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3. Die Ölregionen

Am Abend um sechs Uhr statt um zwei Uhr, wie wir eigentlich gesollt, erreichte der Zug Correy, die Endstation der Ölregionen, von wo ab ich vorderhand die Great Western Atlantic-Bahn verließ, um diese Distrikte einmal zu durchwandern. Nur eine Strecke hinein bis Titusville ging ich noch mit einer Zweigbahn und war dann dort gleich im Herzen der Erdölquellen.

Ein penetranter Petroleumgeruch kam mir entgegen, denn auf der Bahn stand ein Zug von Güterwagen, von denen jeder zwei riesige Butten, sogenannte tanks, mit Öl gefüllt, trug. Doch davon sollte ich noch mehr genießen. Eine Stunde später ging der Zug nach Titusville ab, und wir fuhren jetzt durch ein enges, dicht bewaldetes Tal hinauf, dem man ansah, daß es erst vor ganz kurzer Zeit von der Zivilisation in Angriff genommen sei. Da und dort bemerkte ich einen frisch urbar gemachten Landstrich mit einer eben erst neu aufgesetzten Blockhütte. Aber nicht der Duft der Abendlandschaft lag auf dem wildromantischen Bilde, sondern der unangenehme Dunst des Erdöls, an den sich die Geruchsnerven jedenfalls erst gewöhnen müssen, ehe sie ihn auch nur erträglich finden können – und so weit war ich noch nicht in diesen Regionen eingebürgert.

Die Nacht legte sich aber bald ins Tal, und erst nach zehn Uhr erreichten wir Titusville, wo ich gleich im ersten besten Hotel am Bahnhof, Hotel Moray, abstieg. Es war, beiläufig gesagt, ein elendes Nest, schmutzig und unbehaglich, mit einem Loch als Kammer und schlechten Betten, aus dem ich mich auch gleich am nächsten Morgen ausquartierte und in das viel bessere Bushhouse hinaufzog.

Nun hatte ich allerdings vier Einführungsbriefe von Quellenbesitzern von New-York mitbekommen, damit mir diese Herren, oder einer von ihnen, die Bearbeitung zeigen und erklären könnten. Sie waren aber sämtlich verreist, mit Ausnahme eines einzigen, der krank im Bette lag, und den ich natürlich nicht belästigen mochte. Ich blieb also auf mich selbst angewiesen, kann aber hier wirklich nicht genug die Freundlichkeit aller der amerikanischen Herren rühmen, mit denen ich an diesem Morgen zusammentraf, und die sich die größte Mühe gaben, mir alles zu erklären und zu zeigen, was ich nur irgend zu wissen wünschte. Der eine von ihnen, ein Mr. Davidson, stellte mich einem Freund Mr. Roof vor, und dieser nahm mich auf seinem Wagen gleich mit hinauf in die eigentlichen Quellen, führte mich dort überall herum und gab mir auch die genaue Route an, die ich von Titusville aus zu nehmen hatte, um die verschiedenen, in ihrer Ausbeute wenigstens sehr verschiedenen Ölquellen zu beobachten und dadurch einen ordentlichen Überblick zu gewinnen.

Es ist in der Tat wunderbar, daß die Natur gerade diesem sonst so armen und fast zu nichts zu benutzenden Landstrich diesen Reichtum gab. Der Boden ist steinig und zum großen Teil mit riesigen Sandsteinblöcken bedeckt; nur Massen von Chesnut- oder Kastanienbäumen und Eichen wachsen darauf, und hier und da liegt wohl eine kleine dürftige Farm, deren Besitzer den wenigen brauchbaren Boden bebaut hatte, um vielleicht seine Produkte in die nächste kleine Stadt zu liefern. Dort im Boden und in geheimnisvoller Tiefe quillt das Öl, und der rastlose Mensch ließ es selbst dort nicht ruhen, bohrte sich bis zu ihm hinab und zog es mit seinen Pumpen, wo es nicht gutwillig von selber kommen wollte, an das Licht des Tages.

Die ganze Sache ist aber eine sehr unsichere Operation, denn kein Zeichen an der Oberfläche verrät, wo sich der reiche Strom da unten findet, und fast überall mußte man sechs- bis achthundert Fuß tief durch die Felsen bohren, bis man auf die eigentliche Quelle kam. Aber wie oft umsonst! – Als die erste entdeckt wurde und sprudelnd ihren trüben Reichtum in solcher Masse nach oben sandte, daß gar keine Gefäße mehr aufzutreiben waren, um ihn zu bergen, und Tausende von Barrels (Fässern) den Hang hinabstürzten und mit dem Bach sich zu Tal wälzten, da erfaßte die Bevölkerung der Vereinigten Staaten ein ähnlicher Taumel wie bei der Entdeckung des Goldes in Kalifornien, und die Aufregung in jener Gegend soll damals eine unglaubliche gewesen sein.

Aktien-Gesellschaften wurden zu Hunderten gebildet, jedermann wollte sich bei dem gewaltigen und noch unberechenbaren Gewinne beteiligen; ganze Landstrecken wurden zu wahnsinnigen Preisen angekauft, Dampfmaschinen an hundert in die Berge geschafft, eine Sägemühle nach der anderen angelegt, um Bauholz zu beschaffen, und Millionen an Kapital kamen zusammen, um die schwere Arbeit des Bohrens in Angriff zu nehmen. Vielen gelang es dabei; sie fanden Öl und sahen ihren Fleiß belohnt, ihre Auslagen bezahlt. Tausende aber hatten Strecken Landes gekauft und in Angriff genommen nur um endlose Löcher in einen vollkommen öllosen Distrikt zu bohren, und die Aktionäre mußten natürlich die Zeche bezahlen.

Mein Führer versicherte mir – und was er sagt, hat viel Wahrscheinliches, wenn man sieht, wie viele Plätze verlassen sind, wie viele nie einen Tropfen Öl gegeben, – daß aus diesen Regionen schon Millionen von Dollars, aber doch kaum so viel gewonnen wäre, als man schon an barem Geld hineingesteckt, so daß die kommende Zeit erst einen wirklichen Nutzen bringen müsse.

Aber wir wollen von vorn beginnen, und dazu möchte ich den Leser zuerst einmal mit mir auf einen Punkt führen, von dem aus er einen dieser wunderlichen Minenplätze vollständig überschauen kann. Wir wollen uns denken, wir steigen durch einen Wald. Derselbe besteht meist aus Eichen und (süßen) Kastanienbäumen – die letzteren mit ihrem hellfarbigen, schönen Laub und den gezackten Blättern weit vorherrschend. Der Boden ist rauh: riesige Sandsteinblöcke deckten ihn fast überall, so daß man oft über sie wegklettern muß und manche junge Eiche nicht einmal Raum neben ihnen fand, sondern ihre Wurzeln um den Stein schlagen mußte, um nur in Gesellschaft der nächsten Verwandten zu bleiben. Selbst das zwischen den Bäumen wachsende Gras sieht dürftig aus. Wozu ist der Boden nütze?

