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In Puebla ging die Diligence, die aber von hier ab aus drei Wagen bestand, denn der Verkehr zwischen Puebla und Mexiko ist ziemlich bedeutend, wieder morgens um vier Uhr, also noch in stockfinsterer Nacht ab, und so wenig traute man den Pueblanern, daß eine starke Eskorte neben den Diligencen herritt. Übrigens sahen die Burschen selber wirklichen Straßenräubern so ähnlich wie ein Ei dem anderen, und als sie mit Tagesgrauen wieder von uns Abschied nahmen und uns unserem Schicksal allein überließen, ritten auch wirklich ein paar von ihnen an den Wagen heran und – baten sich ein Douceur aus – die alte Geschichte. Sie waren jedoch mit einer Kleinigkeit von einigen Realen außerordentlich zufrieden und bedankten sich freundlichst.
Noch muß ich bemerken, daß die beiden anderen Diligencen mit den Passagieren des damals von Havanna gekommenen Dampfers – fast lauter Franzosen – besetzt waren. Sie hatte ihre kurze Quarantäne abgelegen und mich in Puebla überholt. Von diesen gingen aber die meisten ebenfalls bewaffnet, und wir konnten von da ab einer möglichen Bande von Straßenräubern schon ganz entschieden die Stirn zeigen.
Wunderbar herrlich wurde aber der Anblick der beiden Vulkane Popocatepetl und Iztaccihuatl, als der dämmernde Tag seine ersten Lichter auf ihre bleichen Schneekegel warf und sie mit immer höherem, prachtvolleren Rot übergoß, und noch pittoresker der Anblick, als endlich, dicht vor Tagesanbruch, der blitzende Orion mit seinen hellen Sternen gerade zwischen den beiden Bergen unterging und die sonst dunkle Stelle wirklich funkeln machte. Es war herrlich, und doch sollte ich diese Berge noch viel schöner sehen.
Übrigens nahm der Weg unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, denn er war, was man hier besser nannte, und unsere drei Marterkasten konnten deshalb in einem scharfen Trab über die Bahn hingeschüttelt werden. Dazu obenauf mit einer geladenen Büchse zu sitzen – denn gerade dieser Teil der Straße wurde für ziemlich gefährdet gehalten – war in der Tat ein Kunststück und lenkte die Aufmerksamkeit leider viel zu viel von der reizenden Szenerie ab.
Von Puebla aus führte jetzt unsere Bahn auch ganz entschieden auf der Hochebene von Mexiko hin, und der Charakter des Landes sprach sich immer deutlicher in allerlei Arten von Stachelpflanzen, als: Kaktus-, Mageh- und Yukaarten, aus. Viele Akazien wuchsen ebenfalls, wie denn die Mimosen stark vertreten bleiben, und wirklich angebaute und dann fast immer mit Mais bebaute Felder schienen eigentlich sehr selten. Selbst an den kleineren Häusern, die wir von Zeit zu Zeit passierten, mußten es die Eingeborenen nicht einmal für nötig gehalten haben, ein kleines Stück Feld oder ein Gärtchen anzulegen, und doch würden dort gewiß allerlei Arten von Fruchtbäumen gewachsen sein. Nur die Pulquepflanze, die wichtige Mageh, trat in den Vordergrund, und ziemlich weite Flächen sah ich schon damit bepflanzt, obgleich der eigentliche Bau derselben mehr näher zu Mexiko selber beginnt.
Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß die Agave, und gerade diese Art derselben, in vielen Teilen Amerikas, besonders in Ecuador, Peru und Venezuela wächst und in keinem Lande fast der Rede wert benutzt wird. Nur in Ecuador scheinen die Indianer den Nutzen dieser Pflanze zu kennen, ohne daß sie aber nur den geringsten Handel damit treiben – und wie wird sie hier in Mexiko ausgebeutet.
Mit Recht heißt sie hier »die Kuh des Landes,« denn man melkt sie nicht allein bis zu ihrem letzten Lebenstropfen aus, sondern benutzt sie auch noch zu zahllosen anderen Zwecken; es gibt in der Tat kein nützlicheres oder wenigstens mehr benutztes Gewächs in dem ganzen weiten Reich.
