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Längere Zeit hat man sich lebhaft gestritten, welchen Ordnungen oder Reihen man die Gabel- oder Kloakenthiere beigesellen sollte, und noch heutzutage ist dieser Streit nicht erledigt. Die einstige Ansicht älterer Thierkundigen, welche in den Kloakenthieren eine besondere Klasse des Thierreichs sehen wollten, hat allerdings ihre Geltung verloren; aber noch zur Zeit setzt man den Ameisenigel und das Schnabelthier, welche als Vertreter unserer Ordnung angesehen werden, bald zu den Beutelthieren, bald zu den Zahnarmen. Und in der That: sie vereinigen nicht nur die eigenthümlichen Kennzeichen dieser und jener, sondern die verschiedensten und widersprechendsten Merkmale der gesammten ersten Klasse in sich; ja sie erscheinen gewissermaßen als Bindeglieder zwischen den ersten drei Klassen, zwischen Säugethieren, Vögeln und Kriechthieren. »Wenn es Wunder im thierischen Gestaltenreiche gibt«, sagt Giebel, »so sind die Gabelthiere die seltsamsten derselben; denn alle Regellosigkeiten und Wunderlichkeiten, welche wir in dem vielgestaltigen Organismus der Zahnlosen kennen lernen, bleiben gar weit hinter denen der Kloakenthiere zurück.«
Daß die Gabelthiere wirklich Säugethiere sind, steht gegenwärtig unzweifelhaft fest; aber es gehörten erst die genauen Untersuchungen neuzeitlicher Forscher dazu, um dieser Ansicht unbestrittene Geltung zu verschaffen. Früher hatte man lange die Milchdrüsen vermißt und glaubte deshalb eine Fabel, welche der erste Entdecker mitgebracht hatte, als volle Wahrheit ansehen zu dürfen. Erst Meckel fand (im Jahre 1824) die Brustdrüsen am Schnabelthiere auf, andere Naturforscher hatten sie früher nur als Schleimdrüsen betrachtet. Es fehlen bei den Gabelthieren nämlich alle äußeren Saugwarzen; die Drüsen, welche an den Seiten der Weibchen liegen, öffnen sich in vielen feinen Gängen der Haut, welche aber auch an diesen Stellen mit Haaren bedeckt ist. Weil nun manche männliche Säugethiere ähnliche Drüsen an denselben Stellen haben, glaubten die ersten Zergliederer nicht, daß sie bei dem Schnabelthiere wirkliche Milchdrüsen vor sich hätten, bis Meckel bewies, daß die genannten Drüsen dem männlichen Schnabelthiere fehlen, und Bär bemerkte, daß die Milchdrüsen der Wale ebenso gebaut seien. Owen untersuchte später (im Jahre 1832) die Milchdrüsen und bemerkte, daß jede etwa hundert und zwanzig Oeffnungen in der Haut hat, und daß wirklich echte Milch durch sie abgesondert wird, fand auch die geronnene Milch im Magen der Jungen. Hiermit reihte er die Gabelthiere mit aller Sicherheit der ersten Klasse ein.
Betrachtet man die Schnabelthiere und Ameisenigel nur flüchtig, so darf man wohl in Zweifel sein, welcher Klasse man sie beizuzählen hat und verwundert sich nicht mehr, daß die ersten Bälge der Schnabelthiere, welche nach England kamen, nicht als Erzeugnisse der Natur, sondern als die eines Schwindlers galten. Man erblickte ein Maulwurfsfell mit den Freßwerkzeugen einer Ente, und mußte sich fast mit Widerstreben daran gewöhnen, das Vorhandensein solcher Räthselgeschöpfe für möglich zu halten. Der viel später (erst im Jahre 1824) entdeckte Ameisenigel verursachte weniger Kopfzerbrechen; denn ihm war ja das Schnabelthier vorausgegangen, und was man bei jenem mühsam hatte suchen müssen, fand man hier leicht auf, weil man wußte, wie man suchen sollte.
Die Gabelthiere haben mit den Säugethieren bloß das Fell gemein, das Schnabelthier seinen Pelz, der Ameisenigel sein Stachelkleid; im übrigen unterscheiden sich beide wesentlich von den anderen bekannten Formen der höheren Thiere. Ein trockener Schnabel, an den eines Schwimmvogels erinnernd, vertritt bei ihnen die Stelle des Maules, und die Harn- und Geschlechtswerkzeuge liegen vereinigt in der Kloake. Dies ist eine Bildung, welche wir bei den Vögeln wieder finden; die ganze äußere Erscheinung und der Knochenbau der Schnabelthiere widersprechen der Vogelnatur jedoch auf das entschiedenste. Nun theilen sie aber den trockenen Kieferüberzug, die Kloake und das doppelte Schlüsselbein auch mit den Schildkröten, und somit wird ihre eigenthümliche Mittelstellung nur noch auffallender. Mit den Beutelthieren stehen sie in Beziehung wegen der Eigenthümlichkeiten der Knochen am Becken, auch werfen sie fast ebenso unreife Junge wie jene; aber sie haben keinen Beutel und tragen also ihre Jungen nicht mit sich herum, und auch im übrigen weicht ihr Leibesbau von dem der Beutelthiere nicht unwesentlich ab.
Die Gabelthiere sind kleine Säugethiere mit gedrungenem, etwas plattgedrücktem Körper, sehr niederen Beinen, schnabelförmigen Kiefern, welche von einer trockenen Haut bedeckt werden, kleinen Augen, kurzem und flachem Schwanze, auswärts gestellten Füßen mit fünf langen Zehen und kräftigen Krallen sowie einem durchbohrten Hornsporen an der Ferse der Männchen, welcher mit einer besondern Drüse in Verbindung steht. Die äußere Ohrmuschel fehlt gänzlich; die Zähne bestehen bei den einen in hornigen Platten, welche den Kiefern aufliegen, und fehlen bei den anderen gänzlich. Sechszehn bis siebenzehn Wirbel tragen Rippen, zwei bis drei sind rippenlos, dreizehn bis einundzwanzig bilden den Schwanz. Am Schädel verschwinden viele Nähte sehr früh, wie auch die Rippenknorpel vollständig verknöchern. Das Schlüsselbein ist doppelt, die Unterarm- und Schenkelknochen sind völlig ausgebildet. Die Speicheldrüsen sind groß, der Magen ist einfach, der Blinddarm sehr kurz.
Bis jetzt hat man noch keine vorweltlichen Thiere gefunden, welche mit den Gabelthieren Ähnlichkeit hätten, und so ist diese eigenthümliche Ordnung auf die zwei Familien der Ameisenigel und der Schnabelthiere beschränkt. Von diesen Familien enthält die letztere wiederum nur eine, die erstere nur zwei bekannte Arten.