Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
Die Große Französische Revolution 1789-1793 – Band II
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin

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44. Der Krieg – Die Vendée – Der Verrat Dumouriez'

Im Anfang des Jahres 1793 war es um den Krieg schlecht bestellt. Die Erfolge des vorigen Herbstes hatten sich nicht halten lassen. Um zur Offensive übergehen zu können, bedurfte es starker Anwerbungen, und diese hatten fast keinen Erfolg mehr.Das Volk wußte ohne Zweifel, wie die Freiwilligen von 1792 in der Armee von den durchweg royalistischen höheren Offizieren und Generälen empfangen worden waren. Sie beeiferten sich alle, möglichst wenig Freiwillige zu haben, sagt Avenel, der die Archive des Kriegsministeriums erforscht hat. Man behandelte sie als Disziplinlose und Feiglinge, man erschoß sie beim ersten Vergehen und reizte die Linientruppen gegen sie auf (Lundis révolutionnaires, S. 8). Man schätzte im Februar 1793, daß zum mindesten 300 000 Mann nötig waren, um die Lücken in der Armee auszufüllen und sie wieder zum Effektivbestand von einer halben Million zu bringen. Aber man konnte nicht mehr auf die Freiwilligen rechnen. Einige Departements (der Var, die Gironde) schickten wohl ihre Bataillone – beinahe ganze Armeekorps –, aber die anderen taten nichts.

Nun sah sich am 24. Februar der Konvent genötigt, eine obligatorische Aushebung von 300 000 Mann anzuordnen, die auf alle Departements und in jedem Departement auf die Distrikte und Gemeinden zu verteilen waren. Diese sollten zuerst Freiwillige aufrufen, aber wenn dieser Aufruf nicht die genügende Zahl Rekruten ergäbe, sollte die Gemeinde die übrigen auf die Weise, die sie selbst für die zweckmäßigste hielt, ausheben, das heißt durchs Los oder durch persönliche Einberufung, wobei es aber immer noch möglich war, einen Ersatzmann zu stellen. Um zum Dienst Lust zu machen, versprach der Konvent nicht nur Pensionen, sondern er gab auch den Pensionären die Möglichkeit, Nationalgüter zu kaufen, indem sie jedes Jahr von ihrer Pension ein Zehntel des Gesamtpreises des gekauften Gutes zu bezahlen hatten. Nationalgüter im Werte von 400 Millionen wurden zu diesem Zweck bestimmt.Das Ganze blieb aber anscheinend im Stadium des Versprechens. (Siehe G. Avenel, ›Nationalgüter‹, Lundis révolutionnaires.)

Es fehlte jedoch an Geld, und Cambon, ein durchaus ehrlicher Mann, der der Finanzdiktator war, mußte eine neue Emission von 800 Millionen Assignaten veranstalten. Aber die besten geistlichen Güter, die Ländereien, waren schon verkauft, und die Güter der Emigranten waren schwer an den Mann zu bringen. Man zögerte, sie zu kaufen, da man nicht sicher war, ob einem die gekauften Güter nicht eines Tags wieder weggenommen würden, wenn die Emigranten nach Frankreich zurückkehrten. Daher wurde es für den Staatsschatz Cambons immer schwieriger, für die stets wachsenden Bedürfnisse der Armeen aufzukommen.Einige revolutionäre Sektionen von Paris boten jetzt an, auf ihren ganzen Besitz Hypotheken aufzunehmen, die den Assignaten als Bürgschaft dienen sollten. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt, aber er enthielt einen richtigen Gedanken. Wenn eine Nation Krieg führt, muß der Besitzende so gut und sogar mehr als der Lohnarbeiter seine Last tragen.

Aber das war nicht die größte Schwierigkeit des Krieges. Sie bestand in den Generälen, die fast alle zur Gegenrevolution gehörten, und das System der Wahl der Offiziere, das der Konvent eben eingeführt hatte, konnte erst nach einiger Zeit höhere Befehlshaber schaffen. Für jetzt konnte man zu den Generälen kein Vertrauen haben, und in der Tat folgte dem Verrat Lafayettes bald der Verrat Dumouriez'.