Es ist nicht die eigentliche Aloepflanze, die wohl jeder bei uns der Form nach kennt, aber doch ein ganz ähnliches Gewächs, nur in weit kolossalerem Maßstab, und ich habe ausgewachsene und zum Schafttreiben vollkommen reife Pflanzen gesehen, die einen Flächenraum von wenigstens 45 Fuß im Umkreis einnahmen. Die mit Stacheln bewehrten Blätter sind dabei außerordentlich dick und fleischig und enthalten eine Unmasse Saft, der aber bis zum fünften Jahr vollständig wertlos und herb bleibt und deshalb bis zur richtigen Zeit geschont werden muß. Dieser Zeitpunkt beginnt, wenn die Pflanze im Begriff steht, ihren Blütenschaft zu treiben, und man kann das sehr deutlich daran erkennen, daß sie von dem mittelsten, enorm dicken Trieb Blatt nach Blatt ablöst und diesen zuletzt nicht viel dicker läßt als ein einzelnes zusammengerolltes Blatt.
Jetzt ist der Moment gekommen, die Pflanze anzuzapfen, und das geschieht auf folgende, nicht eben ganz bequeme Art, daß man nämlich an der Stelle, an der man angreifen will, zuerst die Kanten der nächsten Blätter glättet und sie von ihren Stacheln befreit – denn wollte man Blätter ausschneiden, so würde nicht allein zu viel Saft verloren gehen, sondern sich die Pflanze vielleicht sogar verbluten. Nun wird das den beginnenden Pflanzenschaft noch umgebende Blatt mit einem besonders dazu gehaltenen eisernen Instrument abgestoßen und herausgerissen, und ist man jetzt zu der Stelle gelangt, wo das eigentliche Herz sitzt, so gräbt man dort, mit einer Art von Kratzer, ein Loch hinein, das unten rund ausgeschabt wird und anfangs noch ziemlich klein ist. In dieser Höhlung soll sich der Saft der Pflanze sammeln, und sie wird auch danach das »Faß« genannt.
Gleich im Anfang kann man aber noch nicht den Saft benutzen, so wird also vorher eine Handvoll Wurzelwerk oder Fasern hineingestopft, das etwa vierzehn Tage lang darin anfaulen muß. Ist das geschehen, so nimmt man es wieder heraus, kratzt die innere Höhlung aufs neue etwas aus, um die Poren vollständig zu öffnen, und kann nun die Ernte beginnen, die monatelang dauert und in der Zeit jeden Tag ihren Ertrag liefert. An jedem Morgen geht der Arbeiter hinaus, setzt einen langen, dünnen Flaschenkürbis als Heber ein, zieht den Saft, der sich in der Nacht angesammelt hat, heraus und läßt ihn in einen breit gehaltenen Schlauch oder ein anderes Gefäß, um ihn dann aus allen Pflanzen zusammen in einen dazu bestimmten Bottich zu tragen und gären zu lassen.
Dieser erste Saft heißt Agua miel oder Honigwasser und ist nicht allein sehr süß und angenehm zu trinken, sondern schmeckt auch genau wie das Wasser aus einer eben gereiften Kokosnuß – aber es darf nur sehr vorsichtig und besonders von verheirateten Frauen zu bestimmten Zeiten gar nicht getrunken werden. Sobald es aber einer leichten und zwar sehr raschen Gärung unterzogen wurde, ist es vollkommen unschädlich, ja sogar sehr gesund und belebend, und wird deshalb auch in ganz ungeheuren Quantitäten von der gesamten Bevölkerung Mexikos genossen.
Der Pulque selber sieht weiß und milchig aus und hat, wenn man erst einmal ein wenig daran gewöhnt ist, einen nicht unangenehm säuerlichen Geschmack, mit etwas zäher und schleimiger Konsistenz. Er ist auch herb genug, um den Durst leicht zu stillen, und geistig genug, um, besonders bei größeren Quantitäten, gehörig zu berauschen. Übrigens bildet er in jenen Gegenden, wo er hauptsächlich gedeiht, und das ist vor allem auf diesem Teil der mexikanischen Hochebene, einen bedeutenden Handelsartikel, der ganze Eisenbahnzüge in Anspruch nimmt und Tausende von Menschen ernährt.
