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Nach dem Sturz ihrer Feinde zur Linken und Rechten fuhren die Ausschüsse fort, die Gewalt mehr und mehr in ihren Händen zu vereinigen. Bis dahin hatte es sechs Ministerien gegeben, die dem Wohlfahrtsausschuß nur mittelbar, durch Vermittlung des Ausschusses der Exekutive, der aus sechs Ministern zusammengesetzt war, unterstellt waren. Am 12. Germinal (1. April) wurden die Ministerien abgeschafft und durch zwölf Exekutivkommissionen ersetzt, von denen jede unter die Kontrolle einer Sektion des Ausschusses gestellt wurde.Wie James Guillaume (Procès-verbaux du Comité d'Instruction publique de la Convention, Bd. IV, Einleitung, S. 11 und 12) gezeigt hat, waren die meisten dieser Kommissionen schon allmählich von Oktober 1793 ab gebildet worden. Überdies bekam der Wohlfahrtsausschuß das Recht, von sich aus die in die Provinzen und zu den Armeen entsandten Konventsdelegierten zurückzurufen. Weiter wurde beschlossen, daß das oberste Revolutionstribunal in Paris unter den Augen der Ausschüsse tagen sollte. Wer an irgendeinem Orte in Frankreich der Verschwörung beschuldigt wurde, sollte nach Paris gebracht werden, um hier abgeurteilt zu werden. Zugleich wurden Maßregeln getroffen, um Paris von feindlichen Elementen zu säubern. Alle früheren Adligen und alle Ausländer, die zu den Nationen gehörten, die gegen Frankreich Krieg führten, sollten, mit wenigen unausweichlichen Ausnahmen, aus Paris ausgewiesen werden (Dekrete vom 26. und 27. Germinal).
Die andere große Sorge war der Krieg. Im Januar 1793 hatte man noch gehofft, die Partei der Opposition im englischen Parlament, die von einem beträchtlichen Teil der Londoner Bevölkerung und von mehreren einflußreichen Mitgliedern des Oberhauses unterstützt wurde, könnte das Ministerium Pitt verhindern, den Krieg fortzusetzen. Danton muß diesen Irrtum geteilt haben; es war eines der Verbrechen, die man ihm vorwarf. Aber Pitt riß die Mehrheit des Parlaments gegen die ›ruchlose Nation‹ mit sich fort, und schon zu Beginn des Frühjahrs betrieben England und Preußen, das im Solde Englands stand, aufs eifrigste den Krieg. Bald wurden vier Armeen, die 315 000 Mann stark waren, an die Grenzen Frankreichs geworfen. Ihnen standen vier Armeen der Republik gegenüber, die nur 294 000 Mann zählten. Aber es waren schon republikanische und demokratische Armeen, die ihre besondere Taktik ausgebildet hatten, und bald hatten sie über die Verbündeten die Oberhand erlangt.
Der dunkelste Punkt war jedoch die Stimmung in der Provinz, insbesondere im Süden. Das unterschiedlose Massengemetzel gegen die gegenrevolutionären Führer wie gegen die Verführten, zu dem die lokalen Jakobiner und die Konventsdelegierten nach dem Siege gegriffen hatten, hatte einen so tiefgehenden Haß gesät, daß es jetzt allenthalben ein Krieg bis aufs Messer war. Und die Lage wurde dadurch nur immer schwieriger, daß niemand, weder an Ort und Stelle noch in Paris, zu etwas anderem zu raten wußte als zu den äußersten Mitteln der Rache. Hier ein Beispiel dafür.
Das Vaucluse stand unter dem Einflusse der Royalisten und Priester, und so kam es, daß in Bédouin, einem der zurückgebliebenen Dörfer am Fuße des Mont Ventoux, das immer für das alte Regierungssystem gewesen war und kein Hehl daraus machte, ›das Gesetz schändlich verletzt‹ worden war! Am ersten Mai war der Freiheitsbaum umgestürzt, ›und die Dekrete des Konvents in den Kot geschleift worden!‹ Das militärische Oberhaupt der Gegend (Suchet, der später ein Kaiserlicher wurde) will ein ›schreckliches Exempel‹. Er verlangt die Zerstörung des Dorfes. Maignet, der Konventsdelegierte, zögert und wendet sich nach Paris, und von da befiehlt man ihm, mit größter Strenge zu verfahren. Nunmehr steckte Suchet das Dorf in Brand, und 433 Häuser oder Baulichkeiten wurden zerstört. Man sieht leicht, daß bei diesem System nichts anderes übrigblieb, als ›streng vorzugehen‹, immer weiter streng vorzugehen.
