Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
Die Große Französische Revolution 1789-1793 – Band II
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin

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64. Der Kampf gegen die Hébertisten

Schon im Dezember 1793 sprach Robespierre von dem bevorstehenden Ende der revolutionären Republik. ›Wachen wir‹, sagte er, ›denn der Untergang ist nahe.‹Jacobins, Sitzung vom 12. Dezember 1793, Bd. V, S. 557. Und er war nicht der einzige, der ihn voraussah. Der nämliche Gedanke kehrte in den Reden der Revolutionäre immer öfter wieder.

Die Sache ist in der Tat so, daß eine Revolution, die auf halbem Wege stehenbleibt, notwendig ihrem Untergang entgegengeht. Frankreich war Ende 1793 in der Lage, daß die Revolution in dem Augenblick, wo sie auf dem Wege zu großen sozialen Umgestaltungen ein neues Leben gesucht hatte, zum Stillstand gekommen war: sie stürzte sich nunmehr in innere Kämpfe und in das ebenso unfruchtbare wie unpolitische Bemühen, ihre Feinde zu vernichten, – dabei aber sorgsam über das Eigentum dieser Feinde zu wachen.Michelet hatte das sehr gut eingesehen, als er die Zeilen voller Traurigkeit schrieb (Buch XIV, Kap. 1), in denen er an das Wort von Duport: ›Pflüget in die Tiefe‹ erinnerte und sagte, daß die Revolution zugrunde gehen mußte, weil die Girondisten und die Jakobiner ›in gleicher Weise politische Logiker‹ waren, die ›auf derselben Linie nur verschiedene Grade‹ vorstellten. Der Fortgeschrittenste, Saint-Just, sagte er, wagt weder die Religion noch den Unterricht zu berühren noch in die Tiefe der sozialen Lehren zu dringen: man merkt kaum, was er über das Eigentum für eine Anschauung hat. ›Es fehlte also der Revolution‹, sagte Michelet, ›um sie zu sichern, die religiöse Revolution, die soziale Revolution, in denen sie ihren Halt, ihre Stärke, ihre Tiefe gefunden hätte.‹

Die Kraft der Ereignisse selbst hätte Frankreich auf eine neue Bahn in der Richtung des Kommunismus drängen müssen. Aber die Revolution hatte eine ›starke Regierung‹ sich bilden lassen, und diese Regierung vernichtete die Enragés und knebelte alle die, die wie sie zu denken wagten.

Was die Hébertisten angeht, die im Klub der Cordeliers und in der Kommune herrschten und denen es gelungen war, mit der Person Bouchottes ins Kriegsministerium einzudringen, so machten ihre Anschauungen von der Regierung sie zu einer wirtschaftlichen Revolution unfähig. Hébert hatte wohl in seinem Blatt manchmal in kommunistischem Sinne gesprochen,Tridon hat in seiner Studie, Les Hébertistes (œuvres diverses de G. Tridon, Paris 1891, S. 86-90), davon Auszüge mitgeteilt. aber terrorisieren und sich seinerseits der Regierung bemächtigen schien ihm viel wichtiger als die Frage des Brotes, des Bodens oder der Organisation der Arbeit. Die Kommune von 1871 hat diesen Typus des Revolutionärs auch hervorgebracht. Chaumette, mit seinen Sympathien fürs Volk und seiner Lebensart, hätte sich eher den Kommunisten anschließen können. Einen Augenblick lang hatte er auch unter ihrem Einfluß gestanden. Aber die Partei der Hébertisten, mit der er verknüpft war, begeisterte sich nicht für diese Art Ideen. Sie suchte im Volk durchaus nicht eine große Kundgebung seines sozialen Willens hervorzurufen. Ihr Plan war, sich vermittelst einer neuen Säuberung des Konvents der Gewalt zu bemächtigen. Man wollte sich, wie Momoro sagte, ›der Memmen und der gebrochenen Beine entledigen, die in der Revolution ihren Dienst getan hatten und jetzt verbraucht waren‹. Man wollte den Konvent durch einen neuen 31. Mai, der sich aber diesmal auf die militärische Macht der ›Revolutionsarmee‹ stützen sollte, der Kommune von Paris unterwerfen. Nachher könnte man sehen, was sich tun ließe.

