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Solange die Girondisten das herrschende Element waren, kam die Frage nicht vom Fleck. Der Konvent tat nichts, um die unheilvolle Wirkung der Dekrete vom August 1792 abzuschwächen, und noch weniger entschloß er sich dazu, den Antrag von Mailhe über die den Gemeinden von den Feudalherren weggenommenen Ländereien anzunehmen.
Aber sofort nach dem 2. Juni nahm der Konvent diese Frage wieder auf, und schon am 11. Juni 1793 beschloß er das große Gesetz über die Gemeindeländereien, das für das Leben der Dörfer Frankreichs eine neue Epoche bedeutete; es ist eines der folgenreichsten Gesetze der französischen Gesetzgebung. Kraft dieses Gesetzes mußten alle Ländereien, die seit zwei Jahrhunderten auf Grund der Ordonnanz über die Drittelung vom Jahre 1669 den Gemeinden genommen worden waren, ihnen wiedergegeben werden und ebenso alles Ödland, Weideland, alle Heiden und Ginstersteppen usw., die ihnen auf irgendeine Weise von Privatleuten genommen worden waren – einschließlich deren, für die die Gesetzgebende Versammlung die Verjährung auf Grund vierzigjährigen Besitzes eingeführt hatte.›Alle Gemeindeländer ohne Ausnahme‹, sagte das Gesetz vom 10./11 .Juni 1793, ›die in der ganzen Republik unter verschiedenen Benennungen, wie Öd- und Brachland, Weideland, Heide, Hütland, Anger, Au, Hutung, Viehtrift, Gemeindeholzung, Berghang, Moor, Sumpf, Steppe oder unter irgendwelchen Benennungen bekannt sind, gehören ihrer Natur nach der Gesamtheit der Einwohner oder Glieder der Gemeinden oder der Sektionen von Gemeinden.‹ Sie sollen befugt sein, die Rückgabe zu verlangen. ›Der Artikel 4 des Titels 25 der Ordonnanz der Jagd-, Forst- und Wasserverwaltung von 1669, und ebenso alle Edikte, Verordnungen, Ministerialverfügungen und Patentbriefe, die seit dieser Zeit die Drittelung, Aufteilung oder teilweise Verteilung oder Abtretung von Gehölzen und Wäldern aus Domänen- oder Herrengut zum Schaden des von alters her zu Recht bestehenden Gemeindebesitzes erlaubt haben . . . und alle infolgedessen ergangenen Urteile und vollzogenen Tatsachen werden widerrufen und gelten in dieser Hinsicht als nicht geschehen.‹ ›Der Besitz seit vierzig Jahren, den das Dekret vom 28. August 1792 für genügend anerkannte, um das Eigentumsrecht eines Privaten zu konstituieren, kann in keinem Fall den gesetzlichen Anspruch ersetzen, und ein gesetzlicher Anspruch kann keiner sein, der aus der Feudalherrschaft abgeleitet ist.‹
Indem jedoch der Konvent diese notwendige und gerechte Maßregel beschloß, die die Wirkungen der unter dem Ancien régime begangenen Beraubungen austilgte, machte er zugleich einen falschen Schritt hinsichtlich der Teilung dieser Ländereien. Zwei Strömungen begegneten sich in dieser Hinsicht im Konvent wie überall in Frankreich. Die Dorfbürger, die seit langem auf die Gemeindeländer lüstern waren, von denen sie oft einen Teil in Pacht hatten, wollten die Teilung. Sie wußten, daß es ihnen, wenn die Teilung erst einmal vollzogen war, leicht wäre, die Länderstücke, die den Armen dann zufielen, zu kaufen. Und sie wollten, wie wir schon sagten, daß die Teilung nur unter den ›Bürgern‹ vor sich ginge und daß die ›Ansässigen‹ oder sogar die armen Bürger (die Passivbürger von 1789) ausgeschlossen wären. Diese Dorfbourgeois fanden in der Nationalvertretung energische Fürsprecher, die, wie immer, im Namen des Eigentums, der Gerechtigkeit und der Gleichheit sprachen, indem sie dartaten, daß die verschiedenen Gemeinden ungleiche Besitzungen hatten – was sie nicht hinderte, für die Ungleichheit innerhalb jeder Gemeinde einzutreten. Diese verlangten die obligatorische Teilung.Siehe z. B. die Rede von P. A. Lozeau über die Gemeindeländer, die auf Anordnung des Konvents gedruckt wurde. Sehr selten waren solche, die, wie Julien Souhait, Abgeordneter der Vogesen, die Aufrechterhaltung des Gemeindebesitzes verlangten.
Jedoch waren die Girondistenführer nicht mehr zu ihrer Unterstützung da, und der gesäuberte Konvent, in dem die Bergpartei die Herrschaft hatte, duldete nicht, daß die Gemeindeländer nur unter einen Teil der Einwohner verteilt würden; aber er glaubte, recht zu tun und im Interesse der Landwirtschaft zu handeln, wenn er die Teilung der Ländereien auf den Kopf der Einwohnerschaft gestattete. Der Gedanke, von dem er sich leiten ließ, war der, daß niemandem in Frankreich der Besitz eines Stückes vom Boden der Republik verweigert werden dürfte. Unter dem Einfluß dieses Gedankens erlaubte er nicht nur, sondern begünstigte die Teilung der Gemeindeländer.
