Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
Die Große Französische Revolution 1789-1793 – Band II
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin

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57. Die Erschöpfung des revolutionären Geistes

Die Bewegung vom 31. Mai 1793 hatte es der Revolution möglich gemacht, ihr Hauptwerk zu vollenden: die endgültige Abschaffung der Feudalrechte ohne Ablösung und die Abschaffung der absoluten Monarchie. Aber nachdem das getan war, kam die Revolution zum Stillstand. Die Masse des Volkes wollte wohl weitergehen; aber die Personen, die die Revolution an die Spitze der Bewegung gebracht hatte, wagten es nicht. Sie wollten nicht, daß die Revolution die Vermögen des Bürgertums ebenso antastete, wie sie es mit denen des Adels getan hatte, und sie benutzten ihren ganzen Einfluß, um diese Bestrebung zu hemmen, festzuhalten und endlich zu vernichten. Die Vorgeschrittensten und die Aufrichtigsten unter ihnen hatten, wenn sie zur Macht gelangten, alle mögliche Schonung für die Bourgeoisie, selbst wenn sie sie verabscheuten. Sie dämpften ihre gleichheitlichen Bestrebungen, sie blickten wohl auch forschend nach England, um zu sehen, was das englische Bürgertum sagte. Sie wurden nun ebenfalls ›Staatsmänner‹, und sie arbeiteten daran, eine starke, zentralisierte Regierung zu bilden, deren Organe ihnen blind gehorchten. Und als sie dazu gelangten, diese Macht, über den Leichen derer, die ihnen zu radikal erschienen waren, zu befestigen, mußten sie, als sie selbst aufs Schafott stiegen, einsehen, daß sie mit der radikalen Partei die Revolution selbst getötet hatten.

Nachdem der Konvent durch das Gesetz sanktioniert hatte, was die Bauern vier Jahre lang gefordert und hie und da getan hatten, wußte er nichts Organisches mehr zu unternehmen. Abgesehen von den Dingen der nationalen Verteidigung und der Erziehung, war seine Arbeit von da an zur Unfruchtbarkeit verdammt. Die Gesetzgeber sanktionieren noch die Bildung der Revolutionsausschüsse und beschließen, solche armen Sansculotten, die ihre Zeit dem Dienste der Sektionen und der Komitees widmen, zu bezahlen; aber diese Maßnahmen, die anscheinend demokratisch sind, sind keine Maßnahmen des revolutionären Zerstörens oder Schaffens. Sie sind nur Mittel zur Organisation der Gewalt.

Außerhalb des Konvents und des Jakobinerklubs – in der Kommune von Paris, in manchen Sektionen der Hauptstadt und der Provinzen und im Klub der Cordeliers – findet man einige Männer, die einsehen, daß man, um das Eroberte zu befestigen, vorwärtsmarschieren muß, und die den Versuch machen, die Bestrebungen sozialer Art, deren Auftauchen in den Volksmassen man wahrnimmt, zu formulieren.

Sie versuchen Frankreich als eine Körperschaft von 40 000 Gemeinden zu konstituieren, die in dauernder Verbindung miteinander und lauter Mittelpunkte der weitestgehenden DemokratieDie Funktion der Gemeinde war, wie Mignet (Histoire de la Révolution française, 19. Auflage, II, 31) sehr gut gesagt hat, ›das letzte Wort der Revolution‹. ›Zum Wohlfahrtsausschuß völlig im Gegensatz wollte sie an Stelle der Diktatur des Konvents die weitestgehende lokale Demokratie und an Stelle des Kultus die Heiligung des krassesten Unglaubens. Die politische Anarchie und der religiöse Atheismus, das waren die Wahrzeichen dieser Partei und die Mittel, durch die sie ihre eigene Herrschaft begründen wollte.‹ Man muß jedoch beachten, daß nur ein Teil der ›Anarchisten‹ Hébert in seinem antireligiösen Feldzug Gefolgschaft leistete und daß viele ihn verließen, als sie merkten, welcher Geist auf dem Lande herrschte. sein und daran arbeiten sollen, ›die tatsächliche Gleichheit‹, wie man damals sagte, die Gleichmachung der Vermögen, herzustellen. Sie suchen, die Keime des Gemeindekommunismus, die das Gesetz über den Maximalpreis anerkannt hatte, zur Entwicklung zu bringen; sie drängen zur Nationalisierung des Handels mit den wichtigsten Lebensmitteln, in der sie das Mittel sehen, das wucherische Aufkaufen und die Spekulation zu bekämpfen. Sie versuchen endlich, die Bildung der großen Vermögen aufzuhalten und die, die sich schon gebildet haben, zu zerbrechen und zu zerstückeln.