Man darf indes ja nicht glauben, daß die Mageh nicht auch ihre Arbeit verlangt, denn obgleich sie wild im Lande wächst, muß sie, um einen recht reichlichen Ertrag zu liefern, in guten, tief gegrabenen Boden eingepflanzt werden, und erst dann, wenn man die Erde auch noch nach einiger Zeit um die jungen Pflanzen auflockert, darf man sich eines reichen und lohnenden Ertrages versichert halten. Wasser braucht die Pflanze fast gar nicht, außer in der allerersten Zeit, um nur einmal ihre Triebe auszubreiten, und selbst da ist es vielleicht nicht einmal unbedingt notwendig, denn es scheint fast unglaublich, welche Mißhandlung die junge Pflanze erträgt, ohne davon auch nur im mindesten berührt zu werden. So versicherte mir ein dortiger Magehpflanzer, daß er besonders einen Schößling, den er mir zeigte und der jetzt in voller Kraft und Üppigkeit seine dicken Blätter entfaltete, zwei volle Jahre habe draußen im Freien, im Winter in Kälte und Nässe, im Sommer in der heißen, glühenden Sonne auf einem Steinhaufen unbeachtet liegen lassen, und als er dem fast vollständig Verwelkten dann endlich guten Boden gab, griff er augenblicklich Wurzel und ist jetzt eine seiner besten Pflanzen.
Allerdings braucht die Mageh reichlich ihre fünf Jahre, bis sie, selbst unter günstigen Verhältnissen, ihren Blütenschaft zu treiben anfängt; dann aber gibt sie auch viele Monate hintereinander ihren Saft und jede einzelne einen Ertrag von 10-15 Dollars, ja ist sie recht stark und kräftig, auch vielleicht noch mehr. An jedem Morgen wird dabei die Höhlung, in welcher sich der Agua miel befindet, nachdem der Arbeiter diesen herausgehoben, wieder leicht ausgekratzt und dadurch natürlich immer größer, und bei recht starken Pflanzen findet man oft eine sogenannte caja, die fast einen Fuß im Durchmesser hält.
Nach und nach aber stirbt die Pflanze ab. Der ganze Saft, den sie vorbereitet hatte, um ihren Blütenschaft zu treiben, geht in die Höhlung hinein und wird ihr entzogen. Die Blätter werden nach und nach welk, und wenn sie ihre letzten Kräfte erschöpft hat, stirbt sie ab und wird ausgehackt, um den Nachbarpflanzen Raum zu geben. Rings um ihre Wurzel hat sie aber schon wieder zahlreiche Schößlinge ausgetrieben, die freilich früher entfernt werden müssen, ehe der Hauptstock zu sehr angegriffen wird, da sie ja selber auch von diesem ihr Leben erhalten. Wird das versäumt, so kann man sich auch darauf verlassen, daß aus den zu spät fortgenommenen Schößlingen nie etwas Ordentliches wird.
Die Behandlungsart des Saftes ist ungemein einfach, denn zu dem in ein Gefäß geschütteten Agua miel, wie er aus der Pflanze kommt, wird nur etwas gegorener Pulque zugesetzt, und er geht selber dann sehr leicht und rasch in Gärung über, wobei er eine milchige Färbung annimmt.
Außerdem benutzt man aber auch noch die Magehpflanze zu einer Menge von anderen Dingen. Aus einer anderen Art derselben wird ein vorzüglicher Bast gewonnen, der billige und ziemlich haltbare Seile liefert, Beutel und Säcke verfertigt man ebenfalls daraus. Das abgestorbene, welke und dann getrocknete Blattzeug wird zur Feuerung verwendet, und oben in den Bergen habe ich sogar gesehen, daß sie mit den fleischigen Blättern ihre Hütten sowohl decken, als auch die Seitenwände derselben davon bilden. Das aber geschieht natürlich nur aus solchen Pflanzen, die sich nicht zur Pulquebereitung eignen, denn solche dürfte man nicht in dieser Weise mißhandeln.
Die Pulque-Magehpflanze findet aber nach Westen zu ihre Grenze. Hinter Cuernavaca wird der Boden zu heiß zu ihrem Anbau, und es wächst hier eine andere, bedeutend kleinere Art, aus der man aber auch einen recht guten Branntwein, den sogenannten Mescal, bereitet. Der ist übrigens eine neuere Erfindung, und die früheren Indianer scheinen ihn nicht gekannt zu haben, während schon Montezuma sein Gläschen oder Kalabaschen Pulque trank und sich wahrscheinlich besonders wohl dabei fühlte, bis ihm die Spanier den Spaß verdarben.
Der Weg war entsetzlich staubig, aber was kümmerte das den Kutscher der Diligence! Nur wenn er manchmal die Maultiere gar nicht mehr erkennen konnte und nun allerdings der Gefahr ausgesetzt war, mit dem ganzen Kasten in eins der gar nicht etwa so seltenen Löcher hineinzufahren, hielt er einen Moment an, ließ den Staub vorüberziehen und hieb dann wieder mit voller Macht auf die Tiere ein.
