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Natürlich hat jeder Stand, jeder Beruf, jede Klasse – nicht zuletzt jede Person für jeden Wochentag eine besondere Zu- oder Abneigung. Dem einen ist der Sonntag, dem andern der Freitag sympathisch, jenem der Dienstag gräßlich und diesem der Donnerstag.
Aber die Tage der Woche haben außerhalb der persönlichen Wertung noch ein allgemeines Gesicht, ein bestimmtes Profil, das für tausend – ja Millionen Menschen gleich ist.
Da ist der Montag. Sein Gesicht ist sauer, verkatert, unlustig auf der ganzen Welt. Am Montag früh ist das Aufstehen besonders schwer, seine Morgenstunde hat nicht Gold im Munde, sondern, wie der Volksmund spricht: Blei im Hintern. Scheint die Sonne, so verdrießt uns das, weil wir den schönen Tag an unseren Laden geschmiedet, an unsere Deichsel geschirrt sind, regnet es, so sagen wir gekränkt: das auch noch, wo ohnedies Montag ist! Der Montag ist der Tag der knurrigen Antworten, der kniffligen Vorgesetzten, der grantigen Ehemänner, der Tag der eingetrockneten Tintengläser und verrosteten Handwerkszeuge, der Tag, an dem wir uns mit hundert kleinen Beschäftigungen um die Arbeit drücken wollen, der Tag der Fleischpflanzel und anderer wehmütiger Erinnerungen aus dem Überfluß des Sonntags.
Selten, daß sich jemand am Montag verliebt. Aber wieviel Abschiedsbriefe werden da geschrieben! Der Waschtag ist, und der Vereinskassier holt den Beitrag, der Postbote erhebt eine Nachnahme, der verdammte Backenzahn tut weh und der Kopf und der Bauch. Am Montag sind wir alle wieder Buben, die an der »Schulkrankheit« leiden, aber niemand ist mehr da, der einen Zettel schreibt: »Werter Herr Lehrer! Da mein Kind unwohl ist, kann es leider nicht die Schule besuchen.« Erst gegen Abend kommt der Tag ein bißchen ins Rollen. Unser Gasthaus ist leer, die Montags-Stammtische sind selten. Früh geht alles Geflügel schlafen.
Am Dienstag haben wir uns mit der betrüblichen Tatsache unserer Existenz abgefunden. Wir sind jetzt auf Touren gebracht. Am Dienstag wird geplant und verordnet, da klingen die Stimmen sachlich und unbelegt, da wird angeschafft und ausgeführt und selbst notorische Drückeberger verbringen den Tag damit, einen Organisationsplan für die geplanten Arbeiten der Woche aufzustellen. Mittags gibt es frisches Rindfleisch, gesotten. Am Dienstag zu faulenzen, schafft richtige Gewissensbisse. Der Feierabend gehört dem Buch, der Zeitung, der Bildung, und nur gewohnheitsmäßige Trinker, Liederjane, Herumhocker und Junggesellen pendeln in ihre unterschiedlichen Kneipen.
Der Dienstag ist metallisch, klar, vernünftig, er ist sozusagen der Preuße unter den Wochentagen. Kategorischer Imperativ, verbunden mit strammem Exerziermarsch.
Der Mittwoch ist viel rundlicher, behäbiger, hat sozusagen eine kleine Gipfelrast in sich. Das Arbeitstempo geht ganz leise auf unserem Tachometer zurück, von siebzig Kilometer auf vierzig, auf dreißig. So fährt man auch noch gut. Manche legen schon einen kleinen Nachmittagsbummel ein, einen Schwatz im Kaffeehaus. Der Abend gehört – werte Gattin, ich gehe jetzt seit Sonntag das erstemal aus – dem Stammtisch, der Vereinssitzung, dem Kino, dem Vortragsabend, gehört der Fortsetzung, beziehungsweise Anbahnung gefühlsbetonter Beziehungen zum anderen Geschlecht, ebensoweit weg vom Sonntag, daß das Wiedersehen Freude macht. Mittags gibt es gesottenes Schweinefleisch. Am nächtlichen Heimweg freuen wir uns schon leise auf das »Weekend«: denn der Mittwoch ist ein kleiner Vetter vom Samstag.
Der Donnerstag, im Zeichen der Schlachtschüssel, gehört wieder ganz einer braven, emsigen Arbeitsamkeit. Wir sind im Schuß. Aber anders als der Dienstag ist der Donnerstag schon sanft bestrahlt vom Samstag-Sonntag. Als »Lohn dem Fleiße« duften abends köstliche Leber- und Blutwürste auf dem Tisch. – Einladungen und kleine Festlichkeiten werden nicht ungern auf diesen Tag verlegt, an dem die Gäste wahrscheinlich nichts »vorhaben«, infolgedessen sagen viele ab, weil sie schon eingeladen sind. Der Freitag ist ganz zu Unrecht als Unglückstag verrufen. Ist er doch der Vor-Vortag des Sonntags. Wir sehen wie nach langer Wanderung von weitem schon die Herbergsfahne über dem nächsten Hügel wehen. Das letzte Stück schaffen wir auch noch! Und das beschleunigt unsern Marsch. Müde werden immer mobil, wenn's der Rast zugeht.
Aus der Küche duftet es lieblich nach Schmalzgebackenem und Fisch. Vom Abreißkalender entfernen wir die letzten acht Tage und lesen, was hervorragende Dichter und Denker sich für die einzelnen Wochentage, anschließend an den Küchenzettel, ersonnen und erdacht haben. Wir blättern im Fahrplan und rufen Freunde an wegen eines Wochenend-Projekts. Feiertagsstimmung weht schon am Freitag nachmittag. Der Abend gehört nicht selten dem edlen Tarock- oder Schafkopfspiel.
Der Samstag ist eigentlich der beste. Denn in der Vorfreude ist das Glück am schönsten. Viele Leute singen oder pfeifen an diesem Tag zu ihrer Arbeit, falls dies nicht ausdrücklich verboten ist. Mittags grüßt uns der Kalbsbraten, nachmittags zum Kaffee eine Schlagrahmtorte. Wir schmökern in den neu erschienenen Zeitschriften, wir kaufen ein, wir kriegen frischgebügelte Wäsche ins Haus, wir sind gegen Abend von einer heiteren Emsigkeit, uns für das Vergnügen zu rüsten. Wir sind vor allem voll Erwartung auf etwas Besonderes, auf den Zufall, auf das Schicksal. Samstag ist wie ein kleiner Weihnachtstag.
Dem Sonntag einen Steckbrief zu schreiben, erübrigt sich. Seit seiner Erschaffung ist er in hunderttausend Zungen und Liedern gepriesen als der Hätschelhans unter den Tagen, der Tag, um den sich überhaupt lohnt, die sechs anderen zu leben. Gut! Soll er seine drei Sterne im Lebensbaedeker haben!
Sonntagskinder möchten wir ja alle sein! Und hat's bei uns nicht gereicht, das große Los des Sonntagskindes zu ziehen: nun, so haben wir doch eine kleine Glücksprämie: jede Woche ein Samstagabend-Kind zu sein.