Die Teilung, sagt das Gesetz vom 11. Juni 1793, soll unter allen, auf den Kopf der wohnhaften Einwohner, jeden Alters und Geschlechts, gleichviel ob einer anwesend oder abwesend ist, vorgenommen werden (Sektion II, Art. 1). Jeder Bürger, ohne daß die Knechte, die Dienstboten usw., wenn sie seit einem Jahr in der Gemeinde wohnten, ausgenommen waren, soll inbegriffen sein. Und zehn Jahre lang soll der Anteil am Gemeindeland, der jedem Bürger zugefallen ist, nicht schuldenhalber gepfändet werden dürfen (Sektion III, Art. 1).
Die Teilung soll jedoch nur fakultativ sein. Die Versammlung der Einwohner, an der jede Person jeden Geschlechts teilnimmt, wenn sie ein Recht auf die Teilung hat und mindestens 21 Jahre alt ist, soll an einem Sonntag einberufen werden und soll entscheiden, ob sie ihre Gemeindeländer ganz oder zum Teil teilen will. Wenn der dritte Teil der Stimmen für die Teilung ist, soll die Teilung beschlossen werden (Sektion III, Art. 9) und soll nicht widerrufen werden können.
Man versteht, was für eine außerordentliche Veränderung dieses Gesetz im wirtschaftlichen Leben der Dörfer hervorbringen mußte. Alle Ländereien, die seit zwei Jahrhunderten den Gemeinden mit Hilfe der Drittelung, erfundener Schulden und des Betrugs genommen worden waren, konnten jetzt von den Bauern wieder genommen werden. Die Verjährung auf Grund des vierzigjährigen Besitzes war abgeschafft: Man konnte bis ins Jahr 1669 hinaufgehen, um die Länder, die von den Mächtigen und den Listigen geraubt worden waren, wiederzuerlangen. Und die Gemeindeländer, die nun um alle die Stücke des Landes vermehrt wurden, die das Gesetz vom 11. Juni den Bauern zurückgab, gehörten jetzt allen, all denen, die seit einem Jahre in den Gemeinden wohnten, im Verhältnis der Kinder beiderlei Geschlechts und der Greise in jeder Familie. Die Unterscheidung zwischen ›Bürgern‹ und ›Ansässigen‹ war verschwunden. Jeder hatte ein Anrecht auf diese Ländereien. Es war eine völlige Revolution.
Der andere Teil des Gesetzes über die Teilung und die Erleichterung zu ihrer Durchführung (ein Drittel der Gemeinde konnte die zwei anderen Drittel dazu zwingen) wurde in manchen Teilen Frankreichs angewandt, aber nicht durchweg. Im Norden, wo es wenig Weideland gab, teilte man die Gemeindeländer gern. In der Vendée und der Bretagne wehrten sich die Bauern heftig dagegen, daß die Teilung auf das Verlangen eines Drittels der Einwohner vorgenommen wurde. Alle wollten ihre Weidegerechtigkeiten usw. auf den Ländereien, die nicht bestellt wurden, behalten. Anderswo gab es zahlreiche Teilungen. In der Moselle zum Beispiel, einem Weinland, teilten 686 Gemeinden das Gemeindeland (107 auf den Kopf der Einwohner, 579 auf die Familie), und nur 119 behielten den ungeteilten Besitz bei; aber in anderen Departements des Centre und des Westens behielt die große Mehrheit der Gemeinden ihre Länder ungeteilt.
Im allgemeinen beeilten sich die Bauern, die sehr wohl wußten, daß nach der Teilung des Gemeindelandes die armen Familien bald zu Proletarierfamilien werden müßten, die ärmer als vorher wären, nicht, die Teilung zu beschließen.