Da treten wir hinaus auf einen offenen Hang, und wie durch einen Zauber ist die Szenerie verwandelt. Das erste, was allerdings dem Auge entgegentritt, ist eine Unmasse rätselhafter, sehr schmaler und wohl vierzig und mehr Fuß hoher, viereckiger Gerüste, die, überall unordentlich zerstreut, nicht allein über den ganzen Hang, sondern fast an jeder Stelle stehen, auf welche der Blick fällt; kleine Holzhütten kauern daneben, Rauch und Dampf steigt von ihnen auf, und Menschen hacken, hämmern, klopfen da herum. Wo aber der Hang scharf zu Tal fällt, und nur eine kurze Strecke von der Stelle ab, öffnet sich plötzlich die weite Ebene, und das sich dort bietende Bild läßt sich in der Tat kaum mit Worten wiedergeben.

Es ist gebrochenes Terrain, mit offenen, dürren Hängen, die früher, von der Sonne verbrannt, wohl kaum dürftige Weide gegeben haben; dazwischen liegen kleine Gruppen dunkler Bäume, aber kein kultivierter Platz ist zu sehen – keine Fenz, kein freundliches Wohnhaus – überall aber diese wunderlichen Gerüste, Derricks genannt, überall daneben kleine, fett und glänzend aussehende schwarzgraue Hütten, mit hier und da einem großen, wunderlichen, grellrot angemalten, runden Bottich, der sich später als ein riesiger, eiserner Tank herausstellt.

Und noch ein paar Schritte weiter vor, und unten durch das Tal strömt ein starker Bach – Oilcreek genannt, – links darüberhin liegt eine Kettenbrücke, an den geschwärzten Ufern ein Schienenweg, und ein langer Zug, der nichts führt als eine Kette von offenen Güterwagen, jeder mit zwei riesigen Bottichen darauf, keucht langsam der dort unten in das Tal hineingeschmiegten Stadt entgegen.

Dort allerdings stehen kleine Wohnhäuser, und hier und da ist auch wohl ein Versuch zu einem winzigen Garten gemacht, um etwas Gemüse – wahrlich keine Blumen darin zu ziehen. Was sollten auch Blumen dort nützen, ihre Farbe würde der auf dem Tal lagernde Ruß bedecken, und nach was anderem könnten sie in dieser Nachbarschaft riechen als nach Petroleum!

Vor wenig Jahren war der Platz eine Einöde – jetzt leben Tausende von Menschen darauf, und wer weiß, ob er nicht in kurzer Zeit wieder ebenso öde – nur noch mehr verwildert liegt als nur je, denn wer kann berechnen, wie lange diese Ölquellen anhalten, und gehen sie heute aus, so ist in acht Tagen keine Seele mehr in der ganzen Nachbarschaft zu finden. – Was sollen sie in der Wüste?

Aber wir haben wenigstens einen flüchtigen Blick über die »Ölregion« geworfen und wollen jetzt einmal in diese Täler und zwischen die Leute hinabsteigen, um ihr ganzes Leben, Treiben, Wirken und Schaffen genauer kennen zu lernen.

Als ich am Morgen früh in Titusville (ein kleiner Platz im Öldistrikt, den ich in der Nacht erreicht hatte) erwachte, war mein erster Gedanke: »Herr du meine Güte, wie stinkt die Lampe!« Munter werdend, fand ich aber, daß ich gar keine Petroleumlampe im Zimmer hatte, sondern, daß nur die Fenster offen standen, und dieser penetrante Ölgeruch weiter nichts war als der Morgenduft, der auf der ganzen Landschaft lag. Und dieser Geruch liegt auf dem ganzen Distrikt, wohin man den Fuß setzt, und dringt natürlich auch in jeden Raum – aber kann trotzdem nicht ungesund sein, denn die Bewohner jener Gegenden befinden sich vortrefflich, und Ärzte scheinen die am wenigsten beschäftigten Menschen dort zu sein, während Advokaten, der ewigen Grenzstreitigkeiten wegen, ein desto größeres Feld für sich offen haben.

Wunderbarerweise ist dieser Öldistrikt schon vor Hunderten von Jahren den dort hausenden Indianern und später französischen Jägern, die sich zuerst dort herumtrieben, bekannt gewesen. Der Bach hat den Namen »Ölbach« schon damals getragen, und noch jetzt sind alte Tanks, durch ausgehauene Baumstämme hergestellt, und ausgeworfene Gruben entdeckt worden, in denen man sich das freiwillig, wenn auch nur dürftig zutage kommende Öl sammeln ließ. Da es aber – wie auch noch am heutigen Tage, nur mit Wasser vermischt vorkam, so breiteten die Indianer wollene Decken auf die Oberfläche, in deren Fasern sie das Öl fingen, das Wasser ließen sie dann ablaufen und rangen das Öl aus, das bei ihnen als eine kräftige Medizin in manchen Krankheitsfällen galt und zu einem bedeutenden Tauschartikel mit anderen, weniger von der Natur begünstigten Stämmen wurde. Niemand dachte aber natürlich daran, es der Erde in größerer Menge abzuzwingen; niemand hatte auch die Mittel und Werkzeuge dazu. Diese Entdeckung blieb einer späteren Zeit vorbehalten. Vor wie langen Jahren man aber hier Öl gefunden und benutzt hat, davon sind einige dieser aufgefundenen Gruben ein sprechender Beweis, in denen man hier und da mächtige, seit der Zeit hineingewachsene Eichen noch heutigen Tages sehen kann.

Vor vier Jahren wurde hier das erste Loch gebohrt und damit die erste Quelle (wie man in der Minensprache sagt: »Well«) entdeckt, und ein so mächtiger Strahl des grünen Öls brach und schoß plötzlich mit stinkendem Gas gemischt hervor, daß man natürlich – unvorbereitet für einen solchen Erfolg – die kostbare Flut nicht halten und noch viel weniger dämmen konnte. Die vorhandenen Gefäße waren in unglaublich kurzer Zeit gefüllt, Lachen und Gruben wurden dann in wilder Eile ausgeworfen – aber alles umsonst – zwei- bis dreitausend Faß in vierundzwanzig Stunden trieb diese unterirdische Kraft heraus, und das Öl quoll über seine Behälter, den Hang hinunter in den Bach und floß lustig auf dem Creek hinab in den Alleghanystrom hinein.

