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Es war im Anfange des Februars, und Anna, die nun schon vier Wochen in Bath gewesen war, sehnte sich sehr, aus Uppercroß und Lyme etwas zu erfahren. Sie wünschte mehr zu hören, als Marie ihr mittheilte. Seit drei Wochen hatte sie gar keine Nachricht erhalten. Sie wußte nur, daß Henriette wieder zu Hause war, und Luise, obgleich sie sich schnell erhohlte, noch immer in Lyme lebte. Eines Abends, als sie sehr lebhaft an Alle dachte, kam ein ungewöhnlich dicker Brief von Marie, und ihre angenehme Ueberraschung zu erhöhen, ward ihr ein Gruß vom Admiral und seiner Frau dabei gemeldet.
Beide mußten in Bath sein. Das war wichtig für sie. Ihr Herz fühlte sich zu ihnen gezogen.
»Was ist das?« sprach ihr Vater. »Admiral Croft hier? Croft, der Miethmann von Kellynch? Was haben sie Dir mitgebracht?«
»Einen Brief von Marie, lieber Vater.«
»O diese Briefe sind gute Pässe, und bahnen leicht den Weg zu einer Bekanntschaft. Ich würde jedoch den Admiral Croft auf jeden Fall besucht haben. Ich weiß, was ich meinem Miethmann schuldig bin.«
Anna konnte nicht länger zuhören, ihr Brief lag ihr zu sehr am Herzen. Er war schon mehre Tage früher angefangen.
»Liebe Anna.
Ich entschuldige mich nicht wegen meines Schweigens, weil ich weiß, wie wenig man in einem Orte wie Bath an Briefe denkt. Du bist gewiß zu glücklich, als daß Du Dich viel um Uppercroß bekümmern solltest, das, wie Du weißt, wenig Stoff zu Briefen gibt. Endlich ist nun das Feiertagsleben bei uns vorbei. Nie halten wohl Kinder so lange Weihnachtfeiertage; ich wenigstens nicht. Gestern sind endlich alle Kinder abgereiset, die kleinen Harville ausgenommen. Nicht wahr, Du wunderst Dich, daß die gar nicht nach Hause gegangen sind? Frau Harville muß eine seltsame Mutter sein, daß sie sich so lange von ihren Kindern trennen kann. Ich begreife das nicht. Artige Kinder sind's auch gar nicht, nach meiner Meinung; aber meine Schwiegermutter scheint sie eben so lieb, wo nicht lieber zu haben, als ihre Enkel. – Was für ein schreckliches Wetter wir gehabt haben! In Bath mag man's wenig merken auf dem schönen Pflaster, aber auf dem Lande hat's was zu bedeuten. Seit der Mitte des Januars hat mich keine Seele besucht, ausgenommen der junge Hayter, der häufiger kam, als mir lieb war. Unter uns gesagt, es ist sehr zu bedauern, daß Henriette nicht so lange als Luise in Lyme geblieben ist; es würde ihr ihn doch ein bischen aus dem Wege gebracht haben. Der Wagen ist heute fort, und soll morgen Luise und Harville mit seiner Frau bringen. Wir sollen erst übermorgen bei meinen Schwiegerältern speisen. Meine Schwiegermutter ist so bange, daß die Reise ihre Tochter sehr ermüden möchte, und das ist doch bei der Sorgfalt, die man ihr beweiset, gar nicht wahrscheinlich. Es wäre mir weit angenehmer, wenn ich morgen da speisen könnte.
Es freut mich, daß Du Vetter Elliot so angenehm findest, und ich wünsche, ich wäre auch mit ihm bekannt; aber ich habe mein gewöhnliches Schicksal, ich bin immer nicht da, wenn sich etwas Angenehmes zuträgt, immer die Letzte unter meinen Angehörigen, die man beachtet. Aber wie unendlich lange bleibt denn Frau Clay bei Elisabeth! Denkt sie denn gar nicht daran, wieder abzureisen? Aber vielleicht würden wir doch nicht eingeladen, wenn sie auch Platz machte. Sage mir doch, was denkst Du davon? Daß meine Kinder verlangt werden, erwarte ich nicht. Ich könnte sie auf vier bis sechs Wochen recht gut bei meinen Schwiegerältern lassen.
