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X.

Anna ging nach Hause, um über alles, was sie gehört hatte, nachzudenken. In einer Hinsicht ward ihr Gefühl durch die Nachrichten, die sie über Elliot erhalten hatte, erleichtert. Es verstand sich von selbst, daß sie ihm nun nicht länger eine wohlwollende Regung weihen konnte. Er erschien nun, Wentworth gegenüber, in seiner ganzen unwillkommenen Zudringlichkeit, und an das unabhelfliche Unheil, das er am vorigen Abende durch seine Aufmerksamkeiten gestiftet haben konnte, dachte sie mit Empfindungen, die nun keine andere Rücksicht mildern, oder mit einer Regung von Verlegenheit verschmelzen konnte. Es war nun vorbei mit allem Mitleid gegen ihn. Dieß aber war auch die einzige Erleichterung. In jeder andern Hinsicht sah sie, wenn sie um sich her, oder in die Zukunft blickte, vieles, das Mißtrauen und Besorgniß erweckte. Mit Bekümmerniß dachte sie an die Täuschung und den Schmerz, wovon Frau Russel bewegt werden mußte, an die Kränkung, die ihrem Vater und ihrer Schwester bevorstand, und sie fühlte sich unglücklich, als sie viele Uebel voraus sah, ohne zu wissen, wie sie eines derselben abwenden sollte. Sie freute sich dankbar, daß sie ihn kennen gelernt hatte. Nie hatte sie geglaubt, eine Belohnung dafür zu verdienen, daß sie eine alte Freundinn nicht geringschätzig behandelt hatte, aber es war wirklich eine Belohnung daraus entsprungen. Frau Smith war im Stande gewesen, ihr etwas zu sagen, das sie von sonst Niemandem hätte erfahren können. Hätten nur ihre Angehörigen auch schon alles gewußt! Vergeblicher Wunsch! Sie mußte mit Frau Russel sprechen, sich mit ihr berathen; und wenn sie ihr Bestes gethan hatte, mußte sie den Erfolg mit aller ihr möglichen Fassung erwarten, und am Wenigsten konnte sie Fassung in jenem geheimen Winkel ihrer Seele finden, den sie vor ihrer Freundinn nicht enthüllen durfte. Ihre Unruhe ihre Besorgnisse mußte sie für sich allein behalten.

Als sie heim kam, fand sie, daß es ihr, nach ihrer Absicht, gelungen war, ihrem Vetter auszuweichen. Er hatte einen langen Morgenbesuch abgestattet; als aber sie eben sich Glück wünschte, und sich freute, bis auf den folgenden Tag sicher zu sein, hörte sie, daß er am Abend wieder kommen wollte.

»Ich hatte gar nicht die Absicht, ihn zu bitten,« sprach Elisabeth mit erkünstelter Nachlässigkeit; »aber er gab selber so viele Winke, wie wenigstens Frau Clay sagt.«

»Ja, das sage ich,« sprach diese. »Ich habe nie in meinem Leben Jemand gesehen, der so sehr auf eine Einladung angespielt hätte. Der arme Mann! ich kann Ihnen sagen, Fräulein Anna, ich habe wirklich um ihn gelitten, da Ihre hartherzige Schwester so grausam sein zu wollen scheint.«

»O nein,« erwiederte Elisabeth, »ich bin vielmehr nur zu sehr daran gewöhnt, durch die Winke eines Mannes umgestimmt zu werden. Als ich sah, wie sehr er's bedauerte, meinen Vater heute früh verfehlt zu haben, gab ich ja sogleich nach, denn ich möchte nicht gern eine Gelegenheit entschlüpfen lassen, ihn und meinen Vater zusammen zu bringen. Sie zeigen sich beide so sehr zu ihrem Vortheile, wenn sie mit einander in Gesellschaft sind. Jeder von ihnen benimmt sich so artig. Herr Elliot ist so ehrerbietig.«

»Es ist eine Freude, es anzusehen,« sprach Frau Clay, aber sie wagte es doch nicht, ihre Augen dabei auf Anna zu richten. »Ganz wie Vater und Sohn! Liebes Fräulein, darf ich nicht sagen, wie Vater und Sohn?«

»O ich will Niemands Worte hindern! Wollen Sie solche Gedanken haben, meinetwegen! Aber ich sehe in der That nicht, daß er in seinen Aufmerksamkeiten weiter ginge als andere Männer.«

»Liebes Fräulein,« rief Frau Clay, Hände und Blicke erhebend, und ließ ihr Erstaunen in einem angemessenen Stillschweigen untergehen.

»Meine liebe Penelope,« erwiederte Elisabeth. »Sie brauchen sich seinetwegen nicht so zu beunruhigen. Sie wissen ja, ich habe ihn eingeladen. Ich schickte ihn mit einem Lächeln fort. Als ich hörte, daß er wirklich morgen auf den ganzen Tag zu seinen Freunden nach Thornberry-Park geht, hatte ich Mitleid mit ihm.«

Anna bewunderte das gute Spiel der Freundin, die im Stande war, so viel Vergnügen zu verrathen, in dem Augenblicke, wo der Mann ankam, dessen Gegenwart ihrem Hauptzwecke hinderlich sein mußte. Elliot's Anblick konnte ihr unmöglich anders als verhaßt sein; und dennoch vermochte sie das freundlichste, sanfteste Wesen anzunehmen, und schien ganz zufrieden damit zu sein, daß sie dem Baronet nur halb so viel Aufmerksamkeit widmen durfte, als sie sonst gethan haben würde.

