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Erste Familie: Pelzflatterer ( Galeopithecus)

Weder Halbaffe noch Fledermaus, haben die Pelzflatterer ( Galeopithecus ), Vertreter einer besonderen Familie ( Galeopithecida oder Dermoptera, Ptenopleura und Nycteromorpha) und einzigen Sippe, den Forschern von jeher viel Kopfzerbrechen gemacht. Linné stellt sie zu den Halbaffen, Cuvier zu den Fledermäusen, Geoffroy zu den Raubthieren, Oken zu den Beutelthieren und Peters endlich, wohl mit Recht, zu den Kerbthierfressern, deren Reihe sie eröffnen. Entsprechend der Unsicherheit der Forscher heißt die bekannteste Art unter anderen noch geflügelter Affe, Flattermaki, fliegende Katze, wunderbare Fledermaus etc.

Die Pelzflatterer sind katzengroße Thiere von schlankem Leibesbau, deren mittellange Gliedmaßen durch eine breite und dicke, auf beiden Seiten behaarte Haut verbunden werden. Ihre fünf Zehen haben zurückziehbare Krallennägel und keinen der übrigen Hand entgegensetzbaren Daumen. Der kurze Schwanz steckt mit in der Flatterhaut. Der Kopf ist verhältnismäßig klein, die Schnauze sehr verlängert, die Augen sind mäßig groß, die behaarten Ohren klein. Die Flatterhaut ist keine Flughaut, sondern nur ein Fallschirm, welcher den Leib zu weiten Sprüngen und langsamerem Fallen befähigt, hat also mit der Flughaut der Fledermäuse keine Aehnlichkeit. Sie ist eine Fortsetzung der Leibeshaut, beginnt am Halse, verbindet sich mit dem Vorderbeine, umhüllt dieses bis zur Hand, verläuft in gleichmäßiger Breite nach der Hinterhand und geht nun endlich nach der Schwanzspitze. So stecken alle Glieder gleichsam in ihr. Jede Brust hat zwei Zitzen. Das Gebiß besteht aus 34 Zähnen, nämlich zwei Schneidezähnen oben, vier unten und einem Eckzahne, zwei Lück- und vier Höckerzähnen in jedem Kiefer, und fällt besonders auf wegen der kammartig gezackten, in acht bis zehn Spitzen ausgehenden, nach vorn geneigten unteren, sowie der gelappten Kronen der oberen Schneidezähne. Der Schädel ist gestreckt, hinten flach und breit, im Schnauzentheile sehr verschmächtigt, der Jochbogen vollständig; die Wirbelsäule enthält außer den Halswirbeln zehn Rücken-, neun Lenden-, vier Kreuz- und achtzehn Schwanzwirbel, von denen dreizehn Rippen tragen; die Unterschenkelknochen sind getrennt: das Elnbogenbein läuft wie das Wadenbein nach unten fadenförmig aus. Das Gehirn ist sehr klein, der Magen geräumig, der Darm lang gewunden.

 

Der Kaguang ( Galeopithecus volans, Lemur volans, G. rufus, variegatus, Temminckii etc.) erreicht eine Gesammtlänge von 60 Centim., wovon 11 bis 12 Centim. auf den Schwanz kommen, und trägt auf dem Rücken ein dichtes, an den Vorderarmen ein spärliches Haarkleid, während die Achselgegend wie die Leibesseiten nackt sind. Oberseits ist es braunroth, unterseits etwas düsterer, in der Jugend oben bräunlichgrau, an den Seiten dunkelbraun gefärbt, in jedem Alter aber auf den Gliedmaßen und der Flatterhaut licht gefleckt. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich, die Arteinheit der verschiedenen Formen angenommen, über die Sundainseln, Molukken und Philippinen, einschließlich der Halbinsel Malakka und der sie umgebenden kleinen Eilande.

siehe Bildunterschrift

Kaguang ( Galeopithecus volans) [1/5] natürl. Größe.

Abgesehen von Bontius, welcher vielleicht des Kaguan gedenkt, haben mehrere Reisende seiner erwähnt; kein einziger aber hat, so weit mir bekannt, eine eingehende Schilderung von ihm geliefert. Vieles, was man von ihnen erzählt, bezieht sich unzweifelhaft auf Flughunde; andere Angaben sind so dürftig, daß sie ohne Nachtheil vermißt werden könnten. Erst Junghuhn berichtet gehaltvoll. »Nur ein Gekreisch hörten wir, aber einen so absonderlichen, so ängstlichen Laut, daß wir das Geschrei eines Kindes, oder das Aechzen eines Verunglückten zu vernehmen glaubten. Schauerlich und häßlich zugleich erscholl es von Zeit zu Zeit durch die stille Nacht, und näher rückten die Haranen an den Feuern zusammen: Gespensterfurcht machte ihr früher fröhliches Gespräch verstummen. Doch bald löste sich das Geheimnis: der Geist oder Verunglückte, dessen Stimme entferntem, ängstlichem Schreien glich, stellte sich sichtbar den Blicken dar und schwebte langsam über unseren Häuptern dahin. Es war ein Pelzflatterer, welcher, von einem Baume zum anderen fliegend, von Zeit zu Zeit jenen widerwärtig kreischenden Laut zu hören gab.