Michelet hatte völlig recht, als er sagte, daß Dumouriez, als er Paris einige Tage nach der Hinrichtung Ludwigs XVI. verließ, um zur Armee zurückzukehren, schon den Verrat im Herzen hatte. Er hatte den Triumph des Berges gesehen, und er hatte einsehen müssen, daß die Hinrichtung des Königs ein neues Stadium bedeutete, in das die Revolution eingetreten war. Gegen die Revolutionäre empfand er nur Haß, und er mußte erkennen, daß sein Traum, Frankreich zur Verfassung von 1791 zurückzuführen und einen Orléans auf den Thron zu setzen, nur mit Hilfe der Österreicher verwirklicht werden konnte. Von da an muß der Verrat bei ihm beschlossene Sache gewesen sein.

In diesem Augenblick war Dumouriez in enger Verbindung mit den Girondisten und sogar intim mit Gensonné, mit dem er bis zum April in Briefwechsel blieb. Aber er brach darum nicht mit der Bergpartei, die ihm schon nicht mehr recht traute – Marat behandelte ihn unverhohlen als Verräter –, sich aber nicht stark genug fühlte, ihn anzugreifen. Man hatte die Siege von Valmy und Jemmapes so verherrlicht, die Hintergründe des Rückzugs der Preußen waren im allgemeinen so wenig bekannt, und die Soldaten – insbesondere die Linienregimenter – hingen mit solcher Verehrung an ihrem General, daß, wer ihn unter diesen Umständen angreifen wollte, Gefahr lief, es mit der Armee zu tun zu bekommen, die Dumouriez gegen Paris und die Revolution hätte marschieren lassen können. Man mußte also warten und wachsam sein.

Inzwischen war Frankreich in den Krieg mit England eingetreten. Sowie die Nachricht von der Hinrichtung Ludwigs XVI. in London eingetroffen war, hatte die englische Regierung dem Vertreter Frankreichs seine Pässe zugestellt und ihm befohlen, das Vereinigte Königreich zu verlassen. Aber selbstverständlich war die Hinrichtung des Königs nur ein Vorwand zu dem Bruch. Man weiß in der Tat durch Mercy, daß die englische Regierung nicht allzuviel Zärtlichkeit gegen die französischen Royalisten empfand und daß sie nie die Absicht hatte, sie durch ihren Beistand stark zu machen. England hielt einfach den Augenblick für günstig, die Rivalität Frankreichs zur See zu vernichten, ihm seine Kolonien und vielleicht sogar einen großen Hafen zu nehmen: es in jedem Fall für lange hin auf dem Meer zu schwächen. Und seine Regierung benutzte den Eindruck, den die Hinrichtung des Königs hervorbringen mußte, um es zum Krieg zu bringen.

Zum Unglück verstanden die französischen Politiker nicht, wie unvermeidlich vom englischen Standpunkt aus dieser Krieg war. Nicht nur die Girondisten – insbesondere Brissot, der sich etwas darauf zugute tat, England zu kennen –, sondern auch Danton hoffte immer, daß die Liberalen, die Whigs, von denen ein Teil für die Freiheitsgedanken begeistert war, Pitt stürzen und den Krieg verhindern würden. In Wirklichkeit war das ganze englische Volk bald einig, als es die Handelsvorteile begriff, die es von dem Krieg haben konnte. Man muß auch sagen, daß die englischen Diplomaten den Ehrgeiz der französischen Staatsmänner sehr geschickt auszunutzen verstanden. Dumouriez wiegten sie in den Glauben, er sei ihr Mann, er sei der einzige, mit dem sie verhandeln könnten: sie versprachen ihm ihre Unterstützung zur Wiedereinführung der konstitutionellen Monarchie. Und Danton ließen sie glauben, die Whigs könnten bald zur Macht zurückkehren, und dann würden sie mit dem republikanischen Frankreich Frieden schließen.Albert Sorel, L'Europe et la Révolution française, 3e partie, Paris 1891, 2. Buch, 2. Kap., S. 373 ff. – Avenel, a. a. O. Im allgemeinen manövrierten sie derart, daß es den Eindruck machte, das Unrecht wäre auf der Seite Frankreichs, als der Konvent am 1. Februar dem Vereinigten Königreich den Krieg erklärte.