Aber als die revolutionäre Bourgeoisie zur Macht gekommen war und die Gewalt benutzte, die sich bei den beiden Ausschüssen, dem Wohlfahrts- und dem Sicherheitsausschuß, deren Autorität mit den Gefahren des Krieges immer größer wurde, angesammelt hatte, vernichtete sie die, die sie die ›Enragés‹ oder die ›Anarchisten‹ nannte – um ihrerseits im Thermidor dem Angriff der gegenrevolutionären Bourgeoisie zu erliegen.Mit dem Namen ›Die Kommune und die Anarchisten‹ umfaßte Mignet die Männer der Kommune, wie Chaumette und den Bürgermeister Pache, die Kommunisten, wie Jacques Roux, Chalier, Varlet usw., und die eigentlich sogenannten Hébertisten. So schrieb er z. B.: ›Unter diesen Umständen wollte er (Robespierre) die Kommune und die Anarchisten opfern; die Ausschüsse wollten den Berg und die Gemäßigten opfern. Man verständigte sich.‹ Michelet dagegen hat die volkstümlichen Kommunisten, wie Jacques Roux, Varlet, Chalier, L'Ange usw., sehr gut von den Hébertisten getrennt. Dann konnte sich, nachdem der revolutionäre Schwung durch die Hinrichtung der radikalen Revolutionäre erlahmt war, das Direktorium festsetzen, und Bonaparte brauchte sich der zentralisierten Gewalt, die von den jakobinischen Revolutionären eingerichtet worden war, nur zu bemächtigen, um Konsul und später Kaiser zu werden.

Solange der Berg gegen die Girondisten zu kämpfen hatte, suchte er bei den Volksrevolutionären Beistand. Im März und April 1793 schienen die Leute vom Berg bereit zu sein, mit den Proletariern zusammen sehr weit zu gehen. Aber als sie zur Macht gelangt waren, wollten sie nicht weiter, als eine Mittelpartei zwischen den Enragés und den Gegenrevolutionären zu bilden, und sie behandelten alle, die die gleichheitlichen Bestrebungen des Volkes vertraten, als Feinde. Sie vernichteten sie, indem sie alle ihre Organisationsversuche in den Sektionen und der Kommune vernichteten.

Die Sache ist die, daß die große Masse der Mitglieder der Bergpartei – nur wenige sind auszunehmen – noch nicht einmal eine Vorstellung von den Bedürfnissen des Volkes hatte, ohne die eine Partei der Volksrevolution sich nicht bilden konnte. Der Mann des Volkes, mit seinem Elend, mit seiner Familie, die oft nicht genug zu essen hatte, und seinen noch unbestimmten und schwankenden Gleichheitsbestrebungen, war ihnen fremd. Sie interessierte vielmehr das abstrakte isolierte Individuum als Glied einer demokratischen Gesellschaft.

Mit Ausnahme einiger vorgeschrittener Mitglieder der Bergpartei interessierten einen Konventsdelegierten, wenn er in eine Provinzstadt kam, die Fragen der Arbeit und des Wohlstandes in der Republik, der gleiche Genuß der verfügbaren Güter sehr wenig. Er war entsandt, um den Widerstand gegen die Invasion zu organisieren und den Geist des Patriotismus zu heben, und ging so als Beauftragter der Demokratie vor, für den das Volk nur das Element war, das ihm half, die Absichten der Regierung durchzuführen.

