Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
Die Große Französische Revolution 1789-1793 – Band II
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin

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56. Die Verfassung – Die revolutionäre Regierung

Es war nötig, die gegenrevolutionären Aufstände in Frankreich, die wechselnden Wendungen des Krieges an den Grenzen einigermaßen ausführlich darzustellen, bevor wir zum Gesetzgebungswerk des Konvents zurückkehren und den Bericht der Ereignisse in Paris wieder aufnehmen konnten. Diese wären ohne die Kenntnis jener Vorgänge unverständlich. Denn der Krieg beherrschte alles; er verschlang die besten Kräfte der Nation und lähmte die Tätigkeit der Revolutionäre.

Die Hauptaufgabe, zu deren Lösung der Konvent berufen worden war, war die Ausarbeitung einer neuen republikanischen Verfassung. Die Verfassung von 1791, die monarchisch war und das Land in zwei Klassen teilte, deren eine aller politischen Rechte beraubt war, konnte nicht aufrechterhalten werden. In der Tat existierte sie gar nicht mehr. Daher beschäftigte sich der Konvent sofort nach seinem Zusammentritt (am 21. September 1792) mit der neuen Verfassung. Am 17. Oktober ernannte er schon eine Verfassungskommission, und diese Kommission war, wie man hatte erwarten müssen, zum größten Teil aus Girondisten zusammengesetzt Sieyès, der Engländer Thomas Paine, Brissot, Pétion, Vergniaud, Gensonné, Condorcet, Barère und Danton). Der Girondist Condorcet, der berühmte Mathematiker und Philosoph, der sich schon 1774 mit Turgot zusammen mit politischen und sozialen Reformen beschäftigt hatte und der nach Varennes einer der ersten gewesen war, die sich als Republikaner erklärten, war an der Abfassung des Verfassungsentwurfs, den diese Kommission dem Konvent überreichte, und der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die diesen Entwurf begleitete, am meisten beteiligt.

Es ist klar, daß die erste Frage, die sich im Konvent erhob, die war, welche der beiden Parteien, die sich gegenseitig die Macht streitig machten, den Nutzen von der neuen Verfassung haben sollte. Die Girondisten wollten aus ihr eine Waffe machen, die es ihnen ermöglichte, dafür zu sorgen, daß die Revolution mit dem 10. August zu Ende war. Und die Bergpartei, die das Werk der Revolution noch nicht für vollendet ansah, strengte all ihre Kräfte an, um die endgültige Debatte über die Verfassung, solange es ihnen nicht gelungen war, die Macht der Girondisten und der Royalisten zu brechen, zu verhindern.

Schon vor der Verurteilung Ludwigs XVI. hatten die Girondisten darauf gedrängt, der Konvent sollte ihre Verfassung annehmen; sie hofften, den König dadurch zu retten. Und als sie später im März und April 1793 kommunistische Bestrebungen, die sich gegen die Reichen wandten, im Volk hochkommen sahen, drängten sie den Konvent noch mehr, den Entwurf Condorcets anzunehmen. Sie hatten Eile, ›zur Ordnung zurückzukehren‹ um den Einfluß, den die Revolutionäre, in der Provinz durch Vermittlung der Gemeindeverwaltungen und der sansculottischen Sektionen und in Paris durch die Kommune ausübten, zu verringern.

Das Munizipalgesetz vom Dezember 1789 hatte den Gemeindeverwaltungen eine beträchtliche Macht gegeben, die um so größer war, als die Organe der Zentralgewalt in den Provinzen abgeschafft worden waren. So fand die Revolution von 1793 in den Gemeindeverwaltungen und den Sektionen ihre beste Stütze. Man begreift daher, daß die Bergpartei Wert darauf legte, dieses mächtige Werkzeug, dessen sie sich bei ihrem Vorgehen bediente, zu erhalten.Als am 27. März 1793 der Ausschuß zur allgemeinen Verteidigung in der Unruhe über Frankreichs Lage angesichts der Invasion die Minister und die Kommune von Paris zu sich berief, um mit ihnen zu beratschlagen, sagte Marat, indem er zusammenfaßte, was bereits im Gange war, zu ihnen, ›in einer solchen Krise sei die Souveränität des Volkes nicht unteilbar, jede Kommune sei auf ihrem Gebiet souverän, und das Volk könne die Maßregeln ergreifen, die sein Wohl erfordern‹. (Memoiren von Thibaudeau; Michelet, Buch X, Kap. 1.)

