Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[59] An Frau von Epinay

Neapel, den 23. Februar 1771

... Grimm ist nicht so sehr mein warmer Freund, wie er sich rühmt; denn wenn er so warm wäre wie ein Backofen, würde er mir was Selbstgebackenes schicken.

Auf Madagaskar gibt es Menschen, deren Moral besser ist als ihr Gedächtnis. Um sich an Gründe zu erinnern, die sie reiflich erwogen haben, benutzen sie Ruten. Wir drucken Berichte und Druckschriften, und das läuft auf dasselbe hinaus. Fragen Sie Ihren Freund, ob die Richter alt oder jung waren. Ich möchte wetten, es sind die ältesten Herren der Gegend. Übrigens ist diese Geschichte von Madagaskar nicht wunderbarer als die von den Räten desselben Landes, die in Krügen beratschlagten, und man fand, daß in Europa noch viel seltsamere Ratsversammlungen abgehalten würden. So findet man in Europa auch Urteile, wobei dem Richter statt Ruten Säcke mit harten Talern vorgesetzt werden. Sie setzen diese Taler bald links, bald rechts, ermessen das Mehr oder Minder, das Für oder Gegen mit harten Talern; schließlich wird gewogen, und das Gewicht entscheidet, wer recht hat. Alles in allem genommen, kommt es gar nicht darauf an, ob der eine oder der andere auf dieser Welt recht bekommt. Die Hauptsache ist, eine Entscheidung zu fällen; denn schließlich muß man doch zum Mittagessen gehen, Richter sowohl wie Parteien. Ich möchte Ihnen noch mehr darüber sagen; aber da Sie mir auf alles, was ich Ihnen schreibe, niemals etwas antworten, so machen Sie mich irre. Ich habe Ihnen zwei Denkschriften für Herrn de Sartine geschickt, was haben Sie damit gemacht? Was machen Sie mit meinem »Radau«? Was machen Sie mit Merlin? Was machen Sie mit tausend anderen Sachen, die ich Ihnen schon sagte oder noch zu sagen habe? Ihre Kammerzofen interessieren mich; ich liebe es nicht, daß man stirbt. Wirklich, ich kann mich nicht daran gewöhnen. Guten Abend. Tausend Grüße an alle meine Freunde.


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