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Als Bent am nächsten Vormittag in die Gesandtschaft kam, wurde er vom Gesandten selbst empfangen, der unerwartet abends vorher angekommen war.
Bent mußte bis Mittag im Büro bleiben und Bericht erstatten. Dann lud der Gesandte ihn zum Frühstück ein, zusammen mit einigen dänischen Offizieren, die nach Rom kommandiert waren, um sich über moderne italienische Artillerietechnik zu informieren.
Der Kammerherr bat ihn, sich der Herren anzunehmen. Bent mußte sie auf ihren dienstlichen Antrittsbesuchen begleiten und ihnen später die Stadt zeigen. Sie fuhren mit einem Automobil, das das Kriegsministerium ihnen zur Verfügung gestellt hatte, vom Forum zum Pantheon und von dort zur Peterskirche. Bent war sich klar darüber, daß es eine ehrenvolle Aufgabe und zugleich eine Prüfung sei. Der Kammerherr schien von privater Seite über ihn orientiert zu sein. Er wußte, daß Bent verlobt war, hatte ihm dazu gratuliert und den Wunsch geäußert, Frau Steffen vorgestellt zu werden. Flüchtig hatte er auch erwähnt, daß er das Vergnügen gehabt habe, Bents Tante, die Kammerherrin bei einer Mittagsgesellschaft zu Tisch zu führen; der Schimmer eines Lächelns hatte sich bei dieser Mitteilung auf dem markanten Gesicht gezeigt. Bent aber war gewesen, als habe ihn Tante Idas Geist unsichtbar, aber voller Strenge umschwebt.
Bent war also den ganzen Tag in Anspruch genommen und tat sein Bestes. Den Offizieren, liebenswürdigen, natürlichen Menschen, gefiel ihr junger Begleiter und Führer. Die Uhr war halb sieben, bevor sie die Peterskirche erreichten, und Bent konnte eine Einladung zum Mittagessen im Hotel nicht ausschlagen. Bevor man zu Tisch ging, telephonierte er an Marthe, um sich nach Edith zu erkundigen.
Marthes Stimme klang froh, fast ausgelassen. Edith hatte den ganzen Tag geschlafen, das Fieber war gefallen. Der Arzt war sehr zufrieden und hatte baldige, vollkommene Genesung in Aussicht gestellt.
Bent kam erst spät nach Hause. Am nächsten Morgen mußte er bereits um acht Uhr im Hotel sein, um die Offiziere zum Manöverplatz in der Campagna zu begleiten. Unterwegs sprach er schnell in der Via Sistina vor. Er traf nur Anna an, die ihm berichtete, daß alles zum Besten stände und alle drei noch schliefen.
Als er in die Gesandtschaft kam, wo der Gesandte ihn zum Vortrag erwartete, stand ihm eine Ueberraschung bevor.
»Lieber Amloth,« sagte der Kammerherr, »es tut mir leid – und ich weiß, daß ich mich Frau Steffens Ungnade aussetze, bevor ich noch das Vergnügen gehabt habe, sie kennenzulernen – die Pflicht aber zwingt mich, Sie mit einer Arbeit zu beauftragen, die Ihre Abwesenheit für ungefähr eine Woche erfordert. Sie müssen nach Bern fahren und dort dieselbe Arbeit verrichten, die Sie hier zu meiner größten Zufriedenheit ausgeführt haben. Der Oberstleutnant fährt auch nach Bern, um dort einige französische Offiziere auf der Rückreise aus Rumänien zu treffen. Er reist bereits heute abend und hat den Wunsch geäußert, von Ihnen begleitet zu werden.«
Es dauerte eine Weile, bis Bent sich soweit gefaßt hatte, daß er seine Bereitwilligkeit mit einem verhältnismäßig liebenswürdigen Gesicht zu erkennen geben konnte.
Bent telephonierte an Marthe. Sie versprach, ins Hotel zu kommen, dort mit ihm zu Mittag zu speisen und ihm beim Packen zu helfen. Die Zeit drängte.
Bent konnte weder Mimi noch Edith, die in fortschreitender Besserung war, Lebewohl sagen.
Für Bent kamen einige geschäftige Tage, so daß er Marthe nur wenige Zeilen schreiben konnte. Von Marthe aber bekam er jeden zweiten Tag einen langen Brief.
Sie erzählte von Edith, die sich überraschend schnell erholte, von Rom, das herrlicher sei als je, von ihrer Sehnsucht nach ihm. Sie versuche vergeblich, sich mit Wiborg, dem Maler und de Suire zu trösten.
In einem der letzten Briefe schrieb sie, daß Mimi sich von Ediths Pflege etwas überanstrengt fühle; sie könne die Sonne nicht vertragen, die mit jedem Tage heißer wurde, und habe angeboten, nach Kopenhagen vorauszureisen und Marthes Wohnung instand zu setzen, damit alles in Ordnung sei, wenn sie zur Hochzeit käme.
›Es ist lieb von ihr,‹ schrieb Marthe, ›so gut könnte ich nicht sein. Sie sagt, daß es ihr Hochzeitsgeschenk sein soll. Wie Du weißt, ist sie nicht sehr vermögend, und Zeit, etwas zu sticken, hat sie nicht. Ich wollte ihr Geld geben, damit sie etwas kaufen kann, darüber aber wurde sie ganz böse. Sie meint, sie koste mir schon genug. Daß Menschen das dumme Geld nicht vergessen können! Ein paar hundert Kronen mehr oder weniger bedeuten doch gar nichts; aber so ist sie nun einmal.‹
Als Bent vierzehn Tage später nach Rom zurückkam, wurde er am Bahnhof von Marthe und Edith abgeholt. Mutter und Kind strahlten in neuen Frühjahrskleidern.
Von Mimi konnte Marthe nur Grüße bestellen, sie war vor zwei Tagen nach Kopenhagen abgereist.