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Bonn, den 27. April 1885.
Liebe Mutter!
Es ist späte Nacht. Ich komme aus einer Sitzung des Kolonialvereins. Das Leben geht seinen gleichmütigen, geschäftlichen Gang weiter, bei Tag und Nacht, was sich auch da und dort unter der Oberfläche regen mag.
Es ist die Todesnacht des lieben Vaters. Ein Jahr schon schläft er unter der Erde, im Frieden mit dieser Welt, die so wenig Frieden kennt, im Frieden mit seinem Gott, der ihm auch hier schon seinen Frieden geschenkt hat.
Dürfen wir trauern, weil in dieser Nacht ein gutes Leben zu Ende gegangen ist, friedlich und fromm, wie er es gelebt hat? Dürfen wir trauern, nachdem ihm Gott die volle Zahl der Jahre geschenkt hat, die für des Menschen Erdenleben bestimmt sind, und sie auch uns so lange mitgenießen ließ? Ist die Welt, selbst in ihrem Frühling und mit all ihren Freuden so süß, daß wir uns für und mit den Unsern daran klammern sollten, als sei sie all der Tränen wert, die sie uns auspreßt? Will es nie wahr werden, daß wir uns freuen, wenn unsre Lieben einem besseren Jenseits entgegengehen?
Ich wollte, ich könnte in diesen Tagen bei Dir sein. Wenn es möglich ist, will ich's im nächsten Jahr so einrichten. Du mußt sie diesmal allein durchleben; das erstemal nach der bitteren Stunde der großen Trennung.
Laß Dir durch Deine Tränen ihre wahre Bedeutung nicht verdunkeln. Es ist keine Nacht der Trauer.