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»Flora« geht von Tisch zu Tisch ...

Immer wieder greift das Leben mit fester Hand in unsere Illusionen und Wunschbilder und lehrt uns, daß Wahn und Wirklichkeit zwei Paar Stiefel sind. Wie stellt uns der Maler eine Flora hin: ein hauchzartes, liebreizendes Mädchen, schleierumwallt, die aus einem Füllhorn Rosen niederstreut, holdselig lächelnd. Wie aber begegnet uns das Blumenmädchen in Wirklichkeit? Da bleibt vom schönen Bild nichts über als die Rosen. Das Mädchen selbst ist meist schon Großmutter, und daß sie von kompakteren Stoffen als von Schleiern umhüllt ist, gereicht ihr nur zum Vorteil. Auch das Füllhorn hat eine Wandlung in ein ausgedientes Zwetschgenkörberl erfahren. Diese Flora betritt das Gastlokal und überblickt eine kurze Minute das Gelände wie ein Feldherr. Sie faßt die starken und schwachen Punkte der Operationsbasis ins Auge, teilt die Tarockertische und die Nischen mit den G'spusis, die fröhlichen Gesellschaften und die einsamen Ehepaare in ihren Plan ein und beginnt dann die Wanderung. Flora hat ein gutes Gefühl für Kundschaft.

Hier: der junge Kavalier mit der Flasche süßen Hautes Sauternes wird kein Versager sein. Wer seiner Dame süßen Wein kredenzt, tischt ihr auch Blumen auf. Flora baut sich vor das Paar und hält ohne Worte der blonden, jungen Dame drei Rosen unters Näschen. Der kleine Kavalier kriegt ein bißchen Herzklopfen; denn er hat »draußen« eben einmal Kasse gemacht. Schließlich muß das Auto nachher auch noch bezahlt sein. Aber Flora wankt und weicht nicht, so daß der junge Mann schließlich doch nach den Blumen greift. »Des san' selten schöne Exemplare, gnä' Herr«, sagt Flora, »da hat gnä' Frau lang a' Freud' dro'.« Und als er sich diskret nach dem Preis erkundigt, sagt das Blumenmädchen ebenso diskret und schnell noch ein Fufzgerl draufschlagend, ihre Forderung. Das ist Floras Stärke: ein Kavalier handelt nicht vor der Dame. Ein Kavalier schweigt und zahlt.

Ein feuriger Dankblick der blonden Dame lohnt ihm die Aufmerksamkeit.

(Morgen Mittag, kalkuliert der noble Spender, gibts für diese Rosen statt Nierenbraten ein Fünftel Lionerwurst und zwei Hausbrote.)

Die beiden hier – schnell erfaßt: das ist ein Ehepaar. Noch nicht allzu lang verheiratet. Sie streicheln sich noch die Hand. Eheringe blinken. Immerhin, man muß es versuchen. Vielleicht feiern sie einjährigen Hochzeitstag? »Schöne Ros'n g'fällig, gnä' Fräul'n?« Der Mann will schon zugreifen. Aber die junge Frau fällt ihm sanft in den Arm. Nicht Fritzl, nicht. »Nein, danke!« sagt sie bestimmt. Und zu Fritzl nachher: »Geh, das Markl schenkst mir als Beitrag für das rote Kapperl, das ich bei Maierfeld in der Auslag' g'seh'n hab!«

Hier bei dem älteren Ehepaar bietet Flora eigentlich nur aus Grundsatz (Dame am Tisch) an. Richtig: ein rauher Baß sagt: »Dankschön! Brauchen nix!« Und winkt ostentativ dem Zigarrenmann.

Aber der Tisch hier, das ist ein Feld! Da sitzt eine Gesellschaft, zehn – zwölf lustige Leuteln, die haben schon ein bißl »hoch«. Richtig: jede der fünf Damen wird mit Blumen bedacht. Man muß nur schlau sein und den Mann herausfinden, der gegen das Angebot am schwächsten ist. Der Schüchterne da, mit der Brille, der konnte nicht nein sagen. Da mußten auch die andern »nachtauchen«.

Der Dicke, Wuchtige mit der Weichselrohr-Zigarrenspitze trinkt eben seiner Begleiterin zu, die auch nicht gerade untergewichtig ausschaut. Flora ist schon da. Aber der Herr Kommissionär Daxlhuber ist nicht nur ein wackerer Liebhaber, sondern auch ein guter Geschäftsmann. Er sagt nicht grade »nein« zu dem Rosenangebot. »Zoag'n Sie 's a'mal her, Eahna Waar, und er sucht unter den Rosen aus, greift die Sträuße ab, wie er es bei den Ferkeln gewohnt ist; er läßt sich nicht so leicht was vormachen. Den größten, frischesten Busch nimmt er heraus, inspiziert ihn auf den Geruch und läßt auch die Begleiterin an der Kontrolle teilnehmen. Was kost' der nachher? Was? 's Stück dreißig Pfennig? Ja, Frau, Sie san ja narrisch! Um a' Zehnerl kriag i de schönst'n am Markt! Sag'n ma' a' Zwanzgerl. Da ham S' allweil no' schö' verdient. Net? Nix nachlass'n? Ja wiss'n, mi b'sch... S' net so leicht. Mei letztes Wort: A' Zwanzgerl! Gel, jetzt verstehngn' ma uns doch! Teans 'n her, den Bosch'n! Da, Zilli, nimm des G'müas!«

Flora ist ein bißchen verärgert. Das veranlaßt sie, auch jemand ein wenig hinaufzutreiben, ihr Feind und Widersacher sitzt da. Der alte Grantlhauer, der sie immer mit so giftigen Augen anschaut, wenn sie ihn bei der Zeitungslektüre stört. Meistens geht sie an ihm vorüber. Aber heut grad extra nicht! »Schöne Ros'n, Herr!«

Unter den Brillengläsern kommen wütende Blicke heraus. Der Ingrimm zieht das Gesicht zusammen, als wenn der Mann auf einen Holzapfel gebissen hätte. Er sagt gar nichts. Und Flora lächelt, so ein recht hinterkünftiges, abgefeimtes Lächeln. Sie hat auch ihre kleinen Freuden. Die Tarocker haben keinen Blick für die Rosen. Sie sehen durch die Blumen durch wie durch Luft. Der einsame Herr da drüben? Der wartet. Flora hat an kleinen Zeichen die Diagnose gestellt. Dieses nervöse Klopfen der Zigarette, dieses auf die Uhr sehen, zur Tür hin schielen ... Das kennt man.

Flora bietet ihre Rosen an. Mit Erfolg. Man kann ja nicht wissen.

Sie ist eine gute Haut. Sie wünscht ihm so für sich, daß »sie« bald kommt.

Denn so ist sie, die Flora: wer ihr was abkauft, wird heimlich gesegnet. Aber wer patzig und abweisend ist, für den hat sie auch ihre kleine Privat-Beschwörung, ihren Hokus-Pokus: dem soll auch daneben geh'n, was er sich wünscht ... Dreimal leise mit der Zunge geschnalzt ... Dämon im Rosenkörberl!


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