Die Ölbohrer behaupten jetzt – vielleicht nicht mit Unrecht – daß man in jener Zeit zufällig gleich den größten und mächtigsten unterirdischen Ölbehälter »angezapft« und dadurch vielen Schaden getan habe. Es läßt sich aber denken, wie die Kunde dieses Ereignisses auf den überhaupt spekulativen Amerikaner wirkte, und ähnlich wie nach der Entdeckung des Goldes, wo man ebenfalls zufällig im Anfang auf die reichsten Waschgoldminen traf und dadurch den Boden unerschöpft glaubte, so lief das Ölfieber wie eine Epidemie durch das Land. Alles strömte in die Nachbarschaft dieser Quellen, wo man hoffen durfte, in wenigen Wochen ein Millionär zu werden. Den Besitzern der dortigen Ländereien wurde für irgend ein Stück sonst fast wertlosen Grundes, nur von der Größe eines halben Ackers, ein fabelhafter Preis geboten, Tausende und Tausende von Menschen strömten in die Wildnis, ganze Karawanen von mit Lebensmitteln beladenen Karren zogen auf bald grundlosen Wegen herbei; Häuser und Hütten wurden aufgeschlagen und nur ein Schlafplatz unter Dach in schon vorhandenen mit Gold ausgewogen. Und jetzt baute man Derrick neben Derrick und fing an zu bohren, schaffte indessen große Tanks und Fässer herbei, ebenso kleine Dampfmaschinen, denn Handarbeit zu dieser Unzahl von Unternehmungen war ja doch nicht aufzutreiben, und machte den ganzen Boden fast zu einem Sieb.

Zu gleicher Zeit bildeten sich in fast allen großen Städten Amerikas, besonders aber in New-York und Philadelphia, Aktiengesellschaften, um auf irgend einem angekauften Landstrich – niemand kümmerte sich darum, wo derselbe lag – eine Anzahl von Bohrwerken in ungesäumten Angriff zu nehmen. Das Land war von Spekulanten vielleicht mit 30 000 Dollars gekauft und wurde zu 100 000 oder mehr parzelliert, und dann noch Summe nach Summe eingeschossen, um Maschinen, Werkzeuge, Tanks und Fässer wie Lebensmittel für die Arbeiter zu kaufen. Und jetzt begann eine echt amerikanische Tätigkeit, während die Hoffnung der Spekulanten durch hier und da neu entdeckte und sehr ergiebige Quellen zu einer gefährlichen Höhe gesteigert wurde.

Viele – sehr viele von diesen Wells zeigten sich auch wirklich in kaum glaublicher Weise ergiebig. In Pit-hole z.B., das augenblicklich aus einer öden Wildnis eine bedeutende Stadt mit Hotels, Billards, Spielhäusern und dergleichen Bequemlichkeiten wurde, wie in einigen anderen traf man auf unterirdische Ölquellen, die, kaum geöffnet, 2000 Barrels (ein Barrel oder Faß wird durchschnittlich 43-48 Gallonen gerechnet, eine Gallone hält etwa 5 gewöhnliche Weinflaschen) und mehr freiwillig in sogenannten »flowing wells« an die Oberfläche sandten und ihre Besitzer natürlich in wenigen Monaten zu reichen Leuten machten. Man hatte kaum Mittel und Wege genug, um das gewonnene Öl fortzuschaffen und dem immer neu zusprudelnden Raum zu geben, und die Wege waren zuletzt so zerfahren, daß es ein Kunststück wurde, einen beladenen Wagen darauf fortzubringen. Aber schon bauten Tausende von Händen einen Schienenweg das ganze Tal hinab; ebenso schaffte man Wagen mit darauf befestigten Tanks herbei, eiserne, riesige Gefäße wurden aufgestellt, um als Reservoirs zu dienen, und selbst Röhren aus den Bergen niedergeleitet, um die Fuhrwerke entbehren zu können und der überreichen Ölmasse einen raschen Abfluß zu geben.

Aber nicht alle diese Strecken zeigten sich reich oder nur ölhaltig, und es stellte sich bald heraus, daß manche in den Seestädten errichtete Aktiengesellschaft ungeheure Kapitalien in völlig wertlosen Boden gesteckt hatte. Einzelne gewannen Millionen, andere verloren alles und sahen ihre Hoffnungen in den trockenen Stein hineingebohrt.

Jetzt kam der Rückschlag, und als selbst einige der reichsten Quellen plötzlich zu fließen aufhörten und nicht einmal durch Pumpen mehr überredet werden konnten, nur noch ein einziges Barrel herzugeben, da fanden sich auch keine gutmütigen Menschen mehr, die unternehmenden Yankees ihre Tausende vorschossen, um damit in irgend einem Landesteil nach Gefallen zu wirtschaften. Einzelne der wie aus dem Boden gewachsenen Städte, wie z.B. Pit-hole, hörten plötzlich wieder auf zu existieren – die Straßen verödeten, so rasch wie sie sich bevölkert hatten, zahllose Häuser wurden von ihren Bewohnern gänzlich geräumt und verlassen, und wenn auch noch einzelne Quellen blieben und bearbeitet wurden, so lag der Ort selber doch so öde da in der Wildnis, als ob eine Pest darin gewütet hätte.

Die rasende Spekulation, das wilde, kopflose Verfahren ließ nach – und das glücklicherweise, denn es würde noch Tausende ruiniert haben, – aber dafür bemächtigte sich jetzt der stete Fleiß der ganzen Arbeit und machte dadurch einer geregelten und lohnenden Tätigkeit Platz.

Eine gewagte Arbeit bleibt es freilich trotzdem noch immer bis zu dieser Stunde, denn man braucht nur die Stellen anzusehen, welche man bis jetzt angebohrt, und wo man doch wenigstens an den meisten Stellen Öl gefunden hat, um augenblicklich überzeugt zu sein, daß es unmöglich ein sicheres Merkmal an der Oberfläche der Erde geben kann, um zu wissen, wo man auf die richtige Quelle trifft.

Und was für schwere Mühe und Arbeit – ja wieviel Kapital kostet es allein schon, nur um sich erst einmal Gewißheit zu verschaffen, ob man den geringsten Lohn erwarten darf. Man braucht nur die verschiedenen Derricks anzuschauen, um sich einen Begriff davon zu machen.

Aber was ist ein Derrick?

Das sind hohe Gerüste, die gebaut werden müssen, um in ihnen die Bohrinstrumente aufzuhängen, während sie nachher auch zugleich, wenn wirklich Öl kommt, den Pumpen helfen sollen. Sie sind bis 40 und 44 Fuß hoch, viereckig und leicht, aber auch so fest als möglich errichtet, mit einer festgenagelten Leiter daran, und die vier Hauptpfosten nur durch einzelne Verbindungshölzer oder Bretter zusammengehalten. Daneben steht ein kleines Bretterhäuschen, in welchem die Maschine aufgestellt wird, und zuerst durch einen Hebel den Bohrer hebt und fallen läßt, und später, wenn er auf Öl kommt, die Pumpe arbeitet.

Diese Derricks nun sind in den richtigen Ölgegenden überall über die Hänge zerstreut. Unten dicht am Ufer des Baches sieht man sie stehen wie oben auf den drei- bis vierhundert Fuß hohen Rücken der Hügel, und nicht etwa einzeln, sondern manchmal zehn bis zwölf auf einem einzigen Acker, die einzelnen kaum dreißig bis vierzig Schritt, oft nicht soviel voneinander entfernt. Das verleiht natürlich, mit den dazwischen gestreuten Hütten, dem aufsteigenden Rauch einer einzelnen, hoch aufflackernden und lohenden Gasflamme und riesigen, da und dort aufgebauten Tanks dem Ganzen einen ganz eigenen und wunderlichen Anstrich.

