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37. Die Goldminen

(Fortsetzung.)

Zu bewundern ist, daß diese goldhaltigen Distrikte noch im Verhältnis so wenig bearbeitet werden, denn wenn man annimmt, daß die Minen schon seit dem Jahre 1848 entdeckt sind, so ist die jetzige Goldwäscher-Bevölkerung eine sehr geringe. Die Ursache ist eine doppelte. Zuerst tauchte das Gerücht über in Venezuela neu entdeckte reiche Minen im Jahre 1849 oder gar 1850 auf, wo man allerorten und Enden Gold entdeckt haben wollte. Die Arbeiter aber, die nach den verschiedenen anderen neuen Minenplätzen strömten, fanden sich meist getäuscht, und es ist natürlich, daß sie sich nachher nicht gern noch einmal nach den so entlegenen und eigentlich aus dem Bereich jeder Verbindung liegenden venezuelanischen Distrikten wollten locken lassen.

Die zweite Ursache ist der Ruf, den diese Berge als sehr ungesundes Terrain besitzen, aber nur zum Teil mit Recht. Es ist allerdings ein tropisches Klima, und dem Nordländer kann in solchen heißen Ländern die schwere Erdarbeit nicht sehr gut bekommen. Außerdem liegt in der Art, wie die Arbeit betrieben wurde, schon der Keim zu vielen Krankheiten, selbst ohne die Hitze, denn besonders in der Regenzeit mühten sich die Leute den Tag über in Schweiß und Nässe, und lagen dann des Nachts in offenen Hütten, vielleicht auf dem Boden, während fortwährend eine Masse aufgewühlter Erde ihre Miasmen umhersandte.

Die Gegend selber dort ist gar nicht ungesund, nur im November und Dezember sollen Fieber auftreten. Die einzelnen dort lebenden Leute, die sich mit dem Ackerbau beschäftigen, leiden sehr wenig an Krankheiten, in keinem Falle mehr als in anderen tropischen Ländern, wo sie von Wald umgeben leben. Aber selbst bei den Minenarbeiten läßt sich durch Vorsicht und etwas Fleiß viel gegen mögliche Krankheiten tun, und die jetzt dort arbeitenden Amerikaner zeigen den Leuten wenigstens, was darin getan werden kann, obgleich man kaum hoffen darf, daß die Venezuelaner ihr Beispiel nachahmen. Sie haben nämlich, wo ihre Häuser stehen, den Wald vollkommen gelichtet, um nicht allein der Sonne, sondern auch dem Luftzug freien Zutritt zu gestatten; sie haben gute und regendichte Blockhäuser gebaut und überdachen jeden Schacht, in dem gearbeitet wird, mit Caratablättern, um von ihren Leuten Sonne und Regen abzuhalten. Allerdings ist die Zeit, in der sie sich in diesen Wäldern befinden, noch keine sehr große, aber bis jetzt haben sie wenigstens die Genugtuung gehabt, daß noch keine ernstlichen Krankheiten unter ihnen vorgekommen sind, und ihr kleines Hospital wird nur von solchen der Eingeborenen benutzt, die sich einmal eine kurze Zeit bei guter Kost ausruhen wollen. – Der nächste November muß freilich erst zeigen, ob sie auch die schlimmeren Tage gut überstehen.

Eine andere Ursache, die Arbeiter wohl abgehalten haben kann, die venezuelanischen Minen zu besuchen, ist die Schwierigkeit, dorthin zu gelangen, und die Kostspieligkeit der langen Reise. Früher wurde besonders von Bremen aus ein sehr lebhafter Handel mit dem Orinoco durch Segelschiffe betrieben. Dieser hat aber in letzter Zeit sehr abgenommen, denn die ewigen Revolutionen haben das Land, wenn auch nicht ruiniert, doch so heruntergebracht, daß es, im Besitz aller nur erdenklichen Hilfsmittel, doch nicht Produkte genug liefert, um Fahrzeuge zu befrachten. So lag, während ich in Bolivar war, ein amerikanisches Schiff dort, das einzige im ganzen Hafen, das, wie mir gesagt wurde, mit halber Ladung in See gehen mußte, weil es nicht mehr Fracht bekommen konnte. Die Dampferverbindung mit Trinidad und dem Norden der Republik fällt aber nur einmal im Monat und war jetzt sogar ganz in Frage gestellt, weil der Eigentümer dieses Privatunternehmens bedeutende Subsidien verlangte, um die sonst nicht sehr einträgliche Reise bezahlt zu bekommen.

