Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[31] An Frau von Epinay

Neapel, den 27. Juli 1770

Diese Woche empfing ich aus Paris keinen andern Brief als den Ihrigen; dazu merkt man ihm noch Ihre Migräne an, und so elektrisiert er meine Seele nicht.

Sie haben mir nicht gesagt, was aus meiner Antwort an den Grafen Schomberg geworden ist. Ist sie angelangt? Haben Sie sie gelesen? Haben Sie eine Abschrift davon? Ich habe einen schönen Brief vom Philosophen erhalten, aber mir fehlt die Zeit, ihm heut abend zu antworten. Ich hatte den Auszug meiner Dialoge erhalten, den Fréron in seiner Année littéraire veröffentlichte. Der Verfasser dieses Auszuges ist (wie er mir selbst sagt) Herr Abbé Rousseau, der Erzieher des Sohnes des Herrn d'Aiguillon. Das hat mir das Geheimnis erklärt. Wie war es möglich, daß Fréron so gut von meinem Buche sprach? Es war nicht er, der sprach: Non enim vos estis qui loquimini, sed etc.

Daß das Ministerium, wie Sie mir sagen, angeordnet hat, mein Buch fortwährend zu loben und die Ökonomisten anzugreifen, wundert mich durchaus nicht. Ich bin immer überzeugt gewesen, früher oder später werde das Ministerium den Dienst anerkennen, den ich ihm geleistet habe, indem ich mich aufopferte, um einen Haufen der schamlosesten und unehrlichsten Fanatiker zu entlarven und ihren albernen Ehrgeiz und ihre aufrührerischen Pläne ans Licht zu ziehen. Niemals aber hätte ich geglaubt, daß Herr Sartine, unser guter Freund Sartine, unser unvergleichlicher Sartine, erlauben würde, gegen mich so scheußliche Unflätereien und so empörende Anekdoten drucken zu lassen. Haben Sie die Récréations économiques gelesen? Lesen Sie den sechsten oder siebenten Brief; lesen Sie, was er vom Affen des Abbé G. sagt. Bemerken Sie, daß der Verfasser seinem Buche den Stempel der Glaubwürdigkeit verleiht, es mit seinem Namen zeichnet und verspricht, mir und dem Publikum gegenüber einzustehen. Ich bin weit entfernt, mich über eine, über alles Lob erhabene Gemeinheit zu beklagen oder auf die über jede Glaubwürdigkeit hinausgehenden Ungereimtheiten zu antworten, die sich in dem Buche finden; aber ich möchte, daß Sie ernstlich darüber mit Herrn von Sartine sprächen.

Ich denke, die Ökonomisten müßten sich damit begnügen, daß sie den Franzosen das Brot knapp gemacht haben, und brauchten nicht noch darauf hinzuarbeiten, eine Nation, die höflicher und liebenswürdiger ist als irgend eine andere, auch noch um Gesittung und Anstand zu bringen. Ich bitte Sie, Herrn von Sartine darauf aufmerksam zu machen, daß aus der Art, wie diese Récréations gedruckt worden sind, unumstößlich hervorgeht, daß die Polizei die scheußliche Verleumdung gutheißt, die nicht gegen den Chevalier Zanobi, sondern gegen den Abbé G. geschleudert wird. Wenn die Polizei die ungereimtesten Verleumdungen billigt, so habe ich nichts weiter zu sagen; wenn aber Herr von Sartine darüber ärgerlich und wütend ist, wie ich es mir denke, so bitte ich Sie, ihn in meinem Namen zu fragen, ob er mir in Paris bei der Stellung, die ich einnahm, die Genugtuung abgeschlagen hätte, den Abbé Roubaud nach dieser Leistung für ein paar Wochen nach Fort l'Évêque zu schicken. Ich glaube, ob fern, ob nah, ich bin immer derselbe Abbé G. Endlich will ich Ihnen gestehen, was mir bei dieser Geschichte einen Stich gibt: nämlich, daß ich mir diesen Biß des Affen Roubaud gerade dadurch zugezogen habe, daß ich Herrn von Sartine gegen die verleumderischen Beschuldigungen der Ökonomisten verteidigen wollte. Die Ökonomisten, Abbé Baudeau an der Spitze, verbreiteten im Dezember 1768 gegen ihn in Paris die Anklage, er und Herr von Choiseul wären schuld an den hohen Getreidepreisen. In dieser Absicht wurde das schöne Buch Avis aux honnêtes gens veröffentlicht. Herr von Sartine weiß das. Herr von Sartine wird sich erinnern, daß ihm das Buch schlaflose Nächte bereitete; daß er seine ganze Geduld und Tapferkeit der Unverschämtheit des Abbé Baudeau entgegensetzen mußte, der die Stadt aufrührerisch machte und mit seinem Schwarzbrot, seinem Gift und seinen Erfahrungen in der ganzen Stadt hausieren ging. Braucht nun derselbe Herr von Sartine durch seine Zensoren zu billigen, daß gegen den einzigen Verteidiger des Herrn von Sartine Bosheiten geschleudert werden?

Sie werden mir sagen, man müsse so etwas verachten. Davon weiß ich nichts. Aber ich weiß, daß eine Nation sich nur durch Beachtung der Anstandsregeln aufrecht erhält, und ich weiß auch, daß ohne die Tugenden der Duldsamkeit, der Verzeihung von Beleidigungen und anderm Pfaffenfirlefanz die Römer das größte aller Reiche gründeten. Ich weiß, daß mit ihren so ganz anderen Grundsätzen die Modernen überall Knirpse und Schweine geblieben sind. Guten Abend schöne Frau; die Scherze folgen heute in acht Tagen. Leben Sie wohl.


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