Ich höre so eben, daß der Admiral mit seiner Frau in diesen Tagen nach Bath reiset. Er soll gichtisch sein. Mein Mann hat es ganz zufällig erfahren. Sie sind nicht so höflich gewesen, mir Nachricht zu geben, oder mich zu fragen, ob ich etwas zu bestellen hätte. Es kommt mir nicht vor, als ob sie nachbarlicher würden. Sie lassen sich gar nicht bei uns sehen, und dieß ist in der That ein Beweis von grober Vernachlässigung. Karl empfiehlt sich Dir herzlich, und ich bin
Deine
Marie.
Ich kann leider nicht sagen, daß ich wohl wäre. Jemina hat mir eben gesagt, der Fleischer hätte erzählt, es ginge ein böses Halsweh um. Ich glaube, ich werde es bekommen, und Du weißt, das Halsweh ist bei mir ungewöhnlich schlimm.«
So schloß der erste Theil des Briefes, der späterhin einen Umschlag erhalten hatte, worauf beinahe eben so viel stand.
»Ich ließ meinen Brief unversiegelt, um Dir noch schreiben zu können, wie Luise die Reise ausgehalten hat, und es ist mir sehr lieb, daß ich's gethan habe, da ich viel hinzu setzen muß. Erstlich erhielt ich gestern einen Brief von Frau Croft, worin sie sich erbot, jede Bestellung an Dich zu übernehmen; recht gütig und freundlich ist der Brief, und an mich überschrieben, ganz wie sich's gebührt. Ich kann nun meinen Brief so lang machen, als es mir gefällt. Der Admiral scheint nicht sehr krank zu sein, und ich hoffe gern, daß Bath ihm ganz gut bekommen wird. Es soll mich in der That freuen, wenn die Familie wieder da ist. Unsere Gegend kann eine so angenehme Familie nicht entbehren.
Jetzt etwas von Luise. Ich muß Dir etwas sagen, worüber Du Dich ziemlich wundern wirst. Sie kam am Dienstage mit Capitain Harville und seiner Frau glücklich hier an. Abends gingen wir hin, um zu sehen, wie sie sich befände, und zu unserer Verwunderung fanden wir Capitain Benwick nicht in der Gesellschaft, da man ihn doch so gut, als die Familie Harville, eingeladen hatte. Nun, wirst Du die Ursache errathen? Nichts mehr oder weniger, als daß er in Luise verliebt ist, und nicht nach Uppercroß zu kommen wagt, bis er eine Antwort von meinem Schwiegervater hat. Alles war zwischen ihm und ihr verabredet, ehe sie herkam, und er hat ihrem Vater durch Capitain Harville einen Brief geschickt. Die reine Wahrheit! Bist Du nicht erstaunt? Es sollte mich wenigstens wundern, wenn Du je einen Wink darüber erhalten hättest; ich habe auch nicht das Mindeste davon gehört. Meine Schwiegermutter versichert heilig, sie hätte nie etwas von der Sache gewußt. Wir sind indeß alle sehr zufrieden damit; es ist freilich nicht so gut, als wenn sie Wentworth bekommen hätte, aber doch besser, als Karl Hayter. Mein Schwiegervater hat schriftlich seine Einwilligung gegeben, und Benwick wird heute erwartet. Frau Harville sagt, ihr Mann denke freilich ein wenig an seine gute Schwester, aber Beide haben Luisen sehr lieb. Ja, ich bin ganz einig mit Frau Harville, auch wir Beide lieben Luisen mehr, weil wir sie gepflegt haben. Mein Mann ist neugierig, was Wentworth dazu sagen wird; aber Du wirst Dich wohl erinnern, ich glaubte nie, daß er Neigung zu Luisen hätte; ich konnte nie etwas davon merken. Du siehst nun auch, was es mit der Vermuthung, daß Benwick Dein Anbeter wäre, für ein Ende genommen hat. Es ist mir immer unbegreiflich gewesen, wie mein Mann sich so etwas in den Kopf setzen konnte. Ich hoffe, er wird nun artiger sein …; Ja, ein glänzendes Loos ist es nicht für Luise, aber doch tausendmahl besser, als in die Familie Hayter zu heirathen.«
Marie brauchte nicht zu fürchten, daß ihre Schwester auf irgend eine Weise auf die Neuigkeit vorbereitet gewesen wäre. Nie in ihrem Leben war sie mehr in Erstaunen gesetzt worden. Benwick und Luise! Es war fast zu wunderbar, um daran zu glauben, und sie mußte sich die größte Gewalt anthun, um in dem Zimmer zu bleiben, eine ruhige Fassung zu zeigen und auf die gewöhnlichen Fragen zu antworten. Zum Glück fragte man nicht viel. Der Baronet wollte wissen, ob der Admiral mit vier Pferden reisete, und ob er sich in einer Stadtgegend einmiethen werde, wo er und seine Tochter ihn schicklicher Weise besuchen könnten.