Trinidad steht allerdings durch französische und englische Dampfer mit der ganzen Welt in steter Verbindung, aber die Reise ist teuer, und wenn selbst die Reisenden Puerto de las Tablas am Orinoco erreicht haben, so liegt immer noch eine viertägige Landreise zwischen ihnen und den Minen, die besonders mit Gepäck nicht unbedeutende Kosten verursacht.

Aber die Minen sind so reich, daß sie sich trotzdem mit Goldwäschern füllen werden, sobald nur erst einmal die Erfolge der Amerikaner bekannt werden, auf die man, selbst in Venezuela, mit Spannung wartet. Und welches ungeheure Terrain bietet sich dabei einer solchen Arbeit, ein Terrain, das bis jetzt kaum erst berührt worden und sich, wahrscheinlich noch Hunderte von Leguas diesem Gebirgszuge nach Südosten folgend, in die Wildnis hineinzieht und wohl erst in Britisch-Guayana sein Ende erreicht! Hier in Venezuela sind freilich die Verhältnisse ganz andere als in Kalifornien, ja, selbst als in Australien, wo, als nur erst einmal der Tatbestand festgestellt war, daß Gold in den Bergen liege, Hunderte von Menschen sich nach allen Richtungen hin zerstreuten und bald da, bald dort, oft sogar in sehr großen Entfernungen andere reiche Stellen entdeckten. Hier in diesen Wäldern und Bergen ist das unmöglich, denn schon der einzelne Mann hat es schwer, in die Dickichte einzudringen, und muß sich dazu oft mit dem Messer oder der Macheta Bahn hauen; aber er wäre gar nicht imstande, auf Wochen und Monate hin Proviant genug mitzuschleppen, und selbst Trinkwasser trifft er nur an wenigen Stellen.

Das sogenannte Prospecting, wie es in jenen Minen genannt wird, verbietet sich also hier von selbst, und ein Vordringen in die Wildnis kann in Venezuela nur langsam und von einem festen Punkt aus, der die Existenz der Miner sichert, vorgenommen werden. Sie müssen einen Ort in der Nähe haben, von dem sie Lebensmittel erhalten können. So werden sich auch diese Minen, langsam freilich, aber sicher, in die Wildnis hineinbohren, denn ihre Schätze können kaum in einem Jahrhundert erschöpft werden.

Bis jetzt sind, wie gesagt, erst nur sehr wenig Stellen in Angriff genommen, und diese liegen so dicht beieinander, daß man sie sämtlich in einem einzigen Tage besuchen kann. Zuerst, als Mittelpunkt kann Caratal gelten, wo Waschgold gefunden wurde, dann aber auch der Quarz sich an manchen Stellen außerordentlich reich erwies.

Callao, wie schon erwähnt, hat ebenfalls außerordentlich reiche Minen in Quarz und Waschgold.

Chile, etwa eine Legua von Caratal entfernt in den Bergen, ist bis jetzt nur seines überreichen Quarzes wegen ausgebeutet worden.

Potosi zeigte bis jetzt nur Quarz, besitzt aber auch jedenfalls Waschgold.

Iguana nur Waschgold, aber in besonders großen Stücken.

Panama Quarz- und Waschgold.

Peru ebenso.

Corina nur Quarz.

Tigre als letzter Platz desgleichen. Tigre besonders zeichnete sich aber vor den übrigen nicht allein durch die schwierige Bearbeitung des Bodens, sondern auch durch den Goldreichtum seines Quarzes aus, denn man fand dort in der Tat Stücke, die weniger Quarz mit Gold, als umgekehrt Gold mit Quarz zu sein schienen. Zu bewundern ist nur, daß die Arbeiter sich nicht durch fast unüberwindbare Hindernisse abschrecken ließen, sondern diese wirklich in Angriff nahmen, bis sie auf den gesuchten Quarz trafen.

