwar unter Bedingungen, die für die Erwerber überaus vorteilhaft waren und die man noch vorteilhafter machen konnte, wenn man sich um die Protektion der neuen Ortsbehörden bemühte. Auf diese Weise bildeten sich überall die ›schwarzen Banden‹, gegen die alle Energie der in die Provinzen entsandten Konventsdelegierten vergebens war.

Allmählich reichte der verderbliche Einfluß dieser Plünderer, zu denen noch die Agioteure von Paris und die Armeelieferanten kamen, bis in den Konvent, in dem die ehrenhaften Mitglieder der Bergpartei sich mehr und mehr vereinzelt sahen; sie waren nicht imstande, die ›Profitmacher‹ in Schranken zu halten. Was konnten sie ihnen denn auch entgegenhalten? Nachdem die Enragés vernichtet und die Sektionen von Paris gelähmt waren – was war ihnen geblieben, als ›der Sumpf‹ im Konvent?

Der Sieg bei Fleuris, der am 26. Juni (8. Messidor) über die vereinigten Engländer und Österreicher gewonnen wurde – ein entscheidender Sieg, der im Norden für dieses Jahr dem Feldzug ein Ende machte –, und die Erfolge, die die Armeen in den Pyrenäen, an der Grenze der Alpen und des Rheins errungen hatten, ferner die Ankunft eines Getreidetransports aus Amerika (der mehrere Kriegsschiffe gekostet hatte) – gerade diese Erfolge dienten den ›Gemäßigten‹, die es eilig hatten, zur ›Ordnung‹ zurückzukehren, als mächtige Argumente. – ›Wozu noch die revolutionäre Regierung‹, sagten sie, ›da der Krieg zu Ende geht? Es ist Zeit, zum gesetzlichen Zustand zurückzukehren und der Regierung der Revolutionsausschüsse und der patriotischen Gesellschaften in der Provinz ein Ende zu machen. Es ist Zeit, zur Ordnung zurückzukehren, die revolutionäre Periode zu beschließen.‹

Aber der Schrecken, den man allgemein Robespierre zuschrieb, wollte nicht gelinder werden, wollte nicht abrüsten. Am 3. Messidor (21. Juni) hatte Herman, ›Kommissär der Zivilverwaltung, der Polizei und Gerichte‹, der mit Robespierre sehr nah verbunden war, dem Wohlfahrtsausschuß einen Bericht überreicht, in dem er die Erlaubnis verlangte, die Verschwörungen in den Gefängnissen aufzuspüren, und in diesen Bericht hatte er die Drohung geschleudert, es würde vielleicht ›nötig sein, in einem Augenblick die Gefängnisse zu säubern‹. Die Erlaubnis zu diesen Nachforschungen wurde ihm vom Wohlfahrtsausschuß gegeben, und nunmehr begannen die entsetzlichen Massenhinrichtungen, die Karren voll Männer und Frauen, die zur Guillotine geschickt wurden, welche die Pariser gräßlicher fanden als die Septembermorde – und die um so gräßlicher waren, als man kein Ende absehen konnte und als sie inmitten von Bällen, von Konzerten und Festlichkeiten der reichen Emporkömmlinge und der Hohnrufe der royalistischen jeunesse dorée stattfanden, die von Tag zu Tag aggressiver wurde.

Es gab niemanden, der sich nicht sagen mußte, daß dieser Zustand nicht weitergehen konnte, und die Gemäßigten im Konvent machten sich diese Stimmung zunutze. Dantonisten, Girondisten, die Männer des ›Sumpfs‹ schlossen ihre Reihen und konzentrierten ihre Kräfte auf den Sturz Robespierres – das sollte der Anfang sein. Die Stimmung in Paris begünstigte ihre Pläne, seit es dem Wohlfahrtsausschuß gelungen war, die wahrhaften Mittelpunkte der Volksbewegungen, die Sektionen, ihrer Kraft zu berauben.

Am 5. Thermidor (23. Juli) fügte der Generalrat der Kommune, in dem jetzt Payan, ein intimer Freund Robespierres, herrschte, seiner Popularität eine schwere Schädigung zu, indem er einen völlig ungerechten Beschluß gegen die Arbeiter faßte. Er ließ in den achtundvierzig Sektionen den Maximalpreis verkünden, auf den die Löhne der Arbeiter beschränkt sein sollten. Der Wohlfahrtsausschuß andererseits hatte sich, wie wir gesehen haben, bei den Sektionen schon unpopulär gemacht, indem er ihre Selbständigkeit zerstört und für mehrere von ihnen selbst die Mitglieder der Ausschüsse ernannt hatte.

