Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

[36] An Frau von Epinay

Neapel, 19. August 1770

Verdammte Kolik! Warum quält sie nicht den Merlin? Bezahlt übrigens dieser Merlin wenigstens die 200 Livres monatlich? Sie haben mir manches Mal geschrieben, Sie würden mich benachrichtigen, wenn er bezahlt hätte, aber Sie haben niemals das Wort ausgesprochen: Er hat bezahlt. Wenn Sie Herrn Nicolai das Geld für gewisse Besorgungen zahlen könnten, so würden Sie mir ein großes Vergnügen machen.

Sehr gut! Der Generalkontrolleur erhebt Einspruch gegen die Freiheit der Presse, während das Parlament die Freiheit der Menge bestraft. Was für ein Jahrhundert! Was für Sitten! wird Panurg schreien, und das mit Recht. Ich für mein Teil muß gestehen, daß ich mich nicht enthalten kann, Panurg und sein Schicksal zu beklagen. Was? Es war allen Flegeln erlaubt, mir alle erdenklichen Grobheiten zu sagen, und einem studierten und geistvollen Manne wird's verboten, mich auch nur ein bißchen aufzuziehen? Sie werden sich erinnern, daß Panurg mir selbst in aller Freundschaft schrieb, er wolle mich in seinem Buch aufziehen; er müsse das tun, um seiner Ware Absatz zu verschaffen. Ich hatte ihm auch alles erlaubt, was ihm gut schiene, um Geld in seine Tasche zu bringen. Ich gestand ihm also aus Mitleid das Recht zu, mich zu verspotten. Es ist das billigste Almosen, das ich je in meinem Leben gegeben habe; aber der arme Mensch hat noch nicht einmal Nutzen davon gehabt. Pfui über den Generalkontrolleur! Warum nicht gestatten, daß man von Schwarzbrot redet, wenn man nur zu glücklich ist, welches zu haben?

Aber lassen wir das und sprechen wir vom Fatalismus. Diese großen Systeme kranken an einer irrtümlichen Voraussetzung und zwar von dem Augenblick an, wo man sie aufstellte. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß die ganze Welt im Einklang sei, ohne dessen gewahr zu werden. Ja, ohne Zweifel, diese Welt ist eine große Maschine, die aus Notwendigkeit sich bewegt und geht; aber aus wieviel Rädern besteht diese Maschine? Danach forscht niemand, niemand erklärt es, niemand denkt auch nur daran, diese Frage aufzuwerfen. Ist ein anderes Hauptrad vorhanden, außer den physischen Gesetzen der Bewegung der groben Materie und den physischen Gesetzen der Bewegung der feinen Materie, die wir Geist nennen? Sind uns alle diese Materien und alle diese Gesetze bekannt? Kurz, gibt es andere Geister als den menschlichen Geist, den wir kennen? Gefälschte Würfeln fallen nach Naturgesetzen wie nicht gefälschte, aber sie fallen anders. Ebenso ist es mit allen anderen Ereignissen. Man müßte alle Triebfedern kennen.


 << zurück weiter >>