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Curt Elwenspoek, Rinaldo Rinaldini, der romantische Räuberfürst.

Das wahre Gesicht des geheimnisvollen Räuber-»Don Juan«, durch erstmalige Quellenforschungen enthüllt. Stuttgart: Süddeutsches Verlagshaus 1929. 198 S.

Rinaldo Rinaldini – es gab keinen, der so hieß. Der Name ist eine Erfindung von Vulpius. Aber offenbar war er mehr als eine gelungene modische Prägung der empfindsamen Zeit. Offenbar ist er ein onomatopoetischer Ausdruck – nicht zwar des Räuberlebens, aber der ewigen Sehnsucht nach ihm. In diesem Namen wohnt das Waldesecho des vieux souvenir, von welchem Baudelaire gedichtet hat, es dringe »wie Hornruf« zu uns. Die Leitmotive »Einsamkeit«, »Gerechtigkeit« und »Freiheit« sind in diesem Zauberklange verschmolzen.

Der war nun in der Tat Eingebung eines elenden Skribenten. Der Erzähler phantastischer Kolportagegeschichten, der Vulpius blieb, auch als er längst von Goethes Gnaden zum Bibliothekssekretär war gemacht worden, hat seinem Helden ein Leben gedichtet, das in seinen Schicksalen einiges, in seiner Färbung aber nicht das Mindeste mit dem historischen Räuberleben Angelo Ducas zu tun hat, das in Italien schon lange ehe Vulpius es sich zum Vorbild nahm Gegenstand romantischer Epen gewesen war. Um seinem deutschen Publikum des Rokoko ihn nahezubringen, mußte Vulpius dem Rinaldo vor allem einige donjuaneske Liebesgeschichten andichten, die ihn von dem offenbar männerbündisch gesinnten Ducas völlig entfernen. Den heutigen Leser wiederum wird eher eine trockene pragmatische Abfassung für den Helden gewinnen. Und man kann der chronistischen Darstellung, die hier vorliegt, nichts Besseres nachsagen, als daß der Wunsch zu werben, der Sinn für das unbedingt Liebenswürdige einer Gestalt, die ein Jahrhundert lang im Volke gelebt hat, an seiner Quelle stand. Im übrigen hat der Verfasser mit Recht neben seiner eigenen die Umrisse der Vulpiusschen Darstellung geben wollen. Ein Auszug aus dessen dreibändigem Werke bildet das mittlere Drittel des Buches. Natürlich enthält er das berühmte Räuberlied, diesen wundervollen Singsang, mit welchem das Banditenleben aus dem Schlaflied aufsteigt, um in großem, romantischem Bogen in das Eiapopeia der Liebe zurückzusinken.

Einsamkeit, Gerechtigkeit und Freiheit ... als idealer Outsider stand der romantische Bandit an der Stelle, die heute der romantische Millionär geräumiger einnimmt. Denn Rinaldini ist der Vorläufer des Millionär-Bolschewismus. Der stellt sich den Sozialismus ja auch als gerechte Verteilung vor, freilich, um dann folgendermaßen zu argumentieren: Wenn wir Millionäre zusammenlegten, und teilten es unter die Armen, – was käme dann schon auf Jeden? Der reiche Theoretiker hat recht: Wenn man das Kapital an die Proleten aufteilt, ergibt sich, daß sie von den Zinsen nicht leben können! Rinaldo aber – oder vielmehr Angelo Duca – ging über diese Rechnung zur Tagesordnung über. Seine Leute hatten etwas von ihm. Nicht nur die Mitglieder seiner Bande, sondern all das Volk von Lucanien. Er durfte sich mit gutem Gewissen eine Fahne malen lassen, »auf der man ihn inmitten der kämpfenden Seinen, umgeben von Toten und Verwundeten, erblickte, während eine Schar von Bettlern ihm zujubelte, der mit der Miene eines sanften Heiligen auf sie herabblickte«.

Zu dem Bilde, das man hiernach von seinem Helden sich macht, paßt nicht schlecht, daß der Verfasser dessen Sache auf etwas beschränkte, spießbürgerliche Manier führt. Menschen, die sich bis heute Kontakt mit dem Dichten und Spintisieren des Volkes bewahrten, stellt man sich gern als Bürger einer Hoffmannesken Welt vor, in der ja die Philister und Bürokraten vom Schlage eines Aktuarius Lindhorst zugleich die großen Sachverständigen des Nächtlichen, Übelberufenen sind. Selbst die exakte Quellenkunde, die der Verfasser nicht ohne Pedanterie an den Tag legt, bestätigen uns dies Bild des sympathischen Autors. Aber er weiß doch seine Haltung auch mit weniger altvaterischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen, und die schöne Aufnahme, die, neben anderen Abbildungen, hier von der Via Angelo Duca in San Gregorio Magno zu finden ist, würde allein bezeugen, daß dieser Mann vom Genius eines Ortes und seines Helden nachdrücklich genug gestreift worden ist.


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