Der Augenblick war also günstig, um einen Staatsstreich zu versuchen.

Am 21. Messidor (9. Juli) hatte sich Robespierre endlich entschlossen, mit dem Angriff gegen die Verschwörer zu beginnen. Schon acht Tage vorher hatte er sich bei den Jakobinern über den persönlichen Krieg, den man gegen ihn führte, beschwert. Jetzt wurde er deutlicher. Er griff, übrigens noch leicht, Barère an – den nämlichen Barère, der bis dahin das gefügige Werkzeug seiner Gruppe gewesen war, wenn im Konvent etwas Großes durchgesetzt werden sollte. Und zwei Tage später entschloß er sich, immer bei den Jakobinern, Fouché wegen seines schrecklichen Vorgehens in Lyon offen anzugreifen. Er setzt es sogar beim Klub durch, daß über ihn Gericht gehalten werden sollte.

Am 26. Messidor (14. Juli) war es schon ein offener Krieg, da Fouché es abgelehnt hatte, zu erscheinen. Und mit dem Angriff gegen Barère waren auch zugleich Collot d'Herbois und Billaud-Varenne und ebenso zwei mächtige Mitglieder des Sicherheitsausschusses, Vadier und Voulland, angegriffen, die oft mit Barère zusammenkamen und sich mit ihm über die Angelegenheit der Gefängnisverschwörungen besprachen.

Jetzt verbanden sich alle die Mitglieder der Linken, die sich bedroht fühlten – Tallien, Barère, Vadier, Voulland, Billaud-Varenne, Collot d'Herbois, Fouché –, gegen die ›Triumvirn‹ Robespierre, Saint-Just und Couthon. Die Gemäßigten – Barras, Rovère, Thirion, Courtois, Bourdon usw. –, die alle radikalen Mitglieder der Bergpartei, Collot, Billaud, Barère, Vadier und die andern eingeschlossen, hatten stürzen wollen, mußten sich sagen, daß es zum Anfang besser wäre, nur die Gruppe Robespierre anzugreifen. War dieser erst gestürzt, so wären sie mit den andern schnell fertig.

Das Gewitter brach am 8. Thermidor (26. Juli 1794) im Konvent los. Man schien es erwartet zu haben, denn der Saal war gesteckt voll. Robespierre griff in einer sorgfältig ausgearbeiteten Rede den Sicherheitsausschuß an und sprach von einer Verschwörung gegen den Konvent. Er mußte den Konvent und sich selbst gegen die Verleumdungen schützen. Er verwahrte sich gegen die Behauptung, er strebe nach der Diktatur, aber er schonte seine Gegner nicht – Cambon einbegriffen, von dem er ebenso wie von Mallarmé und Ramel in Ausdrücken sprach, die er den Enragés entlehnt hatte, indem er sie als Feuillants, als Aristokraten und Schurken bezeichnete.

Man war begierig, seine Schlußfolgerungen zu hören, und als er so weit war, merkte man, daß er im Grunde nichts weiter verlangte als mehr Macht für sich und seine Gruppe. Kein neuer Gesichtspunkt, kein neues Programm. Nichts als ein Mann der Regierung, der mehr Gewalt verlangt, um streng vorzugehen.

»Was ist das Mittel, um dem Übel abzuhelfen?« fragte er, als er schloß. – »Die Verräter zu bestrafen; die Abteilungen des Sicherheitsausschusses zu erneuern, diesen Ausschuß zu säubern und ihn dem Wohlfahrtsausschuß unterstellen; den Wohlfahrtsausschuß selbst zu säubern; die Einheit der Regierung unter der Autorität des Konvents, der der Mittelpunkt und der Richter ist, herzustellen.«

Man merkte, er verlangte weiter nichts als mehr Macht für sein Triumvirat, um sie gegen Collot und Billaud, Tallien und Barère, Cambon und Carnot, Vadier und Voulland zu brauchen. Die Verschwörer der Rechten durften sich die Hände reiben. Sie brauchten nur Tallien, Billaud-Varenne und die anderen Verschworenen der Bergpartei gewähren zu lassen.

Am Abend des nämlichen Tages überschüttete der Jakobinerklub Robespierre wegen seiner Rede mit Beifall und zeigte sich wütend gegen Collot d'Herbois und Billaud-Varenne. Es war sogar die Rede davon, gegen den Wohlfahrts- und den Sicherheitsausschuß einzuschreiten. Aber es beschränkte sich alles auf Worte. Der Jakobinerklub war nie der Ausgangspunkt für Taten gewesen.

