Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Dritter Teil. Meisterjahre
Max Eyth

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52.

Berlin, den 12. Januar 1887.

Die sechs Weihnachtsfeiertage in der alten Heimat waren Goldes wert. Hoffentlich habe ich während derselben so viel Kraft, Mut und Geduld angesammelt, daß mir der Vorrat bis in den Juli hinein reicht.

Hier erwartete mich Erfreuliches und Ärgerliches in Menge. Die kommende Ausstellung fängt an, die Gemüter lebhaft zu erregen. Die Stadt Frankfurt, Vereine und Körperschaften in verschiedenen Landesteilen, selbst hohe Regierungen, wo sie die landwirtschaftlichen Vereinsangelegenheiten in Händen haben, stiften Preise, so daß uns hierfür schon 50 000 Mark zur Verfügung stehen, ohne daß unserseits eine einzige Bittschrift geschrieben wurde. In diesem Punkt bleibe ich unerbittlich und weiß, weshalb. Auch sehen andre jetzt, was die beste Form von Bittschriften ist: Handeln, ein wenig eignes Geld und eigne Arbeit opfern; dann kommt das, was eine gute Sache braucht, wie von selbst. Allerdings machen auch unsre Wohltäter zunächst verzweifelte Versuche, die Sache so einzurichten, daß die von ihnen gestifteten Summen ihren eignen Leuten wieder zufließen, und sind entsetzt, wenn ich darauf nicht eingehe. Es versteht sich eigentlich von selbst, daß unsre Prämiierungen nur dann Sinn haben, wenn sie einen Wettbewerb aller gegen alle, ohne Rücksicht auf politische Landesgrenzen innerhalb Deutschlands, herbeiführen. Geld, das uns unter andern Bedingungen angeboten wird, muß zurückgewiesen werden. Ich hatte dies der hessischen Regierung gegenüber zu tun. Die »jenseitige« Verwunderung war nicht klein. Doch hoffe ich noch, die hohen Herren werden ein Einsehen haben und uns ihre 500 Mark in annehmbarer Weise überlassen.

Sodann sind wir bemüht, die erforderlichen Preisrichter, etliche siebzig Herren, zusammenzutrommeln. Schon zum voraus, ehe irgend etwas entschieden war, begannen meine lieben süddeutschen Landsleute zu klagen, daß man sie sichtlich hintansetze. Du kannst Dir denken, wie ich mir Mühe gebe, in dieser Hinsicht das Zünglein der Gerechtigkeit frei spielen zu lassen, und ich muß betonen, daß bei den Norddeutschen die bereitwilligste Zustimmung herrscht, wenn ich es ein wenig nach Süden hin drücke. Allein von den siebzig Aufforderungen, die ich nach allen Himmelsgegenden aussandte, ergab Norddeutschland rund siebzig Prozent Absagen, Süddeutschland fast genau ebensoviele Ablehnungen. Nachträglich sind uns entrüstete Gefühlsausbrüche sicher: daß süddeutsche Männer und süddeutsche Urteile nicht die genügende Berücksichtigung gefunden haben. – Ein rätselhaftes Volk! –.

Die Beitrittserklärungen aber wachsen, auch aus dem Süden. Daß wir unsre erste Ausstellung am Main, wenn auch auf dem falschen, rechten Ufer abhalten, rührt sie doch. Für die Gesellschaft – so viel wird immer klarer – sind die Wanderausstellungen, wenn sie zur Tat werden, wie geplant, ein Lebenselement. Nur gemeinsame Arbeit kittet Menschen aneinander, und die bringen wir, wo immer sich unsre Zelte erheben werden. Ich spüre dies schon jetzt in allen Gliedern.


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