Diese Kriegserklärung änderte die ganze militärische Lage. Es wurde unbedingt nötig, Holland in die Hand zu bekommen, um die Engländer zu hindern, dort zu landen. Eben das aber hatte Dumouriez – sei es, daß er sich nicht stark genug dazu fühlte, sei es aus bösem Willen – im Herbst trotz der dringenden Aufforderungen Dantons unterlassen. Er hatte im Dezember Winterquartiere in Belgien bezogen, was natürlich die Belgier gegen die französischen Eindringlinge aufbrachte. Lüttich war sein Generalquartier.

Bis zum heutigen Tag kennen wir noch nicht alle inneren Zusammenhänge von Dumouriez' Verrat. Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß er, wie Michelet gesagt hat, zum Verrat schon entschlossen war, als er am 26. Januar zur Armee zurückkehrte. Der Feldzug gegen Holland vom Ende Februar, wo er Breda und Gertruydenberge eroberte, scheint schon ein mit den Österreichern abgekartetes Manöver gewesen zu sein. In jedem Fall war dieser Zug den Österreichern überaus dienlich. Am 1. März fielen sie in Belgien ein und eroberten Lüttich, dessen Bewohner vergebens von Dumouriez Waffen erbeten hatten. Die Lütticher Patrioten mußten fliehen, und die französische Armee war in völliger Verwirrung und Auflösung – die Generäle wollten einander nicht zu Hilfe kommen, und Dumouriez war fern vom Schuß in Holland. Die Österreicher konnten nicht besser bedient werden.

Man begreift, welchen Eindruck diese Nachricht in Paris machen mußte, um so mehr, als ihr andere ebenso düstere Nachrichten folgten. Am 3. März erfuhr man, daß eine gegenrevolutionäre Bewegung in der Bretagne losgehen sollte. Zur selben Zeit machten in Lyon die reaktionären Bataillone der ›Bürgersöhne‹, wie wir gesehen haben, einen Aufstand gegen die revolutionäre Kommune, während gleichzeitig die Emigranten, die sich in Turin versammelt hatten, die Grenze überschritten und mit der Unterstützung des Königs von Sardinien bewaffnet französischen Boden betraten. Am 10. März schließlich erhob sich die Vendée. Es war ganz offenbar, daß diese verschiedenen Bewegungen wie im Jahre 1792 Teile eines ausgedehnten, planmäßigen Vorgehens der Gegenrevolutionäre waren; und alle Welt argwöhnte in Paris, daß Dumouriez für die Gegenrevolution gewonnen und für sie tätig sei.

Danton, der im Augenblick in Belgien war, wurde eiligst zurückgerufen. Er langte am 8. März in Paris an, hielt eine seiner mächtigen Ansprachen, die die Herzen erschütterten, in denen er zur Eintracht und zum Patriotismus aufrief, und die Kommune pflanzte wieder die schwarze Fahne auf. Wiederum wurde das Vaterland in Gefahr erklärt.

Die Freiwilligen wurden in größter Eile eingestellt, und am 9. März abends wurde auf den Straßen ein Bürgermahl veranstaltet, an dem eine Menge Volk teilnahm; am nächsten Morgen sollten sie marschieren. Aber es war nicht mehr die jugendliche Begeisterung von 1792. Eine düstere Energie beseelte sie. Eine düstere Wut zehrte auch an den Herzen der Armen aus den Faubourgs, wenn sie auf die politischen Kämpfe blickten, die Frankreich zerrissen. – ›Ein Aufstand in Paris tut not‹, sollte Danton gesagt haben, und in der Tat schien einer vonnöten, um die Starrheit abzuschütteln, die das Volk und die Sektionen ergriffen hatte.

Um den wirklich furchtbaren Schwierigkeiten, die der Revolution in den Weg traten, zu begegnen, um die ungeheuren Ausgaben zu decken, die Frankreich infolge der Koalition der Gegenrevolutionäre von außen und innen zu tragen hatte, war es nötig, daß die Revolution die bürgerlichen Vermögen heranzog, die sich gerade durch die Revolution anzusammeln begannen.