»Uebertags sitzt der Pelzflatterer, welcher einsam in den hohen Gebirgswäldern Javas lebt, auf den Aesten der Bäume zwischen den Moospolstern so still, daß es fast unmöglich wird, ihn zu entdecken.« Seine scharfen Krallen befähigen ihn zu gewandtem und sicherem Klettern, während er jedoch auf dem Boden mühsam und schwerfällig dahinkriecht. Er steigt, Früchte pflückend und Kerbthiere suchend, aufwärts, bis er den Wipfel eines Baumes erklommen hat, und schwebt sodann schief nach einer anderen Baumkrone herab. Während er geht oder klettert, ist seine Flatterhaut leicht zusammengefaltet und an den Leib gelegt, hindert also die Bewegung nicht; wenn er sich des Fallschirmes bedienen will, läuft er auf eine Astspitze hinaus, springt von dort mit einem kräftigen Satze ab, streckt in der Luft alle Glieder von sich und schwebt nun langsam, schief von oben nach unten, über Zwischenräume, deren Weite nicht selten sechszig Meter betragen soll. Niemals erhebt er sich über die Höhe, aus welcher er seinen Sprung begann, immer senkt er sich in einer sehr geneigten Ebene nach unten.«

»Einmal«, erzählt Wallace, »sah ich auf Sumatra in der Dämmerung einen Pelzflatterer an einem Stamme hinaufrennen und dann quer durch die Luft nach einem anderen Baume gleiten. Hier kam er nahe am Boden an, um sogleich wieder empor zu steigen. Ich maß die Entfernung von einem Baume zum anderen mit Schritten ab und fand, daß das Thier aus einer Höhe von höchstens vierzehn gegen siebenzig Meter weit gesprungen war. Hieraus geht hervor, daß es die Fähigkeit haben muß, in der Luft selbständig sich zu bewegen, weil es sonst wenig Aussicht haben würde, genau an dem Stamme herabzukommen. Es ist schwerfällig in seinen Bewegungen, wenigstens bei Tage; denn es geht in kurzen Sätzen an den Bäumen hinauf und hält dazwischen immer einen Augenblick inne, als ob es ausruhen wolle.« Während des Tages hängt es, nach Angabe desselben Forschers, an den Baumstämmen, hauptsächlich geschützt durch sein Fell, welches mit seinen unregelmäßigen weißlichen Punkten und Flecken auf olivenfarbenem oder braunem Grunde genau der Färbung der gesprenkelten Rinde gleicht. Seinen Greifschwanz gebraucht es wahrscheinlich beim Aufsuchen seiner Nahrung, welche hauptsächlich aus Blättern besteht. »Man sagt«, bemerkt Wallace noch, »daß der Pelzflatterer nur ein Junges bringe, und meine eigenen Beobachtungen bestätigen dies; denn einmal schoß ich ein Weibchen mit einem sehr kleinen, zarten, nackten, gerunzelten und blinden Wesen, welches an seiner Brust hing und an junge Beutelthiere erinnerte.«

Jagor erhielt in Samar, wo Pelzflatterer nicht selten sind, ein lebendes Weibchen mit seinem Jungen.

»Es schien ein harmloses, ungeschicktes Thier. Als es von seinen Fesseln befreit war, blieb es am Boden liegen, alle vier Glieder von sich gestreckt, die Erde mit dem Bauche berührend, und hüpfte dann in kurzen, schwerfälligen Sprüngen, ohne sich dabei emporzurichten, nach der nächsten Wand, welche aus gehobelten Bretern bestand. Dort angekommen, tastete es lange mit den einwärts gebogenen scharfen Krallen seiner Vorderhände umher, bis ihm endlich die Unmöglichkeit, an jener Stelle emporzuklettern, klar geworden. Gelang es ihm, in einer Ecke oder mit Benutzung einer gelegentlichen Spalte einige Fuß aufwärts zu klimmen, so fiel es alsbald wieder herab, weil es die verhältnismäßig sichere Stellung seiner Hinterglieder aufgab, bevor die Krallen der vorderen festen Halt gefunden hatten; es nahm aber keinen Schaden, da die Jäheit des Falles durch die schnell ausgespannte Flughaut gebrochen wurde. Diese mit unerschütterlicher Beharrlichkeit fortgesetzten Versuche zeigten einen auffallenden Mangel an Urtheil: das Thier muthete sich viel mehr zu, als es ausführen konnte, und daher blieben seine Bemühungen erfolglos; stets aber fiel es ohne sich zu verletzen, dank dem Fallschirme, womit die Natur es ausgestattet hatte. Wäre der Kaguang nicht gewöhnt, sich so ganz und gar auf diese bequeme Vorrichtung zu verlassen, so hätte er wohl seinen Verstand mehr gebrauchen, seine Kräfte richtiger beurtheilen gelernt. Das Thier hatte seine fruchtlosen Versuche so oft wiederholt, daß ich es nicht weiter beachtete, – nach einiger Zeit war es verschwunden. Ich fand es in einem dunklen Winkel unter dem Dache wieder, wo es wahrscheinlich die Nacht erwarten wollte, um seine Flucht fortzusetzen. Offenbar war es ihm gelungen, den oberen Rand der Breterwand zu erreichen und zwischen dieser und der festaufliegenden elastischen Decke aus Bambusgeflecht seinen Körper durchzuzwängen. Das arme Geschöpf, welches ich voreilig für dumm und ungeschickt gehalten, hatte unter den gegebenen Umständen die größtmögliche Geschicklichkeit, Klugheit und Beharrlichkeit gezeigt.«

Hierauf beschränkt sich unsere Kenntnis über das Leben des Pelzflatterers, und ich habe nur noch zu erwähnen, daß die Eingeborenen dem Thiere nicht allein seines europäischen Zungen widerlichen Fleisches, sondern auch und hauptsächlich seines Felles halber nachstellen, da dieses dem Pelze der Chinchilla an Feinheit und Weiche kaum nachsteht und deshalb als Pelzwerk sehr gesucht ist.


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