Aber eben darum hatten die Girondisten in ihrem Verfassungsentwurf, vor dem nur die Erhebung vom 31. Mai Frankreich bewahrte, dafür gesorgt, daß die Gemeinden in ihrer Selbständigkeit gebrochen wurden, daß ihre Unabhängigkeit abgeschafft und die Departements- und Distriktsdirektorien, die Organe der Besitzenden und der ›Ehrbaren‹, gestärkt wurden. Um das durchzusetzen, verlangten sie die Abschaffung der großen Gemeinden und der Gemeindemunizipien und die Schaffung einer neuen, einer dritten Reihe bureaukratischer Behörden, die Kantonsdirektorien, die sie ›Kantonsmunizipien‹ nannten.

Wenn dieser Entwurf angenommen wurde, mußten die Kommunen, die nicht ein Rad im Mechanismus der Verwaltung waren, sondern Gesamtheiten, die Grundstücke, Gebäude, Schulen usw. in gemeinsamem Besitz hatten, verschwinden, um von lediglich administrativen Körperschaften ersetzt zu werden.

Die Dorfgemeindeverwaltungen nahmen in der Tat sehr häufig die Partei der Bauern, und die Gemeindeverwaltungen der großen Städte vertraten ebenso wie ihre Sektionen oft die Interessen der armen Stadtbevölkerung. Man mußte also den wohlhabenden Bürgern eine Behörde geben, die diese Gemeindeverwaltungen ersetzte, und die Girondisten hofften offenbar, dieses Organ in einem Kantonsdirektorium zu finden, das sich mehr an die Departements- und Distriktsdirektorien, die, wie wir gesehen haben, überaus bureaukratisch und konservativ waren, als ans Volk anschloß.

In diesem nach unserer Meinung sehr wichtigen Punkt gingen die beiden Verfassungsentwürfe der Girondisten und der Bergpartei völlig auseinander.

Eine weitere, sehr wichtige Änderung, die die Girondisten ebenfalls einführen wollten (sie wurde übrigens von der Verfassungskommission verworfen), war das Zweikammersystem oder zum Ersatz dafür eine Teilung der Gesetzgebenden Körperschaft in zwei Sektionen, wie dies später in der Verfassung des Jahres III (1795), nach der Reaktion des Thermidor und der Rückkehr der Girondisten zur Gewalt, geschah.

Es ist richtig, daß der Verfassungsentwurf der Girondisten in gewisser Hinsicht sehr demokratisch schien, insofern als er den Urversammlungen der Wähler außer der Wahl ihrer Vertreter die Wahl der Behörden des Staatsschutzes, der Gerichte und des obersten Gerichtshofs und ebenso der MinisterJede Urwählerversammlung sollte sieben Minister designieren, und die Departementsverwaltung sollte aus diesen Namen eine Liste von dreizehn Kandidaten für jedes Ministerium bilden. Darauf sollten nach diesen Listen die Minister gewählt werden. anvertraute und das Referendum oder die direkte Gesetzgebung einführte. Aber die Ernennung der Minister durch die Wahlkörperschaften (angenommen, sie wäre in der Praxis möglich gewesen) hätte nur zwei rivalisierende Gewalten geschaffen, die Kammer und das Ministerium, die beide aus dem allgemeinen Wahlrecht hervorgegangen wären, und das Referendum war so verwickelten Bestimmungen unterworfen, daß es tatsächlich illusorisch geworden wäre.Man findet bei Aulard, Histoire parlementaire, 2. Teil, Kapitel IV, eine vortreffliche Zusammenfassung der beiden Verfassungen der Girondisten und der Bergpartei und alles weiteren, was damit in Zusammenhang steht. Schließlich stellte dieser Verfassungsentwurf und die Erklärung der Rechte, die ihm vorausging, bestimmter als die Verfassung von 1791 die Bürgerrechte fest – die Freiheit der religiösen Anschauungen und des Kultus und die Freiheit der Presse wie jedes anderen Mittels, seine Gedanken zu veröffentlichen. Hinsichtlich der kommunistischen Wünsche, die im Volk hochkamen, beschränkte sich die Erklärung der Rechte auf die Feststellung: ›Die öffentlichen Unterstützungseinrichtungen sind eine heilige Pflicht der Gesellschaft‹, und auf die fernere Erklärung, daß die Gesellschaft allen ihren Mitgliedern in gleicher Weise den Unterricht schuldig ist.

