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Der beherrschende Gedanke in der kommunistischen Bewegung von 1793 war, daß die Erde als gemeinsames Erbe der ganzen Nation betrachtet werden muß, daß jeder Einwohner Recht auf den Boden hat und daß jedem die Existenz dergestalt verbürgt werden muß, daß niemand durch den drohenden Hunger gezwungen werden kann, seine Arbeit zu verkaufen.
Die ›tatsächliche Gleichheit‹, von der man im 18. Jahrhundert viel gesprochen hatte, drückte sich jetzt in der Forderung eines gleichen Rechtes aller auf den Boden aus; und die außerordentliche Bewegung im Grundbesitz, wie sie durch den Verkauf der Nationalgüter entstanden war, rief die Hoffnung wach, diese Idee in Wirklichkeit umsetzen zu können.
Es darf nicht vergessen werden, daß zu jener Zeit, wo die Großindustrien erst im Entstehen waren, die Erde noch das Hauptwerkzeug der Ausbeutung war. Durch den Grund und Boden hielt der Grundherr die Bauern in seiner Gewalt, und die Unmöglichkeit, seinen Fetzen Land zu bekommen, zwang den Bauern, in die Stadt auszuwandern, wo er ohne Gnade in der Produktion dem Fabrikanten und für die Konsumtion dem Spekulanten ausgeliefert war.
Unter diesen Umständen bewegte sich notwendigerweise das Denken der Kommunisten in der Richtung dessen, was man ›das Ackergesetz‹ nannte, das heißt in der Richtung der Beschränkung des Grundeigentums auf ein gewisses Maximum Landes und der Anerkennung des Rechtes eines jeden auf den Grund und Boden. Das Aufkaufen der Ländereien, das damals beim Verkauf der Nationalgüter von den Spekulanten vorgenommen wurde, konnte diese Idee nur befestigen. Und während die einen forderten, jeder Bürger, der das Land bestellen wollte, müßte das Recht haben, seinen Anteil an den Nationalgütern zu erhalten oder wenigstens zu günstigen Zahlungsbedingungen ein Stück kaufen zu können, forderten andere, die weiter sahen, das Land sollte zum Gemeindeeigentum gemacht werden und niemand sollte ein anderes als ein zeitliches Recht auf den Besitz des Bodens bekommen dürfen, den er selbst bestellte und solange er ihn bestellte.
So verlangte zwar Babeuf, der sich vielleicht hütete, sich zu sehr zu kompromittieren, die gleiche Teilung der Gemeindeländereien. Aber auch er wollte die ›Unveräußerlichkeit‹ des Grund und Bodens, was heißen sollte, daß die Rechte der Gesellschaft, der Gemeinde oder der Nation auf den Boden bestehen bleiben sollten – daß es einen Grundbesitz, aber keinen Grundeigentum geben sollte.
Andererseits bekämpfte Julien Souhait im Konvent bei der Debatte über die Teilung der Gemeindeländereien die endgültige Teilung, wie sie der Landwirtschaftsausschuß vorgeschlagen hatte, und ohne Frage hatte er dabei Millionen von armen Bauern auf seiner Seite. Er verlangte, die Teilung der Gemeindeländer – zu gleichen Teilen unter alle – sollte nur für eine bestimmte Zeit vorgenommen werden und sollte jeweils nach Verlauf einer bestimmten Zeit rückgängig gemacht werden können. In diesem Fall wäre, wie in der russischen Gemeinde, nur die Nutznießung verliehen worden.
Auf demselben Gebiet der Anschauungen stellte Dolivier, der Pfarrer von Mauchamp, in seinem ›Versuch über die ursprüngliche Gerechtigkeit‹ ›zwei unerschütterliche Prinzipien‹ auf: ›das erste, daß der Boden im ganzen allen, und niemandem zu privatem Eigentum gehört; das zweite, daß jeder ein ausschließliches Recht auf das Produkt seiner Arbeit hat‹. Aber da die Bodenfrage in jener Zeit die andern an Bedeutung überragte, sprach er vorzugsweise von ihr.
