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Überdruß der Gräfin gegen das Landleben
Wir wollen uns nicht wehmütiger machen mit dem Wiedererzählen der Totenfeier des Kleinen, der die vereinte Teilnahme des Grafen und der Gemeine eine Feierlichkeit schenkte: das letzte Geschenk; mir wird bei diesem traurigen Einhalte des frohen Laufes ländlicher Freuden, als erblinde ich plötzlich; manches nahe fröhlich Sichtbare verschwindet mir, und selbst der Anblick der schönen Gräfin, der mich so oft erquickt, läßt eine leere Sehnsucht in mir zurück. Sie selbst fühlte diese Öde wohl am schwersten, und viel länger schon, denn eigentlich nahm sie keinen eigenen Anteil an den Erzählungen anderer, die uns unterhalten haben; sie kam meist dabei auf fremde Gedanken an die Stadt und ihre Bekannte dort. An den Beschäftigungen des Grafen fand sie noch weniger Geschmack; ihre Umstände widerriefen ihr das Reiten und die Jagd, an denen sie Gefallen fand, und die einzige Gesellschaft, die ihr behaglich, die des Barons und der tollen Ilse war ihr verloren. Doch läßt sich alles bei schönem Wetter und im frischen Grün ertragen, wenn aber die Blätter gelben, abfallen und am Boden rauschen, die starren Herbstblumen mit ihren geruchlosen Blättern vorscheinen, der Sämann im Nebel ernst über den schwarzen Acker schreitet. Ach! warum haben wir den ziehenden Vögeln so oft nachzurufen, und sie bleiben doch nicht; statt ihres freundlichen Morgengrußes aus heitrer Höhe, statt ihres Abendrauschens in den dichten Kastanien vor dem Schlosse, tönt Morgens und Abends ein rastloses Sausen der Luft, die vergebens ein Winterlager sucht und Fenster und Türen dicht gegen sich verschlossen findet. Hat eine junge lebendige Frau dieses Sausen einen Tag angehört auf hochgelegenen Schlössern, den Schlag der Axt in den Wäldern vernommen, und die hochbelaubten Häupter niederstürzen sehen, – in die Nebel zwischen den Bergen dann stundenlang hingeblickt, ohne eigene Beschäftigung, einsam, körperlich leidend, und kommt dann der lange Abend bei einem rauchenden Kamine und kommt der langersehnte Briefbote, und sie liest da Briefe aus der Stadt, die von unzähligen Lustbarkeiten unterbrochen sind, aber immer das Verlangen aller Jugendfreundinnen wiederholen, daß sie zurückkehren möchte: es kann doch eine trübe Stunde ihr machen, wo sie ihres jungfräulichen Standes mit Sehnsucht denkt, ihrer goldnen Freiheit, des leichten Tanzes, der unbestimmten Hoffnung, die weit über alles bestehende Glück hinaus ihre nährenden luftsaugenden Zweige treibt.
Und so saß einst die Gräfin in Tränen beim Kamine und die Lichter waren ungeputzt heruntergebrannt, als der Graf voll Ärger über einen Wassersturz, der eine seiner schönsten Gartenanlagen zerstört hatte, ins Zimmer trat, um bei ihr Trost zu suchen. Auch er hatte noch nicht die dem Landwirte vor allen andern Menschenklassen notwendige Gelassenheit gewonnen, die auf jeden Verlust gefaßt, an tausend Anker ihre Wünsche legt; ein Verlust in Nebensachen konnte ihm ein ganzes Unternehmen verhaßt machen und für diesen Herbst gab er diesmal, wegen des einen Unfalls, alle Pflanzungen im Garten auf, zu denen schon alle Gruben ausgegraben waren. So im Aufgeben langgehegter Wünsche trat er zu seiner Frau; sie wollte ihm erst die Ursache ihrer Tränen nicht entdecken, aber das war nur scheinbar, sie war entschlossen noch den Abend alle ihre Anklagen gegen das Land ausströmen zu lassen, und so entwickelte sich eine Fülle von Mißvergnügen und Übelbefinden über den Grafen, daß er mit den nächsten Tagen aus sorglicher Liebe für Frau und Kind heim zu kehren beschloß. Nie wurde ihm eine Äußerung zärtlicher belohnt.