Man versteht die Zweifel, die dieser Entwurf hervorbringen mußte, als er am 15. Februar 1793 dem Konvent vorgelegt wurde. Der Konvent suchte unter dem Einfluß der Bergpartei seine Entscheidung in die Länge zu ziehen und verlangte, man sollte ihm andere Entwürfe einreichen; er ernannte eine Kommission, die sogenannte Sechserkommission, zur Prüfung der verschiedenen Entwürfe, die ihm übergeben werden konnten, und erst am 17. April fing im Konvent die Debatte über den Kommissionsbericht an.

Über die allgemeinen Prinzipien der Erklärung der Rechte verständigte man sich leicht, aber man vermied darin alles, was eine Ermutigung für die Enragés sein konnte. So hielt Robespierre am 24. April eine lange Rede, die, wie AulardHistoire politique, S. 291. betont hat, ohne Frage von dem leicht gefärbt war, was wir ›Sozialismus‹ nennen. Er sagte, man müßte erklären, daß ›das Eigentumsrecht wie alle andern Rechte durch die Verpflichtung beschränkt ist, die Rechte der Mitmenschen zu achten; daß es weder der Sicherheit noch der Freiheit, noch der Existenz, noch dem Eigentum unserer Nebenmenschen Schaden zufügen‹ dürfe; und daß ›jedes Gewerbe, das dieses Prinzip verletzt, durchaus unerlaubt und unmoralisch ist‹. Er verlangte auch, daß man das Recht auf Arbeit, übrigens in einer sehr unanstößigen Form, verkündete: ›Die Gesellschaft ist verpflichtet, für die Existenz aller ihrer Mitglieder zu sorgen, entweder, indem sie ihnen Arbeit verschafft, oder indem sie denen, die außerstande sind, zu arbeiten, die Existenzmittel sichert.‹»Dreckseelen, die ihr nur das Geld liebt«, sagte Robespierre an diesem Tage, wobei er sich offenbar an die Adresse der Girondisten und des ›Sumpfes‹ wandte, »ich will eure Schätze, so unsauber ihre Herkunft auch sein mag, nicht antasten. Dieses Ackergesetz, von dem ihr so viel geredet habt, ist nur ein Phantom, das die Spitzbuben ausgeheckt haben, um die Dummköpfe zu schrecken . . . Es handelt sich vielmehr darum, die Armut ehrbar zu machen, als die Üppigkeit zu proskribieren . . . Stellen wir doch die Prinzipien des Rechts auf Eigentum loyal auf . . .« Er schlug daher vor, in die Erklärung der Rechte die folgenden vier Artikel aufzunehmen: ›Das Eigentum ist das Recht, das jeder Bürger hat, den Teil der Güter, der ihm vom Gesetz verbürgt ist, zu genießen und darüber zu verfügen. – Das Recht des Eigentums ist wie die andern Rechte durch die Verpflichtung beschränkt, die Rechte des Nebenmenschen zu achten. – Es darf weder der Sicherheit noch der Freiheit, noch der Existenz, noch dem Eigentum unsrer Nebenmenschen Schaden zufügen. – Jeder Besitz, jedes Gewerbe, das dieses Prinzip verletzt, ist durchaus unerlaubt und unmoralisch.‹ Siehe James Guillaume, ›Les quatre Déclarations des droits de l'homme‹ (Études révolutionnaires, 1e série, Paris 1908, S. 380 ff.).

Der Konvent zollte dieser Rede Beifall, lehnte es aber ab, in die Erklärung der Rechte die vier Artikel, in denen Robespierre seine Anschauungen über das Eigentum niedergelegt hatte, aufzunehmen, und weder am 29. Mai, als der Konvent, unmittelbar vor der Erhebung am 31., die Erklärung der Rechte einstimmig annahm, noch am 23. Juni, als er die leicht abgeänderte Erklärung endgültig annahm, dachte man daran, die Anschauungen über die Beschränkungen des Eigentumsrechts, die Robespierre in seinen vier Artikeln zusammengefaßt hatte, darin aufzunehmen.

Als man jedoch am 22. Mai anfing, die Abschaffung der Gemeindeverwaltungsbehörden und die Schaffung von Kantonaldirektorien zu diskutieren, war man an dem Punkt angelangt, wo die Anschauungen der Bergpartei sich völlig von denen der Girondisten trennten. Der Berg war entschieden gegen diese Abschaffung, um so mehr als die Girondisten die Einheit von Paris als Gemeinde dadurch zerstören wollten, daß sie verlangten, jede Stadt von mehr als fünfzigtausend Einwohnern sollte in mehrere Gemeindekörperschaften geteilt werden. Der Konvent schloß sich nunmehr der Meinung der Bergpartei an und verwarf das girondistische Projekt der Kantonalbehörden.