Für Anna war es ein peinlicher Augenblick, als Elliot in's Zimmer trat, und noch mehr, als er sich ihr näherte und sie anredete. Sie hatte früher schon wohl gefühlt, daß er nicht immer ganz aufrichtig sein konnte, jetzt aber sah sie überall Mangel an Aufrichtigkeit. Seine aufmerksame Ehrerbietung gegen ihren Vater, war, mit seinen frühern Aeußerungen verglichen, widrig, und wenn sie an sein hartes Betragen gegen Frau Smith dachte, war es ihr fast unerträglich, sein Lächeln, seine milde Freundlichkeit zu sehen, oder seine erkünstelten guten Gesinnungen zu hören. Sie nahm sich vor, jede Veränderung in ihrem Benehmen zu vermeiden, die eine Beschwerde von seiner Seite hätte veranlassen können. Es war sehr wichtig für sie, Nachforschung, oder Aufsehen zu verhüten; aber sie hatte die Absicht, ihm einen so entschiedenen Kaltsinn zu zeigen, als mit ihrem verwandtschaftlichen Verhältnisse vereinbar war, und die wenigen Schritte zu einer unnöthigen Traulichkeit, wozu sie sich nach und nach hatte verleiten lassen, wollte sie so gelassen als möglich zurück gehen.

Sie war zurückhaltender, als am vorigen Abende. Elliot mußte ihre Neugier in Beziehung auf den Umstand, wie und wo er früher etwas zu ihrem Lobe hätte hören können, erst wieder aufregen ; und man bat ihn nichts weniger als dringend; aber der Zauber war einmal gelöset. Er fand, daß die Eitelkeit seines bescheidenen Mühmchens nur bei dem aufregenden Leben in einem vollen Gesellschaftzimmer geweckt werden konnte, er fand wenigstens, dass es nicht durch die Versuche geschehen konnte, die er in diesem Augenblicke, wo auch die Andern so gebieterische Ansprüche auf ihn machten, wagen durfte. Er ahnete wenig, daß er gegen seinen Vortheil handelte, als er gerade diejenigen Umstände seines Betragens, die am wenigsten zu entschuldigen waren, ihr in Erinnerung brachte.

Sie horte mit Vergnügen, daß e er wirklich früh am folgenden Morgen Bath verlassen und zwei Tage lang abwesend sein wollte. Man lud ihn ein, am Abend seiner Rückkehr wiederzukommen, aber vor dem nächsten Sonnabend konnte er schwerlich zurückkehren. Es war für Anna schon schlimm genug, immer eine Frau Clay vor Augen haben zu müssen; aber daß ein ärgerer Heuchler stets in ihrer Gesellschaft sein sollte, schien allen Frieden und jeden frohen Lebensgenuß stören zu müssen. Es war so demüthigend für sie, an den steten Betrug zu denken, womit Elliot gegen ihren Vater und ihre Schwester handelte, und an die mancherlei Kränkungen, die ihnen bevorstanden. Die Selbstsucht der Frau Clay war nicht so verwickelt, nicht so empörend, als die seinige, und Anna hätte sich gern die Heirath mit allen Uebeln gefallen lassen, wenn sie von den listigen Kunstgriffen, womit Elliot die Verbindung zu verhindern suchte, frei gewesen wäre.

Am Freitage wollte sie sehr früh am Morgen zu Frau Russel gehen, um ihr die nöthige Eröffnung zu machen, und sie würde gleich nach dem Frühstücke aufgebrochen sein, wenn nicht auch Frau Clay, um für Fräulein Elisabeth einen Auftrag zu übernehmen, hätte ausgehen wollen. Anna wartete, um vor einer solchen Begleiterinn sicher zu sein, aber so bald die Hausfreundinn fort war, äußerte sie die Absicht, zu Frau Russel zu gehen.

»Gut!« antwortete Elisabeth. »Ich habe nichts an sie zu bestellen, als meinen Gruß. Du kannst auch das langweilige Buch mitnehmen, das sie mir geliehen hat. Sage, ich hätte es ganz ausgelesen. Ich kann mich wahrlich nicht mit all den neuen Gedichten und politischen Schriften quälen, die herauskommen. Frau Russel ermüdet einen wahrlich mit ihren neuen Büchern. Du brauchst es ihr nicht zu sagen, aber ihr Anzug vorgestern Abend war abscheulich. Ich glaubte sie hätte etwas Geschmack darin, aber ich schämte mich für sie im Konzert. Alles so steif und gekünstelt in ihrem Wesen, und sie sitzt so gerade – Aber grüße sie bestens.«

»Auch von mir,« setzte der Baronet hinzu. »Recht freundlich! Du kannst sagen, ich wollte ihr bald einen Besuch machen. Richte es recht höflich aus. Aber ich will nur eine Karte abgeben. Morgenbesuche sind nicht hübsch bei Frauen von ihrem Alter, die so wenig auf ihr Aeußeres halten. Wenn sie doch nur Roth auflegte, so dürfte sie sich nicht scheuen, sich sehen zu lassen. Als ich zuletzt bei ihr war, wurden die Rollos sogleich niedergelassen.«

Der Baronet hatte eben gesprochen, als es an der Hausthür pochte. Wer konnte es sein? Anna hätte glauben können, es wäre Vetter Elliot, in dessen Plan es ja lag, zu allen Stunden zu kommen; aber sie wußte, daß er eine Reise von drei bis vier Stunden Weges antreten wollte. Nach wenigen Minuten trat der junge Musgrove mit seiner Frau herein.

