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Geschichte einer Krankheit

... Ja, hier links, wissen Sie, da spür' ich manchmal so einen leisen Druck. Nicht immer. Aber jetzt eben wieder! Meinen Sie, daß da was Schlimmes ...?

Der andere (begeistert): Sie, das kenn ich! Das hat mein Großvater jahrelang gehabt. Da trinken Sie jeden morgen nüchtern eine Tasse Tannenzapfen-Tee. Großartig! Ihre Milz ist nicht ganz in Ordnung. Mein Großvater ...

... spür' ich manchmal so einen Druck ...

Der andere andere: Da wett' ich doch gleich, daß das Leberausstrahlungen sind. Ein Freund von mir hat 's weggebracht. Da ist das Beste jeden Tag nüchtern ein Eßlöffel Löwenzahn-Öl. – Sie werden sehen ...

... manchmal so einen Druck ...

Der dritte andere: ... gibts nur Packungen mit Farnkraut! Das kenn' ich genau. Meine Tante hat das glatt mit Farnkraut kuriert. – Jeden Abend eine Packung! Und möglichst wenig Mehlspeisen, dafür ganz mageres Fleisch ... Es hängt nämlich mit dem Herz zusammen ...

... Druck ...

Der vierte andere: Nerven, mein Lieber! Das ist der sogenannte Nervus rerum, den Sie da spüren! – Kommen Sie morgen bei mir vorbei, ich hab da noch ein halbes Flaschl von ausgezeichneten Nerventropfen daheim ... die haben meiner Frau damals so gut getan! Und fett essen! Den Nerv in Fett betten, wissen Sie!

... hier links nämlich ...

Der fünfte andere: Da weiß ich Ihnen was ganz Ausgezeichnetes! Das ist eine verkappte Grippe, die Sie da rumschleppen. Mein Bruder hat das auch gehabt. Jeden Mittag vor dem Essen ein Wasserglas gelöschter Kalk – nach einer Woche haben Sie 's weg. Und viel Glühwein!

... ja, da an der Seite ...

Der sechste andere: Ganz klar! Meine Schwiegermutter schwört in diesem Fall auf geschabte Schierlingstengel! Der ganz gewöhnliche Wiesenschierling. Es hängt nämlich mit dem Darm zusammen. Und ja keinen Alkohol!

... Druck ...

Der siebte andere: Hier schreib' ich Ihnen eine Folge von gymnastischen Übungen auf. – Das sind Stauungen, verstehen Sie. – Täglich fünfzig Rumpf- und fünfzig Kniebeugen. Wunderbar!

Der achte andere: ... eine kleine Entzündung ... hat mein Nachbar auch gehabt! – Legen Sie sich ein paar Tage ins Bett, möglichst wenig Bewegung und einen Umschlag von gedünsteten Steinpilzen drauf. Die ziehen alles raus ...

... an der Seite – nicht immer, aber hin und wieder ...

Der neunte andere: Ihre Drüsen lieber Freund! Mein Vetter hat jahrelang mit Drüsengeschichten zu tun gehabt. Da hat ihm der Schäfer von Kraglfmg ein Pulver gegeben. Schmeckt scheußlich, aber weg war's. – Gehen Sie einmal zu dem Mann hin! – Er macht es – so viel ich weiß – aus den kleinen sogenannten Schafbohnen. Das darf Sie nicht stören.

... wissen Sie, Frau Schwanklhuber, so einen Druck ...

Die zehnte andere: Ja, da woaß i Eahna was ganz ausgezeichnet 's! Des is a Sympathie, mei Zimmerherr hat ja dasselbe g'habt, genau so! A allweil den Druck da links! Hat mei Bas'n g'sagt: A Huafnagel im Westentaschel – nix Besseres net ... Und g'holfa hat's!

*

... Und jetzt meine Herren das Merkwürdige. Der Druck hat nicht nachgelassen. Alles hab ich probiert mit Tee und Packungen und Spülungen und Diät. – Und eine einfache Frau aus dem Volk, meine Zugeherin, die Frau Schwanklhuber, sagt, ich soll's mit Sympathie probieren. Als gebildeter Mensch hat man ja Hemmungen in solchen Dingen. Na, schließlich, ich besorg mir einen Hufnagel, ich nehm mir meine Weste vor, weil ich so was doch lieber selbst mache, schließlich will man sich doch keine Blöße vor andern geben –, ich trenne also das Futter auf und da finde ich – finde ich die Kastanie, die ich im Vorjahr eingenäht hatte, weil ich da immer so ein Stechen an der Seite gespürt hab! – damals hat mir jemand eine Kastanie empfohlen. – Und sehen Sie, meine Herren, diese Kastanie, das war der Druck da auf der linken Seite. Der Hufnagel war also doch das richtige. – Man kann ja über solche Mittel denken wie man will – ich jedenfalls bin jetzt meinen Druck los!


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