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32. Kanoefahrt auf dem Apure

Als es in dem kleinen Ort bekannt geworden war, daß ich wirklich mit einem Kanoe in den Orinoco hinein wolle – und bekannt wurde es augenblicklich, denn die Leute hatten ja gar nichts anderes zu reden –, kamen besonders die Fremden, aber selbst auch einige Venezuelaner herbei, um mir abzuraten und mir die mir drohenden Gefahren zu schildern – unter anderen auch die, daß ich mich ja in einer furchtbaren Wildnis einigen Menschen anvertrauen müsse, die ich gar nicht kenne, und die nachher mit mir anfangen könnten, was sie wollten.

Darin irrten sich nun die guten Leute, aber ich habe das nämliche auf allen meinen Reisen gefunden, denn wo ich auch immer mich nach einer neuen und etwas außergewöhnlichen Tour erkundigte, wurden mir Gefahren geschildert, die entweder gar nicht existierten oder doch – wie sich später jedesmal herausstellte – auf das unerhörteste übertrieben waren. Ich bin aber nicht sehr ängstlicher Natur, habe mich wenigstens noch nie zurückschrecken lassen, und brachte denn auch alles so rasch in Ordnung, daß ich schon am 1. Mai frühmorgens bereit war, meine Reise anzutreten.

Das Einlegen von Proviant war dabei die Hauptsache, denn um meinen Bergsack zu schnüren, brauchte ich keine fünf Minuten.

Der Hauptgegenstand des Proviants – wenigstens für die Venezuelaner, ist frischgeschlachtetes und dann gesalzenes Fleisch, das von den Rippen abgelöst und in der Sonne zum Trocknen aufgehangen oder ausgebreitet wird. Wenn es aber etwas Unappetitliches auf der weiten Welt gibt, so ist es dieses Fleisch, das schwarz und ekelhaft aussieht, fortwährend von schmutzigen Kerlen mit schmutzigen Fingern hin und her gezerrt wird und dabei einen solch unangenehmen Geruch hat, ohne gerade direkt zu stinken, um alle Aasgeier aus der ganzen Nachbarschaft herbeizuziehen. Um die Fleischstände sitzen diese eklen Tiere den ganzen geschlagenen Tag herum, und ihnen unter den Schnäbeln weg muß man den kaum noch zur Nahrung möglichen Stoff kaufen. Die Eingeborenen hier sind aber so genügsamer Natur und solche geborene Schweinigel, daß ihnen dieses Fleisch nicht allein jeden Zweck erfüllt, sondern sogar – was das Unglaubliche ist – schmeckt, und niemand wahrlich wird es ihnen mißgönnen.

Nach dem Fleisch kommt das sogenannte Casavebrot, eine Art Tortilla oder flacher Kuchen oder Matzen, aus dem groben Mehl der giftigen Maniokpflanze, der vorher der schädliche Saft entzogen wird, gebacken.

Diese sehr dünnen und leicht zerbrechlichen, aber nicht unschmackhaften Brote sind gewöhnlich zwei Fuß und oft noch mehr im Durchmesser und halten sich sehr lange gut und brauchbar.

Nach dem Fleisch und Casavebrot kommt aber unmittelbar, als ebenso nötiges Bedürfnis, der Papelonzucker – d. h. der ordinäre braune Zucker, wie er als Saft eingekocht und in Formen gegossen ist. Sie genießen ihn teils so, teils in Papelonwasser, das sie guarapo fresco nennen, und das nicht allein ein erfrischendes, sondern auch zugleich nahrhaftes Getränk ist.

Dazu kam dann noch gemahlener Kaffee, als Luxusgegenstand etwas Käse, und für mich selber hatte ich mir noch einige Bananentrauben eingelegt, denn von der Banane allein kann man, ich wenigstens, vollständig leben.

Wirklich komisch war es aber, wie kurz vor meiner Abfahrt von allen Seiten Briefe – oft in ganzen Paketen – für die Hauptstadt von Guayana eintrafen, und sehr natürlich, denn die Gelegenheit, dort in der jetzigen Jahreszeit Nachricht hinab zu senden, war so selten, daß man es den Leuten nicht verdenken konnte, wenn sie dieselbe benutzten. Selbst von der Regierung bekam ich zwei Depeschen mit und hatte meine kleine Ledertasche bald voll von versiegelten Briefen, ohne dabei von der »Postverwaltung« im geringsten behelligt zu werden. Postverwaltung,! Du lieber Gott, die Leute hier kannten ein solches Institut kaum dem Namen nach, und es gab nicht einmal eine Botenfrau.

