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Eva Fiesel, Die Sprachphilosophie der deutschen Romantik.

Tübingen: J. C. B. Mohr 1927. IV, 259 S.

Dieses Werk, ursprünglich wohl eine Dissertation oder aus einer solchen erwachsen, steht hoch über dem Durchschnitt germanistischer Doktorarbeiten. Diese Feststellung ist voranzuschicken, um die zweite vor Mißverständnissen zu bewahren: es ist eine typische Frauenarbeit. Das will sagen: die Schulung, das Niveau, die Sorgfalt stehen außer Verhältnis zu dem geringen Maß von innerer Souveränität und wahrem Anteil an der Sache. Das romantische Denken über die Sprache ist eine Phase im allgemeinen Sprachdenken der Menschheit; ein Wind, ja ein Sturm von weither, der dem Forscher sein Schiffchen zum Kentern bringt, wenn keiner drin sitzt, welcher klug die Segel setzt und das Ziel seiner Fahrt im Auge behält. Kurz: über diesen Gegenstand arbeiten kann nur, wer eine eigene Überzeugung von dessen Wesen hat. Kein unbeteiligt Registrierender kommt ihm nahe, kann auch nur seinen Beitrag zur Charakteristik des ihm zugewandten Denkens erkennen. Stoffmassen mag man hin und wieder glücklich kombinieren – und was hier über die jungdeutsche Philosophie der Sprache zu lesen steht, ist in diesem Sinne glücklich zu nennen – aber kein Scharfsinn, keine Kombinatorik kann das erreichen, was nur der eigene Einblick in die Welt der Sprache leistet, um welche die romantischen Debatten kreisten. Denn entscheidend erhellen sich die Zusammenhänge stets nur aus Zentren, die dem jeweils in Frage stehenden Denken unbekannt waren. Und eine eigene Stellung des Autors zu diesem Denken war nicht sowohl um ihrer selbst zu verlangen, als weil die innersten Strukturen des Vergangenen sich jeder Gegenwart nur in dem Licht erhellen, das von der Weißglut ihrer Aktualitäten ausgeht. In solchem Lichte wäre die »mystische Terminologie«, die August Wilhelm Schlegel seinem Bruder nachrühmt, wäre die sprachphilosophische Seite der romantischen Begriffsmystik deutlich geworden. Gewiß erfährt man aus diesem Buche genau die Dogmen, Überzeugungen und Lehren von der Sprache, die in der Romantik im Schwange gingen. Es ist, das sei nochmals betont, eine tüchtige Arbeit. Leider aber in ihrer Beschränktheit auch eine typische. Typisch für einen unmännlichen Historizismus. Denn weil es mit den Philosophien nicht anders steht wie, nach Lichtenberg, mit den Leuten, so kommt es weniger darauf an, was für Gedanken eine hat, als was diese Gedanken denn aus ihr machen. Hier aber wird nur abgeschiedenem Denken ein Kenotaph gebaut, um den Girlanden aus Zitaten welken. Die gleiche Frostigkeit regiert im Bibliographischen. Die Arbeit zitiert ausschließlich Quellenschriften. Sie tut es auf die ungewohnteste Art, ohne genaue Angabe der Edition, vor allem ohne Hinweis auf den Fundort der Stelle. Sei's. Interessanter ist, daß offenbar bewußt alle Literaturangaben über dieses Gebiet beiseite gelassen wurden. Wissenschaftliche Nacktkultur: Wege zu Kraft und Schönheit. Die »Quellen« als Gottes freie Natur, Literatur darüber als trostlose Rohrleitung, die das Quellwasser in die sündigen Städte leitet. Wenn je, so ist hier Anlaß es auszusprechen, daß Wissenschaft nicht Ermittelung von Informationen über Gewesenes (und sei es auch gewesenes Denken) ist, sondern in einem Traditionsraum steht, dessen Gesetze sie wenn nicht zu achten, so zu kennen hat. Die Bibliographie als Wissenschaft ist das Zeremonial dieses Raumes und hat wie jedes andere seinen guten Grund. Jede geistesgeschichtliche Wahrheit ist zugleich Erkenntnis von ihrem Werden: das Literaturverzeichnis ist ein Beitrag zu dessen Geschichte. Und mehr als das. Wer eingeladen ist und die Tür, durch die er eintrat, hinter sich zuschlägt, verfährt nicht anders, als wer über die »Sprachphilosophie der deutschen Romantik« ein Buch ohne Literaturangaben verfaßt. Nämlich unerzogen.


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