Noch in der Nacht erlangten Bourdon und Tallien den Beistand der Konventsmitglieder von der Rechten. Es wurde, wie es scheint, der Plan verabredet, weder Robespierre noch Saint-Just zum Sprechen kommen zu lassen.

Als am Tag darauf, am 9. Thermidor, Saint-Just seinen Bericht verlesen wollte – der übrigens sehr maßvoll war, er verlangte nur eine Revision des Vorgehens der Regierung –, ließen Billaud-Varenne und Tallien ihn nicht zu Wort kommen. Sie verlangten, daß man den ›Tyrannen‹, das heißt Robespierre, verhaftete, und der Ruf ›Nieder mit dem Tyrannen!‹ wurde vom ganzen Sumpf wiederholt. Man ließ auch Robespierre nicht zu Worte kommen und beschloß, ihn, seinen Bruder, Saint-Just, Couthon und Le Bas in Anklagezustand zu versetzen. Sie wurden in vier verschiedene Gefängnisse geführt.

Inzwischen galoppierte Hanriot, der Kommandant der Nationalgarde, mit zwei Adjutanten und einer Schar Gendarmen durch die Straßen auf den Konvent zu; aber zwei Abgeordnete, die ihn durch die Rue Saint-Honoré reiten sahen, ließen ihn von sechs Gendarmen – die unter denen gewesen waren, die er selbst geführt hatte – verhaften.

Der Generalrat der Kommune versammelte sich erst um sechs Uhr abends. Er erließ einen Aufruf ans Volk, in dem er es aufforderte, sich gegen Barère, Collot, Bourdon, Amar zu erheben, und schickte Coffinhal in den Sicherheitsausschuß, wo er glaubte, daß Robespierre und seine Freunde gefangensäßen. Coffinhal fand dort aber nur Hanriot, den er tatsächlich befreite. Robespierre war ins Luxembourg geführt worden, um dort eingesperrt zu werden, war aber nicht aufgenommen worden und blieb, anstatt sofort in die Kommune zu gehen und sich dort in den Aufstand zu werfen, untätig in der Polizeiverwaltung am Quai des Orfèvres. Saint-Just und Le Bas wurden aus den Gefängnissen befreit und begaben sich in die Kommune, aber Coffinhal, den die Kommune entsandt hatte, um Robespierre zu holen, mußte ihn gewaltsam zwingen, mit ihm (gegen acht Uhr) ins Rathaus zu gehen.

Der Generalrat der Kommune trat in den Aufstand ein, aber es wurde offenbar, daß die Sektionen keine Lust hatten, zugunsten derer, die Chaumette und Hébert hatten hinrichten lassen, die Jacques Roux getötet, Pache abgesetzt und die Selbständigkeit der Sektionen vernichtet hatten, sich gegen den Konvent zu erheben. Überdies mußte Paris merken, daß die Revolution im Sterben lag und daß die Männer, für die der Gemeinderat das Volk zur Empörung rief, keinerlei Prinzip der Volksrevolution vertraten.

Um Mitternacht hatten sich die Sektionen noch nicht gerührt. Alle waren geteilt, sagt Louis Blanc, ihre Bürgerausschüsse waren nicht einig mit den Revolutionsausschüssen und den allgemeinen Versammlungen. Die vierzehn Sektionen, die zuerst der Kommune gehorsam waren, taten nichts; und achtzehn Sektionen, worunter sechs dem Rathaus benachbarte, waren ihr feindlich. Die Männer der Sektion von Jacques Roux, der Gravilliers, bildeten sogar den Hauptkern einer der beiden Kolonnen, die auf Befehl des Konvents gegen das Rathaus marschierten.Die Sektionen, sagt Mellié, ›führten nicht mehr, sondern folgten gehorsam ihren Ausschüssen, deren Mitglieder nur von dem Wohlfahrts- und Sicherheitsausschuß des Konvents abhingen. Die Politik ging nicht mehr in ihnen vor sich . . . Man ging sogar so weit, ihnen zu verbieten, sich Urwählerversammlungen zu nennen: am 20. Floréal des Jahres II (9. Mai 1794) machte sie ein Brief des Staatsanwalts der Kommune (Payan, der der Nachfolger Chaumettes geworden war) darauf aufmerksam, daß es unter einer revolutionären Regierung keine Urwählerversammlungen mehr gäbe . . . Das hieß, ihnen in Erinnerung bringen, daß sie nicht das geringste mehr zu sagen hatten‹ (Seite 151, 152). Mellié erzählt dann die ›Säuberungsprozesse‹, denen sich die Sektionen hintereinander unterziehen mußten, um den Jakobinern genehm zu sein (S. 153) und schließt mit folgenden Worten: ›Michelet hatte also recht, als er sagte, daß zu dieser Zeit die Versammlungen der Sektionen tot waren und daß die ganze Macht auf ihre Revolutionsausschüsse übergegangen war, die ihrerseits, da sie von der Regierung ernannt wurden, auch kein großes Leben hatten‹ (S. 154, 155). – Am 9. Thermidor (Ernest Mellié hat den Beweis in den Archiven gefunden) waren in fast allen Sektionen die Revolutionsausschüsse versammelt, um die Befehle der Regierung zu erwarten (S. 169). Man braucht sich also nicht zu wundern, daß sich die Sektionen gegen die Thermidorianer nicht gerührt haben.