Wenn ich aber auch, bald genug, zu meiner Fahrt gerüstet war, mit meinen Leuten ging das nicht so rasch, und das ist in allen südamerikanischen Ländern das nämliche, da diese glücklichen Menschen auch nicht den entferntesten Begriff von einem Wert der Zeit haben. Was ist ihnen ein Tag! Und wem wirklich daran liegt, rasch von der Stelle zu kommen oder in irgend einer anderen Art etwas von ihnen bald getan zu bekommen, darf sie keinen Augenblick aus den Augen lassen, sondern muß nur immer stets und unablässig an ihnen bohren und drängen. Das wird ihnen zuletzt unbequem. Hätten sie ihre Ruhe gehabt, so ist nicht abzusehen, wann sie diese freiwillig gebrochen; werden sie in dieser aber nicht gelassen, nun, so können sie auch ebensogut an die Arbeit gehen. Gegen Abend brachte ich denn auch die meinigen wirklich so weit, daß ich sie wenigstens vom Ufer ab und ein Stück den Strom hinab bekam, die Hauptsache bei allen solchen Touren, denn die Abfahrt ist gewöhnlich das schwerste.

So war denn auch der 2. Mai herangekommen und es etwa fünf Uhr abends geworden, als ich endlich die Leute zur Abfahrt bereit hatte. Herr Becker, der deutsche Hutmacher, schaffte mir meine Sachen mit sämtlichem Proviantvorrat an den Flußrand hinab, wir nahmen unsere Sitze ein, wobei ich fand, daß der Neger-Marinero außer seinem »Mann« noch einen anderen Gehilfen engagiert hatte (engagiert insofern, als er umsonst mit nach Bolivar fuhr und seine Passage abarbeitete), und wenige Minuten später stießen wir vom Ufer ab und glitten den jetzt vollkommen ruhigen und spiegelglatten Strom hinab.

Es war ein wunderliches Leben daran. Oben marschierte schon wieder das Militär und machte Exerzitien, um die Revolutionäre zu bekämpfen, denen sie sich kaum drei Wochen später auf Kommando ihres eigenen Generals anschließen mußten (das heißt alles: Republik), unten am Strande lagen noch verspätete Boote, die Casavebrot, Papelonzucker oder Bananen den Fluß herabgebracht, und etwas weiter unten wurde das Bild noch viel lebendiger. Ein ganzer Trupp Frauen saß dort am Wasser und wusch, Kinder badeten sich in der Flut trotz Zitteraalen und Kaimans, Soldaten plauderten mit jungen Mädchen, die Wasser aus dem Strom holten, und Kinder spielten und jauchzten an der steilen Uferbank und hetzten sich und warfen sich einander in den Sand.

Unser Kanoe wollte vorbeigleiten, als wir plötzlich von einer Schildwache angeschrieen wurden, die sich bis dahin lebhaft mit einer jungen Dame beschäftigt hatte, jetzt aber, wie in der größten Gefahr, eine Muskete vom Boden emporriß und auf uns anlegte. Da der Bursche zielte, hatte ich keine besondere Angst, daß er uns treffen würde mein alter Negermatrose steuerte aber gehorsam der Stelle zu, und hier stellte sich denn heraus, daß er nichts Geringeres als eine Legitimation verlangte, ehe er uns erlaubte, den Strom hinabzuziehen. Diese hatte der Neger nun allerdings, und zwar einen richtigen Paß von Gobierno, aber – die Schildwache konnte nicht lesen und der »General« mußte erst herbeigerufen werden, um die Sache zu untersuchen.

Der General kam auch gleich darauf die Uferbank herunter, aber er war ohne Epauletten, auch ohne Schuhe und Strümpfe und Hut oder Weste, und trug nur Hemd und Hose, und ersteres zwar ungesetzlich über der letzteren. In Bolivar wurde nämlich neulich wieder ein altes Gesetz in Erinnerung gebracht, das uns in Europa allerdings merkwürdig klingen würde. Dasselbe lautet, »daß es streng und bei bestimmten Strafen den Männern verboten sei, das Hemd über der Hose zu tragen, und zwar nicht allein aus Schicklichkeitsrücksichten, sondern auch der öffentlichen Sicherheit wegen.« In unruhigen Zeiten haben die Männer nämlich Messer darunter getragen. Doch das Militär hier befand sich in einem Ausnahmezustand, und ausnahmsweise trug deshalb auch wahrscheinlich der General keinen Degen, sondern nur ein großes bloßes Schlachtmesser in der Hand, mit dem er herunterkam, daß es gerade so aussah, als ob er einen von uns damit abstechen wolle.

Der Paß wurde ihm gereicht, und nachdem er sehr lange Zeit gebraucht hatte, um ihn durchzustudieren, gab er ihn endlich zurück, warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu – weshalb, weiß ich nicht, denn ich bekümmerte mich gar nicht um den ganzen Vorgang, lehnte nur behaglich im Kanoe und rauchte – und ließ uns dann endlich ungehindert passieren; der Posten schoß nicht, und das war das letztemal, daß mir die Soldaten der gelben Partei zu Gesicht kamen – ein paar Schildwachen in Bolivar ausgenommen, die aber auch gleich darauf »in die Minen« geschickt wurden.

Leise glitten wir den stillen Strom nieder, aber nicht lange, denn kaum hatten wir die letzten, hier einzeln liegenden Häuser erreicht, als mein Patron vom Boote das Kanoe wieder dem Ufer zulenkte und ich einen anderen Neger bemerkte, der mit einem Bündel unter dem Arm die Uferbank herabsprang.