Es ist kein Zweifel, daß der Konvent, dessen bürgerliche Mitglieder so gern von den Ungleichheiten sprachen, die entstehen müßten, wenn die Gemeinden einfach wieder in den Besitz der Ländereien kämen, die ihnen geraubt worden waren, nicht das geringste tat, um die Vorteile, die den Gemeinden durch das Gesetz vom 11. Juni zugesprochen worden waren, auszugleichen. Von den armen Gemeinden zu sprechen, die nichts bekommen würden, das war ein guter Vorwand, um nichts zu tun und die geraubten Ländereien den Räubern zu lassen; aber als sich die Gelegenheit bot, etwas vorzuschlagen, um diese ›Ungerechtigkeit‹ zu verhindern, wurde nichts vorgeschlagen.Eine Ausnahme muß für Pierre Bridet gemacht werden (Observations sur le décret du 28 août 1792, Paris 1793). Er schlug im Grunde vor, was man heutzutage die Nationalisierung des Bodens nennt. ›Die Gemeindeländer‹, sagte er, ›sind Nationaleigentum, und daher ist es ungerecht, wenn man zugibt, daß manche Gemeinden viel Ländereien besitzen und andere wenig.‹ Er schlug also vor, alle Gemeindeländereien für den Staat zu konfiszieren und sie in kleinen Losen, wenn sich Liebhaber fänden, sonst in großen zu verpachten; und es sollten auch die Bewohner benachbarter Gemarkungen zugelassen werden. Das Ganze sollte von den Departementsdirektorien (wie man weiß, erzreaktionären Organen, die das Interesse der Reichen wahrnahmen) besorgt werden. Dieses Projekt wurde natürlich nicht aufgenommen. Die Länder jeder Gemeinde wären zunächst an die armen oder reichen Bauern eben dieser Gemeinde verpachtet worden, und das taten die Gemeinden schon von sich aus; natürlich hätten sie nur ausnahmsweise Einwohner benachbarter Gemarkungen gepachtet, und so kam das Projekt für die Praxis auf folgendes hinaus: Um es einigen Bourgeois ausnahmsweise möglich zu machen, Ländereien zu pachten, die in einer ihrer Gemeinde benachbarten Gemarkung lagen, sollte der Staat anstatt der Gemeinden sich in die Verwaltung der Ländereien mischen, und er sollte das, was die Gemeinden selbst taten, Beamten übertragen, die ohne Frage irgendwelche reiche Bourgeois der Provinz begünstigt und ihnen ermöglicht hätten, sich auf Kosten der Dorfgemeinden zu bereichern. Darauf wäre der Plan hinausgelaufen. Er ging allerdings von Ideen der Gerechtigkeit aus, die ohne Frage für Stadtsozialisten, die mit diesen Grund- und Bodenfragen wenig vertraut sind und sie nicht so genau prüfen, sehr reizvoll sind; aber in Wirklichkeit hatte er keine andere Tendenz, als im Namen der Gleichmachung durch den Staat zwanzig andere noch schreiendere Ungerechtigkeiten und zahllose Pfründen zu schaffen. Die Gemeinden, die sich, ohne die kostbare Zeit zu verlieren, beeilten, ihre alten Ländereien tatsächlich an Ort und Stelle in Besitz zu nehmen, bekamen diese Länder, und als die Reaktion siegte und die Herren in Massen zurückkehrten, konnten sie in keiner Weise wieder nehmen, was das Gesetz ihnen genommen hatte, soweit die Bauern tatsächlich davon Besitz ergriffen hatten. Die Gemeinden aber, die gezögert hatten, das zu tun, bekamen nichts.
Sowie die Reaktion über die Revolutionäre gesiegt hatte, sowie der Aufstand der letzten Anhänger der Bergpartei, am 1. Prairial des Jahres III (20. Mai 1795), niedergeworfen war, war es die erste Sorge des reaktionären Konvents, die revolutionären Gesetze des Bergkonvents zunichte zu machen. Am 21. Prairial des Jahres IV (9. Juni 1796) wurde schon ein Dekret erlassen, um die Rücknahme der Gemeindeländereien durch die Kommunen zu verhindern.In Anbetracht, daß die Durchführung des Gesetzes vom 10. Juni 1793 zu zahlreichen Beschwerden Anlaß gegeben hat . . ., daß die Prüfung dieser Streitigkeiten langwierig wäre und ›daß es jedoch dringend not tut, den unheilvollen Wirkungen der buchstäblichen Durchführung des Gesetzes vom 10. Juni 1793 ein Ende zu machen, das schon beträchtliche Unzuträglichkeiten im Gefolge gehabt hat . . ., werden vorläufig alle Schritte und Prozesse, die auf Grund dieses Gesetzes angestrengt worden sind, aufgehoben, und alle gegenwärtigen Besitzer der genannten Ländereien werden vorläufig in ihrer Nutznießung bestätigt.‹ (Dalloz, IX, 195.)
Ein Jahr später, am 21. Mai 1797, verbot ein neues Gesetz den Dorfgemeinden, ihre Ländereien auf Grund der Gesetze vom 11. Juni und 24. August 1793 zu veräußern oder zu tauschen. Man mußte in Zukunft für jeden besonderen Akt der Veräußerung ein besonderes Gesetz verlangen. Das hatte offenbar den Zweck, der Plünderung der Gemeindeländer, wie sie nach der Revolution begonnen hatte, und die denn doch zu skandalös war, ein Ende zu machen.
Noch später schließlich, unter dem Kaiserreich, gab es mehrere Versuche, die Gesetzgebung des Konvents abzuschaffen. Aber, bemerkte Sagnac (S. 339), die wiederholten Versuche des Direktoriums, des Konsulats und des Kaiserreichs gegen die Gesetzgebung des Konvents scheiterten kläglich. Es gab auf seiten der Bauern zu viel feststehende Interessen, als daß man sie wirksam hätte bekämpfen können.
Im großen ganzen kann man sagen: die Gemeinden, die tatsächlich in den wirklichen Besitz der Ländereien getreten waren, die ihnen seit 1669 weggenommen worden waren, blieben meistens im Besitz dieser Ländereien. Und die, die nicht vor Juni 1796 damit fertig waren, bekamen gar nichts. In der Revolution gelten nur die vollzogenen Tatsachen.