Wenn er in den Volksverein des Ortes ging, geschah es, weil die Stadtverwaltung ›von der Aristokratie angefressen war‹ und der Volksverein ihm helfen sollte, sie zu ›säubern‹, um die nationale Verteidigung zu organisieren und die Verräter zu ergreifen.

Wenn er den Reichen oft sehr drückende Steuern auferlegte, so geschah es, weil die Reichen, die ›vom Wuchergeist angefressen‹ waren, mit den Feuillants oder den ›Föderalisten‹ sympathisierten und dem Feinde halfen. Es geschah auch, weil man, wenn man sie ordentlich anpackte, die Mittel fand, die Armeen zu ernähren und zu bekleiden.

Wenn er in einer Stadt etwa die Gleichheit proklamierte, wenn er verbot, weißes Brot zu backen, und allen nur schwarzes oder Bohnenbrot erlaubte, so geschah es, um die Soldaten ernähren zu können. Und wenn ein Agent des Wohlfahrtsausschusses ein Volksfest veranstaltete und an Robespierre schrieb, er hätte soundso viel Bürgerinnen mit jungen Patrioten zusammengetan, so hatte er auch damit eine Propaganda des kriegerischen Patriotismus gemacht.

So ist man, wenn man die Briefe liest, die die Konventsdelegierten schrieben,Man findet diese Briefe in dem Recueil des Actes du Comité de salut public, publié par Aulard, Paris 1889 ff., auch bei Legros, La Révolution telle qu'elle est . . . Correspondance du Comité de salut public avec ses généraux, 2 Bde., Paris 1837. erstaunt, darin so wenig über die großen Fragen zu finden, für die sich die Masse der Bauern und der Handwerker und Arbeiter in den Städten leidenschaftlich erregte. Drei oder vier höchstens, unter zweihundert, nehmen Interesse daran.

So hat der Konvent endlich die Feudalrechte abgeschafft und befohlen, die Urkunden darüber zu verbrennen, und diese Operation wird oft nur sehr unlustig vorgenommen; er hat die Erlaubnis gegeben, daß die Dorfgemeinden von den Ländereien, die ihnen unter allerlei Vorwänden im Laufe von zweihundert Jahren weggenommen worden waren, wieder Besitz ergriffen. Es ist klar: diese Maßregeln in die Tat umzusetzen, sie an Ort und Stelle durchzuführen, wäre ein Mittel gewesen, die Begeisterung der Bevölkerungen für die Revolution wachzurufen. Aber man findet in den Briefen der Konventsdelegierten fast nichts darüber.Diese Briefe, wie sie in der Sammlung von Aulard oder auch von Legros veröffentlicht sind, sind in jeder Hinsicht von größtem Interesse für die Zeitgeschichte; aber ich habe in ihnen vergebens nach Spuren einer Tätigkeit der Konventsdelegierten in dieser Richtung gesucht. Jean Bon Saint-André, Collot d'Herbois, Fouché, Dubois de Crancé berühren manchmal die großen Fragen, die die Bauern und die Proletarier in den Städten bewegen, und es ist möglich, daß es andere Briefe von Konventsdelegierten gibt, die ich nicht kenne; aber das scheint sicher, daß die große Zahl der Konventsmitglieder, die unterwegs waren, sich nicht dafür interessierte. Der junge Jullien erwähnt in seinen so interessanten Briefen, die er an den Wohlfahrtsausschuß oder an seinen Freund und Gönner Robespierre gerichtet hat, ein einziges Mal, daß er Feudalurkunden hat verbrennen lassen.Une mission en Vendée. Ebenso findet sich gelegentlich einmal eine Erwähnung bei Collot d'Herbois.Aulard, Recueil des Actes du Comité de salut public, Bd. V, S. 505.