Nun muß ich hier bemerken, daß mir mein Don Pedro, wie der Neger hieß, schon in San Fernando hatte ein paar Mitpassagiere aufhängen wollen, unter dem Vorwand, dann noch einen Marinero zu engagieren, damit wir rascher von der Stelle kämen. Er erwähnte dabei nicht einmal, daß eine solche Last die geringste Preisermäßigung für mich mit sich führen würde. Ich wies ihn denn auch ganz kurz ab und erklärte ihm, ich habe das Kanoe für mich selber gemietet und verbitte mir jeden Mitpassagier; ich wollte keinen Gesellschafter.

»Wer ist der Bursche?« fragte ich deshalb Don Pedro eben nicht besonders freundlich.

»O, noch ein Marinero!«

»Aber zum Henker, für so viele Menschen habe ich gar nicht genug Proviant.«

»Wir kommen ja jetzt auch so viel schneller nach Bolivar,« sagte der Alte, und ehe ich nur eigentlich recht wußte, was ich dabei tun sollte, saß mein Neger – Serafino mit Namen und mit einer entsetzlich äthiopischen Ausdünstung – vorn auf der Ruderbank und arbeitete mit einem solchen Eifer, als ob er nicht einen Augenblick Zeit zu verlieren hätte, um nach der Hauptstadt Guayanas zu gelangen.

Wenn der Bursche so fortarbeitete, hatte ich nichts gegen seine sonst eben nicht angenehme Gesellschaft, und überdies beschäftigte mich auch in diesem Augenblick der Strom selber zu sehr, um weiter auf ihn zu achten.

Was für ein wundervoller Abend war es! Nur eine leise Brise strich über den Strom, gerade frisch genug, um die Luft abzukühlen, ohne unsere Fahrt auch nur im geringsten bei der ohnedies sehr starken Strömung aufzuhalten – und wie rasch dabei das schlanke Kanoe am Ufer hinschoß! Mit scharfem Flügelschlage schwirrte dabei eine Kette Enten nach der anderen an uns vorüber, und in den Uferbäumen klagte die Nachtschwalbe ihr melancholisches Lied.

Ich hatte mir eine Partie Zigarren von San Fernando, wo sie sehr billig waren, mitgenommen und meinen Tabaksgeschmack schon so gründlich in Venezuela verdorben, daß ich selbst dieses Kraut genießbar fand. So, im Kanoe zurückgelegt und den blauen Rauch derselben behaglich in die Luft blasend (der Rauch glich wenigstens in der Farbe dem einer Havanna-Zigarre), gab ich mich ganz dem angenehmen Gefühl hin, endlich, nach langer Anstrengung und Beschwerde, zu einer Art von Ruhepunkt gekommen zu sein, während ich zugleich wieder nach Osten und der lang entbehrten Heimat entgegenfuhr.

Heute abend fuhren wir aber nicht weit; die Leute behaupteten, daß sie sehr müde seien, weil sie so viel hatten herumlaufen müssen, und ich wollte sie nicht gleich von Anfang an treiben, hatte auch wirklich mit meinem eigenen Fahrzeug gar keine solche große Eile und ließ sie ruhig an die nächste Sandbank rudern. Dort wurde von angetriebenem Holz ein gutes Feuer angezündet und ein Topf Kaffee gekocht, der mit etwas Casavebrot gar nicht so schlecht schmeckte, und nachher streckten wir uns auf unsere Decken, mitten im vollen Mondschein, und schliefen die Nacht prächtig.

Die Sandbänke, oder playas, wie man sie hier nennt, eignen sich aber auch vortrefflich zu einem Nachtquartier in diesem Klima, denn da der Wind frei über sie hinstreicht, können sich keine Sandfliegen darauf halten, und niguas oder Sandflöhe gibt es dort ebensowenig. Lange vor Tag waren wir übrigens schon wieder munter, schoben das Kanoe aus dem seichten Wasser in den Strom und nahmen unsere Fahrt wieder auf.

Aber was gab es hier für Kaimans! Schon im Dunkeln, als wir die Sandbank verließen, hörten wir sie überall in dem Wasser plätschern, und als der Tag anbrach, sahen wir ihre großen, ungeschlachten Köpfe, wohin der Blick auch fiel, auf dem Wasser schwimmen, wo sie, wenn wir näher kamen, langsam untertauchten und erst weiter entfernt wieder zum Vorschein kamen. Übrigens schienen sie nur friedlicher oder eigentlich gar keiner Beschäftigung nachzugehen und sich ebensosehr an dem schönen, kühlen Morgen zu erfreuen wie wir selber. Ich störte sie denn auch nicht und feuerte meine Büchse auf keinen einzigen ab, obgleich wir sie manchmal schlafend am Ufer und dann auf kaum 16 Schritt Entfernung überraschten.

Schon als wir uns wieder einschifften und, um das Kanoe flott zu bekommen, etwa bis an die Kniee ins Wasser mußten, bemerkte ich, daß meine Leute jeder ein Ruder nahmen und es fortwährend vor sich auf den Sand stießen. Sie forderten mich auf, ein gleiches zu tun, und es hat dies einen ganz bestimmten Zweck.

