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XII.

Wer erräth nicht, was erfolgte? Wenn zwei junge Leute sich's in den Kopf gesetzt haben, sich zu heirathen, so sind sie ziemlich sicher, es mit Beharrung durchzusetzen, mögen sie noch so arm, noch so unbesonnen sein, noch so wenig Wahrscheinlichkeit vor sich sehen, daß sie zu ihrem wechselseitigen Glücke nothwendig sind. Mag dieß eine schlechte Lehre zum Schlusse sein, aber ich halte sie für wahr, und wenn es solchen Parteien gelingt, wie hätten Wentworth und Anna Elliot, bei dem Vortheile eines reifern Alters, bei dem Bewußtsein des Rechtthuns und im Besitze eines unabhängigen Vermögens, nicht endlich jeden Widerstand besiegen müssen? Sie hätten allerdings wohl noch mehr Widerstand überwinden können, als sie wirklich fanden; denn sie fanden nicht viel mehr, was sie bekümmert hätte, als Mangel an Freundlichkeit und Wärme.

Der Baronet machte keine Einwendung, und Elisabeth that nichts Schlimmeres, als daß sie kalt und gleichgiltig aussah. Wentworth mit fünf und zwanzig tausend Pfund und mit so hohen Aussichten in seinem Berufe, als Verdienst und Thätigkeit geben konnten, war nicht mehr ein unbedeutender Mann. Man hielt ihn jetzt für ganz würdig, um die Tochter eines thörigen, verschwenderischen Baronets zu werben, der nicht Grundsätze, oder nicht Verstand genug gehabt hatte, sich in der Lage zu behaupten, worein er von der Vorsehung war gesetzt worden, und der seiner Tochter für jetzt nur einen kleinen Theil ihrer Mitgift von zehntausend Pfund geben konnte.

Der Baronet hatte zwar keine Zuneigung gegen Anna, und fand seine Eitelkeit nicht so sehr geschmeichelt, daß er sich bei dieser Gelegenheit wahrhaft glücklich hätte fühlen können; aber er hielt die Verbindung keineswegs für eine schlechte. Nein, als er Wentworth öfter sah, als er ihn mehrmahl bei hellem Tage sah und ihn genau betrachtete, erkannte er mit Ueberraschung die persönlichen Ansprüche des Mannes und fühlte, daß die Vorzüge, die ihm sein Aeußeres gaben, sich gegen ihren Rangvorzug wohl in die Wagschale legen ließen. Dazu kam ein sehr wohllautender Nahme, und so nahm denn der Baronet endlich sehr freundlich seine Feder, um diese Vermählung in das Ehrenbuch einzutragen.

Es war Niemand als Frau Russel, deren widerstrebendes Gefühl ernstliche Bekümmernisse hätte erwecken können. Anna wußte, daß es ihrer Freundinn empfindlich sein mußte, Elliot in seiner wahren Gestalt erkennen und ihn aufgeben zu müssen, und Frau Russel nicht ohne Kampf gegen sich selber im Stande sein würde, sich mit Wentworth genau bekannt zu machen und gerecht gegen ihn zu sein. Dahin aber mußte Frau Russel nun kommen; sie mußte fühlen lernen, daß sie sich in Beiden geirrt hatte, daß sie in Beziehung auf Beide durch den Schein war getäuscht worden, daß sie, weil Wentworth's Benehmen nicht nach ihren Ansichten gewesen war, zu rasch einen gefährlichen Ungestüm in seinem Gemüthe zu erblicken geglaubt hatte, und daß sie auf der andern Seite, weil sie in Elliot's Benehmen Schicklichkeit und Regelmäßigkeit, Höflichkeit und Milde zu sehen glaubte, ebenfalls zu rasch gewesen war, diese Erscheinungen für das sichre Ergebniß der gesundesten Ansichten und eines wohl geordneten Gemüthes zu halten. Frau Russel hatte nicht weniger zu thun, als einzugestehen, daß sie sich fast ganz geirret hatte, und neue Ansichten, neue Hoffnungen zu fassen.