Der Konvent erklärte inzwischen die Aufständischen und die Kommune für ›außerhalb des Gesetzes gestellt‹, und als dieses Dekret auf dem Grèveplatz verlesen worden war, gingen die Kanoniere Hanriots, die auf dem Platz aufgestellt waren, aber nichts taten, einer nach dem andern fort. Der Platz blieb verlassen, und bald drang die Kolonne der Gravilliers und der Arcis ins Rathaus ein. Ein junger Gendarm, der als erster in den Saal kam, in dem Robespierre und seine Freunde beisammen waren, schoß eine Pistole auf ihn ab und zerschmetterte ihm die Kinnlade. Das Zentrum des Widerstandes, das Rathaus, war ohne Kampf erstürmt. Nunmehr tötet sich Le Bas; der jüngere Robespierre versucht sich durch einen Sprung aus dem dritten Stock zu töten; Coffinhal wird mit Hanriot, den er der Feigheit beschuldigt, handgemein und wirft ihn zum Fenster hinaus; Saint-Just und Couthon lassen sich verhaften.

Am nächsten Morgen wurde lediglich ihre Identität festgestellt, und darauf wurden sie alle – insgesamt einundzwanzig –, nachdem man sie im Zuge unter den Beschimpfungen der gegenrevolutionären Menge zum Revolutionsplatz geführt hatte, hingerichtet. Die ›elegante Welt‹, die herbeieilte, um sich an diesem Schauspiel zu ergötzen, machte – noch mehr als am Tage der Hinrichtung der Hébertisten – ein Fest daraus. In den Straßen, über die der Zug ging, wurden die Fenster zu märchenhaften Preisen vermietet. Die Damen saßen in großer Toilette an den Fenstern.

Die Reaktion triumphierte. Die Revolution war an ihrem Ende angelangt. –

Hier wollen auch wir aufhören, ohne die Orgien des weißen Schreckens, die nach dem Thermidor begannen, und die zwei Aufstandsversuche gegen die neue Regierung: die Bewegung vom Prairial des Jahres III und die Verschwörung Babeufs im Jahre IV, zu berichten.

Die Gegner des Schreckens, die Männer, die immer von Milde gesprochen hatten, hatten sie nur für sich und die Ihrigen begehrt. Sie beeilten sich, vor allem die Anhänger der Bergpartei hinzurichten, die sie gestürzt hatten. In drei Tagen, am 10., 11. und 12. Thermidor (28., 29. und 30. Juli), fanden hundertunddrei Hinrichtungen statt. Es regnete Denunziationen aus dem Mittelstand, und die Guillotine bekam von neuem zu tun – dieses Mal zugunsten der Reaktion. Vom 9. Thermidor bis zum 1. Prairial, in weniger als zehn Monaten, wurden 73 Abgeordnete der Bergpartei zum Tode verurteilt oder verhaftet, während die 73 Girondisten wieder in den Konvent zurückkehrten.

Jetzt waren die wahren ›Staatsmänner‹ ans Ruder gekommen. Der Maximalpreis wurde bald abgeschafft – woraus eine furchtbare Krise entstand, während derer die Agiotage und Spekulation ins Riesenhafte wuchsen. Die Bourgeoisie feierte Feste – wie sie es später nach dem Juni 1848 und nach dem Mai 1871 tat. Die ›goldene Jugend‹, die Fréron organisiert hatte, beherrschte Paris, während die Handwerker und Arbeiter, da sie sahen, daß die Revolution besiegt war, in ihre Behausungen zurückgekehrt waren und über die Aussichten der nächsten großen Bewegung sprachen.