Hunderte von diesen sind noch in voller Tätigkeit, während alle hundert durch die schwarze Fettkruste auf dem Boden umher zeigen, daß sie früher Öl gegeben. Wie gesagt, das Ganze war eben nur eine Glückssache – und ist es noch bis auf den heutigen Tag – ja durch den niederen Preis des Öls heute mehr als je.

Was nun die eigentliche Gewinnung des Öls vom ersten Moment anbetrifft, so ist diese die folgende:

Hat sich der Ölsucher zu einem Platz entschlossen, auf welchem er einbohren will (und das ist, wie gesagt, reine »Gefühlssache,« da man Öl sowohl oben auf den Hügelrücken wie ganz unten am Bachrand gefunden hat), so muß er sich vor allen Dingen an der gewählten Stelle einen Derrick bauen.

Sobald nun das hohe Gerüst aufgestellt und das Tau herbeigeschafft ist, in welches der Bohrer, bei noch größerer Tiefe, gehängt werden muß, so beginnt die Arbeit, und langsam, Zoll für Zoll, rückt sie vor. Vielleicht trifft der Bohrer gleich anfangs einen Sandsteinblock, das ist aber nur verwittertes, an der Oberfläche liegendes Gestein, das schon nach wenigen Fuß ausgibt und zu einer Schieferlage führt.

Durch diese hin erreicht man die erste Sandsteinschicht oder, nach der hiesigen Minensprache, den »ersten Sand,« der etwa von acht bis zwölf Fuß stark sein mag. Dann kommt die zweite Schieferlage und nach dieser schon der mächtigere »zweite Sand«. Der Schiefer zeigt sich manchmal hart, in den meisten Fällen jedoch leicht bröckelig und rasch zu durchbrechen, und hat man, bei etwa sechshundert Fuß, die dritte Schieferschicht erreicht, so wächst die Hoffnung des Bohrenden, denn er weiß, daß er Öl finden wird, wenn er auf einen dritten Sandstein trifft.

Dieser »dritte Sand« ist aber von den anderen beiden, die nur eine, wenn auch ziemlich harte, doch feinkörnige Masse zeigen, verschieden, denn er besteht nicht aus einem reinen, körnigen, weißen Sandstein, sondern ist mit kleinen Kieseln durchmischt, als ob er früher mit diesen zu einem Tage zusammengeknetet gewesen wäre. Das ist der ersehnte »Sand,« in dem oder unter dem das Öl hauptsächlich, ja fast allein gefunden wird, und hat der Bohrende den erreicht, dann wird es Zeit, daß er seine Gefäße in Ordnung bringt und sich auf die Ernte vorbereitet, denn er weiß nicht, wie mächtig der Strahl sein mag, den er zutage fördert. Flowing wells oder von selber fließende Quellen gehören jetzt allerdings zu den Seltenheiten, aber jede neu angebohrte kann eine solche sein, und man muß sich deshalb dafür gerüstet haben.

Eigentümlicherweise wird in allen diesen Distrikten das Öl unter vorher sprudelnden Quellen von ziemlich starker Salzsole gefunden. Zuerst kommt süßes Wasser, dann salziges, und zuletzt das Öl, und sehr wahrscheinlich liegen unter dem Öl nicht unbedeutende Salzsteinlager. Doch bis jetzt hat noch niemand den Versuch gemacht und unter das Öl gebohrt, also auch noch kein wirkliches Salz gefunden.

Der Bohrer, der nun in sechs- bis achthundert Fuß Tiefe arbeitet, wird jetzt durch die kleine herbeigeschaffte Dampfmaschine, welche später die Pumpe regieren soll, in Bewegung gesetzt, und eine sinnreiche Vorrichtung, durch ein paar ineinandergreifende, aber locker liegende Gelenke, verleiht dem eigentlichen Meißel unten die nötige Stoßkraft, um sich nach und nach in das Gestein hineinzuarbeiten. Die eingesetzte Pumpe muß dann dazwischen Schlamm und Wasser herausheben, um wieder freien Raum zu gewinnen, bis sie endlich die ersehnte, dunkelgrüne Flüssigkeit zeigt und das Öl zu laufen beginnt.

Hier hatte man einer anderen Schwierigkeit zu begegnen, denn das von oben niederquellende Wasser drückte mit solcher Gewalt auf das Öl, daß es im Aufkommen gehindert wurde – aber der Amerikaner weiß sich zu helfen. Er brachte in geschickter Weise einen Sack mit Leinsamen um den Pumpschaft an, der so gelegt war, daß er, wenn der Samen aufquoll, den Raum um die Pumpe vollkommen luftdicht ausfüllte. Dadurch hielt er das Wasser ab, auf das Öl niederzupressen, und erst in neuerer Zeit hat man selbst diese Leinsamensäcke durch eine neue Erfindung – einen eigentümlich geformten ledernen Schlauch ersetzt.

Flowing wells gehören jetzt, wie gesagt, zu den Seltenheiten, und es gibt nur noch sehr wenige in dem ganzen, weiten Distrikt und unter Tausenden von Bohrlöchern; wohl aber hebt die Pumpe das kostbare Material leicht zutage, und nur die Ausbeute zwischen den Pumpen ist außerordentlich verschieden. Natürlich arbeiten sie Tag und Nacht – Sonntag und Alltag; der Ertrag aber wechselt von 6 Barrels bis zu 120 Barrels in 24 Stunden, und man behauptet, daß bei den damaligen Preisen (etwa 3½ Dollars für 43 Gallonen) zirka 8-10 Barrels dazu gehören, um nur die Auslagen zu decken, also erst alles über 10 Barrels Gewinn wäre.

In der Nähe von Titusville, wo man noch keine sehr reiche Quelle gefunden hat, scheint sich der Ertrag auch zwischen 12 und 30 Barrels festzustellen, und die Gegend hat allein dadurch einen Vorteil, daß nur sehr wenige Stellen ganz ohne allen Erfolg angebohrt sind. Weiter den Creek hinab wurde der Erfolg unsicherer, aber man fand auch dagegen wieder viel reichere Quellen, und einige wurden angebohrt, die mit der Pumpe selbst 120 Barrels, ja 126 den Tag (24 Stunden) geben.

Das Öl kommt nicht rein aus dem Boden, sondern ist mehr oder weniger mit Salzwasser gemischt, oft bis zu einem Drittel, meistens aber bedeutend weniger. Das aber hat keine weitere Unbequemlichkeit, denn es scheidet sich ja von selber. In den Tanks oder großen Bottichen, in welche es hineingelassen wird, ist unten ein Hahn angebracht. Ist der Bottich fast gefüllt, so öffnet man diesen und läßt das untenstehende und schwere Wasser – denn das Öl schwimmt natürlich oben – einfach ablaufen, und leitet dann das reine Öl in andere, daneben und etwas tieferstehende Tanks hinein.

