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In den Schädeln der Elentiere glühte, streng nach der entsprechenden Himmelsrichtung, verschiedenfarbiges Licht.
Vor dem Totenkopf auf schwarzer Tischplatte saß unbeweglich Arototec und sammelte seine Gedanken, lenkte sie fest und andauernd auf einen Punkt; ließ eine violette Flüssigkeit auf eine helle Kugel tropfen. Er beugte sich aufmerksam darüber, denn nun teilten sich die Tropfen und begannen allerlei Wege zu bilden. Es waren die Wege, die seine beiden Diener gehen sollten. Zum erstenmal wollte er nun erproben, wie groß seine gedankliche Macht auf andere war, wenn sie seinem unmittelbaren Bannkreis entschwanden.
Die Bergpfade, die er gewählt hatte, waren einsam, doch von Zeit zu Zeit stieg jemand auf ihnen hernieder, und auf Arototecs Befehl näherten sich seine Diener solch einsamem Wanderer und stellten eine Frage an ihn, obgleich sie im Grunde gar nichts fragen wollten. Auch sprachen sie miteinander über Dinge, über die sie sich sonst nicht zu unterhalten pflegten, und sie schlugen Pfade ein, die einzuschlagen gar nicht in ihrer Absicht gelegen hatte. Nun befahl ihnen Arototec, fremd dahinzugehen, und in der Tat kannten sie sich nicht mehr, sahen sich an wie Fremde, die über eine unverhoffte Begegnung staunen, gingen nicht mehr Seite an Seite dahin, sondern in kleinem Abstand voneinander, und sooft Arototec es befahl, verbeugten sie sich tief. Er behandelte sie wie Puppen. Sie mußten die Arme heben und senken, komische Schwingungen ausführen, sprechen, was sie nicht wollten, gehen, wohin sie nicht zu gehen wünschten, Leute mit unnötigen Fragen belästigen, stumm nebeneinander heruntereilen von den Bergen, jetzt laufend, jetzt nahezu schleichend.
Nie verließen Arototecs Augen die Wandernden, nie durften sich seine Gedanken von ihnen entfernen, doch der Versuch übertraf noch seine Erwartungen. Stolz rief er die beiden zurück, und als sie eintraten, sanken sie ihm völlig erschöpft zu Füßen.
Stumm winkte er ihnen, sich zurückzuziehen.
Als sie gegangen waren, erhob er sich taumelnd. Auch er war müde. Er trocknete sich den Schweiß von der Stirn und holte einige Minuten lang tief Atem, hierauf rieb er sich befriedigt die Hände, und ein Lächeln der Genugtuung – ein kaltes, schattenhaftes Lächeln – kräuselte seine dünnen Lippen.
Nun wußte er, daß er die Gedanken all derer, die ihm einmal unterworfen waren, auch aus der Ferne beherrschen konnte, und diese Überzeugung entschädigte ihn für die lange Mühe oft erneuter Versuche und geduldigen Abwartens.
»Mein ist die Macht …«, flüsterte er.
*
Es war wenige Tage später.
In seinem düsteren Arbeitsraum saß Arototec vor der hellen Kugel in Vorschau und in Rückschau versunken. Hinter ihm lag alles, was er unternommen hatte, seit er unentwegt auf sein hohes Ziel zugesteuert war: all seine Anstrengungen, diese Macht zu erringen, die im Augenblick allerdings noch stärker im Unsichtbaren als im Sichtbaren wurzelte, weil sie in zwingender Gedankenkraft gipfelte, doch nun sollte dieser inneren Macht äußere Form werden. Künftighin mußte es ihm gestattet sein, offen und allen sichtbar in die Geschicke der Menschen einzugreifen und das zu unternehmen, was ihm zweckdienlich erschien. Sein Wille und seine Worte sollten im Thronrat nicht nur mitklingen, sondern den Ausschlag geben. Sein Urteil sollte das bestimmende sein. Vieles schuf man im Verborgenen, manches entwickelte sich aus klug vorbereiteten Zusammenhängen heraus, doch Entscheidendes ließ sich in vielen Fällen nur im entscheidenden Augenblick und mit kühnem Wort erzielen.
Weise und lange hatte er vorgebaut, aber immer blieb der Weg noch schicksalsschwer, den einzuschlagen er sich fest entschlossen hatte, denn über dem Zukunftsbild hing ungeachtet all seines Planens der Nebel des Unvorhergesehenen. In dieser Stunde der Betrachtung sah er nicht nur die Vergangenheit in all ihrer Klarheit mit ihrem tiefen Leid, ihren Irrtümern, Kämpfen und ihrer bitteren Unrast, sondern in dieser Stunde der Vorschau sah seine Seele über seinen Geist hinaus auf eine Ebene, die ihm noch verschlossen war, und er erschrak vor etwas, das ihn als Warnung durchrieselte; dann wich, was er als Schwäche deutete, und er blickte entschlossen in sich hinein, um alle Pläne noch einmal zu überprüfen, sein Ziel noch einmal klar zu stecken.
Als seine Augen wieder auf die helle Kugel auf der Steinplatte fielen, merkte er darin eine seltsame Bewegung. Weiße Gestalten wogten nebelhaft auf und ab, hierauf wurde das Bild klarer, er sah lange Gänge, hohe Hallen, eilende Diener, aufgeregte Knaben, ein Hasten und Treiben, und endlich den greisen Priester aus dem Tempel, der in König Naxitlis Gemach eintrat.
Er schaute noch eine geraume Weile unverwandt in den wachsenden Schein der Kugel, reglos, mit unheimlich gespannten Zügen und verkrampften Händen. Da hob ein Seufzer seine Brust und seine Haltung verlor die Starre. Das Licht in der Kugel war im Erlöschen.
Die Stille im Raume war drückend.
Da fiel ein dunkler Schatten auf die Kugel, ein kalter Luftzug streifte den reglos Sitzenden, und ein langer Seufzer – wenn es ein Seufzer gewesen – verzitterte in der Tiefe des Raumes.
Arototec erhob sich.
Ein Zug von starker Zielsicherheit lag auf seinem Gesicht, von dem jede Spur von Ermüdung verschwunden war.
Die Stunde hatte begonnen, auf die er so lange gewartet hatte: die Stunde seiner Macht.
König Naxitli der Getreue war heimgegangen …