Ueberraschung war die lebhafteste Regung, die ihre Ankunft erweckte; Anna aber war aufrichtig erfreut, sie zu sehen, und die Uebrigen waren nicht so sehr bekümmert, daß sie unfähig gewesen wären, ein anständiges Gesicht zur Bewillkommung zu machen, und da es bald klar wurde, daß die beiden Gäste, ihre nächsten Verwandten, keineswegs in der Absicht kamen, in diesem Hause ein Unterkommen zu suchen, so waren der Baronet und Elisabeth im Stande, sie ziemlich herzlich zu empfangen. Es ergab sich in den ersten Augenblicken, daß die beiden jungen Leute mit Frau Musgrove angekommen, und in einem Gasthofe abgestiegen waren. Als der Baronet und Fräulein Elisabeth sich in das andere Zimmer begeben hatten, um sich an Mariens bewundernden Aeußerungen zu laben, konnte Anna ihren Schwager dahin bringen, ihr umständlich zu erzählen, was der Zweck dieser Reise nach Bath war, oder die lächelnden Winke zu erklären, womit Marie prahlend auf eine besondere Angelegenheit angespielt hatte. Sie erfuhr, daß die Reisegesellschaft aus dem jungen Paare, Frau Musgrove, Henriette und Capitain Harville bestand. Er erzählte ihr darauf die ganze Geschichte der Reise. Den ersten Anstoß hatte Harville gegeben, der in Geschäften nach Bath reisen mußte, und als vor acht Tagen zuerst die Rede davon gewesen war, hatte Karl Musgrove, da die Jahreszeit der Jagd nicht günstig war, ihm seine Begleitung angeboten. Frau Harville freute sich, ihren Mann in Musgrove's Gesellschaft reisen zu sehen, Marie aber konnte den Gedanken nicht ertragen, allein zu bleiben, und war darüber so untröstlich, daß es einige Tage lang aussah, als ob alles ungewiß, oder gar aufgegeben wäre. Endlich ward die Sache von Karl's Aeltern wieder in Anregung gebracht. Seine Mutter hatte alte Freunde in Bath, die sie gern wiedersehen wollte, und Henriette konnte die günstige Gelegenheit benutzen, für sich und ihre Schwester Brautkleider einzukaufen. So ward alles in's Geleise gebracht, und Karl kam mit seiner Frau zur Reisegesellschaft, wie es Alle wünschten. Frau Harville blieb indeß mit ihren Kindern und Benwick bei Vater Musgrove und Luise in Uppercroß.

Anna mußte sich wundern, daß die Heirathangelegenheiten schon so weit gediehen waren, um an Henriettens Brautkleider zu denken. Sie hatte vermuthet, es möchten sich in Hinsicht auf Vermögensumstände so viele Schwierigkeiten finden, daß so bald nicht an eine Heirath zu denken wäre; ihr Schwager erzählte ihr aber, der junge Hayter hätte den Antrag erhalten, ein Pfarramt für einen jungen Mann, der es erst nach mehren Jahren selber antreten konnte, zu versehen, und wäre nun, auch abgesehen von seinen günstigen Aussichten für die Zukunft, in so guten Umständen, daß die Einwilligung beider Familien die Wünsche des jungen Paars erfüllt hatte. Die Hochzeit sollte in wenigen Monaten, gleichzeitig mit Luisens Vermählung, gefeiert werden. Karl rühmte die Vorzüge der Pfarre, die in einer schönen Gegend in der Grafschaft Dorset, ungefähr zwölf Stunden von Uppercroß, lag, in der Nachbarschaft einiger angesehenen Gutsbesitzer, an welche Hayter besondere Empfehlungen erhalten sollte. »Aber er wird das nicht gehörig zu schätzen wissen,« setzte Musgrove hinzu. »Er macht sich zu wenig aus der Jagd, und das ist sein schlimmster Fehler.«

»Es freut mich sehr,« sprach Anna, »daß es so kommt, und daß zwei Schwestern, die so viele Vorzüge haben und immer so freundschaftlich gegen einander waren, zu gleicher Zeit so glücklichen Aussichten entgegen gehen. Ihre Aeltern werden sich gewiß sehr glücklich fühlen.«

»O ja! Meinem Vater würde es freilich eben so angenehm sein, wenn der junge Mann reicher wäre, aber er hat sonst nichts an ihm auszusetzen. Zwei Töchter auf einmal auszustatten, das kann freilich nicht sehr angenehm sein. Ich will nicht gesagt haben, daß sie kein Recht dazu hätten. Es ist nicht anders als billig, daß sie das Ihrige erhalten, und er war immer ein sehr gütiger, freigebiger Vater gegen mich. Meine Frau sieht freilich Henriettens Heirath eben nicht gern; Sie wissen's ja. Aber sie thut Hayter unrecht, und ich gebe mir umsonst alle Mühe, ihr zu zeigen, daß Winthrop ein hübsches Gut ist. Eine sehr gute Heirath ist's in unsern Zeiten. Karl Hayter hat mir immer gefallen, und ich will nun nicht von ihm lassen.«