Zuerst mußten sie 36-40 Varas (die Vara zu 3 Fuß) durch den Boden graben, und dann trafen sie plötzlich auf eine solide Porphyrschicht, die einzelne vollkommen abschreckte, weil sie sich nicht denken konnten, daß unter diesem Gestein noch Gold liege. Andere aber ließen nicht nach und hatten in den ersten Stellen durch 20 Fuß – und später noch durch eine weit dickere Schicht – dieses harten Steines zu brechen, bis sie wieder weichen Boden erreichten. Dort aber fanden sie selbst diese schwere und kostspielige Arbeit reich belohnt, denn unter dem Porphyr lag der reiche Quarz, der ganz unglaubliche Resultate lieferte.

Und trotzdem sind gerade diese Minen noch lange nicht ausgearbeitet, ja, meist wieder verlassen, als bald danach das ebenfalls ungeheuer reiche Callao entdeckt wurde, wo man das Gold mit viel weniger Arbeit erreichen und gewinnen konnte. Aber sie blieben nur liegen, um später jedenfalls wieder in Angriff genommen zu werden, denn man hofft noch bedeutende Schätze in jenem Distrikt zu finden.

Und trotzdem findet hier in diesen Minen etwas statt, das in Kalifornien nach der ersten Entdeckung des Goldes kaum möglich gewesen wäre, nämlich zu einem mäßigen Preise (er steht jetzt etwa auf 2 Pesos oder eine Kleinigkeit mehr als 2 Taler) Arbeiter zu bekommen, um Minenplätze in Angriff zu nehmen. Es gab damals derartige Tagelöhner in Kalifornien, aber um 8 Dollars pro Tag waren sie nicht zu bekommen, und anscheinend sollte das gegen den Reichtum der hiesigen Minen sprechen. In Kalifornien wurde aber damals nur allein nach Waschgold gesucht, und da man das Gold stets oder doch fast immer in 8 bis 12 Fuß – selten tiefer – unter der Erde fand und außerdem überall genügend Wasser hatte, so blieb selbst den einzelnen Goldwäschern immer die Hoffnung, einen reichen Ertrag mit verhältnismäßig weniger Arbeit für sich selber zu erzielen. Außerdem ist der amerikanische Charakter auch viel unabhängiger und verläßt sich lieber auf sich selbst als auf andere.

Hier herrschen von jenen ganz verschiedene Verhältnisse. Der Venezuelaner will sich für den Tag, an dem er gerade lebt, gedeckt sehen, aber nicht große Arbeiten mit ungewissem Erfolg beginnen, die ihn nachher mit einem Gewinn im Stiche lassen. So zuverlässig sind Minenarbeiten ja überhaupt nicht, und mancher tiefe Schacht wurde auch in Venezuela gegraben – besonders da, wo man nach Waschgold suchte – ohne irgend welches Gold zu liefern, so daß die Arbeit umsonst verrichtet war.

Außerdem sind die Schwierigkeiten für den einzelnen und unbemittelten Arbeiter hier weit größer, als sie in Kalifornien waren. Für das Auswaschen des Alluvialgoldes fehlt, wie schon erwähnt, an den meisten Stellen das Wasser, und die Bearbeitung des Quarzes, wenn man nicht gerade auf sehr reiche Stellen trifft, ist eine sehr schwierige und erfordert daneben nicht unbedeutende Auslagen. Da muß ein großer, schwerer, eiserner Mörser angeschafft werden, dessen Transport in die Minen allein schon teuer ist; da muß der Miner Quecksilber kaufen und einen Ausbrennkolben, wenn er nicht viel daran verlieren will, und das Leben ist ebenfalls teuer genug, der Erfolg aber keineswegs gesichert.

Einem deutschen Arbeiter, der soeben die alte Heimat verlassen hat, möchte ich deshalb auch kaum raten, in den dortigen Minen sein Glück zu suchen. Er ist das Klima nicht gewöhnt und ebensowenig die Kost, mit der sich die dortigen Eingeborenen begnügen – und oft begnügen müssen; er kann vielleicht mehr hier verdienen als anderswo, wenigstens in kürzerer Zeit, aber er riskiert auch seine Gesundheit und setzt sich ungewohnten und großen Strapazen aus. Aber ein Feld sind diese Minen jedenfalls für Spekulanten, die imstande wären, ein Kapital hineinzuwerfen, und die jetzt darin beschäftigten Amerikaner werden die Bahn dazu öffnen. Wo der dort so reiche Quarz in richtiger Weise und mit Maschinen in Angriff genommen wird, muß er ein günstiges Resultat liefern, und ich möchte deshalb die Aufmerksamkeit auch deutscher Kapitalisten dahin gelenkt haben.