Hierin aber hatten die Hébertisten schlecht gerechnet. Sie bedachten nicht, daß sie mit einem Wohlfahrtsausschuß zu tun hatten, der es seit sechs Monaten verstanden hatte, eine Regierungsgewalt zu werden, und der sich durch die tüchtige Art, wie er den Krieg geführt hatte, Anerkennung erworben hatte, und mit einem Sicherheitsausschuß, der sehr mächtig geworden war, weil er eine umfassende Geheimpolizei in seinen Händen konzentriert und dadurch das Mittel hatte, jeden, wer es auch sei, auf die Guillotine zu schicken. Überdies begannen die Hébertisten den Krieg auf einem Gebiet, auf dem sie besiegt werden mußten, auf dem des Schreckens. Hier hatten sie eine ganze Welt der Regierungsgewalt bis zu denen, die den Schrecken zur Führung des Krieges für notwendig hielten, zu Konkurrenten. Der Schrecken ist immer eine Waffe der Regierung, und die Regierung, die sich festgesetzt hatte, wandte ihn gegen sie an.

Es wäre ermüdend, hier die Intrigen der verschiedenen Parteien zu erzählen, die sich im Laufe des Monats Dezember und der ersten Monate des Jahres 1794 gegenseitig um die Gewalt stritten. Es muß genügen, wenn hier gesagt wird, daß sich zu dieser Zeit vier Gruppen oder Parteien gegenüberstanden: die robespierristische Gruppe, die aus Robespierre und seinen Freunden Saint-Just, Couthon usw. bestand; die Partei der ›Müden‹, die sich um Danton gebildet hatte (Fabre d'Eglantine, Philippeaux, Bourdon, Camille Desmoulins usw.); die Kommune, die mit den Hébertisten zusammenfiel, und schließlich diejenigen Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses (Billaud-Varenne und Collot d'Herbois), die man die Terroristen nannte und um die sich die Männer gruppierten, die nicht wollten, daß die Revolution die Waffen niederlegte, aber die ebensowenig den Einfluß Robespierres, den sie im stillen bekämpften, oder den Einfluß der Kommune und der Hébertisten wollten.

Danton war in den Augen der Revolutionäre, die in ihm eine Gefahr sahen, weil die Girondisten sich hinter ihn scharten, völlig ›verbraucht‹. Wir haben jedoch gesehen, wie Ende November Robespierre und Danton Hand in Hand gingen, um die antireligiöse Bewegung zu bekämpfen. Im Jakobinerklub, der damals mit seiner Säuberung beschäftigt war, reichte Robespierre Danton, als an ihn – der schon sehr angegriffen wurde – die Reihe gekommen war, sich dem Säuberungsurteil des Klubs zu unterwerfen, die Hand. Er tat mehr, er identifizierte sich mit ihm.

Als andererseits Camille Desmoulins am 15. und 20. Frimaire (5. und 10. Dezember) die beiden ersten Nummern seines Vieux Cordelier herausgab, in denen dieser Journalist, der im Verleumden groß war, Hébert und Chaumette aufs niedrigste angriff und einen Feldzug zugunsten größerer Milde in der Verfolgung der Feinde der Revolution begann, hatte Robespierre diese beiden Nummern vorher gelesen und gebilligt. Während des Reinigungsprozesses bei den Jakobinern verteidigte er auch Desmoulins. Das wollte besagen, daß er in dem Augenblick bereit war, den Dantonisten Zugeständnisse zu machen, vorausgesetzt, daß sie ihm halfen, die Partei der Linken, die Hébertisten, anzugreifen.

Das taten sie gern und mit großer Heftigkeit durch die Feder Desmoulins in seinem Vieux Cordelier, und durch die Stimme Philippeaux' bei den Jakobinern, wo dieser das Verfahren der hébertistischen Generale in der Vendée leidenschaftlich angriff. Robespierre arbeitete in derselben Richtung gegen einen einflußreichen Hébertisten (die Jakobiner hatten ihn sogar zu ihrem Präsidenten gewählt), nämlich gegen Anacharsis Cloots, über den er mit einem ganz religiösen Hasse herfiel. Als die Reihe an Cloots war, sich im Jakobinerklub dem Reinigungsurteil zu unterwerfen, hielt Robespierre eine Rede voller Gift und Galle gegen ihn, in der dieser reine Idealist, der glühende Verehrer der Revolution und der begeisterte Verkünder der Internationale der Sansculotten, des Verrats bezichtigt wurde, und zwar weil er geschäftliche Beziehungen zu den Bankiers Vandenyver gehabt und sich für sie interessiert hatte, als sie als verdächtig verhaftet worden waren. Cloots wurde am 22. Frimaire (12. Dezember) aus dem Jakobinerklub ausgeschlossen: er war damit als Opfer der Guillotine gezeichnet.