»So treffliche Aeltern, als die Ihrigen, müssen das Glück erleben, ihre Kinder gut verheirathet zu sehen,« fuhr Anna fort. »Sie thun gewiß Alles, um sie glücklich zu machen. Welch ein Segen für junge Leute, in solchen Händen zu sein! Ihre Aeltern sind, wie es scheint, ganz frei von jenen ehrgeizigen Regungen, die bei Jung und Alt zu so vielen und zu so viel Elend geführt haben …; Aber Luise ist doch völlig hergestellt?«

»Ja, ich glaube es,« erwiederte Musgrove fast zögernd: »sie ist ziemlich hergestellt. Aber sie hat sich verändert. Da ist nichts mehr zu sehen von Laufen und Springen, von Lachen und Tanzen – alles ganz anders. Wenn man nur eine Thüre stark zumacht, so erschrickt sie, und windet sich, wie ein Wasserhühnchen im Wasser, und Benwick sitzt neben ihr, oder sie flistern zusammen, den ganzen Tag.«

Anna konnte sich des Lachens nicht enthalten.

»Nun, das können Sie freilich nicht leiden, ich weiß es wohl; aber ich halte ihn doch für einen trefflichen jungen Mann.«

»Ganz gewiß. Niemand zweifelt daran, und ich hoffe, Sie halten mich nicht für so engherzig, daß ich Jedermann ansinnen wollte, an denselben Dingen Gefallen zu finden, die mir Vergnügen machen. Ich schätze Benwick sehr, und wenn man ihn zum Reden bringen kann, weiß er viel zu sagen. Seine Leserei hat ihm nicht geschadet, denn er hat so gut gefochten, als gelesen. Er ist tapfer. Ich habe ihn vorigen Montag erst recht kennen gelernt. Wir hatten den ganzen Morgen eine gewaltige Rattenjagd in meines Vaters Scheunen, und er machte seine Sache so gut, daß er mir noch einmahl so lieb geworden ist.«

Das Gespräch wurde unterbrochen, als Musgrove durchaus den Andern folgen mußte, um Spiegel und Porzellan zu bewundern. Anna aber hatte so viel er fahren, daß sie die Lage der Dinge in Uppercroß kannte, und sich über die Umstände freuen konnte, und wenn sie auch bei ihrer Freude seufzte, so drückte doch ihr Seufzer weder Groll noch Neid aus. Gern hätte sie freilich auch gleichen Segen genossen, aber es war in ihrem Innern nicht das Verlangen, den Segen der Glücklichen zu mindern.

Alle waren bei dem Besuche in der besten Stimmung. Marie war sehr aufgeräumt. Die Reise in dem vierspännigen Wagen ihrer Schwiegermutter hatte ihr so wohl gefallen, und es war ihr so angenehm, ihre Zeit in Bath unabhängig von ihres Vaters Hause zuzubringen, daß sie ganz dazu gestimmt war, alles gebührend zu bewundern, und alle Vorzüge des Hauses, die man ihr darlegte, bereitwillig anzuerkennen.

Elisabeth war eine Zeitlang ziemlich mißmuthig. Sie fühlte, daß man Frau Musgrove und deren Reisegesellschaft zum Essen bitten mußte, aber sie konnte den Gedanken nicht ertragen, die veränderte Lebensweise und die verminderte Dienerzahl, die ein Gastmahl verrathen mußte, vor Leuten sehen zu lassen, die immer so tief unter der Familie Elliot von Kellynch gewesen waren. Es war ein Kampf zwischen Schicklichkeitgefühl und Eitelkeit, aber als endlich die Eitelkeit gesiegt hatte, war Elisabeth wieder glücklich

»Das sind altfränkische Ansichten,« sagte sie zu sich selber; »ländliche Gastfreundschaft. Wir sind ja nicht gewohnt, Gastmahle zu geben, und wenige Familien in Bath thun es. Ja, es würde Frau Musgrove selber nicht behagen, es würde sie stören. Wohlan – auf einen Abend will ich sie bitten; das ist weit besser, das ist etwas Neues. Zwei solche Zimmer, als die unsrigen, haben sie noch nicht gesehen. Es wird ihnen Freude machen, morgen Abend zu kommen. Eine kleine, aber erlesene Gesellschaft.«

Elisabeth war mit diesem Plane zufrieden, und als die beiden Anwesenden die Einladung für sich angenommen und die Einwilligung der Abwesenden zugesagt hatten, war auch Marie ganz vergnügt. Sie wurde besonders gebeten, um mit Vetter Elliot, Lady Dalrymple und Fräulein Carteret Bekanntschaft zu machen, die zum Glücke schon eingeladen waren. Nichts konnte ihr angenehmer sein, als diese Aufmerksamkeit. Elisabeth wollte Frau Musgrove noch an demselben Vormittage besuchen, und Anna ging mit dem jungen Musgrove und ihrer Schwester, um Henrietten und deren Mutter sogleich zu begrüßen.