Das aber wollten die Regierenden nicht zulassen, und zwar einerseits aus Prinzip, da man die Anhäufung großer Privatvermögen als das Mittel ansah, die Nation reich zu machen, andererseits, das muß anerkannt werden, wegen der Befürchtungen, die ihnen eine mehr oder weniger allgemeine Erhebung der Armen gegen die Reichen in den großen Städten einflößen mußte. Die Septembertage – insbesondere die Vorgänge vom 4. und 5. September im Châtelet und der Salpêtrière – waren noch frisch im Gedächtnis. Wohin sollte es kommen, wenn eine Klasse – alle Armen – sich gegen eine andere Klasse, gegen alle Reichen, gegen alle Wohlhabenden, erhöbe. Das wäre der Bürgerkrieg in jeder einzelnen Stadt. Und das zu einer Zeit, wo die Vendée und die Bretagne im Nordwesten, von England, von den Emigranten in Jersey, dem Papst und allen Priestern unterstützt, im Aufruhr waren und wo im Norden die Österreicher und die Armee Dumouriez' standen und diese bereit war, ihrem General zu folgen und auf Paris und gegen das Volk zu marschieren.

Daher bemühten sich die Parteiführer des Bergs und der Kommune, die Panik zunächst zu beruhigen, indem sie glauben ließen, daß sie Dumouriez als Republikaner betrachteten, dem man sich anvertrauen konnte. Robespierre, Danton und Marat bildeten eine Art Triumvirat der Meinungsübereinstimmung und sprachen in diesem Sinne, wobei die Kommune sie nach Kräften unterstützte. Alle arbeiteten zugleich daran, den Mut wiederherzustellen, die Geister zu entflammen, um imstande zu sein, die Invasion zurückzutreiben, die sich jetzt noch ernster ankündigte, als sie im Jahre 1792 gewesen war. Alle – mit Ausnahme der Gironde, die nur eines sah, das man vernichten und vertilgen mußte: ›die Anarchisten‹.

Am 10. März morgens machte man sich in Paris auf eine Wiederholung der Septembertage, auf neue Mordtaten gefaßt. Aber der Zorn des Volkes wurde gegen die Journalisten, die Freunde Dumouriez' waren, abgelenkt, und eine Bande drang in die bedeutendsten girondistischen Druckereien, die von Gorsas und Fiévée, ein und zertrümmerte die Pressen.

Im Grunde wollte das Volk, das von Varlet, Jacques Roux, dem Amerikaner Fournier und anderen Enragés angespornt wurde, die Säuberung des Konvents. Aber an die Stelle dieser Forderung hatte man in den Sektionen das banale Verlangen nach einem Revolutionstribunal gesetzt. Pache und Chaumette vertraten diese Forderung am 9. März vor dem Konvent, und jetzt beantragte Cambacérès, der künftige ›Großrat‹ des Kaisertums, der Konvent sollte die landläufigen Ideen über die Teilung der Gewalten – der Gesetzgebung und der Justiz – aufgeben, die Justiz in die eigene Hand nehmen und ein Sondergericht zur Aburteilung der Verräter einsetzen.

Robert Lindet, ein Advokat aus der alten monarchistischen Schule, schlug daraufhin ein Tribunal vor, dessen Richter der Konvent ernennen sollte; von ihnen sollten die gerichtet werden, die der Konvent ihnen vorführte. Er wollte keine Geschworenen, und erst nach langen Debatten wurde beschlossen, den fünf vom Konvent ernannten Richtern zwölf Geschworene und sechs Beisitzer beizugeben, die aus Paris und den benachbarten Departements genommen und ebenfalls für jeden Monat vom Konvent ernannt werden sollten.

An Stelle also von Maßregeln zum Kampf gegen die Börsenspekulation, zur Festsetzung von Lebensmittelpreisen, die das Volk erschwingen konnte, anstatt einer Säuberung des Konvents von den Mitgliedern, die sich allen revolutionären Maßnahmen widersetzten, anstatt der militärischen Schritte, die der schon fast feststehende Verrat Dumouriez' notwendig gemacht hatte, erlangte die Bewegung vom 10. März lediglich ein Revolutionstribunal. An die Stelle des schöpferischen, aufbauenden Geistes der Volksrevolution, der auf der Suche nach Mitteln und Wegen war, setzte man den Polizeigeist, der den anderen bald ersticken sollte.