Natürlich besuchte ich die kleine amerikanische Kolonie selber, da ich noch dazu mit zweien ihrer Ingenieure bekannt geworden war, mit denen ich von St. Thomas nach La Guayra überfuhr und mit ihnen zusammen siebzehn Tage in Quarantäne lag.

Die Leitung der ganzen Angelegenheiten dort liegt in den Händen eines Doktor Stevens, eines sehr tüchtigen Geologen und sonst ausgezeichneten Mannes, der auch noch außerdem Arzt ist. Ihm sind die besten Kräfte beigegeben, und mit bedeutenden, ihm zu Gebote stehenden Mitteln und dem echt praktischen amerikanischen Sinn ist auf dem dortigen, der amerikanischen Kompagnie jetzt gehörenden Terrain in der kurzen Zeit schon fast Unglaubliches geleistet.

Zuerst hatte man den Platz, wohin die Wohnungen verlegt wurden, gelichtet und der Sonne und dem Luftzuge geöffnet, gute Blockhäuser wurden gebaut und reichlich Proviant eingelegt, um selbst in der Regenzeit und bei unpassierbaren Wegen nicht in Verlegenheit zu kommen. Dann aber, während die Ingenieure emsig daran gingen, die alte, hier schon vorhandene Maschine instand und so rasch als möglich in Tätigkeit zu setzen, wurden eine Masse von Leuten engagiert (die Kompagnie beschäftigt in diesem Augenblick, alles gerechnet, etwa hundert Menschen), die an verschiedenen Orten zugleich aufgefundene Quarzadern bloßlegten und Material zu den bald in Gang befindlichen Maschinen bereit machten. An dreizehn Stellen geschah das, an elfen wurde noch gearbeitet, während ich dort war, und zwar teils in Schächten, teils in Stollen, teils auch an der Oberfläche, wo es schon genügte, den fast zutage liegenden Quarz von der noch daran haftenden Erde zu befreien, obgleich auch diese manchmal goldhaltig war. Mit solcher Erde konnte man sich aber nicht aufhalten und mußte das auf die Zeit verschieben, wo die einsetzende Regenzeit hinlänglich Wasser lieferte, um die sogenannten rockersund long toms für Waschgold zu probieren.

Aber dabei allein blieben sie nicht stehen. Die Preise sämtlicher Lebensmittel und Bedürfnisse waren hier zu einer solchen Höhe hinaufgeschraubt, daß man alles hätte, trotz der bedeutenden Transportkosten, billiger von den Vereinigten Staaten beziehen können. Es galt also, sich vor allen Dingen unabhängig von den hiesigen Händlern zu stellen, und dazu besaßen sie nicht allein die Mittel, sondern auch die nötigen praktischen Kenntnisse.

Eine kleine Farm oder Canuco, wie es hier genannt wird, hatten sie schon gekauft. Jetzt gingen sie eifrig daran, Mais, süße Kartoffeln, Yuka und andere passende Lebensbedürfnisse zu ziehen. Unten am Juruaryflusse wurde ein anderer großer Platz gelichtet und eine Backsteinbrennerei in Angriff genommen, wozu sich dort vortrefflicher Lehm fand. Aber das gefällte Holz rollte man nicht auf Haufen und verbrannte es, um es aus dem Weg zu haben, wie es die gedankenlosen Venezuelaner machen, sondern man schlug und spaltete es gleich an Ort und Stelle zu Klafterholz, und setzte es solcher Art auf, daß es zugleich eine Einfriedigung um das Ganze und die einzelnen Abteilungen der Felder bildete. – Meiler zum Kohlenbrennen wurden ebenfalls aufgestellt, während auch schon eine Sägemühle im Bau begriffen ist, um allen Bedürfnissen zu genügen.

Die Venezuelaner sehen das staunend an und stehlen vorderhand das ihnen bequem liegende Klafterholz, um sich selber Arbeit zu sparen. Aber sie werden jedenfalls von den praktischen Amerikanern viel Nützliches lernen – besonders Bedürfnisse zu einem behaglicheren und mehr gesicherten Leben, und das allein schon wird und muß einen großen und wohltätigen Einfluß auf sie ausüben.

