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Schwammerl

Große Herren haben ihre Hochwildjagd. Der Herbst bringt ihnen fröhliches Huß und Horrido. – Die Illustrierte zeigt sie und darunter steht: »Graf Itzenplitz neben einem erlegten Sechzehnender, oder Kommerzienrat Hirselsteiner mit zwei kapitalen Gemsböcken.«

Selten oder nie aber sieht man das Jagdbild: Frau Veronika Bachgruber mit dem von ihr erlegten dreipfündigen kapitalen Steinpilz. Und doch ist die herbstliche Schwammerljagd, die Jagd des »kleinen Manns«, nicht minder aufregend als eine Pirsch auf edles Wild, nicht minder das Hochgefühl über die Beute, nicht geringer der Neid des andern Jägers. – Schußneid ist noch gar nichts gegen Schwammerl-Neid. Das »Wild« ist hier so mannigfach wie bei der echten Jagd. – Da gehts vom mageren Täubling – vergleichbar dem geringen Böckl, bis zum königlichen Steinpilz – identisch dem König der Wälder, dem edlen Hirsch, wie dieser so ist auch der »Pilstling« rarster Art versteckt und schwer auffindbar im tiefsten Holz. Wer ein Körbl davon heimträgt, der kann sich ruhig mit dem hirscherprobten Weidmann messen.

Der Münchner, der Altbayer betrachtet den »Pilstling« nicht nur als eine profane Schmaus-Angelegenheit. Er sieht das Schöne an diesem Gewächs, er schätzt das sozusagen Sportliche an seiner Erbeutung. Ein recht fest und rund gewachsener, schöngefärbter Steinpilz ist uns – vor dem Magen – ein ästhetischer Genuß, eine Augenfreude und Augenweide, an der neben dem glücklichen Finder jeder teilnimmt, der vorübergeht. In der Bahn recken sich die Hälse, und die Frau Obermaier, die zwei Körble allerschönster Pilstlinge bei sich hat, ist stolz wie eine Olympia-Siegerin.

Deshalb gibts bei uns auch neben dem berufsmäßigen Schwammerlsucher, der sie auf den Markt bringt, neben dem Familienvater, der für die Seinen im Wald ein »Schmankerl« brockt, den ausgesprochenen »Herren-Jäger« auf Schwammerl, dem, noch vor dem realen Genuß daran, die Freude am Suchen und Finden, der »Weidmanns«-Ehrgeiz alles ist. – Der alte Oberstleutnant, der Amtsgerichtsdirektor oder die Frau Oberbergrat – sie hüten das Geheimnis »ihrer« Schwammerlstände mehr als jedes andere. –

Buben sind als Schwammerljäger etwas gefährlich. – Sie stecken nicht nur Rehlinge, Täublinge und Steinpilze ins Netz – bei ihnen kommt's oft mehr auf die Quantität als auf die Qualität an. – Da rutscht mancher »unsichere Kantonist« mit hinein.

Dann schickt die Mutter zum alten Schuster Wieflinger. Der ist über drei Stadtbezirke hinweg unbestrittene Schwammerl-Autorität. Zu ihm kommen auch der Herr Oberstleutnant und die Frau Oberbergrat in Zweifelsfällen. Er thront wie eine männliche Pythia auf dem Dreifuß und scheidet die Böcke von den Schafen. – »Jessas, jetzt bringt dir der Laddierl an Knollenblätterpilz für an Schampion mit! Ja schaamst di denn gar net, Bua. Da seid's ja bei oan Schmankerl alle mitnand abi'« –

Der Schuster Wieflinger ist streng aber gerecht mit den Schwammerln.

Er läßt viele die Paßkontrolle passieren, unscheinbare und wenig bekannte Pilstlinge: »De ko' ma ess'n!« – Aber bei manch einem Staatsexemplar, das er mit dem Messer anschneidet, heißts: »Weg damit.« –

Keine Hochschule hat den Wieflinger zum Botanik-Doktor honoris causa gemacht. – Aber deswegen versteht er's doch besser als mancher gelahrte Professor.

Aber die Hauptsache ist letzten Endes – ob mit oder ohne honoris causa –, daß uns die Botanik schmeckt. Im Reich der Pflanzen gebührt in diesem Punkte ein Ehrenplatz dem edlen Gewächs: Schwammerl mit Knödel.


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