›Die Erde als Ganzes genommen muß als das große, gemeinsame Gut der Natur betrachtet werden‹ – als das gemeinsame Eigentum aller; ›jedes Individuum muß auf ihr das Recht auf seinen Anteil an das große Gemeinsame finden.‹ ›Ein Geschlecht hat nicht das Recht, für das folgende Geschlecht das Gesetz zu machen und über seine Souveränität zu verfügen; mit wieviel stärkerem Grunde hat es also nicht das Recht, über sein Erbe zu verfügen?‹ Und weiter: ›Die Nationen allein und an ihrer Stelle die Gemeinden sind wahrhaft Eigentümer ihres Gebietes.‹Da dieses Werk von Dolivier im British Museum nicht vorhanden ist, zitiere ich nach Jaurès. Sein zweites Werk, Le vœu national, ou système politique, propre à organiser la nation dans toutes ses parties . . . Paris 1790, ist nur durch den Gedanken interessant, die Nation von unten her zu organisieren. – Flugschriften des British Museum, F. 514 (4).
Im Grunde erkannte Dolivier ein durch Erbschaft übertragbares Recht nur für das bewegliche Eigentum an. Hinsichtlich des Bodens sollte niemand vom gemeinsamen Gut mehr besitzen dürfen, als was er selbst mit seiner Familie bestellen konnte. Und auch das sollte er nur zur Nutznießung haben. Das sollte aber, wie nicht zu übersehen ist, die gemeinsame Bestellung durch die Gemeinde, neben Pachtgütern, die im Privatbetrieb bewirtschaftet werden konnten, nicht ausschließen. Da jedoch Dolivier das Leben auf dem Dorfe kannte, verabscheute er die Pächter ebensosehr wie die Eigentümer. Er verlangte ›die völlige Zerschlagung der großen Pachtgüter‹, ›die äußerste Teilung des Bodens unter all die Bürger, die keinen oder nicht genügend Boden haben. Das ist die einzige angemessene Maßregel, die unser Landvolk wieder beleben und den Wohlstand in all die Familien tragen kann, die im Elend seufzen, weil ihnen die Mittel fehlen, ihren Fleiß verwerten zu können.‹ – ›Die Erde‹, fügt er hinzu, ›würde dadurch besser bestellt werden, die einheimischen Lebensmittel würden vermehrt, die Märkte infolgedessen reichlicher beschickt werden, und man wäre die abscheulichste Aristokratie los, die der Pächter.‹ Er sah voraus, daß man auf diese Weise zu einem so großen landwirtschaftlichen Reichtum käme, daß man niemals wieder das Gesetz über die Lebensmittelpreise brauchte, ›das unter den gegenwärtigen Umständen notwendig, aber trotzdem nicht das richtige ist‹.
Die Sozialisierung der Industrien fand ebenfalls, hauptsächlich im Bezirk von Lyon, Verkünder. Man forderte dort, die Löhne sollten von der Gemeinde geregelt werden und der Lohn sollte so hoch sein, daß er die Existenz verbürgte. Das ist das living wage der englischen Sozialisten unserer Zeit. Außerdem verlangte man die Nationalisierung gewisser Industrien, wie zum Beispiel der Bergwerke. Es wurde auch der Gedanke geäußert, die Gemeinden sollten sich der Industrien bemächtigen, die von den Gegenrevolutionären aufgegeben worden waren, und sie auf eigene Rechnung weiterführen. Im großen und ganzen war dieser Gedanke von der Gemeinde, die die Produktion in die Hand nahm, 1793 sehr populär. Die Benutzung der großen, unbestellten Ländereien in den Parken der Reichen zu Gemüsebau, den die Gemeinden in die Hand nehmen sollten, war ein Vorschlag, der in Paris viel Anklang gefunden hatte, und Chaumette trat lebhaft für ihn ein.