Ihr Vorsatz, bei Frau Russel die Morgenstunden zuzubringen, mußte für jetzt aufgegeben werden. Alle Drei gingen auf einige Minuten zu ihr. Anna aber über redete sich, daß ein kurzer Aufschub der vorgehabten Eröffnung nichts zu bedeuten haben könnte, und eilte in den Gasthof, wo sie den Freunden und Gefährten vom vorigen Herbste mit einer Regung von Wohlwollen entgegen ging, die durch so viele Erinnerungen lebhaft erweckt wurde.

Frau Musgrove war mit ihrer Tochter allein, und Anna wurde von beiden sehr freundlich genommen. Henriette war bei den glücklichen Aussichten, die sich eben vor ihr eröffnet hatten, in der Stimmung, gegen Jedermann, dem sie früher Wohlwollen geweiht hatte, sich freundlich und theilnehmend zu beweisen, und Frau Musgrove belohnte durch Zuneigung die guten Dienste, die Anna in bedrängten Augenblicken geleistet hatte. Es war eine Herzlichkeit, eine Wärme, eine Aufrichtigkeit, worüber Anna desto mehr erfreut war, da sie solches Glück im väterlichen Hause schmerzlich vermißte. Man bat sie, so viel als möglich bei ihnen zu sein, man lud sie auf jeden Tag, auf den ganzen Tag ein, ja man nahm sie, als ein Glied der Familie, in Anspruch, und sie kam dagegen, wie von selbst, wieder darauf zurück, die gewohnten Aufmerksamkeiten zu erweisen und den gewohnten Beistand zu leisten. Als der junge Musgrove weggegangen war, hörte sie seiner Mutter zu, die von Luisen sprach, oder seiner Schwester Henriette, die ihre eigene Geschichte erzählte, gab ihr Gutachten über Einkaufsangelegenheiten, leistete ihrer Schwester Marie jede begehrte Hilfe, vom Ordnen des Haubenbandes bis zum Abschlusse ihrer Rechnungen, und vom Suchen eines Schlüssels bis zur Ueberredung, daß es Niemanden einfiele, ihr übel zu begegnen, was Marie zuweilen sich einbildete, obgleich es ihr sonst recht wohl auf ihrem Sitze am Fenster gefiel, wo sie den Eingang des Brunnensaales übersehen konnte.

Ein unruhiger Morgen mußte erwartet werden, wie es bei einer zahlreichen Reisegesellschaft in einem Wirthshause nicht anders sein konnte. Jetzt kam eine Rechnung, in der nächsten Minute ein Waarenbündel, und Anna war noch nicht eine halbe Stunde da gewesen, als das geräumige Zimmer schon über die Hälfte voll zu sein schien. Einige alte Freundinnen saßen um Frau Musgrove, und Karl Musgrove kam endlich mit Harville und Wentworth zurück. Anna konnte nur auf einen Augenblick überrascht sein, als sie Wentworth erblickte. Wie hätte sie vergessen können, daß die Ankunft ihrer gemeinschaftlichen Freunde sie bald wieder mit ihm zusammen bringen müßte! Die letzte Zusammenkunft war sehr wichtig gewesen, da sie seine Gefühle enthüllt hatte; für Anna war eine frohe Ueberzeugung daraus entstanden, aber Wentworth's Blicke erweckten ihr die Besorgniß, daß dieselbe unglückliche Ueberzeugung, die ihn aus dem Konzertsaale getrieben hatte, noch immer herrschte. Er schien nicht zu verlangen, ihr so nahe zu sein um ein Gespräch mit ihr anfangen zu können.

Sie suchte ruhig zu sein und wollte die Sachen ihren Gang gehen lassen. »Ist treue Anhänglichkeit auf beiden Seiten,« sprach sie zu sich selber, »so müssen unsre Herzen sich bald verstehen. Wir sind ja nicht Kinder, daß wir zänkisch reizbar wären, durch jede augenblickliche Unachtsamkeit uns auf Irrwege leiten ließen, und muthwillig mit unserm eigenen Glücke spielten.« Wenige Minuten nachher aber fühlte sie, daß sie beide unter ihren jetzigen Umständen nicht mit einander in Gesellschaft sein konnten, ohne sich den nachtheiligsten Unachtsamkeiten und Mißdeutungen auszusetzen.

»Anna,« sprach Marie, immer noch am Fenster, »da steht Frau Clay – ja sie ist es gewiß – unter dem Säulengange steht sie, und ein Herr ist bei ihr. Ich sah sie eben um die Straßenecke kommen. Sie scheinen ganz in ihr Gespräch vertieft zu sein. Wer mag's sein? Komm, sag' es mir doch. Lieber Himmel, ich besinne mich, es ist Herr Elliot selbst.«

»Nein,« sprach Anna schnell, »Herr Elliot kann's nicht sein. Er wollte heute früh um neun Uhr von hier abreisen, und kommt vor morgen nicht zurück.«

Als sie diese Worte sprach, merkte sie, daß Wentworth sie ansah; sie ward daher unruhig und verlegen, und bedauerte, so viel gesagt zu haben, so arglos es auch war.