Nachdem er das vollbracht hatte, wollte der Konvent auseinandergehen, als Danton sich der Tribüne bemächtigte und die Volksvertreter in dem Augenblick, wo sie schon den Saal verlassen wollten, noch festhielt, um ihnen ins Gedächtnis zu rufen, daß der Feind an der Grenze stand und daß dort noch nichts geschehen war.

Eben an diesem Tage traten die Bauern in der Vendée, hinter denen die Priester standen, in den allgemeinen Aufstand und fingen mit der Ermordung der Republikaner an. Die Erhebung war von langer Hand, hauptsächlich von den Geistlichen auf Anstiften der römischen Kurie, vorbereitet worden. Sie hatte schon im August 1792 angefangen, als die Preußen französischen Boden betreten hatten. Seitdem war Angers der politische Herd der reaktionären Priester geworden, und die Schwestern des Ordens la Sagesse und andere dienten den Priestern als Emissärinnen, verbreiteten ihre Aufrufe zum Aufstand und erweckten den Fanatismus, indem sie angebliche Wundergeschichten kolportierten (Michelet, Buch X, Kapitel 5). Jetzt gab die Aushebung zum Kriege, die am 10. März öffentlich verkündet wurde, das Zeichen zur allgemeinen Erhebung. Bald wurde auf Vorschlag von Cathelineau, der ein bäuerlicher Maurer und der Sakristan seines Kirchspiels war und sich zu einem der kühnsten Bandenführer aufgeschwungen hatte, ein leitendes Komitee, das die Priester beherrschten, eingesetzt und der Priester Bernier zum Vorstand gewählt.

Am 10. März ertönte die Sturmglocke in mehreren hundert Kirchspielen, und fast 100 000 Männer verließen ihre Arbeit, um auf die Republikaner und die konstitutionellen Geistlichen Jagd zu machen. Es war eine richtige Jagd, und es war ein Hornist dabei, der das Halali und andere Jagdrufe blies, sagte Michelet; es war ein regelrechtes Abschlachten, und man ließ die Gemarterten schreckliche Qualen ausstehen, tötete sie stückweise und schob den erlösenden Todesstreich absichtlich auf, oder man überließ die Gefolterten den Scheren der Weiber und den schwachen Händen der Kinder, die ihre Qualen verlängerten. Und all das unter der Führung der Priester und in Begleitung von Wundern, die die Bauern aufreizten, auch die Frauen der Republikaner umzubringen. Die Adeligen mit ihren royalistischen Amazonen kamen erst später. Und als diese ›ehrbaren Leute‹ sich entschlossen, ein Tribunal zu ernennen, das den Republikanern den Garaus machen sollte, ließ dieses in sechs Wochen fünfhundertzweiundvierzig Patrioten hinrichten.›An jedem Tag‹, so schrieb ein royalistischer und reaktionärer Priester, François Chevalier (angeführt bei Chassin), ›an jedem Tag gab es blutige Expeditionen, die jeder ehrbaren Seele nur Entsetzen einflößen können und nur vom Standpunkt der Philosophie aus entschuldbar sind.‹ (Sie waren von Priestern und im Namen ihrer Religion befohlen worden.) ›Jedoch waren die Dinge bis zu einem Punkt gediehen, daß man laut sagte, es sei für den Frieden unumgänglich und wesentlich, daß kein Patriot in Frankreich mehr übrigbliebe. So groß war die Wut des Volkes, daß es genug war, wenn jemand in der Messe eines konstitutionellen Priesters gewesen war: er wurde zuerst ins Gefängnis gesteckt und dann, wie am 2. September, unter dem Vorwand, die Gefängnisse wären voll, erschlagen oder erschossen.‹ In Machecoul, wo 542 patriotische Bürger getötet worden waren, sprach man davon, auch die Frauen zu ermorden. Charette wollte seine fanatisierten Bauern dazu bringen.