»Was macht Marie?« fragte Elisabeth, und die Antwort nicht erwartend, setzte sie hinzu: »Was bringt denn den Admiral und seine Frau nach Bath?«
»Er soll die Gicht haben,« erwiederte Anna.
»Gicht und Alterschwäche!« sprach der Baronet. »Der arme Mann!«
»Haben sie Bekannte hier?« fragte Elisabeth.
»Ich weiß nicht; aber ich sollte denken, ein Mann von des Admirals Alter und Stande müßte an einem Orte, wie Bath, viele Bekannte haben.«
»Ich vermuthe,« sprach der Baronet kalt, »Admiral Croft wird in Bath am Beßten als der Pachter von Kellynch-Hall bekannt sein. Elisabeth, dürften wir ihn und seine Frau bei Lady Dalrymple einführen?«
»O ich dächte nicht. Bei dem Verhältnisse, worin wir, als Verwandte, mit Lady Dalrymple stehen, müssen wir sorgfältig darauf sehen, sie nicht mit Bekanntschaften, die ihr nicht angenehm sein könnten, in Verlegenheit zu setzen. Wären wir nicht mit ihr verwandt, so hätte es nichts zu bedeuten, aber als Verwandte würde sie jeden Vorschlag von uns beachten zu müssen glauben. Es wird wohl am beßten sein, wenn wir's dem Admiral überlassen, sich selber seinen Umgang zu suchen. Man sieht hier einige wunderlich aussehende Leute umher gehen, die Seeleute sein sollen. Der Admiral wird sich wohl zu ihnen gesellen.«
So viel Antheil nahm der Baronet und Elisabeth an Mariens Briefe, und als sich Frau Clay, mit gebührender Aufmerksamkeit, nach Frau Musgrove und ihren hübschen Kindern erkundigt hatte, war Anna frei.
Als sie in ihrem Zimmer allein war, erwog sie die überraschende Nachricht. Ihr Schwager war mit Recht neugierig, was Wentworth dabei fühlen würde. Vielleicht hatte er das Feld verlassen, Luisen aufgegeben, sie zu lieben aufgehört, oder gefunden, daß er sie nicht geliebt. Unerträglich war ihr der Gedanke an Falschheit oder Leichtsinn, oder an unfreundliche Begegnung zwischen ihm und seinem Freunde. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, daß eine solche Freundschaft rauh getrennt werden sollte.