Sobald nun die erste Maschine aufgestellt ist, denn zu der von Amerika mitgebrachten müssen noch verschiedene große Stücke von Puerto de las Tablas hinaufgeschafft werden, sollen die eigentlichen Probearbeiten beginnen, bei denen man zunächst das dem Anschein nach am wenigsten versprechende Quarzgestein benutzen wird. Dann zeigt sich augenblicklich, wieviel – selbst im ungünstigen Falle – die Maschine lohnt, und erst mit den geprüften Erfolgen will die Gesellschaft vor das Publikum treten, um wahrscheinlich Aktien auszugeben.

Nachdem ich mir die Minen um Caratal genügend angesehen und einen vollkommen klaren Begriff über die Arbeiten gewonnen, machte ich mich am fünften Tage wieder auf die Heimreise. Ich durfte in der Tat nicht länger zögern. Die Regen hatten begonnen, und besonders zwei Nächte hintereinander hatte es dermaßen vom Himmel niedergeschüttet, daß ich eine Verzögerung fürchten mußte, wenn ich mich länger hier oben aufhielt. Diese aber konnte insofern verhängnisvoll werden, daß ich dadurch den nur einmal monatlich gehenden Dampfer versäumte und nachher noch vier Wochen länger in Venezuela zurückgehalten wäre.

Fast tat es mir leid, aus den Minen zu scheiden, so herzlich war ich dort nicht allein von allen Deutschen, nein, selbst von den verschiedenen Venezuelanern aufgenommen, aber es konnte nichts helfen. Mein Glück wollte ich außerdem nicht selber in den Goldbergen versuchen, denn seit Kalifornien habe ich das Goldwaschen verschworen, und ich suchte deshalb Caratal wieder auf, um von dem Präfekten ein Maultier zu erhalten und meine Reise beenden zu können.

In Caratal hatte ich am nächsten Morgen, nachdem es die Nacht wie mit Mulden niedergeschüttet, den interessanten Anblick der Goldsucher in den Straßen. Kinder und Erwachsene schlichen gebückt darin umher, und eine Anzahl gefundener kleiner Stücke, von denen ich selbst noch einige besitze, wurden zum Einwechseln in den Laden gebracht, in dem ich mich befand. Ich selber fand eins und wusch auch noch etwas Sand von der Straße aus, in dem ich allerdings keine Stücke, aber eine Menge feines Gold fand.

An dem Morgen hatte ich auch noch Zeit, mir die Bevölkerung von Caratal ein wenig genauer anzusehen, und gemischt ist sie genug, das kann man nicht leugnen. Besonders auffallend sind dabei eine große Anzahl von Franzosen, die aber gerade nicht zu dem Glanzpunkt der Arbeiter gehören. Allerdings gibt es auch unter ihnen viele brave, rechtliche Leute, aber es hat sich eine Anzahl von Cayenne-Flüchtlingen zwischen sie gemischt, die ihnen so wenig wie den übrigen Ansiedlern angenehm und vorteilhaft sein kann.

Man weiß, daß schon seit langer Zeit in Cayenne selber keine politischen »Verbrecher« mehr interniert werden. Was also von daher kommt, hat anderes verübt, und wenn die Herren auch romantische Erzählungen erfinden, um ihre Deportation nach einer so verdächtigen Stelle zu entschuldigen (so wollte der eine seine Frau erschossen haben, die er auf einer Untreue ertappt), so sieht man den meisten doch ihre frühere Lebensbahn an der Stirn an.

Einige von diesen waren vor noch nicht so langer Zeit in Bolivar verhaftet worden, und zwar weil sie in sehr starkem Verdacht standen, sich an einem Einbruch und Raub beteiligt zu haben. Merkwürdigerweise nahm aber gerade der französische Konsul ihre Partei – worüber damals viel gesprochen wurde – und sie wurden, da tatsächliche Beweise fehlten, wieder auf freien Fuß gesetzt. Jetzt treiben sie sich hier in den Minen herum. Wie aber Fortuna bekanntermaßen blind ist, haben einige von ihnen gerade die reichsten Stellen getroffen und ein Vermögen erworben, das sie jetzt wieder so rasch als möglich durchzubringen suchten – wunderliche Welt!