Es versteht sich von selbst, daß die Industrie in jener Zeit viel weniger interessierte als die Landwirtschaft. Indessen sprach schon der Kaufmann Cusset, den Lyon in den Konvent gewählt hatte, von der Nationalisierung der Industrien, und L'Ange entwickelte den Plan zu einem Phalanstère, in dem die Industrie mit der Landwirtschaft vereinigt sein sollte. Seit 1790 hatte L'Ange in Lyon eine ernsthafte kommunistische Propaganda entfaltet. So brachte er in einer Broschüre, die das Datum 1790 trägt, die folgenden Ideen vor: ›Die Revolution‹ sagte er, ›hätte Heil bringen sollen; eine Umkehrung der Ideen hat sie verpestet; durch den abscheulichsten Mißbrauch des Reichtums hat man den Souverän (das Volk) entrechtet. Das Gold . . . ist nur in arbeitsamen Händen nützlich und heilsam; es wird giftig, wenn es sich in den Schränken der Kapitalisten anhäuft . . . Überall, Sire, wohin Eure Majestät seine Blicke lenkt, sieht sie die Erde nur von uns bewohnt; wir sind es, die arbeiten, wir sind die ersten Besitzer, die ersten und letzten tatsächlich Besitzenden. Die Nichtstuer, die sich Eigentümer nennen, können nur den Überschuß unsrer Subsistenzmittel sammeln. Das spricht zum mindesten für unser Miteigentum. Aber wenn wir von Natur aus Miteigentümer und die alleinige Ursache jedes Einkommens sind, dann ist das Recht, unsern Unterhalt zu beschränken und uns des Überschusses (surplus) zu berauben, das Recht des Räubers.‹Plaintes et Représentation d'un citoyen décrété passif, aux citoyens décrétés actif, par M. L'Ange. Lyon 1790, S. 15 (Bibl. Nationale). Über die mehr oder weniger sozialistischen Ideen des ›Cercle Social‹, den der Abbé Fauchet gegründet hatte und der ›La Bouche de fer‹ zum Organ hatte, siehe A. Lichtenberger, Le Socialisme et la Révolution française, Kap. III, S. 69. Das halte ich für eine sehr richtige Art, den ›Mehrwert‹ aufzufassen. Er gründete seine Gedanken immer auf die wirklichen Tatsachen – auf die Krise der Lebensmittelprodukte, die Frankreich durchmachte – und kam so zu dem Vorschlag eines Systems einer Art Abonnement der Konsumenten zum Ankauf der ganzen Ernte zu festgelegten Bedingungen, das Ganze vermittelst der freien Vereinigung, die sich frei und ohne Zwang ausdehnen sollte. Er wollte außerdem den gemeinsamen Speicher, in den alle Landwirte ihre Erzeugnisse zum Verkauf bringen könnten. Es war das, wie man sieht, ein System, das für den Handel mit Lebensmitteln das individualistische Monopol und die Staatseinmischung der Revolution ablehnte und das moderne System der landwirtschaftlichen Genossenschaften, deren Mitglieder sich zusammengetan haben, um gemeinsam die Erträge einer ganzen Provinz, wie es in Kanada geschieht, oder einer ganzen Nation, wie es in Dänemark der Fall ist, zu vertreiben, vorwegnahm.
Im großen und ganzen ist es vorwiegend das Lebensmittelproblem, das die Kommunisten von 1793 bewegte und sie dazu brachte, dem Konvent den Maximalpreis abzuringen und das große Prinzip auszusprechen: Sozialisierung des Tausches, Kommunalisierung des Handels.
In der Tat stand die Frage des Getreidehandels überall im Vordergrunde des Interesses.
›Die Freiheit des Getreidehandels verträgt sich nicht mit der Existenz unserer Republik‹, sagten die Wähler von Seine-et-Oise im November 1792 zum Konvent. Dieser Handel liegt in den Händen einer Minderheit, die das Ziel hat, sich zu bereichern, und diese Minderheit ist immer daran interessiert, die Preise künstlich in die Höhe gehen zu lassen und so den Konsumenten immer zu schädigen. Jedes halbe Mittel ist gefährlich und unwirksam, sagten sie; eben die Mittelwege sind es, die uns zugrunde richten. Der Getreidehandel, die ganze Versorgung mit Lebensmitteln, muß von der Republik in die Hand genommen werden, und diese wird ›das richtige Verhältnis zwischen dem Preis des Brotes und dem Tagelohn für die Arbeit festsetzen‹. Da der Verkauf der Nationalgüter zu abscheulichen Spekulationen von Seiten derer, die diese Güter wieder verpachteten, Anlaß gegeben hatte, verlangten die Wähler von Seine-et-Oise die Beschränkung der Pachtgüter und die Nationalisierung des Handels.