Es ist manchen Menschen ein schneller Blick, ein feiner Sinn in der Beurtheilung der Gemüther, kurz ein natürlicher Scharfsinn eigen, dem keine Erfahrung gleich kommen kann, und Frau Russel hatte in diesem Punkte minder reich begabte Verstandeskräfte, als ihre junge Freundinn. Sie war aber eine sehr gute Frau, und wenn ihr zweiter Zweck war, vernünftig zu sein und richtig zu urtheilen, so war ihr erster, Anna glücklich zu sehen. Sie liebte Anna mehr, als ihre eigenen Geistesfähigkeiten, und als die anfängliche Verlegenheit besiegt war, fand sie es nicht sehr schwer, dem Manne, der das Glück ihrer mütterlich geliebten Freundinn sichern sollte, ein mütterliches Wohlwollen zu schenken.

Unter allen Angehörigen war vermuthlich Niemand, der unmittelbar so viel Freude über den Umstand empfunden hätte, als Marie. Es gab ein Ansehen, eine verheirathete Schwester zu haben, und sie konnte sich schmeicheln, daß sie nicht wenig beigetragen hatte, die Verbindung zu knüpfen, da Anna im Herbste bei ihr gewesen war. Ihre Schwester mußte besser sein, als ihre Schwägerinnen, und es war ihr daher angenehm, daß Wentworth ein reicherer Mann war als Benwick, oder Karl Hayter. Es war vielleicht etwas empfindlich für sie, Anna bei der Wiedervereinigung mit ihr im Besitze der Rechte der ältern Schwester und in einem sehr hübschen Wagen zu sehen; aber dagegen fand sie in der Zukunft einen kräftigen Trost. Anna hatte kein Schloß Uppercroß, kein Landgut zu erwarten, und ihr Mann war eben so wenig das Haupt eines Geschlechtes; und wenn man nur Wentworth nicht zum Baronet werden ließ, so hätte Marie doch nicht mit Anna tauschen mögen.

Es würde für die älteste Schwester gut sein, wenn sie eben so viel Zufriedenheit mit ihrer Lage hätte, da hier eine Veränderung wenig wahrscheinlich ist. Sie sah bald zu ihrer Kränkung, daß Elliot sich zurückzog, und es ist seitdem Niemand erschienen, der auch nur die ungegründeten Hoffnungen wieder aufgerichtet hätte, die mit ihm gesunken waren.

Für Elliot war die Nachricht von Anna's Verbindung im höchsten Grade unerwartet. Sie störte seinen schönsten Entwurf auf häusliches Glück, seine beste Hoffnung, den Baronet durch die Wachsamkeit, welche die Rechte eines Schwiegersohnes erlaubt haben würden, von einer Wiedervermählung abzuhalten; aber ungeachtet er sich besiegt und getäuscht sah, so konnte er doch etwas zu seinem Vortheil und zu seiner Befriedigung thun. Er verließ Bath alsbald, und da auch Frau Clay nicht lange nachher abreisete, und dann in London unter seinem Schutze lebte, so war es offenbar, wie falsch er gespielt hatte, und wie entschlossen er verhüten wollte, wenigstens von einer schlauen Frau ausgestochen zu werden.

Frau Clay hatte ihren Vortheil ihrer Neigung nachgesetzt, und um des jungen Mannes willen, die Möglichkeit geopfert, länger einen Anschlag auf den Baronet zu machen. Sie hat aber eben so viel Verstand, als Zuneigung, und es ist zweifelhaft, ob seine oder ihre List am Ende siegen werde, und ob er, nachdem es ihm gelungen ist, eine Verbindung zwischen ihr und dem Baronet zu verhüten, sich nicht endlich durch Schmeichelei und Liebkosung dahin bringen lasse, sie zu seiner Frau zu machen.

Es läßt sich denken, wie empfindlich und kränkend für den Baronet und Elisabeth der Verlust ihrer Gefährtinn und die Entdeckung des gespielten Betruges war. Sie konnten zwar bei Lady Dalrymple und Fräulein Carteret Trost suchen, mußten aber bald fühlen, daß Andern schmeicheln und folgen, ohne etwas Aehnliches zu erfahren, nur halber Genuß ist.