Aber selbst die letzten Tanks werden durch Röhren abgeleitet, und zwar durch Röhren, die Meilen weit den Hang hinab in das nächste Tal führen, wo dann große eiserne Behälter aufgestellt sind, um von diesen aus gleich die auf Eisenbahnwagen angebrachten Tanks (große Butten) zu füllen und dem Ort ihrer Bestimmung zuzuführen. Tausende von Fuhrwerken waren früher nötig, um das gewonnene Öl fort und die geleerten Fässer zurückzuschaffen. Jetzt begegnet man in den Bergen nur selten einem einzelnen Proviantwagen, während das Öl, von allen Seiten durch Röhren geleitet, von selber den Hang hinabläuft, und die Eigentümer desselben nur wenige Cents pro Meile für das Barrel zahlen.

Aber nicht allein Salwasser ist in dem Öl enthalten, sondern auch eine Menge Gas kommt damit zutage, und je reicher sich die Quelle zeigt, desto mehr, so daß man auf Mittel und Wege sinnen mußte, um es abzuleiten und unschädlich zu machen. Durch manche trübe Erfahrung wurden die Miner dazu getrieben, denn einige der furchtbarsten Brände hatten nur in dem Gas ihren Ursprung.

Dieses nämlich, durch schwere Luft zu Boden gedrückt, wälzte sich gegen das unter dem Dampfkessel brennende Feuer, und im Nu stand der ganze Distrikt in Brand, so daß an Löschen nicht einmal gedacht werden konnte. Die Tanks platzten; wie ein glühender Lavastrom aber, nur mit reißender Schnelle, wälzte sich die entsetzliche Glutenmasse zu Tal, und selbst manches Menschenleben ging dabei verloren.

Daß alle heraufgeschafften Werkzeuge und Maschinen ein Opfer der Flammen wurden, versteht sich von selbst, und wochenlang brannte die Masse fort, ja bedrohte nicht selten sogar die Nachbarschaft.

Jetzt ist man vorsichtiger geworden, und wo sich viel Gas zeigt, wird es in hohe Röhren hinaufgeleitet und oben wie eine Fackel angezündet. Dort mag es harmlos in freier Luft verbrennen und kann wenigstens kein weiteres Unheil anrichten, ja gewährt sogar in dunkler Nacht einen ganz prachtvollen und eigentümlichen Anblick.

Bei dem Verbrennen geht aber das Gas vollständig verloren, und dem praktischen Amerikaner will das nicht recht in den Kopf. Es fand sich auch bald ein Weg, wie man es, wenigstens hier und da, verwerten konnte. An vielen Stellen nämlich, besonders an kahlen Hängen, wo überdies sehr wenig Holz wuchs, wurde das Brennmaterial entsetzlich teuer und konnte nur wenig beschafft werden. Dort half man sich mit dem Gas, leitete dünne Röhren unter die Kessel, und erhitzte diese mit dem bis dahin unbenutzten Strom.

Leute aber, die ihre Kapitalien und Kräfte dazu verwenden, um in diesen Bergen nach Öl zu bohren, haben auch noch mit manchen anderen Unannehmlichkeiten zu kämpfen, und zu diesen gehört ganz besonders das Festklemmen der Werkzeuge. Es geschieht nämlich gar nicht etwa so selten, daß der Bohrer in der Minensprache »foul« wird, oder die Werkzeuge sich einklemmen oder gar abbrechen, und monatelang quält sich dann so ein armer Teufel nutzlos ab, um das Bohrloch freizubekommen; sonst ist nicht allein das hineingebrachte Geschirr verloren, sondern der ganze Platz verdorben, und dem Ölgräber bleibt nichts anderes übrig, als dicht nebenan noch einmal ganz von neuem zu beginnen – ärgerlich genug, wenn man vielleicht schon 6-700 Fuß gebohrt und nun die Hoffnung hatte, bald auf Öl zu treffen und seine Arbeit bezahlt zu bekommen.

Wie manches halbgebohrte Loch findet man solcher Art in den Bergen, in dem Kapital wie Hoffnung eines armen Ölgräbers stecken. Aber er kann noch Gott danken, wenn er wenigstens in dem nächstfolgenden Ersatz für das Verlorene findet. Ist das aber nicht der Fall, nun so gräbt er weiter, noch eins und vielleicht noch eins, und bleibt auch das umsonst, dann tritt der Moment ein, wo er die ganze Arbeit satt bekommt, und wo ihm der Ölgeruch schon widerlich und verhaßt wird. Er verkauft Maschine und Handwerkszeug um einen Spottpreis, zieht wieder zivilisierten Distrikten zu und brennt von da an kein Petroleum mehr in seinen Lampen.

Wie erfinderisch übrigens die Amerikaner im allgemeinen sind, zeigt sich besonders in diesen Öldistrikten, wo ihnen hundert unvorhergesehene Schwierigkeiten aufstießen, aber alle mit der größten Leichtigkeit überwunden wurden. Dampfmaschinen ersetzten bald das mühsame Bohren, das man anfangs anwandte, wo der Bohrer nur durch Menschenkraft, und zwar durch das Gewicht zweier Männer, die ihren Fuß in einer Tauschleife hatten, niedergetreten und dann durch einen eingespannten Hebel wieder emporgehoben wurde. Man nannte das: »to kick a hole down«.

Aber eine andere Schwierigkeit zeigte sich an manchen Stellen, wo man wohl Öl bekam, dieses aber eine so trübe, schlammige Farbe hatte, daß die Aufkäufer nur ein Minimum dafür bezahlen wollten, und es dadurch nicht einmal die Arbeit des Aufpumpens lohnte.

Das eigentliche rohe Erdöl ist von mattgrüner, dunkler Farbe und undurchsichtig, aber es darf nicht trübe oder gar schlammig sein, und doch kam es an vielen Stellen gerade so heraus, als ob es mit gelbem Schlamm versetzt gewesen wäre. Die Ölgräber versuchten demnach die verschiedensten Mittel und Wege, um es zu reinigen, aber umsonst, denn es stellte sich alles, bei dem geringen Preis des Öls, als viel zu kostspielig heraus. Da fiel einer von ihnen, eben jener Mr. Roof, der mir so freundlich alles erklärte, auf den Gedanken, den Dampf des Kessels in die Pumpe zu leiten, wodurch das frischgehobene Öl von diesem erwärmt und durchdrungen wurde, und der Erfolg war ein außerordentlicher. In welcher Art das Öl durch den Dampf gereinigt wurde, konnte er sich selber nicht erklären, daß es aber augenblicklich geschah, war außer aller Frage. In meiner Gegenwart schloß er die in die Pumpe geleitete Dampfröhre ab, und das jetzt heraufgehobene Öl zeigte sich trübe und gelblich – der alte unverkäufliche Stoff. Kaum aber hatte er die kleine Röhre wieder geöffnet, daß der bis dahin abgeschlossene Dampf auf das heraufgepumpte Öl einwirken konnte, als es wieder die gehörige dunkelgrüne Färbung annahm und so weiter floß.