Der Aufstand im Süden zog sich inzwischen in die Länge, und Toulon blieb in den Händen der Engländer. Man beschuldigte den Wohlfahrtsausschuß der Unfähigkeit. Man behauptete sogar, der Ausschuß hätte die Absicht, den Süden der Gegenrevolution zu überlassen. Es gab, scheint es, Tage, wo es nahe daran war, daß der Wohlfahrtsausschuß gestürzt und ›auf den Tarpejischen Felsen geschickt‹ wurde – und das hätte den Girondisten, den Gemäßigten, das heißt der Gegenrevolution, genützt.

Die Seele des Feldzugs gegen den Wohlfahrtsausschuß unter den Politikern war Fabre d'Eglantine, einer der Gemäßigten, der von Bourdon (aus dem Oise) unterstützt wurde, und zwischen dem 22. und 27. Frimaire (12. bis 17. Dezember) gab es sogar einen auf geheimem Einverständnis beruhenden Versuch, den Konvent gegen seinen Wohlfahrtsausschuß zur Empörung zu bringen.

Aber wenn die Dantonisten so gegen die Robespierristen intrigierten, so waren die beiden Parteien im Kampf gegen die Hébertisten einig. Am 27. Frimaire (17. Dezember) verlas Fabre d'Eglantine im Konvent einen Bericht, in dem er die Verhaftung von drei Hébertisten verlangte: von Ronsin, dem General der Pariser Revolutionsarmee, Vincent, dem Generalsekretär des Kriegsministeriums, und Maillard, dem nämlichen, der am 5. Oktober 1789 den Zug der Frauen nach Versailles geführt hatte. Das war ein erster Versuch der ›Partei der Milde‹, um einen Staatsstreich zugunsten der Girondisten und eines friedlicheren Verfahrens zu machen. Alle, die von der Revolution Nutzen gehabt hatten, hatten es, wie wir gesagt haben, eilig, zur ›Ordnung‹ zurückzukehren, und um zu ihr zu gelangen, waren sie bereit, die Republik zu opfern, wenn es not tat, und sich eine konstitutionelle Monarchie zu geben. Viele, wie Danton, waren der Menschen müde und sagten sich: ›Man muß ein Ende machen.‹ Andere schließlich – und diese sind in allen Revolutionen die gefährlichste Partei – sorgten jetzt schon, da sie angesichts der Gewalten, die die Revolution zu bekämpfen hatte, den Glauben an sie verloren, dafür, sich mit der Reaktion, deren Nahen sie schon merkten, gut zu stellen.

Diese Verhaftungen hätten jedoch zu sehr an die von Hébert im Jahre 1793 (siehe 39. Kapitel) erinnert, als daß man nicht hätte merken müssen, daß ein Staatsstreich zugunsten der girondistischen Partei, die der Reaktion als Stufe diente, in Vorbereitung war. Das Erscheinen der dritten Nummer des alten ›Cordelier‹, in der Desmoulins unter Formen, die er der römischen Geschichte entlehnte, die ganze revolutionäre Regierung angriff, trug auch dazu bei, die Intrigen zu entlarven, weil alles, was es in Paris an gegenrevolutionären Elementen gab, beim Lesen dieser Nummer, die jedem, der es hören wollte, das bevorstehende Ende der Revolution ankündigte, mit einem Male den Kopf wieder erhob.

Die Cordeliers stellten sich sofort auf die Seite der Hébertisten, aber sie fanden keinen andern Grund, das Volk aufzurufen, als die Notwendigkeit weiteren Wütens gegen die Feinde der Revolution. Auch für sie fiel die Revolution mit dem Schrecken zusammen. Sie trugen den Kopf Chaliers in Paris herum und wollten das Volk zu einem neuen 31. Mai treiben, um so eine neue ›Säuberung‹ des Konvents herbeizuführen und die ›Verbrauchten‹ und die ›gebrochenen Beine‹ aus ihm zu entfernen. Aber sie gaben in keiner Weise zu erkennen, was sie täten, wenn sie zur Macht gelangten, welche Richtung sie der Revolution gäben.