Das tat man denn auch. Einige Tage später schlug Couthon angesichts der Unmöglichkeit, alle verhafteten Bürger nach Paris zu transportieren (man hätte, sagte Maignet, dazu ein Armeekorps und Proviantierungsstellen unterwegs gebraucht), den Ausschüssen vor – und diese nahmen den Vorschlag an –,Ich folge hier dem Bericht von Louis Blanc (Buch XII, Kap. 13), der der Feindseligkeit gegen Robespierre und seine Gruppe gewiß nicht verdächtig ist. es sollte eine Spezialkommission von fünf Mitgliedern zusammentreten und in Orange tagen, um die Feinde der Revolution in den Departements Vaucluse und Bouches-du-Rhône abzuurteilen. Robespierre schrieb eigenhändig die Instruktion für diese Kommission, und diese Instruktion gab bald das Muster ab für sein Gesetz vom 22. Prairial über den Schrecken.›Die Feinde der Revolution‹, heißt es in der Instruktion, ›sind die, welche – gleichviel durch welche Mittel, und unter welchen Formen sie sich auch verstecken – versucht haben, dem Vorschreiten der Revolution im Weg zu sein und die Befestigung der Republik zu hindern. – Auf dieses Verbrechen steht die Todesstrafe; die Beweise, die für die Verurteilung erforderlich sind, sind alle Ermittelungen, wie sie auch beschaffen sein mögen, die einen Urteilsfähigen, der ein Freund der Freiheit ist, überzeugen können. – Die Norm, nach der die Urteile sich bestimmen, ist das Gewissen des Richters, das von der Gerechtigkeits- und Vaterlandsliebe das Licht empfängt; ihr Ziel ist das öffentliche Wohl und der Untergang der Feinde des Vaterlandes.‹ Keine Geschworenen: die Richter genügen. Das Gewissen des Richters und ›die Ermittelungen, wie sie auch beschaffen sein mögen‹, sollen ›die Norm der Urteile‹ sein.
Einige Tage später trug Robespierre dem Konvent dieselben Grundsätze vor. Er sagte, bis jetzt sei man gegen die Feinde der Freiheit schonend vorgegangen, man müsse sich über die Formen der Urteile hinwegsetzen, müsse sie vereinfachen.›Man will die Revolutionen mit juristischen Spitzfindigkeiten führen; man behandelt die Verschwörungen gegen die Republik wie Prozesse zwischen Privatpersonen. Die Tyrannei tötet, und die Freiheit hält Reden! Und das Strafgesetz, das die Verschwörer selbst gemacht haben, ist der Buchstaben, nach dem man sie richtet!‹ – ›Die Frist bis zur Bestrafung der Feinde des Vaterlandes darf nur die Zeit sein, bis sie rekognosziert sind: es handelt sich weniger darum, sie zu strafen, als sie zu vernichten.‹Und zwei Tage nach dem Fest des höchsten Wesens beantragte er mit Zustimmung seiner Kollegen vom Wohlfahrtsausschuß das berüchtigte Gesetz vom 22. Prairial (10. Juni) über die Reorganisation des Revolutionstribunals. Auf Grund dieses Gesetzes wurde das Revolutionstribunal in Sektionen geteilt, deren jede aus drei Richtern und neun Geschworenen zusammengesetzt war. Sieben von ihnen genügten für das Urteil. Die Prinzipien der Urteile sollten so sein, wie sie Robespierre in der Instruktion an die Kommission von Orange dargelegt hatte; nur nahm man noch in die Zahl der Verbrechen, die mit dem Tod bestraft werden sollten, die Verbreitung falscher Nachrichten zu dem Zweck, das Volk zu spalten oder zu verwirren, die Sitten zu verderben oder das öffentliche Gewissen zu vergiften, auf.
Dieses Gesetz erlassen hieß nichts anderes, als den Bankerott der revolutionären Regierung erklären. Damit war unter dem Anschein der Gesetzlichkeit getan, was das Volk von Paris auf revolutionäre Weise und gerade drauflos in einem Augenblick der Panik und der Verzweiflung in den Septembertagen getan hatte. Und so war denn auch die Wirkung dieses Gesetzes vom 22. Prairial die, daß es in sechs Wochen die Gegenrevolution zum Reifen brachte.