Deutsche gibt es hier ebenfalls in Caratal; sie gehören zu den geachtetsten Bewohnern der Stadt, deren eigentlichen Kern zwar eine Anzahl Weiße, doch in der Mehrzahl Neger bilden. Diese letzteren sind hier auch ganz fleißige Arbeiter, betreiben den Goldgewinn aber natürlich in der primitivsten und rohesten Weise, so daß man recht gut annehmen kann, sie verschleudern beim Auswaschen und Amalgamieren ebensoviel, als sie erbeuten. Was sie aber gewinnen, ist vollständig ausreichend zu ihrem Leben, denn es gibt kaum ein genügsameres Volk als die Venezuelaner. Ein Stück gesalzenes Fleisch und Casavebrot aus Yuka gemacht, mit etwas Papelon, dem rohen braunen Zucker – scheint alles zu sein, was sie verlangen, und dabei bleibt ihnen denn immer noch Geld genug zu einer gelegentlichen Flasche Aguardiente oder einem neuen Kleid für die Sennora. Jeder von ihnen hat natürlich seine Hängematte, in der er in der Hütte schläft, und weiteres Meublement wird nicht verlangt. Wozu auch, es verstellte nur den überdies beschränkten Raum. Aber der eiserne Mörser und ein paar hölzerne Pfannen, ebenso wie Spitzhacke, Spaten und ein großer Hammer dürfen nicht fehlen, und damit ist er auch als Miner vollkommen genügend ausgerüstet.

Die kleine Stadt Caratal bietet übrigens einen ganz eigentümlichen Anblick und gleicht auch in keiner Hinsicht irgend einer der anderen Minenstädte, die ich je besuchte. Die Häuser sind niedrig, aus Lehm gebaut und alle mit den vergilbten Blättern der Caratapalme gedeckt; die Straßen gerade ausgelegt, in regelmäßigen Cuadras und verhältnismäßig ziemlich breit, zum Teil auch – wie schon vorher erwähnt – mit Quarzsteinen gepflastert. Läden gibt es natürlich in Masse, und selbst Luxusartikel und Quincailleriewaren haben ihren Weg hierher gefunden, da auch manche Familien heraufgezogen sind. Das Nötige aber – Handwerkszeug, Lebensmittel und zum Hausstand gehörige Dinge mit Spirituosen bilden noch die Hauptbestandteile der Waren und werden zu nicht übermäßigen Preisen bezahlt. Die Fracht hierher ist ziemlich teuer. Der Zentner wird sich, von Puerto de las Tablas bis Caratal allein – eine Entfernung von 46 Leguas – auf etwa 10 bis 12&frac12; Pesos stellen – bei Eisenwaren und anderen schweren Dingen schon immer ein Gegenstand, da auch noch die Fracht von Bolivar hinzukommt. Im ganzen ist es aber doch viel billiger hier, als es anfangs in den kalifornischen und australischen Minen war, denn erstlich ist die Konkurrenz außerordentlich, und der Venezuelaner außerdem kein richtiger Spekulant.

Die Transporte werden bis jetzt nur noch einfach auf Eseln oder Maultieren bewirkt. Bis Upata, von Puerto de las Tablas aus, ist aber jetzt ein abgekürzter Karrenweg fahrbar gemacht, und man spricht überhaupt davon, in nächster Zeit ganz ernstlich eine hier allerdings sehr nötige Wegeverbesserung vorzunehmen. Es hält aber immer schwer, die Südamerikaner zu so etwas zu bringen. Die amerikanische Gesellschaft wird jedoch schon drängen und im schlimmsten Fall die Sache selber in die Hand nehmen. Vierrädrige Karren haben die Amerikaner auch schon mitgebracht, und wie mir Doktor Stevens selber sagte, beabsichtigen sie über die kleineren Flüsse Brücken zu schlagen, wie auf dem größeren Juruary eine ordentliche Fähre herzustellen.

Brücken existierten aber jetzt leider noch nicht, und als ich auf dem Rückweg wieder an den sonst ganz unbedeutenden Cunury kam, war er durch Regen in den Gebirgen dermaßen angeschwollen, daß wir sowohl als unsere Tiere hindurchschwimmen mußten.