Es gibt nämlich in diesen Wassern einen kleinen, flachen Fisch mit einem Stachel am Schwanz, der sich gern auf seichte Sandbänke oder Uferstellen legt, und allerdings niemanden angreift. Berührt man ihn aber, so sticht er zu, und wenn die Wunde auch nicht tödlich ist, so machte sie doch den verletzten Teil, Arm oder Bein, furchtbar anschwellen und soll ganz außerordentlich schmerzhaft sein, wie auch viele Tage anhalten. Durch das Ruder verscheucht man aber etwa dort liegende Fische.

Auch von den caraibs – ganz kleine Fische, die aber in Schwärmen umherschwimmen – erzählten mir die Leute. Sie sind entsetzlich gefräßig, und fällt es einem von ihnen ein, nach dem Beine eines Schwimmenden zu schnappen, wo sie ein kleines Stück herausreißen, so stürmen nach dem Blut alle die übrigen hinzu, und wenn man nicht macht, daß man ans Ufer kommt, ist man verloren.

Von den Kaimans, die den Menschen, in einem etwas summarischen Verfahren, ganz fressen sollen, wußte mein alter Neger, Don Pedro, ebenfalls entsetzliche Geschichten zu erzählen – aber ich wußte, was ich von denen zu halten hatte, und ließ ihn eben schwatzen.

Lange waren wir übrigens nicht gefahren, als wir rechts am Ufer eine Wohnung und eine Anpflanzung von Bananen bemerkten, auf die mein »Patron« auch ohne weiteres zuhielt.

»Landen?«

»Nada mas que un cafecito.«

Also Kaffeetrinken! Dagegen hatte ich selber nichts. In der Hütte fanden wir auch schon Feuer und in zehn Minuten konnten wir wieder unterwegs sein. Aber ich hatte mich geirrt, denn mein alter Neger war ein so schauerlicher Schwätzer, daß er, wo er einmal einen Menschen fand, mit dem er sich unterhalten konnte, gar nicht wieder wegzubringen war. Endlich, halb mit Gewalt, bekam ich ihn ins Boot und litt von da ab nicht mehr, daß er je wieder an einer Ansiedelung halten durfte.

Unsere Fahrt sollte aber heute nicht weit gehen, denn wir mußten ein kleines Dach über die Mitte unseres Kanoe bauen um den Regen, den wir in dieser Jahreszeit jede Stunde erwarten durften, von unseren Sachen abzuhalten. An einer Stelle wo einige palmas sombrero standen, nahmen wir deshalb eine Quantität Blätter mit und legten dann, etwa zehn Uhr morgens, als es schon anfing, tüchtig heiß zu werden, an einem schattigen Platz an, um dieses Dach, das in Ecuador Rancho, hier aber Carosa genannt wird, zu »komponieren«, wie die Leute sagten.

Das geschah auf sehr einfache und praktische Weise. Ein paar biegsame Schlingpflanzen wurden über das Kanoe gebogen, dann in der Mitte eine große und vorher eingeweichte Kuhhaut gelegt, die Seiten nun mit den Blättern so besteckt, daß jeder darauf fallende Tropfen ab und über den Bootrand geleitet wurde, und die Carosa war fertig. Ich selber bemühte mich aber nicht viel dabei. Am Ufer trafen wir eine Unmasse von Kühen, so daß ich nicht erwarten durfte, Wild in der Nähe zu finden, und meine Hängematte deshalb zwischen ein paar Bäumen im Schatten befestigend, setzte ich meine Ruhezeit dort oben fort, bis, etwa nachmittags drei Uhr, die Leute ihre Mahlzeit gekocht hatten und wieder zum Aufbruch bereit waren. Ich selber hatte mir etwas zu essen von San Fernando mitgenommen und brauchte deshalb das gesalzene und den Aasgeiern entzogene Fleisch nicht anzurühren.

Übrigens war mit dem Neger, den wir unterhalb San Fernando als Marinero so gewissermaßen heimlich oder geheimnisvoll an Bord genommen, eine allmähliche Veränderung vorgegangen. Anfangs arbeitete er, als ob er sich die Arme ausrudern wolle, dann schonte er sich etwas für seine Familie, und zuletzt saß er stundenlang im Boot, ohne mehr als das Ruder dann und wann naß zu machen, und zupfte sich nur fortwährend an der Nase.

Ich erwähnte es gegen den Patron und fragte ihn, als was er den Mann mitgenommen. Er antwortete: »Als Marinero.« – »Aber er arbeitet nicht.« Don Pedro zuckte mit den Achseln, nichts weiter erwidernd, und ich wußte jetzt genau, woran ich war. Der Bursche hatte den unangenehm riechenden Landsmann, da er recht gut wußte, daß er von mir nie die Erlaubnis dazu bekommen würde, heimlich als Passagier mitgenommen und ihm dabei gesagt, daß er ihn als Marinero einschwärzen würde. Zu arbeiten brauche er dann nicht – höchstens so viel, als ihm nötig schien, mich glauben zu machen, daß er das Kanoe mit rudern helfe – und der Schlingel zog nicht einmal sein eigenes Gewicht.

