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»Meisterjahre« hat Max Eyth den Schlußband seines Lebensbuches »Im Strom unsrer Zeit« genannt, in dem er hauptsächlich die Gründung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, ihre Organisation und ihre ersten Ausstellungen behandelt. Eyth wollte in allzu großer Bescheidenheit das Wort »Meister« nur im Sinne des alten Zunfttitels verstanden sehen. Aber daß auch die Tat, von der die folgenden Blätter erzählen, eine wahre Meisterleistung gewesen ist, wird heute in allen deutschen Gauen von allen, die an der Förderung der Landwirtschaft mitarbeiten, freudig anerkannt. Das Verständnis aber für die Bestrebungen der großen Gesellschaft ist auch bis tief in die städtischen Kreise gedrungen und hat dort landwirtschaftlicher Arbeit, dem Wissen und Können der Landwirte wachsende Anerkennung gebracht. Hat er so unserm ganzen Vaterlande eine vom wirtschaftlichen Standpunkte gar nicht hoch genug einzuschätzende wertvolle Gabe dargebracht, so ist seine Gründung auch noch in andrer Weise als eine nationale Tat zu bezeichnen. Eine deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft hat er schaffen wollen. Landes- und Bezirksgrenzen gab es für ihn nicht; alle deutschen Männer sollten zur Mitarbeit berufen sein, und aus den großen Ausstellungen, die regelmäßig das ganze Reich durchwandern, sollten sich Nord und Süd, Ost und West, Stadt und Land die Hand reichen. Eine neue Brücke wollte er über den Main bauen, und wer je die Ausstellungen besucht hat, wird gesehen haben, wie trefflich ihm das gelungen ist.
Wenn man heute zurückblickt, muß man die Zeit, in der der Grundstein zu dem Gebäude gelegt wurde, als in vielen Beziehungen glücklich für eine derartige Gründung ansehen: auf der einen Seite das schwere Ringen der deutschen Landwirtschaft gegen die Ungunst der Verhältnisse und auf der andern die Riesenfortschritte, die Wissenschaft und Technik ihr ermöglichten.
Der Austausch von Gedanken und Erfahrungen, von Erfolgen und Mißerfolgen ist seit langer Zeit zur Gewohnheit der Landwirte aller Länder geworden; aber um das alles fruchtbringend zu machen, fehlte in Deutschland der feste Boden einer großen unabhängigen Vereinigung. Die Mißerfolge vergangener Jahrzehnte auf dem Gebiete des landwirtschaftlichen Vereins- und Ausstellungswesens hatten selbst bei den Besten eine Hoffnungslosigkeit der Stimmung hervorgebracht, die schwer zu überwinden war. So fand Max Eyth gerade in denjenigen Kreisen, auf deren Unterstützung er vor allen Dingen gehofft und gerechnet hatte, nicht das erwartete Verständnis. Man mißtraute ihm sogar als dem Engländer und befürchtete, daß er noch im Solde Fowlers stehe und die deutsche Landwirtschaft lediglich mit englischen Maschinen und Fowlerschen Dampfpflügen beglücken wolle. Aber um Widerstände zu überwinden und mit Zähigkeit an einem gefaßten Plane festzuhalten, dazu war gerade Max Eyth, wie wir sehen, der rechte Mann.
Unsre Gesellschaft kann sich glücklich schätzen, daß ihr unvergeßlicher Begründer selbst hier ihre Geschichte geschrieben hat. Eyth erzählt seine Erlebnisse mit dem ihm eignen feinen Humor, mit dem glücklichen Blick für das Komische der Situation auch in den ernstesten Augenblicken, mit dem scharfen Auge für die kleinen Schwächen der Menschen. Wer es glaubt tadeln zu müssen, daß er sich nicht scheute, selbst die Freunde, deren Arbeit und Unterstützung, deren Fleiß und Treue an seinem Werk er am wärmsten anerkannte, auch gelegentlich in leichtem Scherz zu ironisieren, weiß nicht, daß der schwäbische Schelm ihm immer im Nacken saß, weiß aber auch nicht, daß er solche kleinen Neckereien nur mit Leuten, die ihm Achtung einflößten, zu treiben pflegte.