Marie, die sich's nicht nachsagen lassen wollte, ihren eigenen Vetter nicht zu kennen, fing an, sehr lebhaft von der Familienähnlichkeit zu sprechen; sie versicherte bestimmt, daß es Elliot wäre, und foderte ihre Schwester auf, selber zuzusehen; Anna aber wollte sich nicht in Bewegung setzen, und suchte kalt und gleichgiltig zu sein. Ihre Verlegenheit kam indeß wieder, als sie merkte, daß einige der besuchenden Frauen sich lächelnde Blicke zuwarfen, als ob sie geglaubt hätten, das Geheimniß zu kennen.

Offenbar hatte sich das sie betreffende Gerücht verbreitet, und es folgte eine kurze Pause, die anzudeuten schien, daß es sich nun noch weiter verbreiten werde.

»Komm, Anna!« hob Marie wieder an, »komm und sieh nur selbst. Wenn Du nicht gleich kommst, ist es zu spät. Sie trennen sich und geben sich die Hände. Ich sollte Elliot nicht kennen! Du hast wohl Alles von Lyme vergessen.«

Anna ging gelassen an's Fenster, um ihre Schwester zu beruhigen, und vielleicht auch, um ihre Verlegenheit zu verbergen. Sie kam noch frühe genug, sich zu ihrer großen Ueberraschung zu überzeugen, daß es wirklich – was sie nicht geglaubt hatte – Vetter Elliot war, ehe er auf der einen Seite verschwand, während Frau Clay schnell auf der andern von dannen ging. Sie unterdrückte das Erstaunen, das sie bei einer so anscheinend freundschaftlichen Zusammenkunft zwischen zwei Personen, deren gegenseitiger Vortheil sich so entgegen gesetzt war, nothwendig fühlen mußte, und sprach ruhig: »Ja, es ist allerdings Herr Elliot. Er hat vermuthlich die Stunde seiner Abreise geändert, das ist alles, oder vielleicht irre ich mich und habe nicht recht gehört.«

Sie ging zu ihrem Stuhle zurück, wieder gefaßt, und mit der angenehmen Hoffnung, sich gut heraus geholfen zu haben.

Als der Besuch weg war, wandte sich Karl Musgrove zu seiner Mutter mit den Worten: »Nun, Mutter, ich habe etwas gethan, das Ihnen gefallen wird. Eine Loge für morgen Abend habe ich genommen. Nicht wahr, das ist gut? Ich weiß, Sie sehen gern ein Schauspiel, und es ist Platz für uns alle. Die Loge faßt neun Personen. Ich habe Capitain Wentworth eingeladen. Anna kommt gewiß auch gern zu uns. Wir sehen ja alle gern ein Schauspiel.«

Frau Musgrove antwortete freundlich, das Schauspiel wäre ihr ganz angenehm, wenn es Henrietten und den Uebrigen gefiele.

»Aber wie kannst Du an so etwas denken, Karl?« fiel Marie lebhaft ein. »Hast Du denn vergessen, daß wir morgen Abend zu meinem Vater gebeten sind? Wir sind ja ganz ausdrücklich eingeladen, um Lady Dalrymple und Fräulein Carteret und Herrn Elliot kennen zu lernen – unsre angesehensten Verwandten. Wie kannst Du so vergeßlich sein.«

»Bah! was ist denn eine Abendgesellschaft?« rief Karl. »Nicht werth, daß man sich daran erinnert. Dein Vater hätte uns wohl zu Tische bitten können, wenn er uns hätte sehen wollen. Thue was Du willst, ich gehe in's Schauspiel.«

»O Karl, das wäre ganz abscheulich! Du hast's ja versprochen, zu kommen.«

»Nein gar nichts versprochen. Ich lächelte nur und verbeugte mich, und sagte das Wort – glücklich. Das war kein Versprechen.«

»Aber Du mußt gehen, Karl. Es würde unverzeihlich sein, wenn Du ausbliebest. Wir wurden ja ausdrücklich gebeten, um vorgestellt zu werden. Es war immer eine so innige Verbindung zwischen der Familie Dalrymple und uns. Es begab sich nie etwas auf der einen oder der andern Seite, was nicht augenblicklich wäre gemeldet worden. Du weißt ja, wir sind ganz nahe Verwandte, und Herr Elliot auch, den Du ja nothwendig kennen lernen mußt. Herr Elliot hat auf jede Aufmerksamkeit Anspruch. Bedenke nur, meines Vaters Erbe – das künftige Haupt der Familie.«

»Ich mag nichts hören von Erben und Familienhäuptern,« sprach Karl. »Ich gehöre nicht zu Denjenigen, welche die herrschende Macht vernachlässigen und sich vor der aufgehenden Sonne bücken. Wenn ich nicht um Deines Vaters willen gehen wollte, so würde ich's für schmählich halten, um seines Erben willen zu gehen. Was geht Herr Elliot mich an!«

Diese gleichgiltige Aeußerung gab Anna neues Leben. Sie sah, daß Wentworth ganz aufmerksam horchte und bei den letzten Worten seine forschenden Blicke von ihrem Schwager auf sie heftete.