Benwick und Luise? Die muntre, fröhlich schwatzende Luise, und der niedergeschlagene, nachdenkende, tieffühlende, bücherfleißige Benwick – Wie sollten sie für einander passen! Welche ungleiche Gemüther! Was konnte sie angezogen haben? Die Antwort lag nahe. Ihre Lage hatte sie einander genähert. Sie waren mehre Wochen lang beisammen gewesen; sie hatten in demselben kleinen häuslichen Kreise gelebt, und seit Henriettens Abreise mußten sie in ihrem Umgange ganz auf sich selbst beschränkt sein; Luise, die eben Genesene, war anziehend, und Benwick nicht untröstlich gewesen. Anna hatte dieß früher schon argwöhnen müssen, und statt aus den neuern Ereignissen den Schluß zu ziehen, den Marie daraus zog, wurde sie dadurch nur in dem Gedanken bestärkt, daß in Benwick's Herzen allerdings ein zärtliches Gefühl gegen sie gedämmert hatte. Sie wollte jedoch daraus nicht mehr zur Befriedigung ihrer Eigenliebe ziehen, als Marie selber hätte erlauben können, und sie war überzeugt, daß jede erträglich angenehme junge Frau, die ihm Aufmerksamkeit und Theilnahme bewiesen hätte, dieselbe Huldigung empfangen haben würde. Er hatte ein gefühlvolles Herz und mußte Jemanden lieben. Sie sah nicht ein, warum sie nicht glücklich mit einander leben sollten. Luise hatte für den Anfang Eifer genug für das Seeleben und Beide mußten in der Folge sich noch ähnlicher werden. Er mußte einen fröhlichern Sinn erhalten, sie für Scott und Byron sich begeistern lernen, ja dieß war vermuthlich schon gelernt, und ohne Zweifel hatten sie sich bei der Poesie verliebt. Der Gedanke, daß sich Luise in eine Literaturfreundinn und eine empfindsame Betrachterinn verwandelt hätte, war belustigend, aber Anna zweifelte nicht, daß es wirklich so geworden wäre. Die Reise nach Lyme und der Fall am Strande konnten so wichtigen Einfluß auf ihre Gesundheit, ihre Stimmung, ihren Muth und ihre Sinnesart bis an das Ende ihres Lebens haben, als sie auf ihr ganzes Schicksal gehabt zu haben schienen.
Der Schluß ihrer Betrachtungen war, daß Luisens Verbindung gar nicht überraschend wäre, wenn man einem Mädchen, das Wentworth's Werth gefühlt hätte, erlauben könnte, einen andern Mann vorzuziehen, und daß nichts dabei zu bedauern wäre, wenn Wentworth keinen Freund dadurch verlohren hatte. Nein, es war nicht Bedauern, was in Anna's Herzen, wie ruhig sie auch sein wollte, schlug, und ihr das Blut in die Wangen trieb, wenn sie sich Wentworth fessellos und frei dachte. Es waren Gefühle in ihrem Innern, welche sie zu erforschen sich schämte; denn sie glichen zu sehr einer Freude, einer unverständigen Freude.
Sie sehnte sich, den Admiral und seine Frau sehen; als sie aber zu ihnen kam, zeigte sich, das Beide noch nichts von der Neuigkeit wußten. Der förmliche Besuch ward abgelegt und erwiedert, Luise genannt und Benwick dazu, ohne daß auch nur ein leises Lächeln sich verrathen hätte.
Der Admiral hatte eine Wohnung in einem schönen Stadttheile genommen, die ganz des Baronets Beifall hatte. Er schämte sich der Bekanntschaft gar nicht; er dachte mehr an den Admiral und sprach mehr von ihm, als dieser je um den Baronet sich bekümmerte.
Der Admiral fand gerade so viele Bekannte in Bath, als er wünschte, und hatte mit der Familie Elliot bloß aus Höflichkeit Verkehr, ohne Vergnügen davon zu erwarten. Er und seine Frau wichen auch hier nicht von ihrer ländlichen Gewohnheit ab, fast immer bei einander zu sein. Die Aerzte hatten ihm, seiner Gichtanfälle wegen, viel Bewegung zu Fuße vorgeschrieben, und seine Frau schien alles mit ihm zu theilen und des Gehens nicht müde zu werden, um ihm wohl zu thun. Anna sah Beide überall beisammen. Sie fuhr fast jeden Morgen mit Frau Russel, dachte immer an die Unzertrennlichen und sah sie immer. Es war für sie, da sie die Gefühle des wackeren Paares kannte, das anziehendste Gemählde der Glückseligkeit. Sie sah ihnen immer so lange nach, als sie konnte; sie freute sich bei dem Gedanken, daß sie ahnete, wovon Beide sprachen, die in glücklicher Unabhängigkeit ihres Weges gingen: sie freute sich, wenn sie sah, wie der Admiral einem alten Freunde, der ihm begegnete, herzlich die Hand drückte, oder wie lebhaft das Gespräch wurde, wenn zuweilen eine kleine Gesellschaft von Seeleuten sich zusammen fand, wo dann Frau Croft so verständig und scharfsinnig aussah, als einer von den Offizieren um sie her.
