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XIX

Endlich, am dritten Tage, kam ihr Brief.

 

»Lieber Bent!

Was soll ich Dir schreiben? Du weißt ja selbst, es kann nicht anders zwischen uns werden. Warum mußten wir uns begegnen? Es wäre besser nie geschehen.

Ich erfuhr nicht, warum Du allein hier bist. Ist Marthe krank? Ich habe lange nichts von ihr gehört. Schreib mir bitte, wie es ihr und Edith geht und warum sie nicht mitgekommen sind.

Ich glaube kaum, daß wir uns wiedersehen können. Ich muß jetzt vormittags meinen Dienst tun und bin nicht vor abends sieben Uhr frei. Wenn Du willst, kannst Du mich hier besuchen, aber ich glaube, wir sehen uns besser nicht. Die Frau ist sehr freundlich, aber sie ist neugierig, weil ich nie von mir selbst etwas erzähle. Sie würde sicher fragen, und ich möchte nicht, daß sie falsche Schlüsse zieht.

Schreib mir, mein lieber Freund, und sei mir nicht böse.

Mimi.«

 

Bent war tief enttäuscht, obgleich er kaum etwas anderes zu hoffen gewagt hatte.

Er las den Brief wieder und wieder. Daß sie wissen wollte, warum Marthe nicht mitgekommen sei, gewährte ihm einen kleinen Trost. Vielleicht dachte sie, daß Marthe sich nichts mehr aus ihm machte, daß auch sie den Fehlgriff erkannt hatte.

Ja, wie würde Marthe es aufnehmen? Schon lange hatte er nichts von ihr gehört. Das letztemal schrieb sie, sie habe interessante Bekanntschaften gemacht. War es nicht möglich, daß sie sich in dem mondänen Gesellschaftsleben, das ihr Element war, in jemanden verliebte? Während der letzten Monate hatte er sie mit Aufmerksamkeiten und Liebe nicht verwöhnt, das mußte er selbst erkennen.

Nein, er wollte Mimi nicht besuchen, keinen offiziellen Besuch bei Leuten machen, deren Untergebene Mimi war, und die sie mit neugierigen Augen bewachten. Das wäre für sie beide demütigend gewesen.

Daß sie sich des Vormittags gebunden hatte, war sicher eine Flucht vor sich selbst. Sie verließ sich nicht auf ihre eigene Standhaftigkeit und hatte darum mit der Kammerjungfer getauscht, um nicht in Versuchung zu fallen.

Aber es wird dir nicht erspart, Mimi! Ich will und muß dich sprechen. Es ist bitterer Ernst!

Und im selben Augenblick wußte er, was er schreiben wollte.

 

»Liebe!

Ich muß mit Dir sprechen, bevor ich Marthe schreibe. Glaubst Du, daß ich so weiter leben und schweigen kann, als ob nichts geschehen sei? Meine ganze Seele, alle meine Gedanken sind jetzt bei Dir. Nein, Mimi, ich muß mich von Marthe trennen. Vielleicht fühlt auch sie bereits, daß es ein Irrtum war. Sie ist mit Edith in Luzern, aber darüber Näheres, wenn wir uns sehen.

Ich erwarte Dich morgen um halb acht Uhr in der Birkenallee am südlichen Ufer des Sees, bei der Gittertür.

Liebe, Du bist ohne Schuld. Wenn wir uns auch nie Wiedersehen würden, wäre mein Zusammenleben mit Marthe jetzt vorbei. Ich kann nur mit Dir glücklich werden. Fühlst Du es nicht selbst?

Bent.«

 

Am nächsten Morgen war ein Brief von Marthe da.

 

… »Weißt Du, wer mir neulich in der Halle begegnete, als ich zum Lunch gehen wollte? Monsieur de Suire aus Rom. Er hat sich ein Monokel angeschafft und versteht es glänzend zu tragen. Kammerherr von Kreißback –

Du weißt, der alte Oesterreicher, mein cavaliero servente – sagt: ›es gehören drei Generationen dazu, um einen Gentleman, aber zehn, um einen Monokelträger zu schaffen‹. Die lange Zeit der Trennung war wie ausgewischt! Er war gerade angekommen; ich bot ihm einen Platz an meinem Tisch an – und jetzt bindet er Edith jeden Tag die Serviette um; sie liebt ihn stürmisch. Bist Du nicht eifersüchtig? Ich soll Dich grüßen. Mein Kammerherr droht mir mit dem Finger und sagt, wenn ich ihn dauernd wegen la grande nation vernachlässige, wolle er den Gemahl benachrichtigen.

Einen Kuß von Deiner gefeierten Marthe – und zehn Küsse von der Prinzessin, die sich fabelhaft erholt hat.«

 

Dann noch eine Nachschrift über häusliche Angelegenheiten und zum Schluß:

 

»Uebrigens ist meine Stimmung gar nicht besonders, darüber das nächste Mal.«

 

Der Brief war ihm aus Kopenhagen nachgesandt worden. Den seinen aus Värmland hatte sie noch nicht erhalten. Die Briefe schienen sich gekreuzt zu haben.

Er las ihn noch einmal und sah de Suire vor sich, wie er ihn an jenem Abend in Rom gesehen hatte, als seine ausdrucksvollen, großen Augen Marthe streichelten, während er sich den Anschein gab, das Original mit Finnes Bild zu vergleichen.

Er mußte an die Worte von Professor Wiborg denken: ›Wenn der Franzose sie nur nicht wegschnappt.‹

Eine Hoffnung glühte in ihm auf: Vielleicht schrieb Marthe ihm in diesem Augenblick, daß sie sich geirrt, als sie ihn und nicht de Suire gewählt hatte. Vielleicht war das der Grund der Verstimmung, von der sie schrieb.


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