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Es war schon spät, als Bent erwachte. Er hatte einen seltsamen Traum gehabt, konnte sich aber nicht mehr auf ihn besinnen.
Nach dem Frühstück ging er an ihrer Villa vorbei. Er sah ein weißes Kleid hinter dem grünen Blattwerk der Veranda; das war alles. Er war in einer seltsamen Gemütsverfassung. Sein Herz klopfte vor Erwartung und Angst: würde sie ihr Versprechen halten?
Er konnte den verzweifelten Klang ihrer Stimme nicht vergessen, als sie sagte: Ich kann nicht, sie ist wie eine Mutter gegen mich gewesen! Er hörte sie wieder flüstern: als Freunde – und sah die plötzliche Veränderung in ihrem Blick. Er fühlte die Verantwortung, die er zu tragen hatte, – aber im nächsten Augenblick empfand er nichts anderes als die unerträgliche Sehnsucht, die ihn gestern abend krank gemacht hatte.
Der Gedanke an Harriet tauchte in ihm auf – er prüfte sich und fühlte wieder den tiefen Unterschied zwischen damals und jetzt.
Nein, Mimi, diesmal irre ich mich nicht.
Endlich wurde es Mittagszeit. Während er aß, sah er an seinen Händen, wie nervös er war. Brachte die Angst in ihrem Gemüt ihm die Unruhe über den See herüber?
Als er gegessen hatte, stand er auf und sah auf seine Uhr. Es war kurz vor acht.
Plötzlich begann sein Herz heftig zu klopfen, er griff unwillkürlich nach dem Stuhlrücken.
Dann ging er in die Halle, wo der Kaffee serviert wurde, und nahm in einem der tiefen Liegestühle Platz.
Wie er dort lag und durch die Tür ins Freie blickte, wurde er plötzlich ganz ruhig. Wie kann das sein? dachte er und sah nach der Uhr. Geht sie vielleicht in diesem Augenblick vom Hause fort und schickt ihre Gedanken voraus? Noch eine Viertelstunde, dann erhob er sich, nahm seinen Hut und wandte sich zum Gehen.
Im selben Augenblick kam ein barfüßiger Junge herein und blieb auf der Schwelle, mit dem Hut in der einen und einem Brief in der anderen Hand, stehen –
Da wußte Bent, daß der Brief von ihr sei.
»Liebster!
Hilf mir gegen etwas, das stärker ist als ich, das in meinen Sinnen voller Sehnsucht nach Dir verlangt. Nimm mich nicht gegen meine innerste und beste Ueberzeugung, denn ich werde es nie überwinden, die zu verraten, die wie eine Mutter gegen mich gewesen ist. Und ich sage Dir, der eigentliche Bent, den ich liebe, wird mich einst hassen, wenn ich ihm nicht widerstehe.
Du mußt mir mein Versprechen zurückgeben.
Nie hätte ich geglaubt, daß ich so schwach sein könnte. Je häufiger ich mit Dir zusammen bin, desto schwerer wird der Kampf werden, und es könnte geschehen, daß ich zu Dir sage: ›Nimm mich, ich bin Dein.‹ Aber es wäre nicht die wahre Mimi, die Dir dann gehörte. Darum komme ich nicht, wie ich versprach, denn der eigentliche Bent würde nicht vergessen, daß er eine falsche Mimi bekam. Den richtigen Bent aber liebe ich, nicht den Bent, der fehlgriff.
Wir wollen uns nicht wiedersehen, bevor wir wissen, ob der Fehler wieder gutgemacht werden kann.
Vielleicht werden wir uns nie wiedersehen, dann werden wir glücklicher sein in dem Bewußtsein, daß unsere Liebe niemals aufhören kann, als wenn wir uns ein Glück erstehen, dessen wir uns schämen müssen und dem nur eine kurze Zeit des Rausches bestimmt ist. Bent, was würde uns bleiben, wenn wir alt sind?
Mein Geliebter, um Deiner und meiner Liebe willen bitte ich Dich, reise fort, ich bin ja hier gebunden.
Kehr zu Marthe zurück, solange Du es noch kannst, unser Schicksal liegt in Gottes Hand.
Mimi.
Schreib mir nicht, bevor Du wieder zu Hause bist.«