Zum Widerstand gegen diese wilde Waffenerhebung hatte die Republik nur 2000 Mann, die in der ganzen niederen Vendée, von Nantes bis La Rochelle, verstreut waren. Erst Ende Mai langten die ersten organisierten Streitkräfte der Republik an Ort und Stelle an. Solange konnte der Konvent dem Aufstand nur Dekrete entgegensetzen: Todesstrafe und Konfiskation der Güter wurden den Adeligen und Priestern angedroht, die nach acht Tagen die Vendée nicht verlassen hätten. Aber wer hatte die Macht, die nötig war, um diese Dekrete zur Ausführung zu bringen?

Nicht besser stand es im Osten, wo die Armee Custines in Rückzugsgefechten begriffen war, und in Belgien begann Dumouriez schon am 12. März die offene Rebellion gegen den Konvent. Er sandte von Löwen aus einen Brief an ihn (den er sich beeilte zu veröffentlichen), worin er Frankreich vorwarf, es habe ein Verbrechen damit begangen, Belgien zu annektieren, habe es durch die Einführung des Verkaufs der Nationalgüter und der Assignaten zugrunde richten wollen usw. Sechs Tage später griff er bei Neerwinden die überlegenen Kräfte der Österreicher an, ließ sich von ihnen schlagen und trat am 22. März unter dem Beistand des Herzogs von Chartres und der orléanistischen Generäle in direkte Unterhandlungen mit dem österreichischen Obersten Mack. Die Verräter verpflichteten sich, Belgien ohne Kampf zu räumen und auf Paris zu marschieren, um dort die konstitutionelle Monarchie herzustellen. Wenn es not täte, sollten die Österreicher sie unterstützen, die als Garantie eine der Grenzfestungen, Condé, besetzten.

Danton hatte seinen Kopf aufs Spiel gesetzt und versucht, diesen Verrat zu verhindern. Es war ihm nicht gelungen, zwei Girondisten, Gensonné, den Freund Dumouriez', und Guadet, dazu zu bringen, mit ihm zu gehen, um zu versuchen, Dumouriez wieder für die Republik zu gewinnen, und er reiste am 16. März allein nach Belgien, auf die Gefahr hin, selbst des Verrats beschuldigt zu werden. Er fand Dumouriez hinter Neerwinden in vollem Rückzug und mußte einsehen, daß der Verräter schon den letzten Schritt getan hatte. In der Tat hatte er sich dem Obersten Mack gegenüber schon verpflichtet, Holland ohne Kampf zu räumen.

Paris wurde von Wut ergriffen, als man nach der Rückkehr Dantons, am 29. März, die Sicherheit bekam, daß Dumouriez den Verrat begangen hatte. Die einzige republikanische Armee, die die Invasion zurücktreiben konnte, marschierte vielleicht schon auf Paris, um hier das Königtum wiederherzustellen. Jetzt riß das Aufstandskomitee, das sich seit einigen Tagen im bischöflichen Palast unter der Leitung der Enragés versammelte, die Kommune mit fort. Die Sektionen bewaffneten sich und bemächtigten sich der Geschütze; sie wären wahrscheinlich gegen den Konvent gezogen, wenn es nicht anderen Ratschlägen gelungen wäre, die Panik zu verhindern. Am 3. April erhielt man die endgültige Botschaft von Dumouriez' Verrat. Er hatte die Kommissäre, die der Konvent ihm geschickt hatte, festgenommen. Aber seine Armee folgte ihm nicht. Das Dekret des Konvents, das Dumouriez außerhalb des Gesetzes stellte und die Verhaftung des Herzogs von Chartres befahl, drang zu den Regimentern durch. Weder dem General noch dem Herzog von Chartres gelang es, die Soldaten auf ihre Seite zu bekommen, und Dumouriez mußte, wie Lafayette, die Grenze überschreiten und sich zu den Österreichern flüchten.

Am Tage darauf erließen er und die Kaiserlichen zusammen eine Proklamation, in der der Herzog von Coburg den Franzosen ankündigte, er werde Frankreich seinen konstitutionellen König bringen.

Im Höhepunkt dieser Krise, als die Ungewißheit über die Haltung von Dumouriez' Armee die Sicherheit der Republik in Frage stellte, gingen die drei einflußreichsten Männer des Berges, Danton, Robespierre und Marat, im Einverständnis mit der Kommune (Pache, Hébert, Chaumette) völlig geschlossen vor, um die Panik und die traurigen Folgen, die sie hätte mit sich bringen müssen, zu verhindern.

