Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[189] An Frau von Epinay

Neapel, den 9. Juni 1781

Ihr entzückender Brief traf im Augenblick ein, da ich in den Wagen steigen wollte, der mich nach Rom brachte. Er war wunderbar dazu geeignet, meine Fahrt durch die pontinischen Sümpfe heiter zu machen. Ich habe ihn vier- oder fünfmal gelesen, und immer mit Entzücken. Als ich vergangenen Samstag wieder hier ankam, hatte ich keine Zeit, um am gleichen Tag darauf zu antworten; ich tue es jetzt.

Caraccioli kam vorgestern, am Donnerstag, hier an. Es geht ihm im allgemeinen sehr gut, ein gewisses linkes Bein ausgenommen, dessen Bau sehr linkisch und sehr von dem des rechten Beins verschieden ist. Trotz dieses Konstruktionsfehlers könnte der Bau noch einige Jahre aushalten, solange es nötig ist, um in Sizilien Gutes zu wirken. Er spricht in einem fort von Paris; aber er wird sein Leben weit von Paris entfernt verbringen, und wenn man fortfährt, Dummheiten in Frankreich gegen seine besten Freunde zu begehen, wird auch er, ganz wie ich, darankommen, Frankreich nicht zu vermissen; er wird seine Pariser Freunde vermissen. Er hat noch gar nichts ausgepackt; deshalb ist Ihr Buch noch nicht in meinen Händen. Ich brenne vor Ungeduld, es zu lesen, und ich danke Ihnen auch tausendmal für das Werk über den Wert des Geldes.

Von Grimm habe ich zwei Briefe erhalten: den einen aus Rom, zugleich mit dem Ihrigen, den ändern diese Woche. Die Neuigkeit von der Entlassung des Herrn Necker bringt mich in so schlechte Laune, daß ich ihm nicht antworten mag. Ist es unmöglich, weder ein aufgeklärtes Jahrhundert, noch eine fügsame Nation, noch einen mutigen Fürsten, noch Zeit und Augenblick zu finden, da ein großer Mann seine Stellung bewahren kann? Was soll denn das heißen? Muß es denn ein ewiges Gesetz geben, das seit dem Apfel unseres teuern Urvaters Adam die Menschen in die Hände der Bösewichter und Dummköpfe gibt und den Helden für immer ausstößt? Wenn es ein solches Gesetz gibt, muß man sich voll Ergebung beugen; wenn es nicht existiert, verfluche ich die Parlamente, die Intendanten, die Intriganten, die Kabalanten und die Ignoranten, weil sie diesen Mord begangen haben.

Übrigens: Caraccioli weiß nichts von der Broschüre, die unter seinem Namen gegen Herrn Necker erschienen ist. Es wäre interessant, sie zu lesen. Grimm wird ihm ein großes Vergnügen machen, wenn er sie ihm schickt.

Ich freue mich außerordentlich über Ihre auferstehliche Kraft; wenn sie andauert, werden Sie zuletzt meine Prophezeiung erfüllen, die, wie Sie wissen, dahin lautet, daß Sie sich allmählich in einen Schinken verwandeln und ausgetrocknet und gesund bis ins höchste Greisenalter gelangen werden.

Eben kommt Besuch und unterbricht mich. Auf Wiedersehen; auf Samstag. Leben Sie wohl.


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