Anna war so häufig in der Gesellschaft ihrer Freundinn, daß sie nur selten zu Fuße ging; eines Morgens aber, als sie im untern Stadttheile aus dem Wagen der Frau Russel gestiegen war, um allein nach Hause zu gehen, traf sie den Admiral. Er stand, die Hände auf dem Rücken, in ernster Betrachtung vor dem Fenster eines Bilderladens, und war so vertieft, daß sie unbemerkt hätte vorüber gehen können, und ihn anreden, ja anrühren mußte, um seinen Blick auf sich zu ziehen.
Als er sie bemerkte, zeigte er ganz seine gewöhnliche Offenheit und gute Laune. »O Sie sind's! Ich danke, ich danke. Das heißt mich freundschaftlich behandeln. Da stehe ich, und gaffe das Bild an. Ich kann hier nie vorüber gehen, ohne stehen zu bleiben. Was das für ein Ding ist, das wie ein Boot aussehen soll. Sehen Sie nur! Ist Ihnen je so etwas vorgekommen? Was eure Mahler für wunderliche Leute sein mögen, daß sie sich einbilden können, Jemand möchte einer so ungestalten alten Muschelschale sein Leben anvertrauen wollen. Und da sitzen zwei Männer darin, ganz fröhlich und guter Dinge, und sehen sich nach den Felsen und Bergen um, als ob sie nicht im nächsten Augenblick umschlagen würden, was gar nicht fehlen kann. Ich möchte wohl wissen, wo das Boot gebaut wäre!« setzte er herzlich lachend hinzu. »Ich möchte darin nicht über eine Pferdeschwemme fahren. Nun denn,« fuhr er fort, sich zu dem Fräulein wendend: »wohin steuern Sie? Kann ich einen Weg für Sie machen oder mit Ihnen? Kann ich Ihnen einen Dienst leisten?«
»Ich wüßte nichts als wenn sie mir das Vergnügen machen wollen, mit mir zu gehen, so weit unser Weg derselbe ist. Ich gehe nach Hause.«
»Das will ich, von Herzen gern, und weiter noch. Ja, ja, wir machen einen recht angenehmen Gang zusammen, und unterwegs habe ich Ihnen was zu erzählen. Da, nehmen Sie meinen Arm. So recht! Es ist mir nie wohl, als wenn ich da ein Weibchen habe …; Du mein Himmel, was das für ein Boot ist!« fuhr er fort, noch einen Blick auf das Bild werfend, ehe sie sich in Bewegung setzten.
»Sagten Sie nicht, Herr Admiral, Sie hätten mir etwas mitzutheilen?«
»Ja das hab' ich. Sogleich. Aber da kommt ein Freund, Capitain Brigden. Ich will nur im Vorübergehen fragen, wie's ihm geht. Ich halte mich nicht auf. ›Nun, wie geht's?‹ Brigden wundert sich, daß ich jemand anders, als meine Frau bei mir habe. Sie kann nicht gehn, das arme Kind; sie hat eine Blase am Fuß, wie ein Dreischillingstück …; Sehn Sie, drüben geht Admiral Brand mit seinem Bruder. Schlechte Kerle, alle Beide! Gut, daß sie nicht auf dieser Seite gehen. Sophie kann sie nicht leiden. Sie haben mir einmahl einen elenden Streich gespielt. Ich erzähle Ihnen die Geschichte ein Andermahl. Da kommt der alte Herr Drew mit seinem Enkel. Sehen Sie, er wirft Ihnen einen Kuß zu; denkt, Sie wären meine Frau. Der gute Mann! Es ist auch zu früh Friede geworden für ihn …; Nun, Fräulein Elliot, wie gefällt's Ihnen in Bath? Wir sind sehr zufrieden. Immer begegnen wir einem oder dem andern alten Freunde; alle Morgen sehen wir sie auf der Straße, haben immer genug zu schwatzen, und wenn wir dann zu Hause kommen, rücken wir unsere Stühle zurecht, und es ist uns so wohl, als ob wir in Kellynch wären, oder gar in unserer alten Wohnung in Yarmouth und Deal. Ich kann Ihnen sagen, unser Haus hier gefällt uns nicht übler, weil's uns an unsre erste Wohnung in North-Varmouth erinnert. Der Wind pfeift hier gerade so durch einen von den Schenktischen.«
Als sie einige Schritte weiter gegangen waren, wagte es Anna, noch einmahl an die versprochene Mittheilung zu erinnern. Vergebens; der Admiral hatte sich vorgesetzt, erst den offnen Platz in der Oberstadt zu erreichen, und da sie nicht wirklich Frau Croft war, so mußte sie ihn schon gehen lassen.