Karl und Marie sprachen noch eine Weile in demselben Tone; er, halb im Ernste, halb scherzend, bestand auf dem Vorsatze, ins Schauspiel zu gehen, sie aber widersprach ihm unverändert ernstlich und sehr lebhaft; aber sie vergaß nicht, zu erklären, sie wäre zwar entschlossen, zu ihrem Vater zu gehen, würde sich aber für unfreundlich behandelt halten, wenn man ohne sie in's Schauspiel gehen wollte.

»Wir schieben es doch lieber auf,« fiel Frau Musgrove ein. »Karl, es wird besser sein, wenn Du die Loge für künftigen Dienstag bestellst. Es wäre Schade, wenn wir uns theilen müßten, und wir würden Fräulein Anna auch verlieren, wenn bei ihrem Vater Gesellschaft ist. Gewiß, Henriette würde sich so wenig aus dem Schauspiele machen, als ich, wenn Fräulein Anna nicht bei uns sein könnte.«

Anna war ihr für diese gütige Gesinnung aufrichtig verbunden, zumahl da sie dadurch Gelegenheit erhielt, mit entschiedenem Tone ihr zu sagen: »Wenn es bloß von meiner Neigung abhinge, so würde die Gesellschaft bei meinem Vater – ausgenommen um meiner Schwester Marie willen – das geringste Hinderniß sein. Ich finde kein Vergnügen in einer solchen Gesellschaft, und würde sie sehr gern mit einem Schauspiele vertauschen, zumahl an ihrer Seite. Aber vielleicht wäre es besser, nicht daran zu denken.«

Sie hatte es gesprochen, aber sie zitterte, als es geschehen war, weil sie fühlte, daß man auf ihre Worte horchte, und sie wagte es nicht, die Wirkung derselben zu beobachten.

Es wurde bald verabredet, daß man am Dienstage in's Schauspiel gehen wollte; Karl aber neckte noch immer seine Frau, indem er darauf bestand, das Schauspiel besuchen zu wollen, und wenn auch sonst Niemand mitginge.

Wentworth verließ seinen Sitz und ging an's Kamin, vermuthlich um bald nachher wieder weg zu gehen, und mit minder offenbarer Absicht seinen Platz neben Anna zu nehmen.

»Sie sind noch nicht lange genug in Bath gewesen,« sprach er, »um die Annehmlichkeiten der hiesigen Abendgesellschaften kennen zu lernen.«

»O nein, diese Gesellschaften, wie sie gewöhnlich sind, haben nichts Anziehendes für mich. Ich bin keine Kartenspielerinn.«

»Auch früher waren Sie's nicht, ich weiß es. Sie liebten die Karten nicht, aber die Zeit ändert vieles.«

»Ich habe mich nicht so sehr verändert,« sprach Anna, und hielt plötzlich inne, weil sie Mißdeutung, sie wußte selber nicht welche, fürchtete.

Nach einer kurzen Pause sprach Wentworth, als wäre es aus augenblicklichem Gefühle hervor gegangen: »Es ist wohl eine lange Zeit: Acht und ein halbes Jahr ist eine lange Zeit!«

Es blieb Anna überlassen, nachzugrübeln, ob er die Absicht gehabt hätte, mehr zu sagen, denn als sie noch die Töne hörte, die er ausgesprochen, wurde sie durch Henrietten aufgestört, die gern den günstigen Augenblick zum Ausgehen benutzen wollte, und ihre beiden jungen Freundinnen auffoderte, keine Zeit zu verlieren, ehe wieder Besuch käme.

Man wollte aufbrechen. Anna sagte, sie wäre bereit, und gab sich Mühe, durch den Ausdruck ihrer Züge diese Versicherung zu bestätigen. Aber – sprach ihr geheimstes Gefühl – wenn Henriette wüßte, wie ungern ich diesen Stuhl verlasse, sie würde in ihren Empfindungen für ihren Vetter, in ihrem Vertrauen auf seine Neigung, Grund genug finden, mich zu bemitleiden.

Im Begriffe, auszugehen, wurden sie plötzlich gestört. Man hörte wieder Besuch kommen, und als die Thüre geöffnet wurde, und der Baronet mit seiner Tochter hereintrat, schienen alle frostig zu werden. Anna fühlte sich einen Augenblick gedrückt, und wohin sie nur sah, zeigte sich dieselbe Regung. Man ließ die behagliche, unbefangene, heitere Stimmung der Gesellschaft in kalte Fassung, entschlossenes Schweigen oder schales Geschwätz übergehen, um der herzlosen Feinheit ihres Vaters und ihrer Schwester zu begegnen. Sie fühlte mit Schmerz, daß es so war.

Ein Umstand aber war erfreulich. Wentworth ward von Beiden wieder als Bekannter begrüßt, und von ihrer Schwester Elisabeth freundlicher, als im Konzertsaale. Elisabeth erwog allerdings eine große Maßregel, wie die Folge zeigte. Als man ein Paar Minuten in herkömmlichem Geschwätze über Nichtigkeiten verloren hatte, machte Elisabeth ihre Einladung auf den Abend des nächsten Tages, wo sie einen Kreis von wenigen Freunden zu versammeln wünschte. Sie sagte alles ungemein artig, und legte die Einladekarten, womit sie sich versehen hatte auf den Tisch, indem sie Alle mit einem höflichen Lächeln ansah, und auch Wentworth wurde durch einen lächelnden Blick begrüßt, als sie ihm seine Karte gab. Elisabeth war lange genug in Bath gewesen, um zu wissen, daß ein Mann, wie er, etwas zu bedeuten hatte. Das Vergangene wurde nicht mehr beachtet, und jetzt wußte man, daß Capitain Wentworth sich in ihrem Besuchzimmer sehr gut ausnehmen würde.

