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In regelmäßigen Abständen zischen alle Sommerfrischler im Wirtssalettl: tsz, tsz, tsz, tsz ... den Naturlaut der Ungeduld und Entrüstung. Man ist hungrig und will essen. Aber die Wirtsköchin sagt: »Mir ham aa warten müassen auf de Bagasch!« Und sie lädt zornig zu einer Vorspeise ein, die nicht für jedermanns Zunge sehr lecker und im allgemeinen nur auf Kirchweih gebräuchlich ist. Die Kellnerin sagt: »I' ko' mi' net darenna!« Und derrennt sich nicht. Die Gäste warten.
Man spielt mit Messer, Gabel, Teller und Salzbüchseln, Zahnstochern und Bierfilzeln. Die Kinder besehen sich ihr Gesicht in der Rundung des Löffels und grinsen so lang hinein, bis der Vater erzürnt und voll Grimm mit seinem Löffel auf die Finger der Sprößlinge haut. Denn er hat Hunger und kann deshalb Ungebührlichkeiten nicht sehen. Worauf die Mutter ihm einen Blick voll Klage und Anklage zuschickt und ihren Kindern, so ostentativ als eine Frau sein kann, die Tränen trocknet. Denn die Mutter hat Hunger und ist deshalb ostentativ. Was die Laune des Vaters nicht bessert. Er dreht heftig den Teller um seine Achse und würgt Zorn, Durst und Hunger ingrimmig hinab. Der Fritzl muß ein Bier holen. Die Miezl muß Semmeln holen, die Anni muß in die Küche und fragen, wann der Rostbraten fertig ist.
Sie kommt mit dem erschöpfenden Bericht, die Wirtin habe gesagt: »Wann er ferti is, is er ferti.« Der Vater erwürgt mit beiden Fäusten unterm Tisch einen imaginären Gegner und ächzt dann: »Skandal!« Die Mutter sagt: »Bappi, reg dich nicht auf!« Dies regt den Bappi noch mehr auf. Er sagt: »Ach was! Geschwätz! Ich reg mich doch nicht auf! Aber du regst einen auf ...!« Die Mutter nadelt an ihrer Stickerei weiter und sagt nichts mehr. – Sie schweigt intensiv – vielschweigend! Das regt den Bappi noch mehr auf! Der Fritzl dreht Brotkügelchen. Er bekommt eine Ohrfeige. Die Miezl muß in die Küche und fragen, was mit dem Rostbraten los ist. Die Köchin heißt sie einen frechen Bankert, und die Miezl kommt heulend zurück. Fritzl und Miezl schluchzen das Tischtuch an. Die Mutter wischt ihnen Augen und Nase. Der Bappi schnaubt und sagt, es sei das letzte Mal, daß er in die Sommerfrische gehe. Er ruft heiser vor Zorn: »Fräuln Vevi!« Die Kellnerin ruft automatisch »Glei'!« zurück und verschwindet aus dem Gesichtskreis. Über dem Tisch hängt nachtschwarz eine Gewitterwolke. In Bappis Augengläsern wetterleuchtet es. Jetzt braucht die Anni nur noch das Limonadflaschl umzuwerfen ...
Der Bappi hat das Messer in der Faust. Er könnte die Vevi kalten Blutes abschlachten, wenn sie nochmal »Gleiiiiii« sagt!
Der Fritzl leckt als Vorspeise mit dem Finger Salz auf ... Die Anni muß in die Küche und fragen, was mit dem Rostbraten ist ... Die Mutter seufzt und sagt: »Bappi, reg dich nicht auf. Denk an deine Leber!« Der Bappi brüllt: »Ich reg mich doch nicht auf!!«
Die Hälse aller Gäste recken sich. Jetzt wird die erste Platte hereingetragen. Gierig gehen die Augen den Bratenplatten und Salatschüsseln nach. Bestecke klirren, Zeitungen rascheln zusammen, mitten im Satz muß das Interesse an »Weltpolitischen Ausblicken« dem Interesse an Bratenanteilen weichen, und Rabindranath Tagore- und Courts-Mahler-Bände klappen rücksichtslos vor der Vevi zu und werden unter den Gegenpol der Seele verstaut. Festliche Erwartung! »Hierher, Vevi!« »Daher, Vevi!« »Unsern Niernbraten.Vevi!« »Wir haben noch keine Suppe,Vevi!« »Gleiiiiii!!!« Dazwischen hinein ein schneidender, schwertscharfer Ruf: »Hör'n Se mal, Fräulein Vevi! Nu' warten wa schon 'nn jeschlachene Stunde! Nu kommen Se mal ran ...«
Und der Herr in der blauen Leinenjacke und dem schmetternden Antlitz zieht alle Augen und Ohren in seinen Bann. Feindselige Augen! Und irgendwo orgelt ein tiefer Bierbaß: »Freili! Obakemma und 's Mäu aufreißen! Für eahm pressiert's b'sonders! Halt mi, Amali, sunst muaß i' hi'geh! Wo mir scho' a Stund dasitzen ...!!«
*
Alle sind versorgt. Friede auf Erden. Man hört nur freundliches Geschirrklappern, Besteckklirren, leises, wohlbehagliches Kauen. Spannung, Ärger, Zorn haben einem tiefen Seelenfrieden auf den Gesichtern Platz gemacht. Der Bappi ist über seinen Rostbraten gebeugt, und die Mutter schneidet den Kindern vor, und der Bappi ist schon ganz abgeregt, und ein Semmelschmarr'n von Güte liegt auf seinem Antlitz. Nach Tisch sind alle Menschen gütig.