Anna ward bei ihren glücklichen Aussichten nur durch das Bewußtsein gestört, daß sie ihrem Geliebten keine Verwandten geben konnte, die ein verständiger Mann hätte achten können. Sie fühlte lebhaft, daß sie in diesem Punkte unter ihm stand. Das ungleiche Verhältniß in ihren Vermögensumständen war nichts, und Anna fand darin nicht einen Augenblick Anlaß zu Bekümmerniß; aber daß sie keine Angehörigen hatte, die ihn, wie sich's gebührte, aufgenommen und geschätzt hätten, daß sie keine Achtbarkeit, keine Eintracht, kein Wohlwollen von Seiten ihrer Angehörigen, gegen die Würdigkeit und die herzliche Bewillkommung, welche sie bei seinen Brüdern und Schwestern fand, anzubieten hatte, war die Quelle eines so lebhaften Schmerzes, als ihr Gemüth bei einem sonst so hohen Glücke fühlen konnte. Sie hatte nur zwei Freundinnen in der Welt, die sie zu den Seinigen gesellen konnte, Frau Russel und Frau Smith. Er war sehr geneigt, diesen mit Wohlwollen entgegen zu kommen. Er konnte Frau Russel, ungeachtet ihrer frühern Vergehungen, nun aufrichtig achten. Sollte er nur nicht den Glauben aussprechen, daß sie recht gethan hätte, ihn in früherer Zeit von Anna zu trennen, so war er gern bereit, sonst alles Gute von ihr zu sagen. Frau Smith aber hatte mehr als einen Anspruch, schnell und für immer sein Wohlwollen zu gewinnen. Was sie neuerlich für Anna gethan, war an sich schon genug, und die Heirath gewann ihr zwei wohlwollende Menschen, statt ihr eine Freundinn zu rauben. Sie besuchte das neu verbundene Paar sogleich und Wentworth, der sie in Stand setzte ihres Mannes Vermögen in Westindien wieder zu erlangen, und sich ihrer Angelegenheit mit der Thätigkeit und dem Eifer eines furchtlosen Mannes und eines entschlossenen Freundes annahm, vergalt die Dienste, welche sie seiner Frau erwiesen, oder je zu erweisen gemeint hatte. Frau Smith ward durch diese Verbesserung ihrer Einkünfte, durch Besserung ihrer Gesundheit, und durch die Erwerbung von Freunden, mit welchen sie oft zusammen sein konnte, nur wahrhaft glücklicher, da ihre Munterkeit und Seelenfreudigkeit sie nie verließen, und selbst wenn sie ganz reich und vollkommen gesund gewesen wäre, würde sie doch ungestörtes Glück genossen haben. Die Quelle ihres Glückes war in ihrem lebhaften Geiste, wie Anna's Glück aus ihrem warmen Herzen entsprang.

Anna war die Zärtlichkeit selbst, und sie fand reichlichen Lohn dafür in Wentworth's Zuneigung. Nur der Gedanke an seinen Beruf konnte bei ihren Freunden den Wunsch erwecken, daß sie mit minderer Zärtlichkeit an ihm hangen möchte, und nichts als die Besorgniß vor einem künftigen Kriege konnte ihren Sonnenschein trüben. Sie war stolz darauf, eines Seemannes Frau zu sein, aber sie mußte mit leicht erregbarer Besorgniß dafür büßen, daß sie diesem Stande angehörte, welcher, wo möglich, durch häusliche Tugenden noch mehr, als durch seine Wichtigkeit für das Vaterland, ausgezeichnet ist.

 

Ende.

 


Anhang.

Illustration von Hugh Thompson zum Kapitel VIII des zweiten Bandes:

siehe Bildunterschrift

›With all the eagerness compatible with anxious elegance‹

(Jane Austen: Northanger Abbey; and, Persuasion. Macmillan, London 1913. S. 381.)

 


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