Sie versuchten am 12. Germinal des Jahres III (1. April 1795) und am 1. Prairial (20. Mai) einen Aufstand und verlangten Brot und die Verfassung von 1793. Die Vorstädte erhoben sich dieses Mal mit Begeisterung. Aber die Macht des Bürgertums hatte Zeit gehabt, sich zu organisieren. Die ›letzten Männer vom Berg‹ – Romme, Bourbotte, Duroy, Soubrany, Goujon und Duquesnoy – wurden von einer Militärkommission – das Revolutionstribunal war abgeschafft worden – zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Von nun an war das Bürgertum alleiniger Herr der Revolution, und es ging weiter auf der absteigenden Linie. Die Reaktion wurde bald offen royalistisch. Die ›goldene Truppe‹ versteckte sich nicht mehr: sie trug offen den grauen Rock mit dem grünen oder schwarzen Kragen der Chouans und ging gegen alle die vor, die sie ›Terroristen‹ nannte, das heißt gegen alle Republikaner. Es war ein Kampf im großen und im kleinen. Jeder, der mit der Hinrichtung des Königs oder seiner Verhaftung bei der Flucht nach Varennes etwas zu tun gehabt hatte, jeder, der irgendwie am Tuileriensturm teilgenommen hatte, wurde allen Royalisten denunziert, und das Leben wurde ihm unmöglich gemacht.

In den Departements, insbesondere im Süden, betrieben die ›Gesellschaften Jesu‹, die ›Gesellschaften der Sonne‹ und andere royalistische Organisationen die Rache im großen. In Lyon, in Aix, in Marseille brachte man in den Gefängnissen die Männer um, die an der früheren Regierung teilgenommen hatten. ›Fast der ganze Süden hatte seinen 2. September‹, sagt Mignet, natürlich seinen royalistischen 2. September. Und neben den Massenermordungen betrieben die Gesellschaft Jesu und die Gesellschaft der Sonne die Menschenjagd im kleinen. Wenn sie in Lyon einen Revolutionär trafen, den sie für das Gemetzel bestimmt gehabt hatten und der ihnen entwischt war, töteten sie ihn ohne weitere Prozeßformalität und warfen ihn in die Rhône. Ebenso geschah es in Tarascon.

Die Reaktion nahm immer mehr zu, und endlich, am 4. Brumaire des Jahres IV (26. Oktober 1795) ging der Konvent auseinander. Ihm folgte das Direktorium, die Vorbereitung erst auf das Konsulat und dann auf das Kaiserreich. Das Direktorium war das Bacchanal der Bourgeoisie, die in einem zügellosen Luxus die Vermögen, die sie während der Revolution und insbesondere während der Reaktion des Thermidor erworben hatte, verschwendete. Denn hatte die Revolution bis zum 9. Thermidor ungefähr acht Milliarden Assignaten ausgegeben, so hatte die Reaktion des Thermidor die Schnelligkeit verzehnfacht: Sie hatte im Laufe von fünfzehn Monaten die furchtbare Summe von dreißig Milliarden Assignaten ausgegeben. Man kann sich denken, was für Vermögen bei diesen Emissionen die ›Profitmacher‹ verdienten.

Noch einmal versuchten die kommunistischen Revolutionäre unter der Führung Babeufs im Jahre IV (Mai 1796) einen Aufstand, den ihre geheime Gesellschaft vorbereitete; aber sie wurden verhaftet, ehe der Aufstand ausbrechen konnte. Der Versuch, in der Nacht des 23. Fructidor des Jahres IV (9. September 1796) das Lager von Grenelle zur Erhebung zu bringen, scheiterte ebenfalls. Babeuf und Darthé wurden zum Tode verurteilt und erdolchten sich alle beide (am 7. Prairial des Jahres V). Aber die Royalisten hatten am 18. Fructidor des Jahres V (4. September 1797) ebenfalls ihre Niederlage, und das Direktorium hielt sich noch bis zum 18. Brumaire des Jahres VIII (9. November 1799).

Da machte Napoleon Bonaparte seinen Staatsstreich, und an diesem Tage wurde die Nationalvertretung ohne weiteres von dem früheren Sansculotten, der die Armee für sich hatte, endgültig abgeschafft. Der Krieg, der schon sieben Jahre dauerte, war zu seinem logischen Schlusse gekommen. Am 28. Floréal des Jahres XII (18. Mai 1804) ließ sich Napoleon zum Kaiser proklamieren, und der Krieg fing wieder an, um mit kurzen Unterbrechungen bis zum Jahre 1815 zu dauern.


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