Um das Gepäck trocken hinüberzuschaffen, bedient man sich eines sehr einfachen Mittels. Die Seile, die ein jeder Reiter bei sich haben muß, um sein Tier nachts anzubinden und ihm weiten Raum zu seiner Weide zu geben, werden an den überhängenden Ästen von Baum zu Baum über den schmalen Strom gespannt, dann bindet man, was man hat, in kleine Bündel fest zusammen und zieht es so über den Strom hinüber. Diese Art, einen Fluß zu kreuzen, ist allerdings sehr zeitraubend, aber sie erfüllt vollkommen ihren Zweck.

Den dritten Tag langte ich, allerdings ziemlich ermüdet, in Upata an und wurde von Herrn Meinhard wieder auf das herzlichste empfangen. Ja, er gab sogar nicht nach und ich mußte, da mir diesmal wirklich noch Zeit blieb, einen Rasttag bei ihm machen. Ich werde ihm wie seiner liebenswürdigen Frau, einer Venezuelanerin, die aber vollkommen gut Deutsch spricht und auch fünf Jahre in Deutschland zugebracht hat, nie die freundliche Aufnahme vergessen.

Hier sollte ich noch Zeuge einer ganz merkwürdigen und dem Lande eigentümlichen Krankheit wie deren Heilung sein, und ich muß gestehen, daß ich etwas Ähnliches bis dahin gar nicht für möglich gehalten, wenn ich auch oft schon davon gehört hatte.

Schon auf der Barke »Tamaupilas« war ich, wie vorher erwähnt, mit einem amerikanischen Ingenieur zusammengetroffen, dessen Ziel hier in den Minen lag. Wir hatten uns aber, nachdem wir zusammen die lange Zeit in Quarantäne gelegen und dann noch den Ritt nach Caracas gemeinschaftlich gemacht, getrennt. Mr. Washburn, der Amerikaner, war nach La Guayra zurückgekehrt, um von dort ab per Dampfer nach Bolivar zu gehen, während ich durch das Land gen Süden wanderte und später ebenfalls die Minen besuchte. Dort trafen wir uns wieder, und der Amerikaner war so gesund wie ich selber. Noch hatte ihm kein Finger weh getan. Übrigens war er eben im Begriff, nach Puerto de las Tablas zu reiten und sich von dort nach Bolivar einzuschiffen, um aus den dort lagernden Maschinenteilen, die zu bestimmen und auszusuchen, die hier bald und notwendig gebraucht wurden. – Ich blieb noch zwei Tage länger in den Minen, und wir nahmen, als er in den Sattel stieg, Abschied voneinander.

In Upata fand ich den armen Teufel aber schwer krank im Bett. Ein furchtbares Fieber hatte ihn erfaßt, und ein paar Ärzte waren um ihn beschäftigt, aber trotzdem nicht imstande, ihm Linderung zu bringen.

An dem Tage, an dem ich in Upata blieb, wurde es immer schlimmer mit ihm, und Sennora Meinhard ward endlich gebeten, ihn einmal anzusehen. Allen Respekt vor den Damen in Venezuela, denn sie verstehen fast alle die Kräuterkunde ihres darin so reichen Landes aus dem Grunde, wie ebenfalls die Behandlung der dort vorkommenden Krankheiten. – Sennora Meinhard war überdies eine der am besten mit der Sache Vertrauten und schien rasch genug über die Krankheit im klaren.

»Kurier' ihn auf bicho«, sagte sie zu ihrem Mann, als sie kaum fünf Minuten bei dem Leidenden gewesen war – »es ist nichts weiter.«

Bicho heißt nun eigentlich im Spanischen ein »kleines Tier«, aber auch diese Krankheit wird hier so genannt, von der aber die Leute, trotz des Namens, nur behaupten, daß es eine einfache – freilich lebensgefährliche Entzündung des Afters wäre. Sonderbarerweise sind aber in den Goldminen und Bergen von Neu-Granada ganz ähnliche Fälle vorgekommen, die auf genau dieselbe Weise kuriert werden, denn es gibt überhaupt nur ein Mittel dagegen, und dort behauptet man gerade, daß die Krankheit von Infusorien herrühre, die man bekomme, wenn man sich in den bergigen Waldungen auf Steine setze. In beiden Ländern ist aber die Behandlungsart die nämliche und gleich einfach und wirksam: ein ausgeschältes Stück Zitrone wird nämlich in den kranken Teil geschoben, wobei der Patient oft vor wütenden Schmerzen laut aufschreit. Aber fast stets ist die Krankheit dadurch nicht allein gebrochen, sondern der Patient auch fast ebenso rasch vollständig geheilt – und hier hatte ich davon ein wirklich merkwürdiges Beispiel.