Gleichzeitig beschloß der Konvent, um den Mangel an Einheit zu vermeiden, der bisher die Kriegsführung so schleppend gemacht hatte, außer der Gewalt der Gesetzgebung und der Justiz auch noch die ganze Exekutivgewalt in die Hand zu nehmen. Er schuf einen Wohlfahrtsausschuß, dem er sehr ausgedehnte, fast diktatorische Gewalt gab; das war eine Maßregel, die für die ganze weitere Entwicklung der Revolution von größter Bedeutung wurde.

Wir haben gesehen, daß die Gesetzgebende Versammlung nach dem 10. August unter dem Namen ›Provisorischer Rat der Exekutive‹ ein Ministerium eingesetzt hatte, das alle Funktionen der Exekutivgewalt übernommen hatte. Überdies hatte der Konvent im Januar 1793 einen ›Ausschuß für die allgemeine Verteidigung‹ geschaffen, und dieser Ausschuß hatte, da der Krieg im Augenblick die Hauptsache war, die Macht erlangt, den Rat der Exekutive zu überwachen, so daß er die wichtigste Verwaltungskörperschaft geworden war. Nunmehr setzte der Konvent, um der Regierung mehr Zusammenhang zu geben, einen Wohlfahrtsausschuß ein, den er wählte und der alle drei Monate erneuert werden sollte, und dieser sollte sowohl den Verteidigungsausschuß wie den Rat der Exekutive verdrängen. Im Grunde machte sich damit der Konvent selbst zum Ministerium, aber allmählich erlangte, wie zu erwarten war, der Wohlfahrtsausschuß die Herrschaft über den Konvent und riß in allen Zweigen der Verwaltung die Gewalt an sich, die er nur mit dem Sicherheitsausschuß, der die Polizeiangelegenheiten unter sich hatte, teilte.

In der Krise, die sich im April 1793 abspielte, wurde Danton, der bisher die aktivste Rolle im Krieg gespielt hatte, die Seele des Wohlfahrtsausschusses, und er behielt diesen Einfluß bis zum 10. Juli 1793, wo er zurücktrat.

Endlich beschloß der Konvent, der seit September 1792 mehrere seiner Mitglieder mit dem Titel ›Volksvertreter in Mission‹ in die Departements und zu den Armeen entsandt und sie mit sehr weitgehenden Vollmachten ausgerüstet hatte, jetzt achtzig weitere auszusenden, um den Mut in der Provinz wiederzubeleben und zum Krieg zu begeistern. Und da die Girondisten sich im großen ganzen weigerten, dieses Amt auszuüben – keiner von ihnen ging zu den Armeen –, wählten sie gerne Mitglieder der Bergpartei für diese sehr schwierigen Missionen, vielleicht im Gedanken, sie hätten nach ihrer Abreise im Konvent freies Spiel.

Gewiß konnten diese Maßregeln der Reorganisation der Regierung verhindern, daß der Verrat Dumouriez' die unheilvolle Wirkung hatte, die er hätte haben können, wenn die Armee ihrem General gefolgt wäre. Für die französische Nation besaß die Revolution einen Reiz und eine Kraft, die kein General nach seinem Belieben zerstören konnte. Im Gegenteil, der Verrat hatte die Wirkung, daß der Krieg einen neuen Charakter annahm, daß er demokratisch, daß er zum Volkskrieg wurde. Aber kein Mensch zweifelte daran, daß Dumouriez allein niemals gewagt hätte, den Verrat zu unternehmen. Er mußte starke Unterstützung in Paris haben. Da war der Verrat zu Hause. ›Der Konvent verrät‹, sagte in der Tat die Adresse des Jakobinerklubs, die von Marat, der an jenem Abend den Vorsitz hatte, unterzeichnet war.

Von nun an war der Sturz der Girondisten und die Entfernung ihrer Führer aus dem Konvent unvermeidlich geworden. Der Verrat Dumouriez' mußte zu dem Aufstand führen, der am 31. Mai ausbrach.


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