Als die Karten abgegeben waren, entfernte sich der Baronet mit seiner Tochter. Nach der kurzen, aber unangenehmen Störung wurden die Meisten wieder unbefangen und munter, nur nicht Anna. Sie konnte nur an die Einladung denken, die sie zu ihrem Erstaunen gesehen, und an die Art, womit Wentworth, eher zweifelnd und überrascht, als erfreut, eher mit höflicher Anerkennung, als mit beifälliger Zusage, sie angenommen hatte. Anna kannte ihn; sie sah Verachtung in seinem Auge, und wagte es nicht, zu glauben, daß er einen solchen Antrag als Vergütung für die früher erfahrene unartige Behandlung annehmen wollte. Ihr Muth sank. Wentworth hielt die Karte noch immer in der Hand und schien sie ernstlich zu betrachten.

»Denke doch nur, Alle hat Elisabeth mit eingeschlossen!« flüsterte Marie sehr vernehmlich. »Ich wundere mich nicht, daß Capitain Wentworth so erfreut ist. Du siehst ja, er kann die Karte gar nicht aus der Hand legen.«

Anna traf sein Auge. Sie sah seine Wangen glühen, um seinen Mund einen flüchtigen Ausdruck der Verachtung, und sie wendete sich weg, um nicht noch mehr zu sehen, oder zu hören, das ihr wehe thun mußte.

Die Gesellschaft trennte sich. Die Männer hatten ihre eigenen Wege, und die Frauen gingen auch zu ihren Geschäften. Anna wurde eingeladen, zum Mittagessen wieder zu kommen und ihnen den ganzen Tag zu schenken; aber nach der lebhaften Gemüthsbewegung, die sie erfahren hatte, paßte nichts für sie, als zu Hause zu sein, wo sie so still sein konnte, als sie wollte.

Sie schied mit dem Versprechen, ihren Freunden den ganzen folgenden Morgen zu widmen, und ging nach Hause. Bis zu Ende des Tages hörte sie fast von nichts anderm, als von den geschäftigen Anordnungen ihrer Schwester und der Hausfreundinn für den folgenden Tag, nichts als die häufige Aufzählung der Eingeladenen, nichts als die stets verbesserten Mittheilungen von allen Verschönerungen, wodurch man die Abendgesellschaft zur feinsten in Bath machen wollte. Immer aber quälte sie sich dabei mit der stets wiederkehrenden Frage, ob Wentworth kommen werde, oder nicht. Man erwartete es zuversichtlich, aber Anna war darüber in einer ängstlichen Bekümmerniß, welche sie nie, auch nur auf wenige Minuten, zu beschwichtigen vermochte. Sie glaubte zwar, er werde kommen, weil sie glaubte, er sollte es thun; aber der Fall war von der Art, daß sich nicht geradezu bestimmen ließ, er wäre durch die Gesetze der Pflicht, oder der Weltklugheit so sehr dazu verbunden, daß die Regungen ganz entgegengesetzter Gefühle nicht dagegen aufkommen könnten.

Sie erhob sich nur aus dem Traume dieser unruhigen Bewegung, um Frau Clay zu erkennen zu geben, daß man sie mit Elliot drei Stunden später, als seine Abreise bestimmt gewesen war, gesehen hatte. Sie wartete eine Zeitlang vergebens, von der Hausfreundinn etwas über jene Zusammenkunft zu hören, und als sie sich endlich entschloß, des Umstandes zu erwähnen, glaubte sie das Bewußtsein der Schuld in den Zügen der Frau Clay zu sehen. Es war jedoch nur eine flüchtige, augenblickliche Regung, aber es schien sich darin das Geständniß zu verrathen, sie habe sich, entweder durch ein Gewebe gegenseitiger Ränke, oder durch die siegende Gewalt seiner List, gezwungen gesehen, seine Strafpredigten und beschränkenden Weisungen in Beziehung auf ihre Absichten auf den Baronet, anzuhören.

Frau Clay erwiederte mit ganz erträglich nachgeahmter Natürlichkeit: »Lieber Himmel, ja freilich! Denken Sie nur, Fräulein Elliot, wie es mich überraschte, Herrn Elliot auf der Straße zu begegnen! Ich bin nie so erstaunt gewesen. Er ging mit mir bis zum Brunnenhause. Er ist abgehalten worden, nach Thornberry zu reisen, aber ich habe in der That vergessen, wodurch. Ich war so eilig, daß ich nicht genau auf ihn hören konnte, und ich weiß nur, daß er entschlossen ist, seine Rückkehr nicht zu verzögern. Er wünschte nur zu wissen, wie früh er morgen seinen Besuch machen könnte. Er war ganz voll von morgen, und ich bin es gewiß auch gewesen, seit ich wieder zu Hause bin, und von der Ausdehnung Ihres Planes hörte, sonst hätte ich ja nicht so ganz vergessen können, daß ich ihn gesehen habe.«



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