Aber die Ereignisse überstürzten sich. Man stand unmittelbar vor der Erhebung von Paris, die den Konvent zwingen sollte, die bedeutendsten Mitglieder der girondistischen Partei aus seiner Mitte zu stoßen; und es war sicher, daß der Ausschluß der Girondisten in mehreren Departements den Bürgerkrieg hervorrufen würde. Es war also nötig, daß der Konvent so schnell wie möglich eine Fahne aufpflanzte, die für die Republikaner in der Provinz als Sammlung dienen konnte. Der Konvent beschloß nunmehr am 30. Mai auf Vorschlag des Wohlfahrtsausschusses, die Verfassung sollte lediglich aus den Artikeln bestehen, bei denen es wichtig war, daß sie unwiderruflich waren. Und da eine Verfassung, die nur aus diesen Artikeln besteht, sehr wohl in wenigen Tagen redigiert werden konnte, wählte der Konvent am 30. Mai eine Kommission von fünf Mitgliedern – Hérault de Séchelles, Ramel, Saint-Just, Mathieu und Couthon – und erteilte ihr den Auftrag, ›unverzüglich‹ einen Verfassungsentwurf, der nur die wesentlichsten Artikel enthalten sollte, vorzulegen.

Nachdem am 2. Juni die führenden Girondisten verhaftet worden waren, begann also der Konvent am 11. Juni die Debatte über den neuen Verfassungsentwurf, den seine Kommission ausgearbeitet hatte, ohne auf den Widerspruch der Gironde Rücksicht zu nehmen. Diese Debatte dauerte bis zum 18. Juni. Dann wurde die Erklärung der Rechte (die, wie wir gesehen haben, am 29. Mai angenommen worden war) leicht umgearbeitet, um mit der Verfassung in Einklang gebracht zu werden, und wurde am 23. wieder vorgelegt und sofort angenommen. Am Tag darauf, am 24. Juni, wurde die Verfassung in zweiter Lesung angenommen, und der Konvent überschickte sie nunmehr den Urwählerversammlungen, um sie der Abstimmung des Volkes zu unterbreiten.

Die Verfassung des Bergs – und das ist ihr kennzeichnender Zug – behielt die Gemeindeverwaltungen völlig bei. »Sollten wir«, sagte Hérault de Séchelles, »die Gemeindeverwaltungen nicht behalten können, so zahlreich sie auch sind? Das wäre eine Undankbarkeit gegen die Revolution und ein Verbrechen gegen die Freiheit. Was sage ich? Es hieße, die Regierung durch das Volk in Wahrheit vernichten. – Nein«, fügte er hinzu, nachdem er noch einige sentimentale Phrasen gemacht hatte, »nein, der Gedanke, die Gemeindeverwaltungen abzuschaffen, hat nur im Kopf der Aristokraten entstehen können, und von da ist er in den Kopf der Gemäßigten verpflanzt worden.«Es ist interessant, festzustellen, daß auch in Rußland die Feinde der Dorfgemeinde heutzutage Anhänger des Kantons (Vsesoslovnaja volost') sind und daß sie den Kanton den Gemeinden entgegenstellen, nach deren Ländereien sie lüstern sind.

Für die Ernennung der Vertreter hatte die Verfassung von 1789 das allgemeine direkte Wahlrecht durch geheime Abstimmung innerhalb jedes Arrondissements (50 000 Einwohner) eingeführt; für die Ernennung der Departements- und Distriktsbehörden sollte es die indirekte Wahl in zwei Stufen sein, und für die Ernennung der vierundzwanzig Mitglieder des Rates der Exekutive, der jedes Jahr zur Hälfte erneuert wurde, sollte es die indirekte Wahl in drei Stufen sein. Die Gesetzgebende Versammlung sollte nur für ein Jahr gewählt werden, und ihre Akte sollten von zweierlei Art sein; die Dekrete, die sofort in Kraft treten sollten, und die Gesetze, für die das Volk das Referendum zu verlangen in der Lage sein sollte.

Aber in der Verfassung des Bergs war dieses Recht des Referendums ebenso wie in dem girondistischen Entwurf illusorisch. Zunächst, weil alles in Gestalt von Dekreten beschlossen werden konnte, gegen die kein Referendum zulässig war. Und um dieses zu erlangen, war erforderlich, daß ›in der Hälfte aller Departements plus einem der zehnte Teil der regelrecht zusammengetretenen Urwählerversammlungen eines jeden Departements‹ binnen vierzig Tagen nach der Vorlegung des Gesetzentwurfs gegen ein neues Gesetz das Referendum anrief.