Was wollte ich aber hier machen? In der Wildnis konnte ich ihn nicht aussetzen, trug daher Don Pedro auf, ihm zu sagen, daß er arbeiten müsse oder ich ihn nicht weiter mitnehmen würde, und ließ dann die Sache vorderhand ihren Gang gehen. Don Pedro sagte natürlich nichts.

Heute fanden wir das Ufer merkwürdig von Vögeln belebt, und dies aus dem sehr erklärlichen Grunde, daß sich hier, in der immer noch anhaltenden Dürre, wohl auf weite Entfernung hin das einzige Wasser befand und die Tiere deshalb an den Strom trieb. Besonders zahlreich vertreten war aber ein Vogel, der übrigens stets am Wasserrande seinen Wohnsitz hat, und den wir am Apure in ganz unglaublicher Menge fanden.

Es ist dies der Guacheraca de agua, ein Vogel von der Größe eines Haushuhns etwa, von Farbe rostbraun mit hübscher schwarz und weißer Zeichnung und in seinem ganzen Wesen und Bewegen unserem Wiedehopf ähnlich, dessen Krone er ebenfalls auf dem Kopfe trägt. Übrigens muß er, seinem Fliegen nach, außerordentlich leicht und soll auch ungenießbar sein, während mir mein alter Don Pedro versicherte, er würde bei gewissen Kuren mit Erfolg angewandt. Wie? wußte er freilich nicht, und ich konnte auch von niemandem weiter etwas Genaueres darüber erfahren. Übrigens fanden wir sie in großen Völkern zusammen. Es muß ein ungemein geselliger Vogel sein, denn wo wir zwanzig oder dreißig von ihnen beieinander trafen, konnten wir auch sicher darauf rechnen, dicht unterhalb wieder eine neue Kolonie und dann noch eine und noch eine anzutreffen. Ich bin fest überzeugt, daß wir mehrere Male, in Zeit von kaum einer Viertelstunde, an vier- bis fünfhundert dieser Vögel vorüberfuhren, die dicht am Wasserrande einen nicht unerheblichen Spektakel vollführten.

Wasservögel gibt es in großer Menge, Reiher, Königsfischer, Enten und anderes kleineres Zeug. Ich schoß einmal abends mit der Kugel drei Enten, die in der Kette am Ufer saßen, auf einen Schuß. Außerdem kamen aber auch andere Vögel, wie z. B. Pauchis, manchmal zum Trinken ans Wasser, besonders abends, und die Ufer waren sehr belebt.

Hier sah ich auch ein Beispiel von der so viel beschriebenen Gefährlichkeit des Kaimans. Den zweiten Abend fanden wir eine kleine Herde Rinder an einer Sandbank saufen, Ochsen, Kühe und Kälber bunt zusammengemischt, und als wir näher kamen, sah ich einen großen Kaiman auf kaum vier Schritt von ihnen entfernt an der Sandbank liegen, ohne die geringste Notiz selbst von den fast neben ihm befindlichen Kälbern zu nehmen. Die Kühe liefen fort, als wir ihnen dicht gegenüber waren, der Kaiman blieb aber noch liegen, bis wir vorüber waren, dann glitt er ebenfalls in die Flut hinein.

Bis jetzt hatten wir nur sehr langsamen Fortgang gehabt, und meine Burschen schienen keine Lust zu haben, sich übermäßig anzustrengen. Dem machte ich aber ein Ende, denn als sie am nächsten Abend beim herrlichsten Mondenschein wieder beilegen und dann wahrscheinlich die ganze Nacht auf der Sandbank schlafen wollten, sprach ich ein Machtwort und erklärte ihnen, daß wir nicht vor zwei Uhr morgens anhalten würden. Don Pedro tat auch nicht den geringsten Einspruch, und wir rückten dadurch ein tüchtiges Stück von der Stelle.

Im Mondenschein geschah es uns aber verschiedene Male, daß wir einen an der Oberfläche des Wassers schlafenden Kaiman für einen festgeschwemmten Baumstamm hielten und ihm ängstlich auswichen, bis wir dann herankamen und der faule Bursche wegsank.

Am nächsten Tage gegen zehn Uhr morgens hielten wir wieder an. Die Sonne brannte an einem vollkommen wolkenreinen Himmel wie Feuer nieder, und wir suchten am Ufer einen schattigen Platz. Mir selber aber kam es insofern gelegen, als ich gar keine Privatproviante mehr hatte und notgedrungen Wild schießen mußte und außerdem trieb es mich selber schon hinein in den Wald. Kaum war denn auch unser Kanoe gelandet, als ich die Uferbank emporkletterte, mir den Platz und das gegenüberliegende Ufer genau merkte, um die Stelle auch wiederzufinden und dann in das Dickicht eindrang, was nicht etwa so leicht war, als man sich wohl denken mag.