Nachdem der Kampf einmal auf dieser Grundlage entsponnen war, war es für den Wohlfahrtsausschuß leicht, den Streich zu parieren. Er verwarf den Schrecken in keiner Weise. In der Tat erstattete am 5. Nivôse (25. Dezember) Robespierre seinen Bericht über die revolutionäre Regierung, und wenn der Hauptinhalt dieses Berichtes von der Notwendigkeit sprach, das Gleichgewicht zwischen den zu radikalen und den zu gemäßigten Parteien zu bewahren, so war dafür seine Schlußfolgerung: den Tod für die Feinde des Volkes. Am Tag darauf verlangte er die Beschleunigung der Urteile des Revolutionstribunals.

Zur selben Zeit, am 4. Nivôse (24. Dezember), hatte man in Paris erfahren, daß Toulon den Engländern wieder abgenommen war. Am 5. und 6. (25. und 26. Dezember) erlitten die Vendéer eine entscheidende Niederlage bei Saveny. Am 10. nahm die Rheinarmee, die zur Offensive übergegangen war, dem Feinde die Linie von Weißenburg ab; die Belagerung Landaus wurde am 12. Nivôse (1. Januar 1794) abgebrochen, und die Deutschen gingen über den Rhein zurück.

Eine ganze Reihe entscheidender Siege stärkten so die Republik. Sie gaben auch dem Wohlfahrtsausschuß seine Autorität zurück, und Camille Desmoulins gab ihm jetzt in seiner fünften Nummer eine Ehrenerklärung – ohne jedoch seine heftigen Angriffe gegen Hébert einzustellen; und dadurch wurden die Sitzungen des Jakobinerklubs in der zweiten Dekade des Nivôse (vom 31. Dezember bis zum 10. Januar 1794) zu wahren Handgemengen voll persönlicher Angriffe. Am 10. Januar verkündeten die Jakobiner den Ausschluß Desmoulins aus ihrem Klub, und Robespierre mußte seine ganze Popularität aufwenden, um die Gesellschaft zu zwingen, diesem Ausschluß keine Folge zu geben.

Am 24. Nivôse (13. Januar) jedoch entschlossen sich die Ausschüsse, den Streich zu führen, und warfen in das Lager ihrer Gegner den Schrecken, indem sie Fabre d'Eglantine verhaften ließen. Der Vorwand war eine Anklage auf Fälschung, und man kündigte mit großem Lärm an, die Ausschüsse hätten eine große Verschwörung entdeckt, die darauf ausginge, die Nationalvertretung herabzuwürdigen.

Man weiß heutzutage, daß die Anschuldigung, die der Verhaftung Fabres zum Vorwand diente, er hätte zugunsten der mächtigen Indischen Kompagnie ein Konventsdekret gefälscht, falsch war. Das Dekret in Sachen der Indischen Kompagnie war in der Tat gefälscht, aber von einem andern Abgeordneten, nämlich Delaunay. Die Urkunde existiert noch in den Archiven, und seit Michelet sie entdeckt hat, weiß man, daß das gefälschte Schriftstück von der Hand Delaunays geschrieben ist. Aber da der öffentliche Ankläger des Revolutionstribunals, Fouquier-Tinville – der Vertrauensmann des Sicherheitsausschusses –, nicht erlaubte, daß das Schriftstück gezeigt wurde, weder vor dem Prozeß noch in der Verhandlung, starb Fabre als Fälscher, obschon sich die Regierung lediglich eines gefährlichen Gegners entledigen wollte. Robespierre hütete sich, sich einzumischen.Die Sache war verwickelt. Die Royalisten hatten einen sehr geschickten Mann, den Baron von Batz, in ihren Diensten, der sich durch seinen Mut und die Geschicklichkeit, mit der er sich den Verfolgungen entzog, einen fast legendenhaften Ruhm erworben hatte. Dieser Baron von Batz unternahm es, nachdem er lange für die Flucht Marie Antoinettens gewirkt hatte, einige Mitglieder des Konvents anzureizen, sich mit Geld, das der Abbé Espagnac liefern sollte, vermittelst der Agiotage große Vermögen zu erwerben. Er versammelte eines Tages Julien (von Toulouse), Delaunay, den Dantonisten Basire, den Bankier Benoît, den Dichter Laharpe und die Gräfin von Beaufort, Juliens Geliebte, in seinem Hause. Chabot, ebenderselbe, der seinen Priesterrock ausgezogen hatte und der eine Zeitlang ein Liebling des Volkes gewesen war, der sich aber seitdem mit einer Österreicherin, der Schwester des Bankiers Frey, verheiratet hatte, war auch dabei. Andererseits versuchte man Fabre zu verführen und gewann Delaunay für ein Geschäft, das die Indische Kompagnie betraf. Diese Kompagnie wurde im Konvent angegriffen, und der Konvent verfügte, es sollte vermittelst besonderer Kommissare zur Liquidation der Kompagnie geschritten werden; die Redaktion des Dekrets übertrug er Delaunay. Der Entwurf des Dekrets wurde von Fabre, der mit Bleistift einige Verbesserungen anbrachte, unterzeichnet. Aber andere Änderungen, die für die Gesellschaft vorteilhaft waren, wurden später mit Tinte von Delaunay im selben Entwurf angebracht, und ohne daß der Entwurf jemals im Konvent besprochen wurde, gab man diesen Entwurf für das eigentliche Dekret aus.