Auch wenn die Konventsdelegierten von den Lebensmitteln sprechen – und darauf kommen sie oft –, gehen sie der Frage nicht auf den Grund. Es gibt einen einzigen Brief von Jean Bon Saint-André, vom 26. März 1793, der eine Ausnahme von der Regel bildet, und er ist, wie man sieht, vor dem 31. Mai geschrieben, später wandte auch er sich gegen die radikalen Revolutionäre.Der Brief ist von zwei Delegierten unterzeichnet, die in diesem Departement reisten, von Jean Bon und Lacoste; aber er ist von ersterem geschrieben. Jean Bon schrieb aus dem Departement Lot-et-Garonne, das zu denen gehörte, die der Revolution sehr geneigt waren, und bat die Kollegen vom Ausschuß, die Gefahren der Lage nicht zu verkennen: ›Sie ist derart‹, schrieb er, ›daß es, wenn unser Mut nicht eine der außerordentlichen Gelegenheiten schafft, die den öffentlichen Geist in Frankreich heben und ihm neue Kraft geben, keine Hoffnung mehr gibt. Die Unruhen in der Vendée und den benachbarten Departements sind ohne Zweifel bedenklich; aber sie sind in Wahrheit nur gefährlich, weil die heilige Begeisterung für die Freiheit in allen Herzen erloschen ist. Überall ist man der Revolution müde. Die Reichen verabscheuen sie, die Armen haben kein Brot . . .‹ und ›all die Leute, die man früher Gemäßigte nannte und die bis zu gewissem Grade gemeinsame Sache mit den Patrioten machten und wenigstens irgendeine Revolution wollten, wollen heute nichts mehr davon hören . . . Sagen wir es gerade heraus, sie wollen die Gegenrevolution . . .‹ Sogar die Gemeindeverwaltungen sind in all den Orten, durch die diese beiden Delegierten kamen, schwach oder verderbt.

Jean Bon Saint-André fordert darum Maßregeln, die groß und streng sein sollen. Und am Ende seines Briefes kommt er in einer Nachschrift auf diese Maßregeln zurück: ›Der Arme‹, sagt er, ›hat kein Brot; aber es fehlt nicht an Korn, es ist nur eingeschlossen und wird nicht herausgegeben . . . Es ist gebieterische Notwendigkeit, dem Armen zum Leben zu verhelfen, wenn ihr wollt, daß er euch die Revolution vollenden hilft . . . Wir sind der Meinung, ein Dekret, das die allgemeine obligatorische Aushebung alles Getreides befiehlt, wäre sehr nützlich, besonders wenn es mit einer Verfügung verbunden wäre, die aus dem Überfluß der Privaten öffentliche Kornspeicher zu errichten bestimmt.‹ Und Jean Bon Saint-André bittet Barère flehentlich, diese Maßregeln in die Hand zu nehmen.Actes du Comité de salut public, von Aulard veröffentlicht, Bd. III, S. 533–534.

Aber wie sollte man es machen, um den Konvent für diese Fragen zu interessieren!

Die Befestigung des Regiments der Bergpartei interessiert die Konventsdelegierten am meisten. Aber sie gleichen darin allen Regierenden vor ihnen und nach ihnen: sie suchen die Stütze nicht in der Herstellung des allgemeinen Wohlergehens und des Wohlstandes für alle. Sie suchen sie in der Schwächung und, wenn es not tut, der Vernichtung der Feinde dieses Regiments. Es dauert nicht mehr lange, so werden sie sich für den Schrecken begeistern und ihn als Mittel wählen, die Feinde der demokratischen Republik niederzuschlagen, aber niemals werden sie sich für die Maßnahmen einer großen wirtschaftlichen Umgestaltung ins Zeug legen, nicht einmal für die, die sie selbst früher unter dem Druck der Ereignisse beschlossen haben.


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