Bald hatten wir jetzt aber auch den Endpunkt unserer gegenwärtigen Qual – der ganzen Diligencefahrt – erreicht, denn Apizaco, ein kleines, erbärmliches, aus ein paar Hütten bestehendes Nest, lag vor uns, und von hier aus konnten wir unseren Weg, Gott sei Dank, mit der bis hierher beendeten Eisenbahn fortsetzen. Die Wohltat einer solchen erkennt man auch wirklich erst in ihrem vollen Werte an, wenn man auf einem solchen Marterweg eine Weile gerädert worden, und mit einem aus voller Brust heraufgeholten Seufzer sprang ich, dort endlich angelangt, von dem Bock herunter und stärkte dann die müden Glieder durch ein sehr frugales Mahl und ein noch frugaleres Glas Pulque, das mir aber damals noch gar nicht munden wollte. Man muß sich erst an das »Göttergetränk« gewöhnen, ehe man einen wirklichen Genuß darin finden kann.
Die Wagen der Bahn sind ziemlich gut eingerichtet, und der Zug fährt auch verhältnismäßig sehr rasch, aber fast zum Verzweifeln ist der ewige Aufenthalt auf den verschiedenen Stationen, der gar nicht etwa so selten eine – ja anderthalb Stunden dauert, ohne daß man den geringsten Grund für eine solche Verzögerung erfahren könnte. Höchst interessant war aber trotzdem der wenn auch zu lange Aufenthalt auf diesen Plätzen, denn wir hatten jetzt die wirkliche und Hauptpulquegegend erreicht, und ich mußte über den ungeheueren Verkehr staunen, den dieses anscheinend so unbedeutende Produkt hervorgerufen.
Ganze Züge von Eseln, mit gefüllten Ziegen- oder Schweinefellen beladen, sah man schon aus der Ferne den Stationspunkten zu heranziehen, und Wagen nach Wagen stand dort beladen, um rasch seine Fracht nach Mexiko zu senden. Die Hauptstadt konsumiert in der Tat einen nicht unbedeutenden Teil des dortigen Ertrages – und was trinken die Leute dabei selber! Hier füllt eine Gruppe das edle, milchig aussehende Getränk aus seinen Schläuchen in die der Käufer, und eine riesige Kalabasse geht dabei von Hand zu Hand, die, wenn aus dem einen geöffneten Ziegenbein gefüllt, die Lippen eines einzelnen nicht verläßt, ohne geleert zu werden – und doch soll das Getränk den, der nicht daran gewöhnt ist, sehr leicht berauschen; dort dagegen hocken Frauen, die sich einen der Schläuche gekauft, und detaillieren ihn. Wie sie ihn messen, weiß ich nicht, ich habe es nie gesehen, und ich glaube, daß das Augenmaß in dem Umfang des Ledersackes bei einer sehr bedeutenden und täglich bereicherten Erfahrung wohl den Hauptmaßstab gibt.
Übrigens ist es eine Tatsache, daß ganze Eisenbahnzüge zwischen Mexiko und Apizaco nichts befördern als Pulque, und man auch schon angefangen hat, denselben in besonders dazu gehaltene Fässer zu füllen, was ihm allerdings nur zum Vorteil gereichen kann, da es den sehr unangenehmen Fellgeschmack beseitigt.
Die ganze Landschaft, zwischen der Station und der Hauptstadt, ist mit fast nichts weiter bebaut als dieser Agavenart, von der man oft ganz ungeheure Exemplare findet, und man kann sich kaum einen wunderlicheren Anblick denken, als ein solches Feld, da die dicken und stacheligen Blätter der Mageh, die sich nach allen Seiten ausbreiten, für jede Pflanze einen nicht unbedeutenden Platz beanspruchen. Wenn man nun noch bedenkt, daß sie oft ganze, weite Täler füllen und dazu hoch an den Hängen der Hochebenen hinauflaufen, so glaubt man sich oft in eine öde Wildnis versetzt, zeigten nicht die regelmäßigen Reihen die hier schaffende Hand der Menschen.
Um die beiden herrlichen Vulkane waren wir in einem Halbkreise herumgefahren, denn der eigentliche Richtweg zieht sich mitten zwischen ihnen hindurch, und den hatte auch damals Cortez eingeschlagen, als er mit seiner kecken Räuberschar in das Land ein- und gegen die Hauptstadt vordrang. Die Pfade dort sind aber noch entsetzlich rauh, und auch schon, um die zu erreichen, muß man den nicht unbeträchtlichen Bogen machen. Dadurch aber bekommt man das Bild der beiden Berge von anderer und ganz verschiedener Seite. Von Puebla aus gesehen, liegt der Popocatépetl an der linken Seite, die weiße ruhende Frau dagegen rechts. Jetzt haben sie ihre Stellung verändert. Die letztere liegt zur Linken, und weiter entfernt, aber rechts, erhebt sich der spitze Schneekegel des Popocatépetl.