In einem hohen Walde hat man weniger Schwierigkeiten und eigentlich nur das Hindernis größerer Schlingpflanzen zu überwinden, da der dichte Schatten Dornranken und anderes dichtes Gebüsch nicht so leicht aufkommen läßt. Unmittelbar am Ufer jedoch, wo das Unkraut Luft und Licht genug hatte, wuchert es auch lustig empor, und da die dann und wann abbröckelnde Bank auch vielen Bäumen den Boden unter den Füßen wegzieht, daß sie durcheinander stürzen, bildet sich oft ein solches Gewirr, daß es kaum möglich ist, hindurchzudringen. Hat man aber diesen ersten Wall einmal überwunden, so kommt man auch gewöhnlich in hohes und offenes Holz und findet dann immer lichte Stellen, in denen man fort kann.

So war es auch hier. Als ich den ersten Waldrand durchbrochen, sah ich schon das Licht durch die Bäume schimmern, und fand mich hier gerade an der Stelle, wo die Llanos ganz dicht an das Ufer heranliefen.

Das ist überhaupt hier der Charakter des ganzen Stromgebietes; an beiden Ufern die ungeheure Steppe, die, wenn sie nicht in Zeiten abgebrannt wurde, ein dichtes Gewirr von hohem gelben Gras bildet, im anderen Fall aber eine freundliche grüne Fläche zeigt, während dicht am Ufer ein oft nur schmaler, oft breiterer Streifen Wald liegt, in dem sich dann gewöhnlich sehr viel Wild aufhält.

Meine Bootsleute warnten mich übrigens vor dieser Gegend und baten mich, vorsichtig zu sein, und nicht etwa der Tiger wegen, von denen sich hier nur selten einer zeigte, sondern, weil sich eine Bande Gesindels gerade in dieser Gegend herumtreiben sollte, die mehr vom Viehdiebstahl als irgend einer anderen Beschäftigung lebte. Sie gehörte auch keiner bestimmten politischen Partei an – die alte Geschichte –, sondern neigte sich bald auf die, bald auf jene Seite, wie es ihr gerade unter Umständen paßte. Ich schnallte wenigstens meinen Revolver um und brauchte mich – außerdem mit meiner Doppelbüchse und meinem Messer – wohl kaum vor ihnen zu fürchten.

Die Llanos – ganz ähnlich wie die amerikanischen Prärieen – boten einen gar freundlichen Anblick. Überall darin zerstreut lagen kleine Gruppen von Bäumen, oft kleine Wälder, und zwischen ihnen, da und dort – grasten Rinder oder lagen auch auf dem grünen Plan im Grase. Wild sah ich übrigens hier draußen nirgends, beschloß aber doch, nach einer der Baumgruppen hinüberzugehen, wo es sich vielleicht im Schatten niedergetan. Nachher konnte ich auch wieder in einem weiten Bogen am Strome hinab und gegen den Wind aufpirschen.

Zwischen den Bäumen fand ich kein einziges Stück Wild, zog aber doch quer hindurch und betrat auf der anderen Seite kaum wieder den offenen Boden, als ich mich auch zwei Reitern gegenüber fand, die in voller Karriere an den Waldrand – und auf dem weichen Boden unhörbar – herangesprengt kamen. Bewaffnet waren sie ebenfalls. Der eine trug eine Lanze, der andere einen Revolver im Gürtel und beide Degen, wie man das sehr häufig findet. Als sie mich sahen, parierten sie rasch und plötzlich ihre Pferde, und einer von ihnen trabte gegen mich an, war aber sehr freundlich, als er sah, daß ich ruhig meine Büchse von der Schulter genommen und gespannt hatte, und fragte nur, wo ich herkäme und wo ich hinwollte. Ich weiß nicht, weshalb es ihn interessierte, sagte ihm aber gerade so viel, als er zu wissen brauchte, und nur, als er sich noch erkundigte, wo mein Fahrzeug läge, erwiderte ich ihm kurz, daß ihn das wohl nicht kümmere. Er schien die Antwort auch gar nicht übel zu nehmen, sondern eher natürlich zu finden, lachte und drehte sich nach seinem Gefährten, der hinter ihm hielt, um. Ich gefiel ihnen aber wahrscheinlich nicht. Daß ich ein Fremder war, konnten sie leicht hören; den Feuerwaffen gegenüber, mit denen sie selber nicht besonders umzugehen wissen, sind sie ebenfalls schüchtern, und dann blieb es außerdem noch die Frage, ob sie überhaupt etwas Böses im Schilde führten. Wenige Minuten später verfolgten sie wieder ihren Weg den Strom hinab und an dem Waldstreifen hin, den man deutlich auf Leguas entfernt erkennen konnte. Vielleicht habe ich ihnen in Gedanken unrecht getan, aber draußen in einer solchen Wildnis ist man lieber zu vorsichtig, als zu vertrauensvoll, denn Burschen, die wirklich böse Hintergedanken haben, sind überhaupt gegen den ehrlichen Menschen stets im Vorteil, da sie angreifen, wenn ihnen die Zeit passend erscheint.