War, wie einige Historiker beweisen wollen, die Absicht Robespierres bei der Vorbereitung dieses Gesetzes nur, solche Mitglieder des Konvents zu treffen, die er für die schädlichsten Feinde der Revolution hielt? Die Tatsache, daß er sich von den Geschäften zurückzog, nachdem die Debatten im Konvent ihm bewiesen hatten, daß der Nationalkonvent sich nicht länger von den Ausschüssen zur Ader lassen wollte, ohne seine Mitglieder zu schützen, gibt dieser Hypothese einen Anschein der Wahrscheinlichkeit. Aber die gutbelegte Tatsache, daß die Instruktion an die Kommission von Orange ebenfalls von Robespierre stammte, bringt diese Hypothese zu Falle. Es ist wahrscheinlicher, daß Robespierre einfach dem Gang der Ereignisse folgte und daß er, Couthon und Saint-Just – im Einklang mit vielen anderen, darunter selbst Cambon – den Schrecken ebensosehr als Kampfeswaffe im großen wie als Drohung gegen einige Konventsmitglieder wollten. Im Grunde – ganz abgesehen von Hébert – war man schon seit den Dekreten über die Vereinigung der Gewalten vom 19. Floréal (8. Mai) und 9. Prairial (28. Mai) unterwegs zu diesem Gesetz.
Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß der Anschlag von Ladmiral gegen Collot d'Herbois und die seltsame Angelegenheit von Cécile Renault dazu beitrugen, daß das Gesetz vom 22. Prairial angenommen wurde.
Gegen Ende April hatten in Paris eine Reihe Hinrichtungen stattgefunden, die den Haß der Royalisten hatten erwecken müssen. Nach den Hinrichtungen vom 24. Germinal (von Chaumette, Gobel, Lucile Desmoulins, der Witwe Héberts und fünfzehn andern) hatte man d'Eprémesnil, Le Chapelier, Thouret, den alten Malesherbes (den Verteidiger Ludwigs XVI. bei dem Prozeß gegen ihn), den großen Chemiker und guten Republikaner Lavoisier und schließlich die Schwester Ludwigs XVI., Madame Elisabeth, hingerichtet, die man ohne jede Gefahr für die Republik ebensowohl wie ihre Nichte hätte in Freiheit setzen können.
Die Royalisten kamen in Bewegung, und am 7. Prairial (25. Mai) ging ein gewisser Ladmiral, ein Bureaubeamter von fünfzig Jahren, in den Konvent, um Robespierre zu töten. Er schlief dort während einer Rede Barères ein und verfehlte den ›Tyrannen‹. Dann zielte er auf Collot d'Herbois in dem Augenblick, wo dieser auf der Treppe war, um nach Hause zu gehen. Es entstand ein heftiger Kampf zwischen den beiden, und Collot entwaffnete Ladmiral.
Am nämlichen Tage erschien ein junges Mädchen von zwanzig Jahren, Cécile Renault, die Tochter eines sehr royalistischen Papierhändlers, im Hof des Hauses, in dem Robespierre bei Duplay wohnte, und bestand darauf, ihn zu sehen. Man mißtraute ihr, nahm sie fest und fand zwei kleine Messer in ihren Taschen. Ihre unzusammenhängenden Äußerungen konnten den Verdacht entstehen lassen, daß sie ein Attentat gegen Robespierre, das übrigens in jedem Falle sehr kindisch gewesen wäre, beabsichtigt hatte.
Es ist wahrscheinlich, daß diese beiden Attentate ein Argument zugunsten des Gesetzes über den Schrecken waren.