Sonderbar ist nur, daß sich auf dem Boden des Tanks, in welchen dieses gedampfte und vorher trübe Öl geleitet wurde, kein Satz zeigen soll. Auch das Wasser, das man unten abließ, war vollkommen klar und hell, wenn auch sehr salzig.

Die Gewinnung des Öls bietet nun überall und an den verschiedensten Plätzen einen ziemlich gleichförmigen Anblick. Neben den Derricks steht eine kleine Hütte aus Brettern roh zusammengenagelt, um die Dampfmaschine gegen den Regen zu schützen, und zwischen der Maschine und unter dem Derrick ist ein horizontaler Baum angebracht, der durch das an seinem einen Ende befestigte Rad aufgehoben und niedergedrückt wird, und mit dem anderen dann die Pumpe in Bewegung hält. Menschen sind natürlich fortwährend dabei beschäftigt, denn das Feuer unter dem Kessel muß unterhalten, die Pumpe überwacht werden, ebenso muß jemand darauf achten, daß keine Störung in dem Ablaufen stattfindet und das kleine Faß, welches das erste Öl aufnimmt, seinen Inhalt ordentlich in den Tank entleert. Alles ist auch offen; man kann sehen, wie das durch die Pumpe gehobene Öl durch die Röhre läuft, und mit nur einiger Übung auch ziemlich genau taxieren, wie viele Barrels etwa diese »well« täglich gibt. Das Öl läuft dabei nicht stet, sondern manchmal stärker, manchmal schwächer, so daß es, besonders bei schwach fließenden Quellen, oft so aussieht, als ob es ganz aufhören wollte, während es im nächsten Augenblick wieder stärker als gewöhnlich vorschießt.

Anders, weit anders ist das mit den »flowing wells,« von denen ich eine besuchte, und ich muß gestehen, daß das geheime Wirken der Natur, das man bei diesen so deutlich beobachten kann, einen merkwürdigen, fast unheimlichen Eindruck auf mich machte.

Schon in Titusville hatte ich gehört, daß unfern von Petroleum-City eine flowing well laufe, und nachdem ich, mit meinem Bergsack auf den Schultern, die nächsten Öldistrikte durchwandert und verschiedene außerordentlich ergiebige Quellen gesehen hatte, die aber alle freilich gepumpt werden mußten, erreichte ich endlich die sogenannte Woods farm, und dort wurde mir schon, gerade oben auf einem Hügelrücken, die Stelle gezeigt, wo die Quelle laufe. Es war das ein etwas größer als gewöhnliches Haus von neuen Brettern, das neben einem einzelnen Baum stand, und dicht bei diesem hob sich der leere Derrick empor und fehlte auch das Maschinenhaus nicht, ohne daß aber eine Maschine darin gearbeitet hätte. Ja, als ich näher kam, fand ich nicht einmal eine solche darin, und der Platz sah wie verödet aus.

Allerdings führte aus dem Bohrloch eine Röhre herauf, aber sie stand mit keiner Pumpe in Verbindung und zog sich nur, scharf gebogen, in das neue und ziemlich hohe Bretterhaus hinein, in dem sie verschwand. Ich ging um das Haus herum, an der Tür aber hing ein Vorlegeschloß, das mir den Eingang verwehrte, und nur am unteren Teile derselben konnte ich wieder eine Röhre entdecken, die den Hang hinab nach einem anderen gewaltigen Tank führte und in diesen mündete. Drinnen in der Hütte aber hörte ich ein eigentümliches Brausen, und die Luft schien dort umher mit Gas erfüllt zu sein.

Menschen sah ich gar nicht in der Nähe – nur weiter unterhalb arbeiteten einige und schienen beschäftigt, unter einem anderen Derrick eine neue Pumpe einzurichten. Da ich übrigens fest entschlossen war, den Platz nicht wieder zu verlassen, bis ich die flowing well gesehen hatte, so wandte ich mich jetzt dort hinab, um nähere Erkundigungen einzuziehen und jemanden von den Leuten zu bitten, mir die Hütte aufzuschließen. Ich fürchtete fast, dabei auf Schwierigkeiten zu stoßen, hatte mich aber darin – wie sich bald zeigte – vollkommen geirrt.

»Geht nur in die kleine Hütte hinein, die dort rechts von dem Derrick steht,« sagte der eine, gerade mit einer Schlosserarbeit beschäftigte Mann, »dort links an der Wand hängen die Schlüssel – wir haben jetzt keine Zeit – und hängt nachher die Schlüssel wieder hin.«

Ich tat, wie mir geheißen, fand die Schlüssel und in dem Haus zwei riesige Tanks, wahre Heidelberger Fässer unter den übrigen, die Tausende von Barrels halten mußten, und zu denen eine lange Treppenleiter hinaufführte. Der eine links, etwas niedriger stehende, war fast bis zum Rand mit der dunkelgrünen Flüssigkeit gefüllt, der andere rechts mit dicken Planken vollkommen bedeckt, nur zischte und brauste es unter den Planken. In diesen hinein wurde aber auch die aus dem Bohrloch kommende Röhre geleitet, und an dem einen Ende bemerkte ich eine eingefügte Klappe, durch welche ich jedenfalls einen Einblick bekommen konnte. Ich kletterte also hinauf und öffnete diese mit einiger Mühe und Vorsicht, denn rutscht man dort oben auf den schlüpfrigen Brettern aus und stürzt in dieses Meer von Öl, so ist an Rettung natürlich nicht zu denken, denn schwimmen kann man in der leichten Masse nicht. Jetzt hob sich die Klappe – ich schob sie zurück und hatte einen Anblick, den ich im Leben nicht vergessen werde.

In den Tank hineingeleitet, bog sich das über zwei Zoll im Durchmesser haltende Rohr, mit etwas weiterer Mündung, nach unten, und aus der Öffnung, wie aus einer escape pipe, mit zischendem, qualmendem Gas gemischt, wurde in einzelnen Stößen, fast wie durch eine Pumpe gehoben, das Öl herausgeworfen. Keine menschliche Kraft trieb es – nur die Bahn hatte ihm der menschliche Geist vorgezeichnet und gesteckt, die es gehen mußte, und von unten herauf, aus unergründlicher Tiefe quoll es empor zum Licht und brachte damit die Dämpfe an die Oberfläche, die sonst wohl, wenn eingeschlossen in die Felsenkessel jener geheimnisvollen Welt, die Erdkruste geborsten und den Boden auf mächtige Strecken hin gehoben und erschüttert hätten. Und diese Stille und Öde ringsumher! Die ungeheuren Fässer füllten und leerten sich, ohne daß ihnen anscheinen jemand zu nahe kam, und von außen (den Derrick mit der geschlossenen Röhre abgerechnet) verriet nichts den aus der Tiefe heraufsteigenden Quell. Aus der gehobenen Klappe aber quoll das Gas wie in einer Wolke heraus und erfüllte rasch den inneren Raum.