Ich setzte indessen meine Jagd fort, kreuzte etwa eine Legua die Llanos in der brennend heißen Sonne, ohne irgend etwas Lebendiges zu finden, als eine jener Landschildkröten, die allerdings gegessen werden, mit der ich mich aber nicht schleppen wollte, und betrat dann wieder den dichten Wald, in dem ich mit gutem Winde nach der Stelle zurückpirschen konnte, wo das Kanoe lag.

Hier gab es Wild. Ich war kaum 50 Schritt darin gegangen, wobei ich in dem dürren Laube mehr Geräusch machte, als sich mit einem Pirschgang verträgt, da sprangen schon zwei Stück Wild vor mir auf, aber allerdings so im Dickicht drin, daß ich sie nicht zum Schuß bekommen konnte. Von da ab ging ich vorsichtiger, und nach kaum einer Viertelstunde hatte ich einen prächtigen jungen Bock erlegt, von dem ich aber nur die besten Teile ausschnitt und mit zum Boote nahm. Das Wildbret hielt sich ja doch nicht so lange in der Hitze, und ich sah wohl, daß ich in dieser Gegend mit leichter Mühe erlegen konnte, was wir brauchten. Ich hätte auch noch recht gut, bis ich das Kanoe erreichte, ein zweites Stück schießen können, obgleich ich jetzt nichts weniger als vorsichtig ging, aber mutwillig totschießen mochten ich auch nicht und begnügte mich deshalb mit dem, was ich hatte.

Den nächsten Tag schoß ich wieder einen Hirsch, fand auch diesmal schon Tigerfährten im Walde, und zwar von einer alten Tigerin mit ihrem Jungen, die mir freilich leider nicht zu Gesicht kamen. Übrigens war der Wald dort ungemein belebt, und wenn ich auch nicht darauf ausging, nur totzuschießen, wozu ich hier die beste Gelegenheit gehabt, sah ich doch eine Masse verschiedener Tiere. Hier fand ich auch zum erstenmal den weniger schönen als prächtigen Arras in kleinen Schwärmen, denn einzeln hatte ich sie auch schon in den Llanos angetroffen, Papageien in Masse, ebenso verschiedene Trupps Affen, und als ich mich eine Weile unter einen Baum setzte, um auszuruhen, spazierte ein Leguan, eine jener großen Eidechsen, ohne mich zu sehen oder zu wittern, ganz vertraulich an mir vorüber.

Schlangen, von denen ich viel reden gehört, traf ich gar nicht an, obgleich ich ihre gewundenen Spuren manchmal im Sande fand. Auch die Boa constrictor kommt hier vor, ist aber wohl nur sehr selten. Kleine Eidechsen, Chamäleons und dergleichen gibt es aber in einer wahren Unmasse, und für den Jäger sind besonders diese gerade störend, weil sie alle Augenblicke im Laube rascheln und hin und wieder fahren, so daß man stets glaubt, es stände dort ein größeres Wild.

Am vierten Tage endlich, nachdem wir eigentlich mehr Zeit auf den Apure gewandt, als ich früher für nötig gehalten, näherten wir uns der Mündung, und diese sollte gerade der Hauptplatz für Tiger sein. Ich ließ auch deshalb mein Kanoe etwa um zwei Uhr mittags anlegen, um den ganzen Nachmittag und Abend für die Jagd zu haben.

Zeichen, daß sich dort Tiger aufhielten, fanden wir, sowie wir nur die Playa oder Sandbank betraten, denn gleich dort, wo unser Kanoe anlief, lagen die Überreste einer ziemlich großen Schildkröte, die ein Tiger überrascht, voneinander gerissen und dann verzehrt hatte. Selbst die Eindrücke von dessen Tatzen im weichen Sande, in den sie sich tief eingebohrt hatten, waren noch deutlich zu erkennen, und als ich nun über die Sandbank hinweg nach dem Ufer ging, fand ich noch die Spuren eines etwas kleineren, der wahrscheinlich scheu um den Platz herumgegangen war, als der größere seine Beute verschlang.

Ich habe wirklich Unglück mit Tigerjagden, denn obgleich ich mich auf diesen Platz besonders vorbereitet, meine beiden Büchsenläufe vorher abgeschossen und wieder frisch geladen hatte, meinen Revolver dazu umgeschnallt und mein langes, schweres Messer im Gürtel trug, kam ich an dem ganzen Tage nicht ein einzigesmal, wenigstens auf keinen Tiger, zum Schuß. Der Wald war hier allerdings auch entsetzlich verwachsen, so daß ich an vielen Orten Mühe hatte, nur durchzukommen. Aber Tiger gab es hier, das ließ sich nicht leugnen. Keine einzige offene Stelle fand ich auf dem ganzen Terrain, auf dem sich nicht große und kleine Tigerfährten gezeigt hätten. An einer schmalen Lagune traf ich sogar ein Lager, das sich ein ziemlich großer Bursche mitten in einer Art von Rohrbruch gemacht, denn eine Menge von Knochen mit einem Hirschkopf, der ein ziemlich kräftiges Geweih trug, lag darin. Aber wo war der Tiger?