»Nun sollen Sie etwas hören, worüber Sie sich wundern werden,« nahm er endlich das Wort. »Aber zuerst müssen Sie mir den Nahmen des Fräuleins sagen, wovon ich reden will. Das Fräulein, Sie wissen's ja, wir sind Alle so bekümmert um sie gewesen; Fräulein Musgrove, mein' ich. Ihren Taufnahmen – immer vergesse ich ihren Taufnahmen.«
Anna würde sich geschämt haben, wenn sie hätte verrathen wollen, daß sie ihn so schnell begriffen hatte, als es wirklich der Fall war; aber nun konnte sie ohne Bedenklichkeit Luisens Nahmen nennen.
»Ja, ja, Luise Musgrove, das ist der Nahme. Ich wollte, die Mädchen hätten nicht eine solche Menge von schönen Taufnahmen. Ich würde nie irre, wenn sie alle Sophie hießen, oder ungefähr so. Nun, Sie wissen, wir dachten Alle, dieses Fräulein Luise sollte meinen Schwager, Capitain Wentworth, heirathen. Er hat ja wochenlang um sie gefreit, wies aussah. Wir wunderten uns, worauf Beide noch warten könnten, bis die Geschichte in Lyme dazwischen kam; da mußte freilich gewartet werden, bis ihr Kopf wieder in Ordnung war. Aber selbst zu jener Zeit benahmen sich Beide wunderlich. Wentworth ging nach Plymouth, statt in Lyme zu bleiben, und dann zu seinem Bruder Eduard. Da ist er noch, und seit dem November wissen wir nichts von ihm. Selbst meine Frau konnte das Ding nicht begreifen. Nun aber hat Alles die sonderbarste Wendung genommen das Fräulein heirathet nicht Wentworth, sondern Benwick. Sie kennen ja Benwick?«
»Ja, ich bin ein wenig bekannt mit ihm.«
»Nun, sie heirathet ihn, oder höchst wahrscheinlich sind sie schon verheirathet, denn ich wüßte nicht, worauf sie warten sollten.«
»Ich fand in Capitain Benwick einen sehr angenehmen jungen Mann,« erwiederte Anna, »und ich höre, er hat ein vortreffliches Gemüth.«
»O ja, ja! gegen Benwick ist gar nichts zu sagen. Er hat freilich erst seit vorigem Sommer ein Schiff, und es sind nur schlechte Zeiten zum Fortkommen. Sonst ist gar nichts an ihm auszusetzen. Ein vortrefflicher, gutherziger Mensch, auf mein Wort, und ein thätiger, eifriger Offizier, was Sie vielleicht gar nicht glauben würden, weil sein weiches Wesen ihn eben nicht empfiehlt.«
»Sie irren sich, Herr Admiral. Ich würde aus Herrn Benwick's Benehmen gewiß nie auf Mangel an Muth schließen. Ich habe sein Wesen sehr angenehm gefunden, und bin überzeugt, es wird überall gefallen.