Hast du, lieber Leser, schon einmal an einem Abgrund gestanden und hinabgesehen, und ist dir dann nicht unwillkürlich der Gedanke gekommen, wie es wohl sein müßte, wenn du da hinein und hinunter sprängest? Ja, war es dir nicht, als ob dir ein böser, heimtückischer Geist zuflüsterte, es doch zu versuchen? – Ein ähnliches Gefühl erfaßte mich, aber nicht etwa der Gedanke, in den Riesenbottich hinabzuspringen, um dort, wie ein Stück Blei, in dem Öl zu Boden zu sinken – nein, nach der Tasche fuhr meine Hand, in der ich meine Streichhölzchen trug – ich wollte nur fühlen, ob sie da waren, und dann malte ich mir im Geiste den Moment aus, in dem hier irgend ein Wahnsinniger eines dieser Hölzchen entzündet hätte – der Phosphor fing, in dem Moment aber auch ein Blitz, ein Schlag und eine Welt in Flammen. Der ganze Raum war mit Gas gefüllt, das jedenfalls noch hoch über das Haus emporstieg – die Bottiche selber im Nu ein Feuermeer, und rings der Boden, von Öl getränkt, von Gas überzogen, in Flammen, wie das Holz – und dann die Glutenmassen den Hang hinab sich wälzend, in der roten, züngelnden Lohe, Derricks und andere Tanks erfassend und mit deren Inhalt wachsend, so daß die Menschen in Entsetzen auseinanderstoben, nur um ihr nacktes Leben zu retten.

Die Amerikaner sind doch ein merkwürdig leichtsinniges Volk! Wie ruhig hatte mir der Mann da unten den Platz angegeben, wo seine Schlüssel hingen, und mich allein dort hingehen lassen, ja nicht einmal ein Wort der Warnung gesagt. Es blieb allerdings nicht wahrscheinlich, daß irgend jemand aus Bosheit einen solchen Platz entzünden würde, aber es konnte auch aus Dummheit geschehen. Irgend ein biederer deutscher Handwerksbursche konnte dort in die Gegend kommen, um sich neugierig den Platz zu besehen; kannte er dann nicht die furchtbare Gewalt des Gases und die Gefahr, die in dessen Nähe lag, was hinderte ihn nachher, sich in aller Ruhe eine Pfeife zu stopfen und seine Streichhölzer aus der Tasche zu ziehen? Es wäre niemand bei ihm gewesen, der ihn gewarnt haben könnte. – Und welch ein Kapital stand dabei auf dem Spiele – Millionen an Geldeswert und manches Menschenleben! – In Deutschland hätten jedenfalls zwei Polizeidiener vor der Tür der Tankhütte gestanden – hier war nicht einmal ein Verbot des Rauchens angeschlagen.

Lange saß ich dort oben auf dem Tank, sah in die gründunkle Flut und beobachtete, wie das Öl aus der Röhre sprudelnd herausgestoßen wurde und mit dem darin enthaltenen Gas weißliche Blasen in der Masse trieb, während das Gas selber wie ein dünner, feuchter Nebel aufstieg und den Raum erfüllte. 175 Barrels gibt diese flowing well in vierundzwanzig Stunden, ja zuzeiten sogar noch mehr, und eine ebenso eigentümliche Tatsache ist es, daß es mit Sonnenauf- und Untergang und in der Nacht weit stärker und lebendiger strömt, als am Tage – was aber freilich mit gewöhnlichen Wasserquellen ebenso der Fall ist – und doch, in welcher Verbindung steht jene unterirdische Tiefe mit Tag und Nacht, und wie besonders lagert diese ölige Masse dort drunten in jenen geheimnisvollen Höhlen? Welch wunderliche Seen muß sie bilden unter ihrem »dritten Sand,« und wie entstand das Öl an jener Stelle? Ist es, wie man vielfach vermutet, das Produkt der Steinkohle? – Aber in der ganzen Nachbarschaft findet sich keine Spur von Kohle, und doch, in welch ungeheurer Masse muß es dort in Adern das Gebirg durchziehen und tief verborgene Höhlen und Schluchten anfüllen. Und Jahrtausende lag es dort verborgen, bis der Mensch seinen Keller fand und anzapfte – kann er doch eben alles gebrauchen und gebraucht alles.

Aber eine Berechnung ist dabei unmöglich. Jetzt – in dieser Minute noch, strömt die verborgene Quelle ihre Schätze aus, und in der nächsten Stunde vielleicht – wie das so oft der Fall bei anderen war, hört sie plötzlich auf zu fließen. Sie ist versiegt, und eingesetzte Pumpwerke haben dann keinen Erfolg mehr. Solche flowing wells, wenn sie erst einmal ausgehen, lassen sich nicht mehr nachpumpen.

Ich lag eine Weile an dem stillen Platz, bis ich es doch endlich für Zeit hielt, meinen Schlüssel wieder abzugeben und ins Tal hinabzusteigen. Hier sind auch keine Trinkgelder zu zahlen. Der Mann würde mir das Geld an den Kopf geworfen haben, wenn ich es ihm hätte für seine Gefälligkeit in die Hand drücken wollen.

Etwa eine halbe Stunde später stieg ich nach Petroleum-City hinab, und mich durch die an den Hängen herumgestreuten Häuser windend, rastete ich eine kurze Zeit in einem Hause, in dem ich Deutsch sprechen hörte. Es war eine schwäbische Frau mit einer unbestimmten Anzahl von Kindern jeder Größe. Nur darin glichen sie sich alle, daß sie aussahen, als ob sie morgens mit Petroleum gewaschen würden, und Seifenwasser für lebensgefährlich in den Minen gelte. Laut mußte ich aber lachen, als ich auf dem einen Tisch ein altes, ehrliches Talglicht mit einer »Putzschere« stehen sah.

»Aber Sie brennen doch hier mitten im Petroleumdistrikt, ja in Petroleum-City, keine Talglichter?«

»Ja gewiß,« sagte die Frau ernst, in ihrer wunderlichen, halb englischen, halb deutschen Sprache. »Hier brennt natürlich alles Öl, manche Leute feuern sogar die Stoves (Öfen) damit, und Lampen gibts a heap – aber dann kickeln sie einmal um, und das Unglück ist fertig. Ich weiß allein neun Frauenzimmer, die sich »verbürnt« (verbrannt) haben und ums life gekommen sind. Ich mag mit dem schlechten Zeug nichts zu schaffen haben.«

In einer Hinsicht hatte die Frau recht. Es ist allerdings schon sehr viel Unglück mit Petroleum in den Minen geschehen, was aber auch wohl daher kommt, daß sie durch den steten Gebrauch desselben entsetzlich leichtsinnig werden und das dann oft teuer genug bezahlen müssen.