Der Abend dämmerte, und wir waren noch ein tüchtiges Stück von der Hauptstadt entfernt, aber die Szenerie nahm einen immer interessanteren Charakter an. Schon näherten wir uns den großen Seen, welche die Hauptstadt des Landes umgeben und die in den ersten Kriegen mit den Spaniern eine so bedeutende Rolle spielten – aber die Zivilisation hatte sich auch ihrer bemächtigt. Der Telegraphendraht lief durch sie hin, und zwar auf eisernen Pfeilern – jedenfalls eine Verbesserung der Kaiserzeit, deren Spuren ja noch durch das ganze Land verbreitet sind.
Das Wasser der Seen, das sonderbarerweise salzig ist und an den dessen Ufern die Indianer ein grobes Salz und Salpeter sammeln, sah gelb und trüb aus und schien höher als die Stadt selber zu liegen, denn von da ab senkte sich der Weg – der Duft des Abends legte sich dabei über die Landschaft und die Berge – unwillkürlich flog mein Blick nach den Vulkanen hinüber und sah von dem Moment an nichts weiter, denn das Bild, das sich dort dem Auge bot, war wahrhaftig zauberisch schön.
Die Sonne sank eben hinter den westlichen Bergen und goß ihren rosenroten Schimmer auf den Schnee der Vulkane, die darunter erglühten. Aber das dauerte nicht lange, denn die Dämmerung ist auch hier nur kurz, und kaum war sie etwa zehn Minuten verschwunden, als plötzlich blaue, düstere Schleier empor- und höher und höher stiegen, während der Schnee der Berge in derselben Zeit jene bleierne, düstere Färbung annahm, die ihm jedesmal gleich nach dem Schwinden des Abendrotes eigen ist. Der Popocatépetl blieb aber von dem Duft unberührt, seine Kuppe ragte noch immer hervor, während die weiße ruhende Frau dagegen für wenige Minuten darin verschwand. – Jetzt plötzlich änderte sich, wie mit einem Schlag, das Bild: die Nacht war angebrochen, und mit fast blendend weißem Schein stach der Gipfel des Popocatépetl gegen den blauen, gestirnten Himmel ab, während fast in dem nämlichen Moment das riesige Bild der ruhenden weißen Frau, noch von dem Abendduft getragen, der den unteren Teil des Gebirges verdeckte, wie in der Luft zu schweben schien. Es war, als ob sie eben langsam und feierlich von dem Gipfel des neben ihr emporragenden Nachbars abgestrichen sei und nun durch die Lüfte der ewigen Ruhe entgegengetragen werde.
Um uns her lag die Nacht, und nur undeutlich ließ es sich erkennen, da wir die Gegend der Agaven verlassen hatten und in ein Land eintauchten, in dem es wieder Büsche und auch Bäume gab. Lichter schimmerten durch das dunkle Laub, beleuchtete Häuser wurden sichtbar, die schönen Berge verschwanden hinter aufgeführten Bauten, und bald darauf hielt der Zug vor einem Schwarm von Menschen, der sich mit einer wahren Gier über das Gepäck herstürzte. In diesem Augenblick hätte man auch ebensogut in einer großen europäischen Stadt sein können, ebenso pfiff die Lokomotive, ebenso bremsten die Wagen, ebenso schrieen und drängten sich die Menschen, und ebenso rasselten die Droschken heran, um einfache Passagiere zu erbeuten und doppelte Fahrtaxe von ihnen zu erpressen.
Was für ein langer sonderbarer Bogengang war das, an dem wir hinfuhren? – Die alte spanische Wasserleitung – wir waren doch wohl in Mexiko – und doch wieder zweifelte ich, denn plötzlich hielt die Droschke wieder, und mein Kutscher meldete mir, daß hier, an dem Tor der Hauptstadt, das Gepäck noch einmal visitiert werden müsse. Richtig, mein alter Koffer mußte sich auch dieser Unbequemlichkeit unterziehen, und erst, als sich nach ziemlich genauer Untersuchung ergab, daß er nichts enthielt, als wozu er gesetzlich berechtigt sei, sehr getragene Kleider und Wäsche, ließ man ihn und mich frei passieren, und die Stadt Montezumas umschloß uns beide zum erstenmal.