Drei Monate später wurde Fabre d'Eglantine zusammen mit Chabot, Delaunay, dem Abbé d'Espagnac und den beiden Brüdern Frey, österreichischen Bankiers, hingerichtet.

So ging der blutige Kampf zwischen den verschiedenen Fraktionen der revolutionären Partei weiter; man kann sich leicht denken, wie die Invasion und die Greuel des Bürgerkrieges diese Kämpfe immer erbitterter machen mußten. Hier drängen sich indessen Fragen auf: Was war schuld, daß der Kampf der Parteien nicht schon im Anfang der Revolution den Charakter der Heftigkeit annahm? Was machte es Männern, deren politische Anschauungen so verschieden waren, wie die der Girondisten, Dantons, Robespierres und Marats, möglich, sich zu dem gemeinsamen Vorgehen gegen die absolute Königsgewalt zusammenzutun?

Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Beziehungen der Traulichkeit und Brüderlichkeit, die sich in Paris und der Provinz um die Zeit der Revolution herum zwischen den hervorragenden Männern der Zeit in den Freimaurerlogen gebildet hatten, dazu beigetragen haben, diese Verständigung zu erleichtern. Man weiß tatsächlich durch Louis Blanc, Henri Martin und die treffliche Monographie des Professors Ernest Nys,Ernest Nys, Idées modernes, Droit International et Franc-Maçonnerie, Brüssel 1908. daß fast alle namhaften Revolutionäre Freimaurer gewesen sind. Mirabeau, Bailly, Danton, Robespierre, Marat, Condorcet, Brissot, Lalande usw. gehörten dem Freimaurerorden an, und der Herzog von Orléans, Philippe Egalité, war bis zum 13. Mai 1793 der Großmeister der französischen Logen. Andererseits steht ebenfalls fest, daß Robespierre, Mirabeau, Lavoisier und wahrscheinlich viele andere den Logen der Illuminaten angehörten, die Weishaupt gegründet hatte und deren Ziel war, ›die Völker von der Tyrannei der Fürsten und Priester zu erlösen und unmittelbar dazu vorzuschreiten, die Bauern und Arbeiter von der Leibeigenschaft, den Fronden und den Zünften zu befreien‹.

Es ist sicher, wie Nys sagt, daß die Freimaurerei ›durch ihre humanitären Bestrebungen, durch das unerschütterliche Gefühl von der Menschenwürde, durch die Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit‹ stark dazu beigetragen hat, die öffentliche Meinung für die neuen Ideen empfänglich zu machen. Ihr Einfluß konnte um so stärker sein, als dank ihr ›überall in Frankreich Versammlungen stattfanden, in denen die Ideen des Fortschritts auseinandergesetzt und freudig begrüßt wurden und in denen – dieser Punkt ist wichtiger, als mancher denkt – sich viele im Diskutieren und Beschlüssefassen übten‹. Die Vereinigung der drei Stände im Juni 1789 und die Nacht des 4. August waren sehr wahrscheinlich in den Logen vorbereitet worden (E. Nys, S. 82, 83).

Diese Vorbereitungsarbeit mußte auch zwischen den Männern der Tat persönliche Beziehungen und die Gewohnheit der gegenseitigen Achtung herstellen, die sich trotz den Parteiinteressen, die ja immer engherzig sind, durchsetzten. Und das machte es den Revolutionären möglich, vier Jahre lang in einer gewissen Gemeinschaft zusammenzuwirken, um die absolute Königsgewalt zu Boden zu schlagen. Da jedoch später dieses Zusammenhalten auf harte Proben gestellt wurde, besonders als sich die Freimaurer über die Frage des Königtums und noch mehr über die der kommunistischen Bestrebungen selbst teilten, konnten diese Beziehungen nicht bis zum Ende der Revolution bestehenbleiben. Der Kampf brach mit voller Wut los.


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