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Niederkunft der Gräfin. Tod des Herzogs von A...
Noch drei Monate vergingen, als sie in der Nacht von einem schönen blonden Knaben entbunden wurde, der zu ihrer Verwunderung des Grafen Züge und ein dunkeles Mal auf seinem Herzen trug, das der Familie des Grafen eigen, von allen als das sichere Zeichen einer reinen Geburt angesehen wurde. Kaum wollte sie es sich, ungeachtet aller dieser Zeichen, eingestehen, daß ihre Schuld wenigstens ohne einen lebendigen wachsenden Vorwurf geblieben; freudig bewies es ihr der Graf mit zärtlicher Beredsamkeit, daß sie endlich nachgeben mußte, aber sich noch immer wie aus einem schweren Traum erwacht fühlte, und immer noch nicht glauben konnte, daß es ein bloßer Traum gewesen. Jetzt war ihr verziehen vom Grafen, innig und vollkommen, seit dies sein Kind, das entweihte Heiligtum keuscher Liebe wieder geweiht hatte. – Kaum waren die bedenklichen Zeiten des Wochenbettes vorüber, so gestand ihr der Graf, daß seine Liebe durch dieses Kind ihr von neuem auf ewig zugeeignet, nur dieses Schloß und sein Landgut, wo er mit ihr die ersten Zeiten reiner Zärtlichkeit gefeiert, und ihre Schuld betrauert, würde ihrer beider Gefühlen ein ewiger Vorwurf bleiben; mit Christus wolle er freilich zu jedem sagen, der sie verdammen wolle: wer sich unschuldig fühlt, der werfe den ersten Stein auf sie; aber diese Steine, die sie in seligen Augenblicken mit mancher sinnvollen Inschrift bezeichnet, sie waren schon drohend gegen das neue Glück gerichtet, das sich endlich nach treu überstandner Prüfung in wiedergewonnener Reinheit entwickeln müsse. Sie fühlte ganz wie er, und hätte auch in jedes andre gewilligt, was seine Ruhe gefördert hätte; sie sah ein, wie viel mehr er aufgebe in dieser Trennung, wovon er nichts erwähne: lange Arbeiten und alle schönen Lebensplane, in der Jugend empfangen, vom Manne ausgeboren in schönen, wohltätigen Einrichtungen, eigentlich alles, was außer ihr ihm je wert gewesen – und hätte sie nicht schon so lange Reue ertragen gelernt, der Augenblick hätte sie vernichtet. Aber wohin gedenkst du? fragte sie in Verwirrung. – Zu deiner Schwester, antwortete der Graf; lies diesen trostlosen, schwarz gesiegelten Brief, worin sie den schnellen Tod des Herzogs uns anzeigt, der wahrscheinlich von der Verwandlung seiner ganzen Lebensweise dahin gerafft worden; sie schreibt es seiner Heiligung zu. Er läßt sie im Besitze eines unermeßlichen Vermögens kinderlos zurück. – Ernstlich fleht sie uns an zu ihr hinzureisen; gern möchte sie unsere Kinder zu Erben einsetzen und erziehen; sie müssen unter ihren Händen, mit ihrem Segen gedeihen. – Der Stolz der Gräfin erwachte hier zum letztenmal: Lieber Karl, sagte sie, aber wie soll ich Schuldige vor der Frommen erscheinen? – Wie vor Gott, antwortete der Graf; gestehe ihr deine Schuld, und ihre Liebe versöhnt dich mit dir selbst! –