»Ordnet an«, sagten sie, »daß niemand mehr als hundertzwanzig Morgen, die Meßrute zu zweiundzwanzig Fuß gerechnet, übernehmen darf; daß jeder Eigentümer nur ein einziges Pachtgut selbst besitzen darf und daß er verpflichtet ist, die andern zu verpachten.« Und sie fügten hinzu: »Übergebt alsdann die Sorge, jeden einzelnen Teil der Republik zu verproviantieren, einer vom Volk erwählten Zentralverwaltung, und ihr werdet sehen, daß der Überfluß an Getreide und das rechte Verhältnis des Getreidepreises zu dem täglichen Arbeitslohn allen Bürgern Ruhe, Glück und Lebensmöglichkeit verschaffen wird.«
Diese Ideen waren, wie man sieht, nicht von Turgot und nicht von Necker genommen. Das Leben selbst hatte sie erzeugt.
Besonders bemerkenswert ist, daß diese Ideen von den beiden Ausschüssen für Landwirtschaft und Handel akzeptiert und in ihrem Bericht über die Lebensmittelfrage, den sie dem Konvent vorlegten,Rapport et projet de décret sur les subsistances, présenté par M. Fabre, député du département de l'Hérault. vorgebracht wurden und daß sie, auf das Drängen des Volkes, in einigen Departements des Berry und des Orléanais zur Ausführung gebracht wurden. Im Eure-et-Loire hätte man am 3. Dezember 1792 die Konventskommissäre beinahe totgeschlagen, man sagte, ›die Bourgeois sind lange genug obenauf gewesen, jetzt ist die Reihe an den armen Arbeitern‹. Später wurden ähnliche Gesetze von Beffroy (aus dem Aisne) heftig vom Konvent verlangt, und der Konvent – wir haben es gesehen, als wir vom Maximalpreis sprachen – machte für ganz Frankreich einen umfassenden Versuch, den ganzen Handel mit Lebensbedürfnissen erster und zweiter Ordnung vermittelst nationaler Magazine und der Festsetzung ›gerechter‹ Preise für die Lebensmittel zu sozialisieren.
Man sieht so während der Revolution die Idee aufkeimen, daß der Handel eine Funktion der Gesellschaft ist; daß er, wie der Boden selbst und die Industrie, vergesellschaftet werden muß, die Idee, die später von Fourier, Robert Owen, Proudhon und den Kommunisten der vierziger Jahre weiterentwickelt wurde.
Noch mehr. Es ist kein Zweifel für uns, daß Jacques Roux, Varlet, Dolivier, L'Ange und Tausende von Einwohnern in der Stadt und auf dem Land, Bauern und Handwerker, was die Praxis angeht, die Lebensmittelfrage außerordentlich viel besser verstanden als die Abgeordneten des Konvents. Sie verstanden, daß die Festsetzung der Preise allein, ohne die Sozialisierung des Bodens, der Industrien und des Handels, ein toter Buchstabe bleiben müßte, selbst wenn sie mit einem ganzen Arsenal von Zwangsgesetzen und dem Revolutionstribunal verschanzt wäre. Daß das System des Verkaufs der Nationalgüter, wie es die Konstituierende und die Gesetzgebende Versammlung und der Konvent angenommen hatten, jene Großpächter geschaffen hatte, die Dolivier mit Recht als die schlimmste Aristokratie bezeichnete, merkte der Konvent im Jahre 1794 wohl. Aber er wußte keinen anderen Rat, als sie in Massen verhaften zu lassen, um sie zur Guillotine zu schicken. Die drakonischen Gesetze gegen das wucherische Aufkaufen jedoch (wie zum Beispiel das Gesetz vom 26. Juli, das die Durchsuchung der Speicher, der Keller, der Scheuern bei den Pächtern anordnete) säten in den Dörfern nur den Haß gegen die Stadt und insbesondere gegen Paris.
Das Revolutionstribunal und die Guillotine konnten das Fehlen einer aufbauenden kommunistischen Idee nicht ersetzen.