Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[157] An Frau von Epinay

Neapel, den 9. Dezember 1775

Madame,

Ihre Tochter, die zum mindesten ebenso besorgt um mich als um Sie in Ihrer Krankheit war, teilt mir soeben mit, daß ich wieder anfangen kann, an Sie zu schreiben, weil allem Anschein nach mein Brief Sie in bestem Wohlbefinden antreffen wird; stimmt das nicht, so machen Sie es mit ihr aus. Tatsächlich bin ich entzückt, daß ich Ihnen wieder schreiben kann; denn die Pause war etwas lang und ich bekam schon Angst; aber denken wir nicht mehr daran. Tatsache ist, daß ich nicht weiß, womit ich beginnen soll; denn alle Fäden unserer Zwiegespräche sind zerrissen oder locker geworden mit der Zeit. Fangen wir also mit dem richtigen Ende an, und dies ist immer das Geld. Ich schulde Ihnen Geld und Dank. Meine Dankesbezeigungen zahle ich Ihnen auf der Stelle heim; nehmen Sie tausend, zehntausend, eine Million in Empfang. Es war sehr schön von Ihnen, in Ihrer Krankheit: an meine Hemden zu denken. Die Geldgeschichte ist nicht so rasch erledigt. Ich wollte an Caraccioli darüber schreiben; aber er empfängt nur Geld von Neapel und zahlt niemals welches hierher zurück. Ich könnte die Ankunft des Herrn von Clermont abwarten; aber sie zieht sich vielleicht hinaus. Also wird der kürzeste und sicherste Weg der sein, Ihnen diese 137 Lire 8 Soldi durch einen Wechsel zukommen zu lassen, und das gedenke ich im Lauf der nächsten Woche zu tun. Gedulden Sie sich also ein bißchen.

Gleichen ist in Mailand. Er wird also den Strohsessel vor mir sehen. Ich erwarte diesen alten Sessel mit der äußersten Ungeduld, um ihm meine Arbeit über Horaz vorzulegen, die ihm sicherlich viel Freude machen wird.

Ich hatte Ihnen geschrieben, daß ich eine komische Oper »Sokrates« in Musik hatte setzen lassen, und daß mir diese Arbeit unendlichen Spaß gemacht hatte. Darauf sind Sie krank geworden, und ich habe Ihnen nicht mehr davon gesprochen. Ich muß Ihnen daher mitteilen, daß dieses Stück den glänzendsten Erfolg gehabt hat; es ist auf ausdrücklichen Befehl Seiner Majestät verboten worden, nachdem man es sechsmal öffentlich und selbst einmal bei Hofe gespielt hatte. Dies war noch nicht in Italien passiert. In Frankreich wurde dem einzigen »Tartüffe« diese Ehre zuteil. Stellen Sie also den »Sokrates«, was den Lärm, die Kabalen, die Intrigen und die zutage getretenen Bosheiten betrifft, mit dem »Tartüffe« auf eine Stufe. Derart ist meine Stellung hier und das Entsetzen, das mein Geist in den Schädeln aller Dummköpfe hervorruft; beneiden Sie mich und bedauern Sie mich nicht, denn diese Geschichte hat mir gar nicht geschadet. Sie können sich all die Deutungen, die man dem Stücke unterschob, und all die Anspielungen, die man darin fand, gar nicht denken. Von der Apokalypse abgesehen, hat nie etwas so drollige Kommentare erfahren. Ich will sterben, wenn ich von dem, was man in meinem Werke finden wollte, selber etwas wußte. Indessen hat man das Libretto nicht verboten; aber wenn ich es Ihnen schickte, würde es Ihnen nicht gefallen. Leben Sie wohl.


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