Jeder, der es noch miterlebt hat, wird, wenn er die nachfolgenden Aufzeichnungen liest, wieder hineingerissen in die Zeit von Sturm und Drang, in der noch alles im Werden war. Die einfachsten Briefe fesseln, als wenn man einer dramatischen Handlung folgte, die nach Wirkungen und Gegenwirkungen schließlich zum befriedigenden Abschluß kommt. Eyth sagt von sich selber, daß er eine Art erratischer Block gewesen sei, der sich festgesetzt habe, wo das Treibeis des Lebens ihn hingeführt, da das aber mit Energie geschehen sei, so habe man es nach einiger Zeit für selbstverständlich angesehen, ihn dort liegen zu sehen, wo er saß. Dieses Selbstverständliche galt aber nicht allein seiner Person, es galt auch seiner Sache, und darin liegt auch die Dauer seines Schaffens begründet; denn das Selbstverständliche bleibt für immer.
Auch an seinem Werke zeigt sich die Entwicklung der Deutschen in den letzten fünfundzwanzig Jahren. Sie sind fähiger geworden, große gemeinnützige Aufgaben zu erfassen und durchzuführen. Haben sie die Aufgaben aber einmal erfaßt, so liegt es in dem ganzen deutschen Wesen, sie zu vertiefen und vielseitig auszugestalten. Das letztere ist wiederum in der Eigenart unsrer ganzen Verhältnisse begründet.
Ein gutes Material an Kräften fand Eyth vor, und er gesteht ein: »Ich selbst bekam in diesen Jahren einen Begriff davon, welch vielseitiges, schwieriges, alle geistigen Kräfte und alles Wissen des modernen Lebens in Anspruch nehmendes Gewerbe die Landwirtschaft ist, und wie sehr diejenigen irren, die in dem Landwirt von heute noch immer den an der Scholle klebenden, dumpf hinarbeitenden Bauern der alten Zeit sehen zu müssen glauben.«
Was Eyth in der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft erreichen wollte, und was besonders bei den Ausstellungen zum Ausdruck kommen sollte, hat er in folgenden kurzen Worten zusammengefaßt: »Was ich schaffen möchte, soll das Gegenteil einer ›Ausstellung‹ im gewöhnlichen Sinn des Wortes werden: harte, ehrliche Arbeit aller Beteiligten vom ersten bis zum letzten Tag, die Lösung schwieriger Aufgaben, die in keiner andern Weise anzupacken sind, als wo das erforderliche Material zusammengeführt werden kann, eine durch viele Jahre fortgesetzte Reihenfolge solcher Studien und Arbeitstage, in denen mehr Schweiß vergossen, als Bier und Wein getrunken, mehr still beobachtet und gelernt, als gelehrt und geschwatzt wird, die keiner verlassen sollte, ohne in Kopf oder Tasche einen Sack neuen Saatgutes für die eigne Wirtschaft nach Hause zu nehmen.« Daß er es erreicht hat, weiß jeder Besucher dieser Ausstellungen. Eyths Vorbild, die »Royal Agricultural Society«, deren großartige Schaustellungen ihm in Deutschland fast unerreichbar dünkten, ist längst übertroffen worden, nicht nur in zielbewußter Arbeit für die ganze technische Entwicklung der deutschen Landwirtschaft, sondern auch durch eine größere und noch dauernd wachsende Anzahl von Mitgliedern, eine weitsichtigere Finanzverwaltung und eine auf wissenschaftlicher Basis aufgebaute Art der Veröffentlichung in Vorträgen und Schriften. In allem aber lebt und webt sein Geist, und wir, die wir in seine Fußstapfen getreten sind, vergegenwärtigen uns das immer wieder in dem Motto, das er diesem Buche aus der Festrede des Pharaos Usertesen I. bei der Grundsteinlegung des Sonnentempels von Heliopolis um 2330 v. Chr. vorgesetzt hat: »Bei jedem Werk des Menschen strecket sich die Zunge hervor, wer aber die Hand anlegt, bringet es zustand.« Ueber 4000 Jahre sind vergangen, seit uns solche Weisheit verkündet wurde. Und wenn wir von Geschlecht zu Geschlecht stets wieder die Hand anlegen, dann wird das, was wir geschaffen, dauernd standhalten.
Möge es unserm Vaterlande oft beschieden sein, solche Tatmenschen am rechten Platze zu sehen, wie es unser Max Eyth gewesen ist.
Herbst 1909
von Freier-Hoppenrade, Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft. |