Der Amerikaner ließ alles mit sich geschehen; ich hörte ihn allerdings vor Schmerzen stöhnen. Die Nacht war er sehr unruhig, am nächsten Morgen aber, als ich sehr früh aufbrach, um im Hafen den schon erwarteten Dampfer noch zu erreichen, fühlte er sich etwas erleichtert, und das Fieber schien gewichen zu sein.

Im Hafen mußte ich allerdings zwei Tage liegen bleiben, denn der Dampfer hatte sich verspätet, war aber zum Äußersten erstaunt, als ich am zweiten Morgen noch vor Tag den todkrank geglaubten Washburn mit seinem Begleiter und Krankenpfleger, einem wackeren Amerikaner, der wie ein Bruder für ihn gesorgt, anreiten sah. Er war so vollständig geheilt, daß er die Strecke von reichlich 14 Leguas in einem Strich hatte zurücklegen können, und verdankte allein der Sennora Meinhard sein Leben.

Der Ritt von Upata nach Puerto de las Tablas bot nichts Bemerkenswertes weiter; nur eine Eigentümlichkeit der dort wachsenden Chaparrobäume möchte ich erwähnen, die mir schon von verschiedenen Seiten genannt war, die ich aber nicht hatte glauben wollen, bis sie mir auch mein jetziger Führer bestätigte. Wir trafen nämlich Arrieros, die ihre Hängematten zwischen einigen dieser wunderlich knorrigen Bäume aufgehangen hatten, und mein Führer (selber ein Arriero oder Maultiertreiber) versicherte mir nun, daß dieser Baum eine ihnen ganz unerklärliche Eigenschaft besitze, nämlich die: nur gegen Morgen zu brechen.

Wenn man sich abends seine Hängematte befestige, starke Äste dazu aussuche und sie auch vorher, durch Daranreißen, probiere, so könne man sich fest darauf verlassen, daß sie den Schläfer, ob er sich auch in seiner Hängematte umherwerfe, die ganze Nacht sicher hielten. Gegen Tagesanbruch aber, wenn der Ast nicht außergewöhnlich stark sei, knicke er plötzlich ab, und der Schäfer werde auf solche Art sehr rauh geweckt.

Verbürgen kann ich es nicht, aber mein Führer war ein sehr ordentlicher, braver Bursche und kein Aufschneider, und wie gesagt, hatte ich das nämliche schon vorher von vielen anderen versichern hören.

Am 2. Juni war ich im Hafen eingetroffen, wo denn auch gewöhnlich der an diesem Tage jeden Monats fällige Dampfer erwartet wurde. An diesem Tage soll er Bolivar etwa um zehn oder elf Uhr verlassen, nachmittags zwischen vier und sechs Uhr in Puerto de las Tablas anlangen und dann den Orinoco hinab Trinidad anlaufen, um dort die Verbindung teils mit Europa, teils mit der Nordküste von Venezuela herzustellen. Diese Dampferlinie ist aber reine Privatsache – das Fahrzeug gehört dem Kapitän, der nicht die geringste Verbindlichkeit für irgend einen Post- oder Passagieranschluß übernommen hat, und es bleibt deshalb immer nur Glückssache, wenn man mit ihm die bestimmte Stelle auch zu einer bestimmten Zeit erreicht.

Diesmal traf er, anstatt am 2., am 4. und zwar elf Uhr nachts ein, und hielt sich nur so lange auf, um einige Passagiere an Land zu setzen. Ich selber brauchte aber keine lange Vorbereitung, sondern sprang nur, als ich die dröhnende Pfeife hörte, aus meiner Hängematte, hakte diese ab, wickelte sie zusammen und ging dann mit dem rückkehrenden Boot an Bord.

Heimwärts! – Alle die letztüberstandenen Mühseligkeiten und Beschwerden waren vergessen, und mit Jubel im Herzen war ich mir bewußt, wieder einmal, nach langer Pilgerfahrt, dem Vaterland entgegenzufahren.


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