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Baudelaire unterm Stahlhelm

Ganz elende Schriften haben mit ganz vorzüglichen dies gemein, ihr Wesen im Sprachlichen vollkommen offenkundig und präsent zu haben. Jede dantesche Terzine gäbe in der prosodischen Betrachtung ein Schattenbild von dem, was Faktisches oder Geschehenes in ihr gesagt wird. So gibt jeder Satz eines Peter Klassen Peter Klassen, Baudelaire. Welt und Gegenwelt. Weimar: Erich Lichtenstein Verlag (1931). 150 S. das sprachliche Widerspiel der Roheit, mit der der Verfasser treibt, was er für Denken hält. Es kann ihm nicht zugute gehalten werden, daß es nicht eigene Kümmerlichkeit allein, sondern der Verfall einer ganzen Schule ist, was ihn an diesen Punkt gebracht hat. Denn wie man über diese Schule – wir sprechen von der Stefan Georges – auch denken mag, so hat sie in den Schriften eines Hellingrath oder Kommerell doch auch Vorbilder eines in die Sache eingehenden Forschens gegeben. Davon ist in diesem nach Ton und Haltung höchst anspruchsvollen Buch, das einen Ossa von Klischees auf einen Pelion von Haß türmt und damit glaubt, sich zu der Höhe Baudelaires gehißt zu haben, nichts zu spüren. Die Klischees gelten dem »All von Mächten, Schauern, Wuchten« als dessen ›ekstatisch-traumhafter Prophet‹ der »bluthafte Künstlergeist« im »Weiheraum seiner Dichtung« thront; der Haß – hier dürfen wir uns kürzer fassen – gilt Frankreich. Baudelaire, sein »dem deutschen so verwandtes« Denken »aus einer ursprünglichen Mysteriensicht« gespeistes Dasein – und als Pendant der Untermensch, der Franzose, der unfähig ist, »naturhaftes Wachstum anders denn als künstliches Gewirk zu betrachten«, »wie Landschaft und Leib des Menschen ihn erst durch künstliche Beformung und Aufschönung ansprechen«: c'était à trouver wie die Franzosen sagen; und ausgedrückt ist das in einem Deutsch, aus welchem man mit langen Sätzen in die fremde Sprache flüchtet. Der Schwulst, den sich diese Schule geschaffen hat und gegen welchen Marinismus, Euphuismus, Gongorismus hausbackene Varianten einer Umgangssprache scheinen, hat es schwer, gegen das Deutsche sich durchzusetzen. Aber die Mühe ist lohnend. Denn wer würde solche Bücher noch lesen, wenn da statt des ›Lebenstriebs des leibhaften Daseins, des Eros‹ etwa: Liebe, statt der »Schau des Beginnlichen« etwa: Einsicht in den Ursprung stünde, und wenn er unterm »algabalhaft Vornaturischen« oder dem ›weltvernichtenden Geistblicke des vom Mächtewind umschauerten Paria‹ überhaupt sich das mindeste vorstellen könnte. Der Referent kann es (und hat begriffen, daß es sich hier um eine Empfehlung der Sklaverei vom kosmetischen Standpunkt handelt), aber eben darum findet er solche Bücher nicht lesenswert. Daß ein Autor, welcher dergestalt alle Hände voll zu tun hat, überall nach dem Rechten schauen, aus dem Gestaltenden das »Gestalterische«, aus dem Nutzen den »Nutz«, aus der Kraftlosigkeit eine »Kräftelosigkeit«, dafür dann aus der Menschenweisheit eine »Menschweisheit« machen muß, für Baudelaire nicht viel Zeit übrig behält, ist klar. Er entschädigt sich durch Exkurse. Die Feststellung beispielsweise, daß »das Vordringen des demokratisch-freiheitlichen Geistes mit dem Vordringen der Lustseuche Hand in Hand ging«, wird der Leser sobald nirgend sonst finden. Es sei denn, er hätte das Pamphlet Baudelaires gegen Belgien zur Hand und stieße auf den erschütternden Schlußsatz des Dichters, der in jenen Monaten keinen Zweifel über die Natur seiner Krankheit mehr hegen konnte: »Nous avons tous l'esprit republicain dans les veines, comme la vérole dans les os, nous sommes démocratisés et syphilisés.« Über einen Autor, dem solcher Schrei gut genug ist, die öffentliche Aufmerksamkeit auf seine armselige Privatmeinung zu lenken, bedarf es keiner weiteren Information. Für die Schule, die ihn sich zog, hat die letzte Stunde geschlagen.


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