Wie trüb sich der Oilcreek durch das Tal hinabwälzt. Früher war es ein klarer, munterer Bergstrom, in dem sich sogar Forellen aufgehalten; was war jetzt aus ihm geworden! Kleine, fingerlange Fischchen sah ich allerdings noch selbst jetzt an tieferen Stellen stehen, aber ich begreife nicht einmal, wie es selbst diese in dem mißhandelten Wasser aushalten. Von allen Seiten strömt das aus den Bohrlöchern abgelassene Salzwasser hinein und gerade genug Öl noch außerdem, um eine in Regenbogenfarben schillernde Kruste auf seine Oberfläche zu decken. Selbst das Vieh mag es nicht mehr trinken und versucht erst drei- bis viermal an verschiedenen Stellen, bis es dann endlich durch den Durst dazu gezwungen wird.

Was für ein Leben jetzt in diesen wilden Bergen, in denen noch vor wenigen Jahren der Hirsch sein stilles, kaum gestörtes Lager hatte!

Wie aber der Specht in einen alten Baum seine Löcher hineinschlägt und hämmert, um nach Würmern zu graben so bohrt sich der Mensch hier in tausend Löchern in den alten dürren Boden hinein, um nach Öl zu suchen, und kennt dort deshalb auch gar keinen anderen Gedanken als das Öl. Das hämmert und klopft und wirtschaftet, das bohrt und qualmt und dampft, das rinnt und läuft unaufhaltsam, ununterbrochen Tag und Nacht, und der untergehende Mond wie die aufgehende Sonne scheinen auf gleiche Tätigkeit. Dazwischendurch keuchen die schwerbeladenen Bahnzüge, die das Öl unten im Tale den Raffinerien oder dem weiteren Transport entgegenführen, und alles drängt und treibt, nur um Reichtum zu erjagen. Aber die Spekulation ließ mich vollkommen kalt. Ich freute mich, den eigentlichen Platz gesehen zu haben, weiter nichts, und nach drei Tagen, in denen meine Kleider dermaßen den Petroleumgeruch angenommen hatten, als ob ich eine Woche lang in dem kostbaren Öl gelegen hätte, glaubte ich alles genau genug gesehen zu haben, um meine Reise wieder fortsetzen zu können und meine eigentliche Wanderung anzutreten.

Einer der Züge, der aber alle Augenblicke anhielt, um da und dort schon fertig beladene Wagen anzuhängen, und darin unersättlich schien, führte mich gen Meadville, wo ich die Great Western Atlantic Railroad wieder treffen sollte, aber die Lokomotive hatte richtig ihre Kräfte überschätzt. Noch sieben Meilen von Meadville, an einer Steigung, brachte sie den Zug, der sich wie eine Riesenschlange durch das Tal wand, nicht mehr von der Stelle, quälte sich eine halbe Stunde umsonst ab, nahm dann die Hälfte, wobei der Personenwagen mit dem Rest ruhig stehen blieb, brachte die erste nach Meadville, kam dann zurück und holte uns in dunkler später Nacht nach, wo ich dann erst Ersatz in einem vortrefflichen Hotel im Bahnhof selber fand.

Am nächsten Tage ging der Zug nach Cincinnati weiter; vorher aber entwickelte sich auf dem Bahnhof selber ein sehr lautes und lustiges, und zwar entschieden deutsches Leben.

Schon am Abend, als wir eintrafen, hatte ich im Vorüberfahren durch die hellerleuchteten Fenster eines anderen Hotels tanzende Paare gesehen, und auf den Straßen wogte es von singenden und lärmenden Menschen.

Am Morgen erfuhr ich, daß die deutsche Liedertafel von Erie hierher nach Meadville gekommen sei, um eine fröhliche Zusammenkunft mit den deutschen Sängern zu halten, die jetzt drei Tage gedauert hatte. Jetzt zogen die von Erie wieder nach ihrer Heimat zurück, und die von Meadville hatten sie natürlich in hellen Schwärmen auf den Bahnhof beleitet. Ein Trommler ging voran, die eingewickelte Fahne wurde ebenfalls vorgetragen, aber die Gesellschaft schien außerordentlich erregt. Viele von ihnen trugen noch halbgeleerte Flaschen in der Hand. Einer von den Herren hatte einen Porzellanstiefel umhängen, aus dem fleißig Bier getrunken wurde, und als der Zug nicht gleich abging und das Musikkorps im Wagen einen lustigen Tanz aufspielte, entwickelte sich auf den Schienen des Bahnhofs ein ganz eigentümliches Leben, das sich zuletzt in einigen wilden Kontretänzen und Walzern wie in zahllosen Juchzern Luft machte. Dazwischen mußten die Paare fortwährend den durch die Lokomotive hin- und hergeschobenen Wagen ausweichen, und ein paarmal sah das wirklich gefährlich aus, aber es ging doch alles glücklich ab. Endlich wurde das Signal zum Einsteigen gegeben, und als die zum Ersticken vollgedrängten Wagen zum Bahnhofe hinauszogen, spielte das Musikkorps noch ein letztes: Home, sweet home.

Das Ganze war eine Szene gemütlicher Lustigkeit, und daß eine Liedertafel die andere besucht, ist ja gewiß recht hübsch und lobenswert; aber wozu sich dann beide betrinken müssen, begreife ich doch nicht recht. Ob es wirklich den Genuß erhöht, ich glaube es kaum, und dann der Katzenjammer nach Bier und Champagner, – arme Liedertafel!

Von Oil-City aus nach Meadville zu ist die Szenerie eine wirklich reizende, denn man fährt eine ziemlich lange Strecke am Alleghanyfluß hinab, und die Ufer bieten einen gar so freundlichen Anblick. Dort hört auch die Ölgewinnung nach und nach auf; nur noch hier und da, und zwar unmittelbar unten am Ufer des Stromes, stehen einzelne Derricks, und die schwarzen, schmierigen Flecken umher zeigen, daß die dort gebohrten Stellen früher Öl gegeben haben müssen; jetzt sind sie leer. Aber im Flusse selber noch schimmert an der Oberfläche der rotgrüne und blaue Schimmer des hineingeführten Öls, und breite, sehr flache, mit Fässern gefüllte Boote werden in dem seichten Wasser von Pferden ihrem Bestimmungs- oder Ausschiffungsplatze zugeführt.

Zuletzt verläßt die Bahn den Alleghany und wendet sich Frenchcreek hinauf, und bei dem ungewissen Mondenlicht läuft sie neben einem Kanal hin, der sich an gar keine gegebene natürliche Richtung zu kehren scheint, sondern jetzt oben an einem Bergabhange hin seine Bahn sucht, während er im nächsten Augenblick, wie durch die Luft hin, auf einer mächtigen Brücke hoch über einen anderen Wasserkurs hinüberzieht. Von Meadville aus wird die Landschaft monotoner, wenn sie auch weit mehr angebaut scheint, als in den Bergen drin. Städte werden häufiger, bis die Nacht wieder anbricht, und am nächsten Morgen dann Cincinnati, die Königin des Westens, den von Staub wie überkrusteten Zug in seine Häusermassen aufnimmt.


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