»Nun, Frauen wissen am Beßten zu urtheilen; aber Benwick ist zu sanft für mich, und mag's vermuthlich nur Parteilichkeit sein, aber Sophie und ich, wir halten meines Schwagers Benehmen für besser. Er ist mehr nach unserm Sinne.«
Anna war gefangen. Sie hatte nur die zu gewöhnliche Meinung bestreiten wollen, daß Muth und feines Benehmen unverträglich seien, keineswegs aber war es ihre Absicht gewesen, Benwick's Benehmen als ein Muster vorzustellen, und sie war, nach einigem Zögern, im Begriffe zu sagen, daß sie die beiden Freunde gar nicht vergleichen wollte, als der Admiral sie mit den Worten unterbrach: »Die Sache ist gewiß wahr. Nicht bloßes Geschwätz. Wir haben's von meinem Schwager selbst. Meine Frau hat gestern einen Brief von ihm erhalten, worin er sagt, daß Harville ihm alles von Uppercroß geschrieben hat. Da werden nun Alle beisammen sein.«
Anna konnte diese Gelegenheit nicht entschlüpfen lassen und hob an: »Ich will hoffen, Herr Admiral, es ist in dem Tone von ihres Schwagers Briefe nichts, das Sie und ihre Gemahlinn beunruhigen könnte. Im vorigen Herbste sah es freilich aus, als ob zwischen ihm und Fräulein Musgrove ein zärtliches Verständniß wäre; aber ich hoffe, man darf annehmen, daß es von beiden Seiten, ohne Unfreundlichkeit aufgelöset worden ist; ich hoffe, man findet in dem Briefe nicht den Unmuth eines gekränkten Mannes.«
»Ganz und gar nicht, sage ich Ihnen; keine Verwünschung, kein murrender Ton von Anfang bis zu Ende.«
Anna schlug die Augen nieder, um ihr Lächeln zu verbergen.
»Nein, nein!« erwiederte der Admiral, »mein Schwager ist nicht der Mann, der wimmert und klagt, dazu hat er zu viel Muth. Hat das Mädchen einen andern Mann lieber, nun, so ist's besser, sie nimmt ihn.
»Allerdings, aber ich wollte sagen, es ist hoffentlich nichts in ihres Herrn Schwagers Briefe, woraus Sie die Vermuthung ziehen könnten, daß er von seinem Freunde eine Kränkung erlitten zu haben glaubt, und das könnte sich ja verrathen, ohne daß er es ausdrücklich sagte. Es sollte mir sehr leid thun, wenn eine Freundschaft, wie sie zwischen Beiden bestanden hat, durch einen solchen Umstand aufgehoben, oder auch nur geschwächt werden könnte.«
»Ja, ja, ich verstehe Sie, aber ich sage Ihnen, es ist gar nichts der Art in dem Briefe. Er gibt dem Benwick auch nicht den mindesten Hieb, oder sagt auch nur, daß er sich wunderte. Nein, aus dem Tone seines Briefs ließe sich's gar nicht errathen, daß er je selber Absichten gehabt hätte auf das Fräulein – wie heißt sie denn? Er äußert ganz artig die Hoffnung, daß sie glücklich sein werden, und das lautet nicht eben unversöhnlich, sollte ich denken.«
»Anna erhielt nicht die vollkommene Ueberzeugung, die der Admiral geben wollte; aber es würde unnütz gewesen sein, weiter zu forschen. Sie begnügte sich mit gewöhnlichen Bemerkungen, oder zeigte ruhige Aufmerksamkeit, und ließ den Admiral das Gespräch nach seiner Weise fortsetzen.
»Der arme Wentworth!« sprach er endlich. »Nun muß er von vorne wieder anfangen mit einer Andern. Ich denke, er muß nach Bath kommen. Sophie muß ihm schreiben, daß er uns besuchen soll. Hier gibt's hübsche Mädchen genug, denk ich. Was hilft's, wieder nach Uppercroß zu gehen; das andre Fräulein ist ja auch verlobt mit dem Vetter. Nicht wahr, Fräulein Elliot, wäre es nicht besser, wir suchten ihn nach Bath zu ziehen?«