Schließlich verbürgte die Verfassung allen Franzosen ›die Freiheit, die Sicherheit, das Eigentum, die Staatsschuld, die freie Ausübung der Kulte, gemeinsamen Unterricht, öffentliche Armenunterstützung, die unbeschränkte Preßfreiheit, das Petitionsrecht, das Versammlungsrecht, den Genuß aller Menschenrechte‹. Was die sozialen Gesetze anging, die das Volk von der Verfassung erwartete, so versprach sie Hérault de Séchelles für später. Vor allen Dingen die Ordnung; nachher konnte man sehen, was man für das Volk tun konnte. Darüber war die Mehrheit der Girondisten und der Bergpartei völlig einig.In der Erklärung der Rechte, wie sie am 23. Juni endgültig beschlossen wurde, lauteten die Artikel über das Eigentum folgendermaßen: ›Das Eigentumsrecht ist das Recht eines jeden Bürgers, nach Belieben seine Güter, seine Einkünfte, die Frucht seiner Arbeit und seines Fleißes zu genießen und über sie zu verfügen. – Keine Art Arbeit, Betätigung, Handel kann dem Fleiß der Bürger verboten werden. – Niemand darf ohne seine Einwilligung irgendeines Teiles seines Eigentums beraubt werden, es sei denn, daß das gesetzmäßig festgestellte öffentliche Bedürfnis es erfordert und daß eine gerechte und vorher festzustellende Entschädigung geleistet wird.‹ Der Konvent ging also hinsichtlich des Eigentums nicht über die Prinzipien von 1791 hinaus.

Die Verfassung vom 24. Juni 1793 wurde in den Urversammlungen, als sie ihnen vorgelegt wurde, mit viel Einmütigkeit und selbst mit Begeisterung aufgenommen. Die Republik setzte sich damals aus 4944 Kantonen zusammen, und als man die Ergebnisse der Abstimmung aus 4520 Kantonen erfuhr, stellte sich heraus, daß die Verfassung mit 1 801 918 gegen 11 610 Stimmen angenommen worden war.

Am 10. August wurde diese Versammlung in Paris mit vieler Feierlichkeit proklamiert, und sie trug in den Departements dazu bei, die girondistischen Aufstände zu lähmen. Diese hatten keine Existenzberechtigung mehr, da nun die Verleumdung der Girondisten, die überall ausgesprengt hatten, die Bergpartei wollte das Königtum mit einem Orléans auf dem Thron wiederherstellen, zu Boden gesunken war. Anderseits wurde die Verfassung von 1793 von den meisten Demokraten so gut aufgenommen, daß sie seitdem für nahezu ein Jahrhundert das Credo der Demokratie geworden ist.

Jetzt hatte der Konvent, der ausdrücklich zu dem Zweck zusammenberufen worden war, Frankreich eine republikanische Verfassung zu geben, nichts weiter zu tun, als auseinanderzugehen. Aber es war klar, daß unter den bestehenden Umständen, mit der Invasion, dem Krieg und den Erhebungen in der Vendée, in Lyon, in der Provence usw. die Verfassung nicht tatsächlich eingeführt werden konnte. Es war unmöglich, daß der Konvent sich auflöste und daß er die Republik den Gefahren von Neuwahlen aussetzte.

Robespierre trug diesen Gedanken am Tag nach der Verkündung der Verfassung im Jakobinerklub vor, und die zahlreichen Delegierten der Urversammlungen, die eben zu dieser Verkündung nach Paris gekommen waren, waren derselben Meinung. Am 28. August sprach der Wohlfahrtsausschuß dem Konvent gegenüber denselben Gedanken aus, und dieser dekretierte denn auch, nachdem er sechs Wochen geschwankt hatte, endlich nach den ersten Erfolgen der republikanischen Regierung in Lyon, am 10. Oktober 1793, daß die Regierung Frankreichs bis zum Friedensschluß ›revolutionär‹ bliebe. Damit war tatsächlich, wenn auch nicht gesetzlich, die Diktatur des Wohlfahrtsausschusses und des Sicherheitsausschusses beibehalten, die im September durch das Gesetz über die Verdächtigen und das Gesetz über die revolutionären Komitees verstärkt wurde.


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