Oft hörte ich etwas bald rechts, bald links durch die Büsche brechen, konnte aber nie genau erkennen, was es eigentlich war, noch viel weniger schießen. Selbst auf dem Anstand blieb ich, bis es stockdunkel geworden, am Rande einer kleinen Schlucht, wo ich einen ziemlich offenen Raum übersehen konnte, und durch welche überhaupt ein Wechsel dieser Raubtiere lief – alles vergebens. – Nicht einmal einen Hirsch sah ich hier, die sich eben auch nicht besonders wohl in der Nachbarschaft so vieler Tiger fühlen mochten und die Gegend sicher verlassen hatten.

Erst bei Mondenschein, als ich drinnen im Dickicht doch kein Büchsenlicht mehr hatte, verließ ich den Platz, um nach dem Ufer zurückzukehren. Ich kannte genau die Richtung, die ich zu nehmen hatte, muß aber gestehen, daß ich meinen Revolver dabei in die Hand nahm, denn ich traute doch nicht ganz, ob nicht eine oder die andere dieser blutgierigen Bestien – wenn ich auch fest überzeugt bin, daß sie es nicht tun – auf mich einspringen möchte. Was für schreckliche Geschichten hatte mir dabei mein alter Neger von diesen Tieren erzählt, wie denn überhaupt die ganze Schiffsmannschaft, wenn sie einmal davon anfing, gar nicht wieder aufhören konnte, denn einer wußte noch immer haarsträubendere Tatsachen anzugeben als der andere. Es geschieht das aber immer von solchen Leuten, die sich selber nicht allein in den Wald hineingetrauen, und gerade so viel Mordanfälle wußten sie in Chile damals von dem sogenannten Leon oder Puma zu berichten, und doch gibt es kaum ein furchtsameres Raubtier als eben diesen.

Es existieren allerdings Beispiele, wo Tiger Menschen angefallen haben; auch sogenannte Menschenfresser unter ihnen, denen der Mensch vielleicht eine Delikatesse ist. Aber im ganzen, und besonders in diesen wilden, kaum je von einem Jäger durchstreiften Ländern bin ich fest überzeugt, daß man Tag für Tag im Walde umherstreifen könnte, ohne von einer solchen Bestie auch nur im geringsten belästigt zu werden. Ja, man bekommt sie nicht einmal zu Gesicht, denn der Tiger ist zu scheu, und wo er den Schritt eines Menschen hört, zieht er sich in solche Dickichte zurück, daß eine Verfolgung ganz unmöglich wäre.

Ich fühlte mich aber trotzdem auf dem Weg bis zum Strande nicht ganz behaglich, noch dazu, da ich alle Augenblicke in irgend einer Schlingpflanze oder dornigen Ranke hängen blieb und dann für Momente nicht einmal den freien Gebrauch meiner Arme hatte. Der Weg nahm dabei kein Ende, denn mehrmals mußte ich Dickichte umgehen, die ich in der Nacht nicht hätte kreuzen können und mögen, und es war wenigstens acht Uhr, bis ich endlich, etwa 200 Schritt unter dem Kanoe, die Uferbank wieder erreichte und jetzt mein Fahrzeug anrufen mußte, denn ich wußte nicht mehr, ob ich mich oberhalb oder unterhalb desselben befände. Glücklicherweise konnte ich, als sie mir von dort endlich antworteten, wenigstens über die Playa hin zu dem Platze hinüberkommen, denn dem Ufer folgend wäre es, noch dazu im Dunklen, eine böse Arbeit gewesen, und Don Pedro, mein alter Neger, machte mir hier die zärtlichsten Vorwürfe. Er sagte, er hätte sich meinetwegen schon entsetzlich geängstigt und sei fest überzeugt gewesen, daß mich ein Tiger gefressen habe. Er beteuerte auch, daß er mich unter keiner Bedingung wieder allein in den Wald lassen wolle – »noch dazu bei Mondenschein«. – Er selber ging aber auch nicht mit, und ich blieb von da ab doch auf meine eigene Gesellschaft angewiesen.

Als ich zum Kanoe zurückkam, gingen wir wieder unterwegs, um die Mündung des Orinoco noch zu erreichen und dort dann zu schlafen. Als wir aber an jener Stelle, wo ein paar Hütten standen, etwa um vier Uhr morgens anlangten, trafen wir eine stromaufkommende Lancha, mit einem Verwandten Don Pedros darauf, und dieser gab uns den guten Rat, die ruhige Nachtzeit ja nicht zu versäumen, sondern ohne weiteres in den Hauptstrom hineinzuhalten. Täten wir es nicht, so könnten wir vielleicht gezwungen sein, den ganzen nächsten Tag hier liegen zu bleiben und zu warten, bis sich der bald nach Sonnenaufgang eintretende Wind gelegt habe – denn hier, über das weite niedere Land und die ungeheure Wasserfläche der beiden Ströme, wehte es oft einen halben Sturm herüber.

Wir konnten deshalb nichts Besseres tun, als diesen sehr vernünftigen Rat befolgen.


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