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Marcel Brian, Bartholomée de Las Casas. »Père des Indiens«.

Paris: Editions Plon 1928. 309 S.

Die Kolonialgeschichte der europäischen Völker beginnt mit dem ungeheuerlichen Vorgang der Conquista, der die ganze neueroberte Welt in eine Folterkammer verwandelt. Der Zusammenprall der spanischen Soldateska mit den gewaltigen Gold- und Silberschätzen Amerikas hat eine Geistesverfassung geschaffen, die niemand ohne Grauen sich vergegenwärtigen kann. Nichts trüber und staunenswerter, als daß der Mann, von dessen Wirken die vorliegende Schrift Zeugnis ablegt, durchaus ein Einzelner, ein heroischer Streiter auf dem verlorensten Posten gewesen ist. Las Casas ist mit vierundzwanzig Jahren als Mitglied der dritten Expedition des Kolumbus (1498) zum ersten Male nach Amerika gekommen. Dort hat er bald einen Überblick über die trostlose Lage der Eingeborenen gewonnen und sich mit nie versagender Energie ein Leben lang um ihre Verbesserung bemüht. Da er als Priester (zuletzt Bischof von Chiapas) seine Aktion auf die Moralvorschriften der katholischen Kirche aufbauen mußte, die Theoretiker der conquista aber erst recht ihre Ansprüche auf die vom Papst dem Kaiser zugesprochene Herrschaft über »Indien« sowie auf die Katholizität der erobernden Spanier im allgemeinen gründeten, so haben die Debatten einen durchaus juridisch-theologischen Charakter. Es ist das große Verdienst von Brion, das sehr entschieden und ebenso fesselnd herausgearbeitet, dazu in einem gelehrten Anhang ausführlich belegt und erläutert zu haben. Sehr interessant ist es zu verfolgen, wie hier die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Kolonisation, die noch nicht die imperialistische war – damals brauchte man Tributländer, nicht Märkte –, sich ihre theoretische Rechtfertigung sucht: Amerika sei herrenloses Gut; die Unterjochung sei die Vorbedingung der Mission; gegen die Menschenopfer der Mexikaner einzuschreiten sei Christenpflicht. Der Theoretiker der Staatsraison – die sich aber nicht offen als solche gab –, war der Hofchronist Sepulveda. Der Disput, der zwischen den beiden Gegnern 1550 in Valladolid stattfand, bezeichnet den Höhepunkt in Las Casas Leben – und leider auch seines Wirkens. Denn so nahen Kontakt dieser Mann mit der Wirklichkeit nahm, der Erfolg seiner Aktion blieb doch im Ganzen auf Spanien beschränkt. Nach der Disputation von Valladolid erließ Karl V. Verordnungen, die die Sklaverei aufhoben, die sogenannte »encomienda«, das »Patronat«, das eine ihrer sadistischsten Formen war, abschaffte usw. Aber gleiche oder ähnliche Maßnahmen waren schon vorher, so gut wie erfolglos, erlassen. Und als Las Casas 1566 zu Madrid in einem Dominikanerkloster starb, da hatte zwar er das Seinige getan, gleichzeitig aber war das Werk der Zerstörung vollbracht. Brions tief dringende Arbeit zeigt hier im moralischen Gebiet die gleiche geschichtliche Dialektik, der wir auf kulturellem begegnen: im Namen des Katholizismus tritt ein Priester den Greueln entgegen, die im Namen des Katholizismus begangen wurden; so hat ein Priester, Sahagun, durch sein Werk »Historia general de Las Casas de nueva España« die Überlieferung von dem gerettet, was unter dem Protektorat des Katholizismus zugrunde gegangen ist. Brion hat uns um eine ausgezeichnete Darstellung politischer Dogmenkämpfe bereichert, die gerade jetzt von neuem auf Interesse und Verständnis stoßen.


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