Auf jeden Fall nutzten die Ausschüsse sie aus, um ein großes ›Amalgam‹ zu machen. Sie ließen den Vater und den Bruder des jungen Mädchens und mehrere Personen, deren ganzes Verbrechen darin bestand, Ladmiral mehr oder weniger gut gekannt zu haben, verhaften. Man brachte Madame Saint-Amaranthe, die ein Spielhaus gehalten hatte, in dem ihre wegen ihrer Schönheit bekannte Tochter, Frau von Sartine, anzutreffen war, zur Haft. Und da dieses Haus von allen möglichen Leuten, unter anderem von Chabot, Desfieux und Hérault de Séchelles und, wie es scheint, auch von Danton besucht worden war, machte man eine royalistische Verschwörung daraus und versuchte auch diese Sache mit Robespierre in Verbindung zu bringen. In denselben Prozeß brachte man auch den alten Sombreuil (den nämlichen, den Maillard während der Septembermorde gerettet hatte), die Schauspielerin Grand-Maison, die Freundin des Barons von Batz, Sartine, einen der ›Ritter vom Dolche‹, und neben all diesen eine arme unschuldige Schneiderin von siebzehn Jahren, namens Nicolle.
Der Prozeß wurde auf Grund des Gesetzes vom 22. Prairial schnell geführt. Es wurden diesmal vierundfünfzig Personen auf einmal hingerichtet, denen man wie Vatermördern rote Hemden angezogen hatte, und die Hinrichtungen dauerten zwei Stunden. So fing das neue Gesetz, das überall das Gesetz Robespierres genannt wurde, seine Tätigkeit an. Es machte sofort das Schreckensregiment in Paris verhaßt.
Man kann sich denken, in welche Geistesverfassung die Personen kommen mußten, die als verdächtig verhaftet worden waren und in den Gefängnissen der Hauptstadt saßen, als sie von den Bestimmungen des Gesetzes vom 22. Prairial und von seiner Anwendung auf vierundfünfzig Rothemden erfuhren. Man machte sich auf ein allgemeines Gemetzel ›zur Entleerung der Gefängnisse‹ gefaßt, wie es in Nantes oder in Lyon stattgefunden hatte, und rüstete sich zum Widerstand. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Pläne zur Empörung geschmiedet wurden.Eine Durchsuchung, die man in den Gefängnissen veranstaltete, führte zur Konfiskation von beträchtlichen Geldsummen bei den Gefangenen (864 000 Franken), abgesehen von den Schmucksachen; Geld und Wertsachen zusammen, die in dem Besitz der Verdächtigen in den Gefängnissen waren, schätzte man auf 1 200 000 Franken. Und nunmehr gab es Massenprozesse gegen hundertfünfzig Angeklagte auf einmal, die in drei Abteilungen hingerichtet wurden; man führte Zuchthäusler und Royalisten zusammen aufs Schafott.
Es ist unnütz, sich bei diesen Hinrichtungen länger aufzuhalten. Es genügt, wenn gesagt wird, daß vom 17. April 1793, dem Tag der Begründung des Revolutionstribunals, bis zum 22. Prairial des Jahres II (10. Juni 1794), das heißt im Lauf von vierzehn Monaten, das Tribunal in Paris schon 2 607 Personen hatte hinrichten lassen, aber daß seit dem neuen Gesetz das nämliche Gericht im Lauf von nur sechsundvierzig Tagen, vom 22. Prairial bis zum 9. Thermidor (27. Juni 1794), 1 351 Personen zum Tode brachte.
Dem Volk von Paris schauderte bald vor all diesen Henkerkarren, auf denen die Verurteilten zur Guillotine gefahren wurden und die fünf Henker kaum jeden Tag leeren konnten. Man fand kaum mehr Friedhöfe, um die Opfer zu beerdigen, weil sich jedesmal, wenn man für diesen Zweck einen neuen Friedhof in einem Arbeiterviertel eröffnete, heftige Proteste erhoben.
Die Sympathien der Arbeiterbevölkerung von Paris wandten sich jetzt den Opfern zu, und dies um so mehr, als die Reichen ausgewandert waren oder sich in Frankreich verborgen hielten und die Guillotine hauptsächlich die Armen traf. In der Tat waren unter 2 750 Guillotinierten, deren Stand Louis Blanc feststellen konnte, nur 650, die zu den begüterten Klassen gehörten. Man flüsterte sich sogar ins Ohr, im Sicherheitsausschuß säße ein Royalist, ein Agent von Batz, der zu den Hinrichtungen aufstachelte, um die Republik verhaßt zu machen.
Sicher ist, daß jede neue Massenhinrichtung dieser Art den Sturz des jakobinischen Regiments beschleunigte.
Das ist eine Sache, die die Staatsmänner nicht begreifen können: der Schrecken hatte aufgehört zu schrecken.